Merkblatt - DRK Riesenbeck

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Merkblatt
Unterkühlung: Überleben trotz Herzstillstand
Die Winterkälte fordert immer wieder Todesopfer: In unseren
Breitengraden sind vor allem Alpinisten gefährdet: Stürze in
Gletscherspalten und Lawinen enden oftmals tragisch. Lawinenopfer
sterben zum grössten Teil an Ersticken. Wer jedoch Glück im Unglück
hat und dank einer Luftkammer genug Sauerstoff bekommt, hat
Chancen zum Überleben. Sogar wenn sich der Körper so stark
abkühlt, dass der Kreislauf zum Stillstand kommt.
Studien an über 30 Überlebenden von Lawinenkatastrophen zeigen,
dass die Körpertemperatur bei den Opfern um durchschnittlich drei
Grad pro Stunde linear absinkt.
Von Unterkühlung (Hypothermie) spricht man, wenn die Temperatur
im Körperinneren unter 35 Grad abfällt. Experten unterscheiden drei
Schweregrade von Hypothermie.
Milde Hypothermie
Der Körper versucht bei einer Körpertemperatur von 32 bis 35 °C die
Körperkerntemperatur konstant zu halten und produziert Wärme
durch automatisiertes Muskelzittern. Der Puls steigt. Zusätzlich
ziehen sich die Blutgefäße in den Extremitäten zusammen und
verringern die Durchblutung der äußeren Körperregionen
(Zentralisation). Es entsteht eine Schale, in der das kalte Blut bleibt.
Das wärmere Blut sorgt dafür, dass die lebenswichtigen inneren
Organe und das Gehirn ihre Funktionen aufrecht erhalten können.
Mittelgradige Hypothermie
Sinkt die Temperatur auf 32 bis 28 Grad, hört das Muskelzittern auf.
Atmung und Herzschlag verlangsamen sich. Die Hirnfunktionen sind
beeinträchtigt. Das Bewusstsein des Patienten trübt immer mehr ein.
Diese Bewusstseinsstörung kann soweit gehen, dass man von
Kälteidiotie spricht. Bereits in dieser Phase kann das Opfer in
Bewusstlosigkeit fallen. Diese zweite Stufe kann nach zirka einer
Stunde in der Kälte auftreten.
Schwere Hypothermie
Nach durchschnittlich 90 Minuten wird es lebensgefährlich: Die
Temperatur sinkt auf weniger als 28 °C ab, es kommt zum Verlust
des Bewusstseins, später zu einem Atem- und Kreislaufstillstand
infolge von Herzrhythmusstörungen. Lichtstarre Pupillen und
Lähmung der Muskulatur kommen hinzu. Es ist nur noch schwer
möglich eindeutig zu bestimmen, ob die unterkühlte Person noch lebt
oder bereits tot ist. Sie ist scheintot.
Behandlung
Patienten in den ersten zwei Hypothermie-Stufen können von aussen
erwärmt werden. Warme decken und warme Getränke genügen um
den Körper langsam wieder auf Normaltemperatur zu bringen. Bei
einer schweren Hypothermie ist es bei der Bergung wichtig, dass der
Patient so wenig wie möglich bewegt wird. Das Herz ist dann so
empfindlich, dass es durch Bewegung zum Herzstillstand kommen
kann. Im Gehirn sind keine Funktionen mehr messbar. Man spricht
von Bergungstod. Aber selbst diesen klinischen Tod kann der Patient
einige Stunden überleben.
Vom Tod zurück ins Leben
Der weltweit bekannte Hypothermie-Spezialist Beat Walpoth vom
Genfer Universitätsspital hat schon zahlreiche klinisch tote
Unterkühlungsopfer wieder ins Leben zurückgeholt. Dies gelingt dank
dem Einsatz der Herz-Lungen-Maschine. Durch Zuführen von
Sauerstoff und warmem Blut wird der Kreislauf wieder in Gang
gesetzt. Diese in der Schweiz entwickelte Methode wird mittlerweile
weltweit angewandt. Die Überlebenschancen liegen bei 50 Prozent.
Folgeschäden
Laut Beat Walpoth leiden alle hochgradigen Hypothermie-Opfer an
Folgeschäden. Das kann von Lähmungen bis zu Hirnstörungen gehen.
Für praktisch alle aber gilt: nach einigen Monaten oder Jahren sind
keine Folgeschäden mehr bemerkbar, alle Funktionen sind wieder
hergestellt. Krassestes Beispiel ist eine norwegische Ärztin, die eine
Unterkühlung von 13 Grad überlebte, ein Jahr lang gelähmt war und
heute wieder normal funktioniert.
Therapeutische Hypothermie
Bei grossen Operationen am Herzen und am Gehirn wird eine
Unterkühlung absichtlich eingeleitet. Dies geschieht durch Ableitung
des venösen Blutes in die Herz-Lungen-Maschine, in der das Blut auf
bis unter 20 Grad heruntergekühlt und wieder dem Blutkreislauf
zugeführt wird. Dadurch wird der Stoffwechsel verlangsamt. Das Ziel
ist, Folgeschäden zu verhindern oder zu verringern.
Wenig Wissenschaftliche Daten
Bisher gibt es nur wenige wissenschaftliche Daten über schwere
Hypothermie-Fälle. Das hat seine Gründe: Zahlreiche äussere
Faktoren spielen eine Rolle. So ist der Verlauf in jedem Fall anders,
die persönliche Konstitution spielt eine ebenso entscheidende Rolle
wie Kleidung und Witterungsbedingungen. Dazu kommt, dass es
weltweit nur relativ wenige schwere Fälle gibt.
Eine bessere statistische Übersicht verspricht sich Beat Walpoth von
einem internationalen Register, das er ins Leben gerufen hat und
dass seit Beginn dieses Jahres in Betrieb ist.
Links:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hypothermie
http://www.medknowledge.de/abstract/med/med2002/04-2002-7hypothermie.htm
Experte im Beitrag:
Beat Walpoth
Direktor Departement für kardiovaskuläre Forschung
Universitätsspital Genf
Rue Gabrielle-Perret-Gentil 4
1211 Genève 14
Quelle: www.puls.sf.tv
Weitere Merkblätter unter: http://www.sf.tv/sf1/puls/pdfsuche.php
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