Skript-Heinzelmann

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Elektrotechnik
und Halbleiter 1
Vorlesungsskript
für das Studienjahr 2013/2014
A. Heinzelmann
Grundbegriffe
1
1
Grundbegriffe
Lernziele:
 Was ist Ladung?
 Wie fliessen diese Ladungen durch einen Draht?
 Wie transportiert der Strom die Energie?
 Was versteht man unter Strom und Stromdichte?
 Wie sind die elektrische Leistung, die elektrische Energie und die Spannung definiert?
1.1
Elektrische Ladung
+
–
Bild 1-1 Batterie
Definitionen:
•
«negativ geladen» = Elektronenüberschuss
•
«positiv geladen» = Elektronenmangel
Man bezeichnet den Gegenstand, von dem die Kraftwirkung ausgeht, als geladen und sagt, er trägt
eine Ladung (charge) Q. Es gibt zwei Arten von Ladungen:
Gleichartige Ladungen stossen einander ab;
ungleichartige Ladungen ziehen einander an.
Die unterschiedlichen Arten der Ladung werden als:
positive Ladung „+“ und „–“ gekennzeichnet.
Jede Ladung ist an einen Ladungsträger (charge carrier) gebunden. Die Grundbausteine sind die
Atombausteine Elektron und Proton; ihre Ladung wird Elementarladung (elementary charge) e
genannt.
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2
1.1 Elektrische Ladung
Ein Modell ist ein gedankliches Hilfsmittel, das einen unanschaulichen Vorgang oder
Zusammenhang in einfacher und damit leicht verständlicher Form beschreibt.
Bild 1-2 Modell des Aluminiumatoms
Jedes Proton trägt eine positive, jedes Elektron eine negative Elementarladung; Neutronen sind
ungeladen.
Tabelle 1-1:
Formelbuchstaben und Einheiten der elektrischen Ladung
Formelzeichen Protonenladung:
e
Elektronenladung:
-e
Formelzeichen Ladungsmenge:
Q
feste Ladungsmenge
q(t)
zeitlich variabel
Einheit Ladungsmenge
[Q] = [q] = Coulomb = C
Relationen zur Einheit:
1 C = 6.24 · 1018 e
Elementarladung
1 e = 1.60 · 10−19 C
-e = -1.60 · 10−19 C
Die Vorgänge im Bereich von Atomen sind sehr kompliziert und noch nicht vollständig erforscht.
Man versucht deshalb, das Verhalten mithilfe eines Modells zu erklären.
Ein elektrisch neutrales Atom enthält genauso viele Elektronen wie Protonen; die Zahl der Protonen
bzw. Elektronen ist übrigens die Ordnungszahl des Atoms. Wird jedoch z. B. ein Elektron durch
Reiben des Stoffes von einem Atom entfernt bzw. hinzugefügt, so überwiegt die positive bzw.
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Grundbegriffe
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negative Ladung und das Atom wirkt elektrisch geladen; man sagt, es ist ionisiert. Das ionisierte Atom
wird als Ion (ion) bezeichnet.
Infolge der COULOMB-Kräfte sind Ionen bestrebt, sich durch Einfangen freier Elektronen
oder durch Anlagern an ungleichartige Ionen zu neutralisieren. Man bezeichnet dies als
Rekombination (recombination).
Ladungstrennung kann durch
 Reibung, Beispiele Influenzgenerator

Strahlung, Wärme, Beispiele Photovoltaik, Thermogeneratoren

elektrochemische Vorgänge, Beispiele Batterie,

Influenz (Nähe etwas ungeladenem), Beispiele Elektrostatische Rauchgasreinigungsanalge
Bild 1-3 Landungstrennung in der Atmosphäre
(links: Schönwetter, mitte: Ladungstrennung in den Wolken,
rechts: Ladungstrennung zwischen Wolken und Erde)
Die triboelektrische Reihe (tribos, griechisch: "eine Reibung") gibt ein Mass des Aufnahmevermögens
(Affinität) für Elektronen eines Materials an. Je weiter oben ein Material in der Reihe steht, desto
mehr Elektronen wird es bei Berührung an ein tiefer stehendes Material abgeben. Die tatsächliche
Quantität der Ladungstrennung hängt jedoch von weiteren Faktoren wie Temperatur,
Oberflächenbeschaffenheit usw. ab.
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4
1.1 Elektrische Ladung
ELEKTRONEN-ABGABE
Luftgase
Menschlicher Körper
Glas
Menschliches Haar
Nylon
Wolle
Seide
Aluminium
Papier
Baumwolle
Eisen
Holz: NEUTRAL


