Aktuelle Herausforderungen der Infektionsprävention PD Dr. med. Christian Brandt Institut für Med. Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Goethe-Uni Beratender Krankenhaushygieniker des Landeskrankenhauses (AöR) Neue Probleme • Steigende MRE • Importierte Infektionen (?) • Ärzte-/Pflegekräfte-Mangel bei steigendem Durchlauf immer kränkerer Patienten weniger zeitliche/personelle Ressourcen • Stagnation bei der Umsetzung der Basishygiene / Standardhygiene (?) Flüchtlinge: Herkunftsländer ~50 % aus Syrien und Afghanistan Hochprävalenzländer (high-prevalence countries, HPC) für MRGN und MRSA! Deutsche Daten basieren auf 199 Blutkultur-Isolaten: davon 12 (6%) 4MRGN EARS-Net report, ecdc.europa.eu Eigene Erfahrung • „Medizintouristen“ bzw. im Ausland schwer erkrankte und nach Deutschland zurückgeholte Patienten im Ausland stationär behandelt • Prävalenz MRGN bis zu 80%, davon bis zu 50% 4MRGN Acinetobacter baumannii • (unpublished data, Ch.Brandt 2011-2015, Manuscript in preparation, Reinheimer 2016) MRE bei Flüchtlingen Daten aus Eingangsscreening in Kliniken im Rhein-Main-Gebiet Untersucht bei Klinikaufnahme Klinik 1 Untersucht auf MRSA; n 143 MRSA positiv; n 8 MRSA positiv; % 5,6 Untersucht auf MRGN 143 3MRGN positiv; n 44 3MRGN positiv; % 30,8 4MRGN positiv; n 3 4MRGN positiv; % 2,1 Klinik 2 97 10 10,3 73 12 16,4 1 1,4 Klinik 3 74 9 12,2 74 5 6,8 0 0,0 Klinik 4 19 0 0,0 14 3 21,4 0 0,0 Folie von Prof. Dr. U. Heudorf, Mai 2016 Klinik 5 13 0 0,0 10 1 10,0 0,0 summe 346 27 7,8 314 65 20,7 4 1,3 Vorgehen Uniklinik • Patienten mit Kontakt zum ausländ. Gesundheitswesen: – Screening (MRSA, MRGN) – Bei Hochrisiko-Ländern: Isolierung für gesamten Aufenthalt • Flüchtlinge (bis 1 Jahr nach Auszug aus „Massenunterkunft“) – Screening auf MRSA (Nase/Rachen, ggf Wunden) – Screening auf MRGN/ESBL (Rektal) – Isolierung bis einmal negativ FAZIT • Flüchtlinge tragen wesentlich häufiger 3MRGN als einheimische Bevölkerung (primär keine Hygienerelevanz) • 4MRGN bei Flüchtlingen kaum erhöht, deutlich weniger als bei „Medizintouristen“ • Vorsorgliche Isolierung von stationär aufzunehmenden Flüchtlingen wegen relativ hoher MRSA-Prävalenz • „ Wir schaffen das ! “ medizinisch angemessene, auch stationäre Behandlung von geflüchteten Menschen, ohne MRE- Gefährdung für die einheimische Bevölkerung G7-Gipfel Schloss Elmau • Merkel „Gesundheit global denken“: Kampf gegen Tropenkrankheiten und Multiresistenz auf internationale Agenda bringen • TAZ: „Das ist ein Novum. Bislang spielten Gesundheitsthemen auf internationalen Wirtschaftsgipfeln eher eine Nebenrolle. Inzwischen aber hat nicht nur die deutsche Regierung erkannt: Gesundheit ist die zentrale Voraussetzung für Ausbildung, Arbeitsfähigkeit – und damit den ökonomischen Wohlstand von Gesellschaften schlechthin.“ • Ergebnis (ntv.de): „G7 stellen aber kein neues Geld bereit, sondern wollen lediglich ihre Forschung besser koordinieren. • Verschreibungspflichten sollen durchgesetzt werden. Kreis der Antibiotika-Resistenz ABS-Team Selektion mehr Breitspektrum AntibiotikaAnwendung höhere MRE-Last neue MRE-Fälle Übertragung Hygiene-Team Nosokomiale Infektionen • Problematisch: primär die Infektion, weniger die (asymptomatische) Kolonisation • Die meisten Infektionen sind weiterhin nicht mit multiresistenten sondern mit „normalen“ Erregern“ • Wo stehen wir aktuell ? Gastmeier, Fäkenheuer, April 2015, Deutsches Ärzteblatt Prävalenz nosokomialer Infektionen in deutschen Krankenhäusern, insgesamt 5% zweite nationale Prävalenzstudie in Deutschland Behnke et. al., Deutsches Ärzteblatt 2013 • Klinische Symptome Mikrobiologische Befunde Infektion - Erregernachweis ohne klinische Symptome: Kontamination? Kolonisation? Nur ausnahmsweise behandeln (z.B. Bakterieurie bei Schwangeren) Plausibler, relevanter Erreger nachgewiesen Therapie gemäß Resistogramm Wenn hinweisend auf (schwere) Infektion Empirische Therapie wenn irgend möglich vorher relevantes Material zur mikrobio-logischen Untersuchung gewinnen. Antibiotika bei ambulanten Patienten wo stehen wir ? • • • Bätzing-Feigenbaum, Jörg; Schulz, Maike; Schulz, Mandy; Hering, Ramona; Kern, Winfried V. Antibiotikaverordnung in der ambulanten Versorgung Dtsch Arztebl Int 2016; 113(26): 454-9; DOI: 10.3238/arztebl.2016.0454 