Hartgummi
Nickel, Kupfer
Messing, Silber
Gold, Platin
Kunstseide
Polystyren
Polyester
Polyurethan
Polyethylen
Polypropylen
PVC (Vinyl)
Silizium
ELEKTRONEN-AUFNAHME
Bild 1-4 Triboelektrische Reihe
Erkenntnisse aus der Ladungstrennung:
 Kontakt zwischen Materialien kann schon eine Ladungstrennung verursachen!
 Reibung erhöht Kontakte auf molekularer Ebene
 Übertragung von Ladungsträgern hängt ab vom Wasseranteil, Flüssigkeiten auf der
Oberfläche, Temperatur
 Ladungstrennung tritt immer bei jeder beweglichen Konstruktion auf
ELHL1 2013
Grundbegriffe
1.2
5
Elektrischer Strom
Als Strom (current) I bezeichnet man die geordnete Bewegung der Ladungen, die in einem
geschlossenen Stromkreis (circuit) stattfindet.
Bild 1-5 Einfacher Stromkreis mit Batterie und Lampe
Bild 1-6 Bewegung positiver und negativer Ladungsträger durch den Querschnitt A eines
Leiters und Richtungssinn des Stromes
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6
1.2 Elektrischer Strom
Tabelle 1-2:
Formelbuchstaben und Einheiten des elektrischen Stroms
Elektrische Stromstärke, Mittelwert
I = ΔQ / Δt
mit
Ladungsmengenänderung
am Zielort
ΔQ
stattfindend über die Zeit
Δt
Momentane elektrische
Stromstärke
i(t) = d q(t)/dt
Einheit elektrische Stromstärke:
[I] = [i] = Ampère = A
Formelzeichen Ladungsmenge:
Q
feste Ladungsmenge
q(t)
zeitlich variabel
Einheit Ladungsmenge
[Q] = [q] = Coulomb = C
Relationen zur Einheit:
1A=1C/s
1 C = 1 As
3600 C = 1 Ah
Tabelle 1-3:
Grössenordnungen für Stromstärke
Auftretensort
Stromstärke
LED (low current)
2 mA
Für den Menschen ungefährliche Stromstärke
< 50 mA
MP3-Player
100 mA
Wasserkocher
8A
Anlasserstrom im Fahrzeug
200 - 800 A
Fahrleitung
1 kA
supraleitenden Magnetspule
40 kA
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Grundbegriffe
7
Beispiel 1-1: Ladungsverlauf (10 min)
Gegeben ist ein Ladungsverlauf entsprechend dem nachfolgenden Diagramm:
Bestimmen Sie den mathematischen Ladungsverlauf q(t).
Berechnen Sie den Stromverlauf i(t).
1.3
Elektrische Stromdichte
Man bezeichnet den Quotienten aus der Stromstärke I und der Querschnittsfläche A des Leiters als
Stromdichte (current density) J:
J 
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I
A
(1-1)
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8
1.3 Elektrische Stromdichte
Die Einheit der Stromdichte ist zwar 1 A / m2, aber da Leiterquerschnitte im Allgemeinen in mm2
angegeben werden, verwendet man für J meist die Einheit 1 A / mm2.
Tabelle 1-4:
Formelbuchstaben und Einheiten zur Stromdichte
Stromdichte, Mittelwert
J=I/A
mit
Querschnittsfläche
A
Strom durch die
Querschnittsfläche
I
Momentane elektrische Stromdichte
j(t) = i(t) / A
Einheit elektrische Stromstärke:
[I] = [i] = Ampère = A
Einheit Stromdichte
[J] = A m-2
Bedingungen:
 Stromfluss muss überall senkrecht durch die Querschnittsfläche gehen
 Stromfluss muss homogen in der Querschnittsfläche verteilt sein
Bild 1-7 Bei unterschiedlicher Richtung von Stromdichtevektor und Flächenvektor muss die
Stromstärke vektoriell berechnet werden; bei gleicher Richtung von Stromdichtevektor und
Flächenvektor gilt die obige Formel
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Grundbegriffe
Tabelle 1-5:
9
Grössenordnungen für Stromdichte
Auftretensort
Stromswerte
Hausinstallation
16 A bei 1.5 mm2
20 A bei 2.5 mm2
Fahrzeuganlasser
800 A bei 16 mm2
Elektrischer Strom kann folgende Wirkungen haben:
 Beeinflussung von chemischen und biologischen Reaktionen
 Wärmeerzeugung
 Entstehung eines magnetischen Felds
 Abstrahlung von elektromagnetischen Wellen (z. B. Licht einer Glühlampe)
Beispiel 1-2: Kupferdraht und Stromdichte
In einer Anlageninstallation ist eine maximale Stromdichte von 6 A/mm2 vorgeschrieben. Es werden
Drähte mit einem Durchmesser von 1 mm verlegt. Wie gross ist der maximale Strom durch einen
Draht.
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10
1.4
1.4 Elektrische Spannung
Elektrische Spannung
Bild 1-8 Zwei geladene Körper
Das Bild 1-8 zeigt als Beispiel einen positiv geladenen Körper A mit der Ladung Qp = +Q und einen
negativ geladenen Körper B mit der Ladung Qp = -Q, bei denen die COULOMB-Kräfte eine
Anziehung bewirken. Sollen nun die beiden Körper entgegen der Kraftrichtung weiter voneinander
entfernt werden, so wird hierfür Energie benötigt.
Eine Ladungstrennung erfordert eine Energiezufuhr.
Der Quotient aus Energie W und Ladung gibt die elektrische Spannung oder kurz Spannung (voltage)
U.
U AB 
Tabelle 1-6:
W
Q
(1-2)
Formelbuchstaben und Einheiten zur elektrischen Spannung
Formelzeichen Spannung, Mittelwert:
U
Momentane elektrische Spannung:
u(t)
Einheit elektrische Spannung:
[U] = J / C= Volt = V
Relationen
1V = 1 J / (As)
Tabelle 1-7:
Grössenordnungen für Spannungen
Auftretensort
Spannungswert
Li-Ionen-Akkus
3.6 V
Bordnetz im Fahrzeug
13.8 V
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Grundbegriffe
11
Mittelspannung Oberleitung Bahn
15 kV
Hochspannungsnetz
110 kV und 220 kV
Höchstspannung
380 kV
Blitzentladung bei Gewitter
100 MV
Eine Spannungswertangabe macht nur Sinn bei Angabe Start- und Endpunkt. Mögliche
Bezeichnungen sind:
 U12 Spannung von Punkt 1 zu Punkt 2
 UX Spannung über dem Abschnitt/Element X, dazu muss noch Anfangs- und
Endpunkt bezeichnet werden, dies geschieht mit einem Pfeil in einer Darstellung:
Abschnitt X
z.B. eines Drahtstücks
1
2
U12
Bild 1-9 Spannung über einem Leitungsabschnitt
1.5
Leistung und Energie
Tabelle 1-8:
Formelbuchstaben und Einheiten zur elektrischen Leistung
Formelzeichen Leistung, Mittelwert:
P=UI
Momentane der elektrische Leistung:
p(t) = u(t) · i(t)
Einheit der elektrischen Leistung:
[P] =[p] = Watt = W
Relationen
1 W = 1 V A = 1 kg m2 s-3
Tabelle 1-9:
Formelbuchstaben und Einheiten zur Energie
Formelzeichen Energie, Mittelwert:
W
Momentane elektrische Energie:
w(t)
Einheit elektrische Energie:
[W] = [w] = Joule = J
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12
1.6 Potential
Relationen
1 J = 1 Ws = 1 Nm = 1 kg m2 s-2
1 kWh = 3.6 106 J
1.6
Potential
Tabelle 1-10: Formelbuchstaben und Einheiten zum Potential
Definition Potential
φA = UAZ
Spannung vom Punkt A zum Referenzpunkt Z
Konsequenz
φA = 0
Einheit Potential:
[φ] = J / C = Volt = V
Relationen
φA – φB = UAB
ΔφA,B = φB – φA = -UAB
Beispiel 1-3: Energie im Handy-Akku
Gegeben ist Handy-Akku mit folgenden Kenndaten:
Verfügbare Ladung:
1200 mAh
Nennspannung:
3.7 V
Berechnen Sie mögliche potenzielle Energie zum Anheben auf eine Höhe h eines Gewichts mit einer
Masse von 1 kg.
Berechnen Sie die Kosten einer vollen Aufladung bei 0.20 Fr / kWh. Die Aufladung hat einen
Wirkungsgrad von 80 %. Welche Kosten würden bei 1000 Aufladungen entstehen?
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Grundbegriffe
13
Die Begriffe der Elektrotechnik können mit einem Wassermodell erklärt werden. Die Tabelle 1-11
zeigt die Begriffbeziehungen.
Tabelle 1-11: Begriffsvergleich der Elektrotechnik mit einem Wassermodell
Elektrotechnik
Komponente
Wassermodell
Quellen
Spannung U 
Wasserdruck p (Meter
Wassersäule)
Ladungs Q 
Volumen V (l x h x b)
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Elektrotechnik
Stromkreis:
Strom I 
Wasserströmung
Spannung U 
Wasserdruck
Verbraucher:
Umwandlung der
Energie
Schalter  Ventil
ELHL1 2013
1.6 Potential
Komponente
Wassermodell
Grundbegriffe
1.7
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
1.8
15
Lernziel-Test
Was ist ein Ion?
Welche Vereinbarung ist mit dem Bezugssinn einer Grösse verbunden?
Woran kann man erkennen, dass ein Gegenstand eine Ladung Q trägt?
Welche Atombausteine sind geladen, welche nicht?
Was versteht man unter einem Modell?
Was sind Valenzelektronen?
Welcher Zusammenhang besteht bei einem Gleichstrom zwischen der Ladung, die durch einen
Querschnitt strömt, und der Stromstärke?
Lösungen zum Lernziel-Test
1. bis 7. siehe Skript
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16
2
2.1 Elektrischer Zweipol
Zweipole
Lernziele:
 Was ist ein Zweipole?
 Was bedeutet das Pfeilsysteme?
 Was ist Leistung im Pfeilsystem?
 Was ist ein Widerstand?
 Was sind ideale Spannungsquelle?
 Was sind ideale und reale Messgeräte?
 Welcher systematische Fehler entsteht bei einer Messung?
2.1
Elektrischer Zweipol
Als einen Zweipol (auch Eintor, 1-Port oder one-port genannt) bezeichnet man in der
Elektrotechnik allgemein ein Bauelement oder eine Schaltung mit zwei „Anschlüssen“
(Klemmen).
Beispiele für Zweipole:

Batterie, Lautsprecher, LED, Solarzelle, Thermogeneratoren

Glühlampe, Kondensatoren, Spulen,

Sensoren (Drucksensoren,
Allgemeines Symbol für einen Zweipol:
 Kein genormtes Zeichen verfügbar
 Dieser Kurs: quadratische Box mit zwei Strichen für die Klemmen
ZP1
Bild 2-1 Allgemeiner Zweipol
Symbole zweier spezieller Zweipole:
 nach der Norm IEC 60617
 amerikanische Symbole unterscheiden sich teilweise (Normen ANSI Y32, IEEE 315)
ELHL1 2013
Zweipole
17
Bild 2-2 Batterie, Akkumulator
Bild 2-3 Lampe
Aktive und passive Zweipole:
•
•
Aktiver Zweipol
–
Erzeuger: Zweipol gibt elektrische Leistung ab
–
Beispiel: Batterie
Passiver Zweipol
–
Verbraucher: Zweipol wandelt elektrische Leistung in andere Energieformen um
–
Beispiel: Glühlampe
Tabelle 2-1: Pfeilschemata an Zweipolen
Verbraucher-Pfeilschema
konventionelles Pfeilschema
Erzeuger-Pfeilschema
I
ZP1
U
I
ZP1
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U
---
18
2.1 Elektrischer Zweipol
Elektrische Leistung
P U I
(2-1)
Tabelle 2-2: Vorzeichen der Leistung
Verbraucher-Pfeilschema
konventionelles Pfeilschema
Erzeuger-Pfeilschema
Verbraucher
positiv
negativ
Erzeuger
negativ
positiv
Beim Verbraucherpfeilsystem (gleichsinnige Bezugspfeile von Strom und Spannung) ist die
Leistung P positiv, wenn das Eintor als Verbraucher wirkt; wirkt das Eintor als Erzeuger, so ist
die Leistung P negativ.
Beispiel 2-1: Pfeilsystem am Akku
ELHL1 2013
Zweipole
2.2
19
Ohmsches Gesetz
Damit in einem Metalldraht ein Strom I fliesst, muss Energie zugeführt werden; dies lässt sich durch
Anlegen einer Spannung U erreichen.
Bei einem Eintor, das ausschliesslich als Verbraucher wirken kann, wird der Quotient aus
Spannung und Strom als Widerstand (resistance) R bezeichnet. Der Kehrwert des Widerstandes
R wird als Leitwert (conductance) G bezeichnet.
Tabelle 2-3:
Formelbuchstaben und Einheiten zum elektrischen Widerstand und Leitwert
Definition elektrischer
Widerstandswert:
R
Einheit des elektrischen Widerstands:
[R] = V/A = Ω = Ohm
Definition elektrischer Leitwert:
Einheit des elektrischen Leitwerts:
G
U
und U  R  I
I
I
1

U R
[G] = A/V = S = Siemens
Bild 2-4 Symbol des Widerstands
Tabelle 2-4:
Typische Bezeichnungen des Widerstandswerts
10
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Bild 2-5 Amerikanisches Symbol
des Widerstands
10 
10R7
10.7 
100k
100 k 
1M6
1.6 M
---
20
2.3
2.3 Bauformen
Bauformen
Bei allen elektrotechnischen und elektronischen Bauelementen sind zwei unterschiedliche Bauformen
gegeben. Die Through-hole Technology (Durchsteckmontage) und die THT-Bauelemente sind dadurch
gekennzeichnet, dass ihre Drahtanschlüsse zur Montage durch Kontaktlöcher in der Leiterplatte
gesteckt werden. In der Surface Mounted Technology und bei SMD-Bauteilen findet eine
Oberflächenmontage statt. Diese Bauelemente haben keine Drahtanschlüsse, sondern werden mittels
lötfähiger Anschlussflächen direkt auf eine Leiterplatte gelötet.
Während die Anschlussdrähte konventioneller Bauelemente, wie sie bis Ende der 1980er Jahre noch
allgemein üblich waren, durch Bestückungslöcher geführt werden und auf der Rückseite der
Leiterplatte (oder über Innenlagen) verlötet werden müssen (Durchkontaktierung), entfällt dies bei
SMD-Bauelementen. Dadurch werden sehr dichte Bestückungen und vor allem eine beidseitige
Bestückung der Leiterplatte möglich und der Platzbedarf der Bauelemente ist geringer. Dadurch
können die Geräte kleiner und zugleich wesentlich preiswerter hergestellt werden.
Heute findet man oft Mischbestückungen auf den Leiterplatten, da es bei der THT zu mechanischen
Spannungen im Material der Kontakte kommen kann. Man versucht komplett auf die THT zu
verzichten. Bisher konnten noch nicht alle Funktionen in der SMD-Technologie übernommen werden.
Bild 2-6 Bauformen von THT-Widerständen
Bild 2-7 Bauformen von SMD-Widerstände
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Zweipole
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Tabelle 2-5: Typische Bauformen von Widerstände
Zoll
metrisch
Bauform
mil (milli-inch)
Bauform
mm
1206
120 × 60
3216
3,2 × 1,6
0805
80 × 50
2012
2,0 × 1,2
0603
60 × 30
1608
1,6 × 0,8
0402
40 × 20
1005
1,0 × 0,5
0201
20 × 10
0,6 × 0,3
01005
10 × 5
0,4 × 0,2
a) Widerstand allgemein
b) Widerstand veränderbar
c) Widerstand einstellbar
Bild 2-8 Schaltzeichen von Widerständen
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22
2.3 Bauformen
Im Bild 2-9 und im Bild 2-10 ist ein Auszug aus dem Datenblatt einer Widerstandsfamilie dargestellt.
Bild 2-9 Datenblattauszug aus der CFR Serie - allgemeine Eigenschaften
ELHL1 2013
Zweipole
23
Bild 2-10 Datenblattauszug aus der CFR Serie - elektrische Eigenschaften
ETEK1 2013
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24
2.4
2.4 Linearer Leiter
Linearer Leiter
Ein Leiter, der über die Länge l den gleichen Querschnitt A hat und dessen
Querschnittsabmessungen wesentlich kleiner als die Länge l sind, wird linearer Leiter genannt.
Es ist unerheblich, ob der Leiter gerade ausgestreckt oder gekrümmt ist; so ist z. B. der gewendelte
Glühdraht einer Glühlampe ein linearer Leiter. Bei einem linearen Leiter ist der Strom I gleichmässig
auf den Querschnitt A verteilt. Die Stromdichte J hat an jeder Stelle des Leiters denselben Wert.
Bild 2-11 Metalldraht mit Querschnittsfläche A und Länge l
Herleitung des spezifischen Widerstandswerts:
Spezifischer Widerstand

Elektrischer Widerstand eines Drahts
R
Tabelle 2-6:
 l
A
(2-2)
(2-3)
Formelbuchstaben und Einheiten zum spezifischen elektrischen Widerstand und
spezifischen elektrischen Leitwert
Spezifischer Widerstand

R
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A R
l
A R
l
 l
A
 : griechisch rho
Zweipole
25
Einheit des spezifischen Widerstands:
Spezifischer Leitwert
  mm2
     m  10 
m
-6

Einheit des spezifischen Leitwerts:
1
 : griechisch sigma

In der Literatur auch:
 : griechisch kappa
 : griechisch gamma.
  
S
m
Der spezifische Widerstand eines Materials wird häufig für die Einordnung als Leiter, Halbleiter oder
Isolator verwendet. Die Unterscheidung erfolgt anhand des spezifischen Widerstands:
Tabelle 2-7:
Einteilung der Werkstoffe nach den elektrischen Eigenschaften
Spezifischer Widerstand
  mm 2
m
< 106
Leiter:
106 …. 1012
Halbleiter:
> 1012
Isolatoren oder Nichtleiter:
Tabelle 2-8:

Elektrische Eigenschaften von Werkstoffen
Spezifischer Widerstand
2
in Ωmm /m
Spezifischer Leitwert
in Sm/mm2
Kupfer
0.0173
56
Gold
0.021
46
Aluminium
0.0265
36
Leiterwerkstoff
Auch bei sehr niedrigen Temperaturen hängt der Widerstand im Allgemeinen nichtlinear von der
Temperatur ab. Einige Metalle wie z. B. Silber (Ag), Kupfer (Cu) und Gold (Au) weisen bei wenigen
Kelvin einen Restwiderstand auf; sie werden Normalleiter genannt. Im Bild 2-12 ist der spezifische
Widerstand ρ über der thermodynamischen Temperatur T = ϑ + 273.15 K aufgetragen. Bei einer
Gruppe von Stoffen springt der elektrische Widerstand bei der Sprungtemperatur (critical
ETEK1 2013
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26
2.4 Linearer Leiter
temperature) Tc auf einen unmessbar kleinen Wert: Diese Stoffe werden als Supraleiter
(superconductor) bezeichnet.
Bild 2-12 Spezifischer Widerstand  als Funktion der Temperatur
in der Umgebung des absoluten Nullpunkts
Stromstärke in mA
250
200
150
100
50
0
Bild 2-13 Strom und
Spannung am Widerstand
0
0.5
1
1.5
Spannung in V
2
Bild 2-14 Strom-Spannungs-Kennlinie
eines idealen Widerstands
Hinweis:
 Das Strom-Spannungs-Diagramm ist in der Darstellung nicht genormt (d. h. die
Achsen können vertauscht sein und die Skala ist nicht immer linear).
 Die Kennlinie gibt direkt keine Auskunft über sonstige Parameter (z. B. Temperatur,
Alterung usw.)
Beispiel 2-2: Wicklung eines Motors
Die Wicklung eines Motors besteht aus 400 m Kupferdraht von 0.2 mm2 Querschnitt. Welchen
Widerstand hat sie bei 20 °C?
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Zweipole
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100
Strom in Milliampère
80
60
40
20
0
-20
-40
-1
0
1
2
Spannung in Volt
3
4
Bild 2-15 Strom-Spannungs-Kennlinie
einer Glühlampe
Bewertung:
 Widerstand der Wolfram-Osmium Legierung ist nicht konstant über der Spannung.
 Der Widerstand ändert sich in Abhängigkeit der Temperatur.
 Mit steigender Temperatur nimmt der Widerstand zu (   R ).
Bild 2-16 Kennlinie eines ohmschen Widerstands
Bewertung:
 Nullpunktsgerade  linearer Zweipol
 Widerstandswert = Kehrwert der Steigung der Geraden, wenn Spannung auf x-Achse.
ETEK1 2013
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28
2.4 Linearer Leiter
Bild 2-17 Symbol
einer Solarzelle
Bild 2-18 Strom-Spannungs-Kennlinie
einer Solarzelle
Bild 2-19 Quadranten der Kennlinie und Leistung
ELHL1 2013
Zweipole
29
Bild 2-20 Leistungshyperbel eines Widerstands
ETEK1 2013
---
30
2.5
2.5 Ideale Quellen (Spannungs- und Stromquellen)
Ideale Quellen (Spannungs- und Stromquellen)
Bild 2-21 Symbol einer idealen Spannungsquelle
Bild 2-22 Strom-Spannungs-Kennlinie
einer idealen Spannungsquelle
Bild 2-23 Symbol einer idealen Stromquelle
Bild 2-24 Strom-Spannungs-Kennlinie
einer idealen Stromquelle
Beispiel für Strom- und Spannungsquellen:
 Spannungsquellen: Stromnetz konstant 230 V, batteriebetreibenes Gerät
 Stromquellen: Motoransteuerung I  M; LED-Ansteuerung I   (Strahlungsleistung)
Ideale Spannungsquelle:
 aktiver Zweipol, bei welchem Spannung zwischen Anschlüssen konstant ist
 Eine Batterie bei sehr kleinen Strömen ist näherungsweise eine
ideale Spannungsquelle
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Zweipole
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Bild 2-25 Darstellung elektrischer Netzwerke
Bild 2-26 Darstellung elektrischer Netzwerke mit Masse-Symbol
Bild 2-27 Darstellung elektrischer Netzwerke mit Masse-Symbol
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32
2.6 Lernziel-Test
Beispiel 2-3: Zusammenschaltung von Spannungs- und Stromquellen
Beispiel 2-4: Zusammenschaltung von linearen Spannungs- und Stromquellen
2.6
1.
2.
3.
4.
5.
Lernziel-Test
Was ist ein OHMscher Widerstand?
Nennen Sie das OHMsche Gesetz.
Wie ist der Leitwert definiert?
Was versteht man unter der Leitfähigkeit eines Stoffes?
Was versteht man unter Supraleitung?
ELHL1 2013
Zweipole
2.7
33
Lösungen zum Lernziel-Test
1. bis 5. siehe Skript
ETEK1 2013
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34
3
3.1 Knoten
Quellen, Knoten und Maschen
Lernziele:
 Was sind Knoten und Maschen in elektrischen Schaltungen.
 Wie lauten die Knoten- und Maschengleichungen?
 Wie werden Widerstände in einer Parallel- oder Serienschaltung zusammengefasst?
 Wie teilen sich Ströme und Spannungen in einer Parallel- oder Serienschaltung auf?
 Wie können lineare Quellen durch gleichwertige Ersatzschaltungen dargestellt werden?
3.1
Knoten
In einem Schemata gibt es unterschiedliche Knotensymbole:
Grafischer Knoten:
Der grafische Konten ist eine Zusammenschaltung von verschiedenen
elektrischen Komponenten (z. B. Widerstand, Spannungsquelle). Er entspricht
dem Knotensymbol.
Elektrischer Knoten:
Der elektrische Konten ist die verlustlos elektrische Verbindung von
einzelnen Komponenten. Ein elektrischer Konten hat immer das gleiche
Potenzial und enthält im Schemata auch die verlustlos Leitungen.
Mehrere grafische Knoten können zu einem elektrischen Knoten
reduziert werden.
Beispiel 3-1: Elektrische und grafische Knoten
Kennzeichnen Sie in den nachfolgenden Schaltungen die elektrischen und grafischen Knoten.
ELHL1 2013
Quellen, Knoten und Maschen
35
In einer beliebigen Schaltung kann sich der Strom verzweigen:
In einem Teil der Leitungen strömen Ladungen zum Verzweigungspunkt (branch point) hin und
in den übrigen Leitungen vom Verzweigungspunkt weg.
Bild 3-1 Verbindung der stromführenden Leiter in einem Punkt
Bild 3-2 Verbindung der stromführenden Leiter in einer Hüllfläche
Da die Ladungen im Verzweigungspunkt nicht gespeichert werden können, ist die gesamte
zuströmende Ladung gleich der gesamten wegströmenden Ladung.
I
3.2
ab
  I zu
(3-1)
Knotengleichung
Da man das Gebiet, innerhalb dessen die Leiter miteinander verbunden sind, als Knoten (node)
bezeichnet, wird der durch Gl. (3-1) beschriebene Zusammenhang Knotensatz (current law) genannt.
Hierfür ist auch die Bezeichnung 1. KIRCHHOFFscher Satz gebräuchlich.
I  0
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(3-2)
---
36
3.3 Parallelschaltung
Beispiel 3-2: Knotenstrom
Für die Schaltung in Bild 3-1 sind die Ströme I1 = 1.5 A; I2 = 0.4 A; I3 = 1.8 A und I4 = 0.6 A gegeben.
Welcher Strom I5 fliesst und welchen Richtungssinn hat dieser Strom?
3.3
Parallelschaltung
Derjenige Teil einer Schaltung, in dem ein und derselbe Strom fliesst, wird als Zweig (branch)
bezeichnet. Ein einfacher Stromkreis aus einer Quelle und einem Widerstand besteht also aus einem
einzigen Zweig. Sind dagegen in einer Schaltung Verzweigungspunkte vorhanden, so besteht die
Schaltung aus mehreren Zweigen.
Beispiel 3-3: Schaltung mit Zweigen
Kennzeichnen Sie in der nachfolgenden Schaltung alle Zweige und markieren Sie die Zweigen mit
dem gleichen Stromfluss.
Eine Parallelschaltung (parallel connection) von Zweigen liegt dann vor, wenn die betreffenden
Zweige an derselben Zweigspannung liegen.
Das Bild 3-3 zeigt als Beispiel die Parallelschaltung der drei Widerstände R1, R2 und R3.
ELHL1 2013
Quellen, Knoten und Maschen
37
Bild 3-3 Parallelschaltung von drei Widerständen (a) und Ersatzwiderstand (b)
Für den Ersatzwiderstand (equivalent resistance) gilt
1
1
1
1