Lösungen Alt - und bewährt - Desinfektion von Händen, Med. Geräten - Korrekter Umgang bei Arbeit am Patienten, insbesondere Zugänge, Katheter etc. • Neu & innovativ – Gezielte Antibiotika-Anwendung (Antibiotic Stewardship) Prävention von Harnwegsinfekionen • Multicenter-Studie Saint, S. et al. • 603 Krankenhäuser, USA Aktuelle Studie: Saint S et al., NEJM 2016 • Intervention: nichts „Neues“, aber bewährte Maßnahmen konsequent umsetzen Normalpflegestation – Harnweg(Dauer)-Katheter vermeiden, tägliche Indikation überprüfen – Aseptische Technik beim Legen und Umgang N Engl J Med 2016; 374:2111-2119; June 2, 2016 ITS: Reduktion der HWI nur um 1% Tägliche Indikationsprüfung von Harnwegkathetern Dauerkatheter (DK), suprapubische Katheter(SPK) Gemäß Hygieneplan gelten folgende Indikationen für Harnwegkatheter (DK bzw. SPK): • Urologische Indikationen: drohender Harnverhalt, Schonung der Harnröhre nach Interventionen • Exakter Sammelurin erforderlich (Bilanzierung oder Untersuchung) • Im Rahmen des postoperativen Managements für 3 Tage • Ausnahmsweise in palliativer Situation auf Patientenwunsch • Ausnahmsweise bei Dekubitus (nach Rücksprache mit dem Wundmanagement) Das Fortbestehen der Indikation ist täglich ärztlich zu überprüfen und das Ergebnis dieser Prüfung ist zu dokumentieren. Basishygiene Standardhygiene Reservoire nosokomialer Erreger theoretisch „vollständig“ vermeidbar • Exogen •• Menschen (andere Patienten / Personal) • unbelebte Umwelt (Nasszellen, Geräte, ….) • Lebensmittel (insbes. bei Immunsupprimierten) theoretisch nur (sehr) eingeschränkt vermeidbar! • Endogen • Flora des Respirationstrakts (S.aureus, Streptokokken, Candida) • Darmflora (Enterokokken, Enterobacterien wie z.B. E.coli) • Hautflora (Koagulase-negative Staphylokokken, Propionibakterien) Infektionsprävention Isolierungsmaßnahmen (Übertragungsweg abhängig) • Pers. Schutzausrüst. (Überkittel, Handschuhe, etc.I • räumlich Infektionsprävention bei risikoträchtigen Maßnahmen (z.B. Umgang mit parenteraler Therapie, Beatmung) Maßnahmen in besonderen Bereichen (z.B. OP, Transplantationsstation) BASIS (Standard) -Hygiene Bei allen Patienten, durch alle Mitarbeiter, im gesamten Gesundheitswesen Händehygiene, persönliche Hygiene, Geräte-/ Flächenhygiene Händedesinfektion ist nicht alles…. aber ohne HD ist alles nichts • In vielen Kliniken: trotz jahrelanger Schulung kaum Anstieg des HDM-Verbrauchs (+) Gezielte auf notwendige Situationen fokussierte HD (-) hohe Personalfluktuation • Kennen Ihre Mitarbeiter die 5 Indikationen zur Händedesinfektion auswendig? WHO: 5 Indikationen der Händedesinfektion Vorbildlich „bare below the elbows“ - Das UV-Licht zeigt jedoch Verbesserungsbedarf bei der Einreibetechnik: Handrücken (und Daumen) müssen mehr Händedesinfektionsmittel abbekommen! (Nur wo bei diesem Test das spezielle fluoreszierende Händedesinfektionsmittel eingerieben wurde, leuchtet die Haut hellblau) Hygienisch korrektes Arbeiten Trennung von REIN und UNREIN sinnvolle Planung von Arbeitsabläufen Lernen und Anwenden (wollen / können) Arbeitsschritte konsequent durchführen (Störungen!) Hygieneschulungen sind gut und wichtig, ohne ausreichend zur Umsetzung des Geschulten motiviertes med. Personal gibt es keinen Erfolg! Aufbereitung von „Medizinprodukten“ • Unkritisch (Stethoskop, RR-Manschette): durch Nutzer bei Bedarf (bei Kontamination, nach isolierten Patienten) reinigen, desinfizieren • Semikritisch (z.B. Endoskope, best.Schallköpfe): nur nach Reinigungs+Desinfektions-Plan ! reinigen, desinfizieren • Kritisch: reinigen, desinfizieren, sterilisieren (Qualitätssicherung: in Deutschland Zertifizierung nach DIN ISO 13485) „unkritische“ Medizinprodukte: heute für absolut höhere Zahl von Übertragungen verantwortlich! • Z.B: fahrbares Sonographiegerät, EKG Aufbereitung (Wischdesinfektion) „vergessen“, unklare Verantwortlichkeit (Schnittstelle Berufsgruppen) Unterbrechung von Infusionen („Abstöpseln“) – Grauzone ?? Gute klinische Praxis: • HD vor jeder Manipulation am Gefäßkatheter/Infusionssystem • Desinfektion der Konnektionsstellen • Frische sterile Verschlussstopfen • Haltbarkeit der Medikamente beachten • Gesamtinfusionsdauer (ab Anhängen) beachten, verlängert sich nicht • Kurzinfusionen möglichst nicht unterbrechen