Re R1 R2 R3
(3-3)
Dies lässt sich mit dem Leitwert G = 1 / R einfacher formulieren:
Ge  G1  G2  G3
(3-4)
Der Ersatzleitwert einer Parallelschaltung von Widerständen ist gleich der Summe sämtlicher
Teilleitwerte.
Für n parallel geschaltete Leitwerte Gk gilt entsprechend:
n
Ge   Gk
(3-5)
k 1
Der Ersatzwiderstand einer Parallelschaltung von Widerständen ist stets kleiner als der kleinste
Teilwiderstand.
Häufige Sonderfälle:
für zwei parallele Widerstände
(3-6)
für drei parallele Widerstände
(3-7)
Die Ströme einer Parallelschaltung verhalten sich zueinander wie die Leitwerte, durch die sie
fliessen.
I1 G1 R2


I 2 G2 R1
ETEK1 2013
(3-8)
---
38
3.4 Maschensatz
Dies gilt auch für den Ersatzstrom bzw. –leitwert:
I1 G1 Re


I e Ge R1
(3-9)
Bild 3-4 Ohmscher Stromteiler
Bei einem ohmschen Stromteiler gilt
I  I1  I 2
I2 
R1
I
R1  R2
I1 R2

I 2 R1
(3-10)
(3-11)
(3-12)
Beispiel 3-4: Parallelschaltung von Widerständen
Die Widerstände 50 Ω, 75 Ω und 150 Ω liegen parallel an der Spannung U = 150 V. Wie gross sind
der Ersatzwiderstand und der Gesamtstrom? Wie gross sind die Teilströme durch die Widerstände?
3.4
Maschensatz
Eine Masche (mesh) ist ein beliebiger, in sich geschlossener Weg, der sowohl über Leiter als
auch über Spannungspfeile geführt sein kann. In einer elektrischen Schaltung lassen sich im
Allgemeinen mehrere Maschen bilden; dies gilt z. B. auch für die Schaltung in Bild 3-5.
ELHL1 2013
Quellen, Knoten und Maschen
39
Bild 3-5 Beispielschaltung mit möglichen Maschen
In der Maschengleichung werden sämtliche Spannungen zusammengefasst, die zu einer Masche
gehören. Für die Masche 1 gilt:
Ri  I  U  U q  0
(3-13)
In einer Masche ist die Summe aller Spannungen gleich Null.
U  0
(3-14)
Der durch die obige Gleichung beschriebene Zusammenhang wird im Allgemeinen als Maschensatz
(voltage law) bezeichnet. Manchmal wird aber auch die Bezeichnung 2. KIRCHHOFFscher Satz
verwendet
3.5
Reihenschaltung von Widerständen
Bei einer Reihenschaltung (series connection) von Eintoren wird jedes Eintor vom gleichen Strom I
durchflossen. Das Bild 3-6 zeigt als Beispiel die Reihenschaltung von drei Widerständen; diese lassen
sich rechnerisch zu einem Ersatzwiderstand Re zusammenfassen, der vom Strom I durchflossen wird
und an der Spannung U liegt.
Bild 3-6 Reihenschaltung von drei Widerständen (a) und Ersatzwiderstand (b)
ETEK1 2013
---
40
3.5 Reihenschaltung von Widerständen
Der Ersatzwiderstand einer Reihenschaltung von Widerständen ist gleich der Summe sämtlicher
Teilwiderstände.
Für n in Reihe geschaltete Widerstände Rk gilt:
n
Re   Rk
(3-15)
k 1
Der Ersatzwiderstand einer Reihenschaltung von Widerständen ist stets grösser als der grösste
Teilwiderstand.
Bild 3-7 Unbelasteter ohmscher Spannungsteiler
Bei einem unbelasteten ohmschen Spannungsteiler gilt:
U  U1  U 2
U2 
R2
U
R1  R2
(3-16)
(3-17)
Beispiel 3-5: Reihenschaltung von Widerständen
Zwei in Reihe geschaltete Widerstände R1 = 130 Ω und R2 liegen an der Gesamtspannung U = 35 V.
Welchen Wert muss R2 für U1 = 12.3 V erhalten?
ELHL1 2013
Quellen, Knoten und Maschen
3.6
41
Ersatzwiderstand
Befinden sich in einer Schaltung zwischen zwei Klemmen ausschliesslich Widerstände, so können sie
durch ihren Ersatzwiderstand (equivalent resistance) ersetzt werden. Der Ersatzwiderstand lässt sich
problemlos ermitteln, wenn sich die parallel geschalteten Widerstände einerseits und die in Reihe
geschalteten Widerstände andererseits Schritt für Schritt zusammenfassen lassen.
Beispiel 3-6: Ersatzwiderstand einer Schaltung 1
Wir wollen den Ersatzwiderstand der Schaltung ermitteln.
Beispiel 3-7: Ersatzwiderstand einer Schaltung 2
Fassen Sie die Widerstände zu einem Gesamtwiderstand zusammen.
ETEK1 2013
---
42
3.7 Lineare Quellen
3.7
Lineare Quellen
Viele Quellen, z. B. die elektrochemischen Elemente, haben eine lineare I-U-Kennlinie. Eine derartige
Quelle wird als lineare Quelle bezeichnet. Das Bild 3-8 zeigt die I-U-Kennlinie, wobei für die Quelle
das Verbraucherpfeilsystem zugrunde gelegt wird. Die Achsenabschnitte der Geraden sind der
negative Kurzschlussstrom –Ik bei der Spannung U = 0 und die Leerlaufspannung U0 beim Strom
I = 0.
Bild 3-8 I-U-Kennlinie einer linearen Quelle
Eine Ersatzschaltung verhält sich bezüglich einer bestimmten Problemstellung (z. B. I-UKennlinie) in gleicher Weise wie die zugehörige reale Anordnung.
Bild 3-9 I-U-Kennlinie einer linearen Quelle
Die lineare Quelle lässt sich durch zwei gleichwertige Ersatzschaltungen (equivalent circuit)
darstellen. Zur Betrachung des Verhaltens werden die zwei Fälle, Kurzschluss und Leerlauf,
untersucht:

Die lineare Spannungsquelle besteht aus der Reihenschaltung der idealen Spannungsquelle
und eines Innenwiderstandes Ri.
Bei Leerlauf (I = 0) fällt an diesem Innenwiderstand keine Spannung ab und die
Leerlaufspannung ist U0 = Uq. Bei einem Kurzschluss (U = 0) fliesst der Kurzschlussstrom:
ELHL1 2013
Quellen, Knoten und Maschen
IK 

43
Uq
(3-18)
Ri
Die lineare Stromquelle besteht aus der Parallelschaltung einer idealen Stromquelle und eines
Innenleitwerts Gi.
Bei Kurzschluss (U = 0) fliesst kein Strom durch den Innenleitwert; der Kurzschlussstrom ist
also Ik = Iq. Bei Leerlauf (I = 0) fliesst Iq durch den Innenleitwert Gi und bewirkt die
Leerlaufspannung:
U0 
Iq
(3-19)
Gi
Zwischen den beiden gleichwertige Ersatzschaltungen gilt folgende Beziehung:
Gi 
1
Ri
(3-20)
Eine reale Quelle (z. B. Batterie) mit gegebenem Innenwiderstand kann auf zwei Arten, als
Spannungsquelle mit Innenwiderstand oder als Stromquelle mit Leitwert modelliert werden.
+
Ri = 14 mΩ
U0 = 28 V
28 V
14 mΩ
I0 = 2 kA
Ri = 14 mΩ
Bild 3-10 Darstellung von Quellen mit linearer Spannungsquelle und linearer Stromquelle
Die Quellenumwandlung ist nur bezüglich den Anschlüssen korrekt, sie gibt nicht den internen
Aufbau wieder. Die Eigenschaften der Modelle sind in der Tabelle 3-1 aufgeführt.
Tabelle 3-1:
Eigenschaften von Lineare Spannungs- und Stromquellen
Situation
Lineare Spannungsquelle
Lineare Stromquelle
Keine Last
Keine Verlustleistung am Innenwiderstand
Maximale Verlustleistung
Kurzschluss
Maximale Verlustleistung
Keine Verlustleistung
ETEK1 2013
---
44
3.8 Lernziel-Test
Beispiel 3-8: Ersatzschaltung einer Mignonzelle
Eine Mignonzelle hat die Leerlaufspannung 1.5 V und den Kurzschlussstrom 0.6 A. Wir wollen die
Elemente der Ersatzschaltungen berechnen.
Beispiel 3-9: Mignonzelle im Betrieb
Der Mignonzelle aus dem obigen Beispiel wird der Strom 60 mA entnommen. Welche
Klemmenspannung stellt sich dabei ein?
3.8
Lernziel-Test
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Nennen Sie die beiden Kirchhoffschen Gesetze?
Wie lautet der Knotensatz? Nennen Sie ein Beispiel für eine Knotengleichung.
Erläutern Sie den Begriff Zweig.
Wie ermittelt man den Ersatzwiderstand einer Parallelschaltung von Widerständen?
Erläutern Sie den Begriff Masche.
Nennen Sie die Maschengleichung und erläutern Sie, welche Zusatzvereinbarung für diese
Gleichung erforderlich ist.
7. Wie ermittelt man den Ersatzwiderstand einer Reihenschaltung von Widerständen?
8. Wie ermittelt man die Quellenspannung und den Quellenstrom einer Ersatzquelle?
9. Wie ermittelt man zweckmässig den Innenwiderstand und den Innenleitwert einer Ersatzquelle?
3.9
Lösungen zum Lernziel-Test
1. bis 9. siehe Skript
ELHL1 2013
Methoden der Netzwerkanalyse
4
45
Methoden der Netzwerkanalyse
Lernziele:
 Wie lassen sich elektrische lineare Netzwerke berechnen?
 Wie kann der Überlagerungssatz angewendet werden?
 Wie lässt sich eine Netzwerkberechnung mit dem Maschenstromverfahren durchführen?
 Wie lässt sich eine Stern-Dreieck-Umwandlung durchführen?
4.1
Methoden der Netzwerkanalyse
Zur Berechnung der Ströme und Spannungen in einem Netzwerk gibt es folgende Methoden:
• Ohmsches Gesetz
• Maschen- und Knotensatz
• Zusammenfassen von ohmschen Widerständen, Spannungs- und Stromquellen
• Spannungs- und Stromteilerformel
• Quellenumwandlungen (Umwandlung einer Spannungsquelle in eine Stromquelle und
umgekehrt)
• Überlagerungssatz
• Maschenstromverfahren
• Stern-Dreieck-Umwandlung
• Knotenpotenzialverfahren (in diesem Kurs nicht behandelt)
• Berechnung mit SPICE
4.2
Überlagerungssatz
Hintergrund dieses Überlagerungssatzes (Superpositionsprinzip) ist, dass jede Quelle auf das
Netzwerk einzeln wirkt und die Summe der Wirkungen die Gesamtwirkung ergibt.
Die Berechnung der Spannungen und Ströme einer linearen Schaltung, die mehrere Quellen enthält,
kann dadurch vereinfacht werden, dass man diese Quellen einzeln berücksichtigt und zunächst die von
ihnen hervorgerufenen Teilströme bzw. Teilspannungen berechnet. Diese werden nach dem
Überlagerungssatz (v. HELMHOLTZ, 1853) addiert und man erhält den Gesamtstrom bzw. die
Gesamtspannung. Bei der Berechnung eines Teilstromes bzw. einer Teilspannung bleibt nur immer
eine Quelle in der Schaltung; die übrigen Quellen werden als unwirksam betrachtet. Hierbei gilt:
 jede Spannungsquelle durch einen Kurzschluss ersetzt wird (0 Volt)
 jede Stromquelle durch eine Unterbrechung ersetzt wird (0 Ampére)
Die Vorgehensweise umfasst folgende Schritte:
1. Setze alle Quellen auf den Wert 0 (0 Volt, 0 Ampère), ausser eine Quelle
2. Berechne für das vereinfachte Netzwerk die Ströme und Spannungen
3. Setze die nächste Quelle auf ihren ursprünglichen Wert, alle anderen auf Wert 0 (0 Volt, 0
Ampère)
4. Wiederhole den Schritt 2 bis alle Quellen betrachtet wurden
5. Addiere alle Teillösungen den entsprechenden Spannungen und Ströme zum Gesamtstrom
ETEK1 2013
---
46
4.2 Überlagerungssatz
Bedingungen für den Überlagerungssatz:
 kann nur auf lineare Netzwerke angewendet werden (Widerstände, lineare Quellen)
 in jeder Teillösung ist nur eine Quelle vorhanden
 Strom- und Spannungspfeile an einem Element müssen in allen Teillösungen in die gleiche
Richtung zeigen
Beispiel 4-1: Überlagerungssatz 1
Wenden Sie den Überlagerungssatz auf das nachfolgende Beispiel an.
Bild 4-1 Netzwerk 1 mit einer Strom- und einer Spannungsquelle
Teillösung 1:
Teillösung 2:
Beispiel 4-2: Überlagerungssatz 2
Berechnen Sie den Strom I4 mit dem Überlagerungssatz.
Bild 4-2 Netzwerk 2 mit einer Strom- und einer Spannungsquelle
ELHL1 2013
Methoden der Netzwerkanalyse
4.3
47
Netzwerkberechnung nach dem Maschenstromverfahren
Die Berechnung von Netzwerken lässt sich durch die Einführung von Maschenströmen vereinfachen.
Wir wollen zunächst Schaltungen untersuchen, die nur relativ wenig Maschen enthalten und
betrachten dazu als Beispiel die in Bild 4-3 dargestellte Anordnung mit drei Maschen.
Bild 4-3 Schaltungsbeispiel zur Netzwerkberechnung mit Maschenströmen.
a) Gegebene Schaltung, b) Schaltung eingetragenen Bezugspfeilen für die Zweig- und
Maschenströme
Die Quellenspannungen U1 bis U4 sowie die Widerstände R1 bis R6 setzen wir‚ als gegeben voraus.
Gesucht seien alle auftretenden Zweigströme. Wir geben zunächst, wie in Bild 4-3b schon dargestellt,
die Richtungen der gesuchten Zweigströme (I1 bis I6) willkürlich vor (Bezugspfeile). Die Zweigströme
I1m, I2m und I3m fassen wir darüber hinaus gleichzeitig als Maschenströme auf, die ausschliesslich
jeweils eine Masche durchfliessen. Sind sie bekannt, so lassen sich alle übrigen Zweigströme in
einfacher Weise bestimmen.
ETEK1 2013
---
48
4.3 Netzwerkberechnung nach dem Maschenstromverfahren
Maschengleichungen aufstellen:
Zur Ermittlung der Ströme I1m, I2m und I3m werden drei Maschengleichungen aufgestellt. Aus den
Maschenströmen I1m, I2m und I3m werden die Ströme I1 bis I6 durch die einzelnen Bauelemente
bestimmt. Hieraus ergibt sich:
I1M  I1
(4-1)
I 2M  I 2
(4-2)
I 3M  I 3
(4-3)
I 4  I1  I 3
(4-4)
I 5  I1  I 2
(4-5)
I6  I3  I 2
(4-6)
Wählt man dafür in Bild 4-3b den Umlaufsinn so, dass er mit den eingetragenen Richtungen der
betreffenden Maschenströme übereinstimmt, so erhalten wir für die obere Masche
Masche 1:
(4-7)
für die linke untere
Masche 2:
(4-8)
und für die rechte untere Masche
Masche 3:
(4-9)
Aus den obigen 3 Gleichungen wird, wenn wir nach den unbekannten Strömen ordnen,
Masche 1:
(4-10)
für die linke untere
Masche 2:
(4-11)
und für die rechte untere Masche
Masche 3:
(4-12)
Aus diesen drei voneinander unabhängigen Gleichungen lassen sich die gesuchten Ströme I1m, I2m und
I3m bestimmen. Die übrigen Zweigströme erhält man durch Überlagern der Maschenströme.
Schema zum Aufstellen der Maschengleichungen:
Das obige Gleichungssystem kann sich auch in einer Matrizenschreibweise darstellen lassen.
Hierdurch erhalten wir
ELHL1 2013
Methoden der Netzwerkanalyse
49
(4-13)
Das hierin auf der linken Seite aus den Widerständen gebildete Koeffizientenschema heisst
Widerstandsmatrix. Darin wird die Hauptdiagonale aus den Umlaufwiderständen gebildet. Unter
einem Umlaufwiderstand versteht man denjenigen Widerstand, den ein Maschenstrom in seinem
Umlauf vorfindet. So findet der Maschenstrom I1 in Bild 4-3b den Umlaufwiderstand (R1 + R4 + R5)
vor. Entsprechend stellen (R2 + R5 + R6) den Umlaufwiderstand des Maschenstromes I2 dar und (R3 +
R4 + R6) den Umlaufwiderstand des Maschenstromes I3.
Die übrigen in der Widerstandsmatrix enthaltenen Widerstände heissen Kopplungswiderstände. Ein
Kopplungswiderstand ist dadurch gekennzeichnet, dass er noch zu einer weiteren Masche gehört und
somit auch von einem weiteren Maschenstrom (oder von mehreren anderen Umlaufströmen)
durchflossen wird. So wird beispielsweise in Bild 4-3b der Kopplungswiderstand R5 ausser von dem
Maschenstrom I1 auch noch von dem Maschenstrom I2 durchflossen.
Soll nun für eine Schaltung das Gleichungssystem direkt aufgestellt werden, so geht man nach
folgenden Schema vor:

In die gegebene Schaltung werden Maschenströme eingetragen. Ihre Zahl muss gleich der
Zahl der vorhandenen Maschen sein. In Bild 4-3b sind das die Ströme I1m, I2m und I3m. Sie
bilden in dem aufzustellenden Gleichungssystem die Unbekannten.

Der Umlaufwiderstand einer Masche tritt als Koeffizient für den zugehörigen Maschenstrom
auf. So steht in Gl. (4-13) in der ersten Zeile bei dem Maschenstrom I1 der Umlaufwiderstand
(R1 + R4 + R5).

Die Koeffizienten für die anderen Maschenströme sind die Kopplungswiderstände. Ihr
Vorzeichen ist positiv, wenn die Maschenströme in den betreffenden Kopplungswiderständen
den gleichen Bezugssinn haben, andernfalls negativ. So steht in der Widerstandsmatrix von
Gl. (4-13) in der ersten Zeile bei dem Maschenstrom I2 der Kopplungswiderstand R5 und bei
dem Maschenstrom I3 der Kopplungswiderstand R4.

Auf der rechten Seite des Gleichungssystems steht die Summe der Quellenspannungen, die in
der betreffenden Masche auftreten. Jede Quellenspannung erhält hierbei ein Minuszeichen,
wenn ihr Richtungssinn mit der Richtung des Maschenstromes übereinstimmt, andernfalls ein
Pluszeichen. So steht in Gl. (4-13) in der ersten Zeile auf der rechten Seite die Spannung (U1 +
U4).
Bei dem in Gl. (4-13) dargestellten Gleichungssystem fällt noch auf, dass in der Widerstandsmatrix
die Kopplungswiderstände symmetrisch zur Hauptdiagonalen liegen. Diese (allgemein gültige)
Tatsache kann als (eine) Kontrollmöglichkeit zur Überprüfung der Richtigkeit des Gleichungssystems
genutzt werden.
ETEK1 2013
---
50
4.3 Netzwerkberechnung nach dem Maschenstromverfahren
Behandlung von Stromquellen
Enthält eine Schaltung in einzelnen Zweigen (widerstandsbehaftete) Stromquellen, so wandelt man
diese zweckmässigerweise nach Bild 4-4 in äquivalente (widerstandsbehaftete) Spannungsquellen um.
Bild 4-4 Umwandlung einer (widerstandsbehafteten) Stromquelle
in eine äquivalente Spannungsquelle
Nach Gl. (2.22) gelten hierbei die Beziehungen
(4-14)
(4-15)
Enthält ein Netzwerk in einzelnen Zweigen ideale Stromquellen (ohne parallel liegende
Widerstände), so ist eine Umwandlung in Spannungsquellen in der Form nicht möglich. In
diesem Fall sollte die Wahl der Maschenströme stets so vorgenommen werden, dass der
betreffende Quellenstrom unbedingt auch einen Maschenstrom darstellt.
Beispiel 4-3: Maschenstromverfahren mit einer Stromquelle
Wir wollen das Maschenstromverfahren mit einer Stromquelle näher untersuchen.
Bild 4-5 Zur Berechnung von Netzwerken, die eine ideale Stromquelle enthalten.
a) Gegebene Schaltung, b) Wahl der Maschenströme
Gegeben seien die Widerstände R1 bis R5, die Quellenspannung U und der Quellenstrom I.
Gesucht seien alle auftretenden Zweigströme.
Wir geben, wie in Bild 4-5b dargestellt, für die gesuchten Zweigströme (I1 bis I5) willkürlich
Bezugspfeile vor. Die Ströme I1, I4 und I fassen wir gleichzeitig als Maschenströme (Umlaufströme)
auf und wählen hierfür die dargestellten Umlaufwege. Dabei achten wir darauf dass die ideale
Stromquelle nicht von mehreren Umlaufströmen durchflossen wird.
ELHL1 2013
Methoden der Netzwerkanalyse
51
Da der Maschenstrom I bereits bekannt ist, stellen wir nur für die beiden anderen Maschenströme (I1
und I4) die Maschengleichungen auf. Wir erhalten hierfür in Matrizenschreibweise, wenn wir die
obigen Regeln anwenden,
(4-16)
Wir bringen die (bekannten) Ausdrücke (-R3 I) und (-R3 + R5) I auf die rechte Gleichungsseite und
erhalten
(4-17)
Hieraus lassen sich die Ströme I1 und I4 in einfacher Weise bestimmen. Für die übrigen Zweigströme
finden wir die Gleichungen
(4-18)
Das Vorhandensein von idealen Stromquellen erweist sich also als Vorteil. Denn obwohl das
dargestellte Netzwerk drei Maschen besitzt, entsteht zur Bestimmung der Maschenströme nur ein
Gleichungssystem mit zwei Unbekannten.
Anmerkung: Sind (allgemein) in einem Netzwerk einzelne Zweigströme bekannt (ohne dass die
betreffenden Zweige Stromquellen enthalten), so kann man diese Ströme in der gleichen Weise
behandeln wie die Quellenströme von idealen Stromquellen.
Beispiel 4-4: Maschenstromverfahren
Die in untenstehenden Bild dargestellte Schaltung enthält zwei Spannungsquellen.
Bild 4-6 Schaltungsbeispiel zur Berechnung von Netzwerken nach dem Maschenstromverfahren.
ETEK1 2013
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52
4.3 Netzwerkberechnung nach dem Maschenstromverfahren
Zeichnen Sie in das obige Bild die Maschen ein.
Geben Sie das Gleichungssystem in Matrixform an.
Die Spannungen betragen U1 = 48 V und U2 = 36 V. Die Widerstände besitzen die Werte: R1 = 20 Ω,
R2 = 35 Ω, R3 = 30 Ω, R4 = 40 Ω, R5 = 50 Ω und R6 = 45 Ω.
Es sind die Zweigströme I1 bis I6 zu bestimmen.
Berechnen Sie mit Matlab die Ströme in der Schaltung.
ELHL1 2013
Methoden der Netzwerkanalyse
4.4
53
Stern-Dreieck-Umwandlung
Bei Netzwerken, die aus zusammenhängenden Maschen bestehen, ist es häufig zweckmässig eine
Umwandlung einer Dreieckschaltung in eine Sternschaltung vorzunehmen.
Bild 4-7 Schaltungsanordnungen a) Dreieckschaltung b) Sternschaltung
Drei zu einem Dreieck zusammengesetzte Widerstände R1‚ R2‚ R3 lassen sich durch drei andere, zu
einem Stern zusammengesetzte Widerstände RA, RB, RC ersetzen, ohne dass sich der Widerstand
zwischen den Anschlussklemmen A, B, C ändert. Die umgekehrte Umwandlung ist ebenfalls möglich.
Sternersatzwiderstände einer Dreieckschaltung
RA 
R2  R3
R1  R2  R3
(4-19)
RB 
R1  R3
R1  R2  R3
(4-20)
RC 
R1  R2
R1  R2  R3
(4-21)
Sternersatzwiderstände einer Dreieckschaltung
ETEK1 2013
R1  RB  RC 
RB  RC
RA
(4-22)
R2  RA  RC 
RA  RC
RB
(4-23)
R3  RA  RB 
RA  RB
RC
(4-24)
---
54
4.4 Stern-Dreieck-Umwandlung
Beispiel 4-5: Stern-Dreieck-Umwandlung
Lösen Sie das vorgegebene Netzwerk mit der Stern-Dreieck-Umwandlung:
ELHL1 2013
Methoden der Netzwerkanalyse
4.5
55
Brückenschaltung
Eine Brückenschaltung – auch H-Schaltung, H-Brücke oder Vollbrücke genannt – ist eine elektrische
Schaltung, bei der in der Grundform fünf Zweipole in Form des Grossbuchstabens H
zusammengeschaltet sind. Die Querverbindung heisst Brückenzweig (Bild 4-8).
Bild 4-8 Wheatstone-Brückenschaltung
Eine Brückenschaltung aus Widerständen kann man als Parallelschaltung zweier Spannungsteiler
interpretieren, zwischen deren Ausgangsklemmen der Brückenzweig liegt. Der Vorteil der
Brückenschaltung gegenüber einem einzelnen Spannungsteiler besteht darin, dass man die Spannung
und den Strom im Brückenzweig je nach Einstellung der Widerstände nicht nur in der Höhe, sondern
auch in der Polarität verändern kann.
Im abgeglichenen Zustand der Brückenschaltung ist:
–
die Spannung über dem Brückenzweig 0 V
–
der Strom durch Brückenzweig beträgt 0 A
Eine Anwendung der Brückenschaltung zeigt das Bild 4-9.
Bild 4-9 Anwendungen von Brückenschaltungen,
zur präzise Bestimmung von ohmschen Widerständen
ETEK1 2013
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56
4.6 Lernziel-Test
Die Brückenschaltung findet Anwendung in:
• Zur präzisen Bestimmung von ohmschen Widerständen
o für Werte >1 Ω: Wheatstone Brücke
o für Werte <1 Ω : Thomson Brücke
• Messung von weiteren, elektronischen Komponenten
o Kondensatoren: Wien Brücke
o Induktivitäten: Maxwell-Wien Brücke
• Frequenzmessung: Wien-Robinson Brücke
• Brückengleichrichter zur Umwandlung von Wechselstrom in Gleichstrom
• Schaltbrücken in Schaltnetzteilen, Motorsteuerungen, Frequenzumrichtern
• Audio-Verstärkerendstufen in Brückenschaltung
4.6
Lernziel-Test
1. Nennen Sie die grundsätzlichen Methoden der Netzwerkanalyse?
2. Wie ist die Vorgehensweise beim Überlagerungssatz?
3. Was passiert beim Überlagerungsverfahren mit Spannungs- und Stromquellen, die nicht
untersucht werden?
4. Erläutern sie das Maschenstromverfahren?
5. Was ist mit einer Stern-Dreieck-Umwandlung möglich?
6. Zeichnen Sie eine Brückenschaltung?
7. Wie viele Elemente hat eine Brückenschaltung?
8. Welche Bedingung ist bei einer abgeglichenen Brückenschaltung gegeben?
4.7
Lösungen zum Lernziel-Test
1. bis 8. siehe Skript
ELHL1 2013
Arbeitspunkt, Leistungsanpassung, Thévenin-Theorem, NTC und PTC
5
57
Arbeitspunkt, Leistungsanpassung, Thévenin-Theorem, NTC
und PTC
Lernziele:
 Wie lässt sich der Arbeitspunkt eines linearen Verbrauchers bestimmen?
 Was ist Leistungsanpassung?
 Was bedeutet das Thévenin-Theorem?
 Welche Temperatur Abhängigkeiten gibt es bei den Bauelementen?
5.1
Bestimmung des Arbeitspunktes
Beim einfachen Stromkreis ist die Klemmenspannung U der Quelle gleich der Spannung des
Verbrauchers. Ist diese Spannung bekannt, so kann der Strom I mit der I-U-Kennlinie des
Verbrauchers bestimmt werden.
Handelt es sich jedoch um eine lineare Quelle, so ist ihre Klemmenspannung U1 nicht von vornherein
bekannt. Zur Bestimmung der Klemmenspannung U = U1 = U2 und des Stromes I = -I1 = I2 müssen in
diesem Fall zwei Gleichungen gelöst werden; dies kann entweder grafisch oder rechnerisch
geschehen. Wir setzen zweckmässig sowohl für das Eintor Quelle als auch für das Eintor Verbraucher
mit dem Widerstand RV = U2 / I2 die Bezugspfeile nach dem Verbraucherpfeilsystem an (Bild 5-1).
Bild 5-1 Verbraucher mit dem
Widerstand RV an einer linearen Quelle
Bild 5-2 Grafische Bestimmung des
Arbeitspunktes A für die Schaltung Bild 5-1
Das Bild 5-2 zeigt die grafische Lösung für einen Verbraucher, der ein OHMscher Widerstand ist;
seine I-U-Kennlinie I2 = f(U2) ist eine Gerade. Damit sich die I-U-Kennlinien der Eintore in einem
Punkt schneiden, tragen wir die Kennlinie I1 = f(U1) der Quelle gespiegelt in der Form -I1 = f(U1) auf.
Für U = U1 = U2 und I = –I1 = I2 ergibt sich der Schnittpunkt (UA; IA), der als Arbeitspunkt (bias point)
bezeichnet wird. In diesem Punkt stimmen die Spannungen der beiden Eintore überein (Betriebspunkt)
bestimmen
Hat die Kennlinie ein nichtlineares Verhalten, so wird der Arbeitspunkt wie oben bestimmt. Die LED
zeigt die Lastkennlinie, diese wird der Quellenkennlinie überlagert und ergibt somit den Arbeitspunkt.
ETEK1 2013
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58
5.2 Leistungsanpassung
I
9V
0.9 Ω
U
Bild 5-3 LED-Verbraucher an einer
linearen Quelle
5.2
Bild 5-4 Grafische Bestimmung des
Arbeitspunktes A für die Schaltung Bild 5-3
Leistungsanpassung
Bild 5-5 Verbraucher mit dem Widerstand RV an einer linearen Quelle
Wir wollen nun untersuchen, wie der Widerstand RV bemessen sein muss, damit bei konstanter
Quellenspannung Uq die in ihm umgesetzte Leistung P2 = U2 I2 ein Maximum annimmt. Dazu kann
man ein Gleichungssystem aufsetzten und erhält die Funktion in Bild 5-6.
Bild 5-6 Verbraucherleistung P2 in Abhängigkeit von der Spannung U2
ELHL1 2013
Arbeitspunkt, Leistungsanpassung, Thévenin-Theorem, NTC und PTC
59
Die Leistung am Verbraucher ist dann maximal wenn:
(5-1)
Ein Verbraucher entnimmt einer linearen Quelle dann die maximale Leistung, wenn sein Widerstand
gleich dem Innenwiderstand der Quelle ist. Dies wird als Leistungsanpassung (power matching)
bezeichnet. Ein Nachteil der Leistungsanpassung ist der niedrige Wirkungsgrad η = 50 % (griechisch:
eta), denn es steht dem Verbraucher nur die Hälfte der Quellenleistung zur Verfügung; die andere
Hälfte wird im Innenwiderstand Ri umgesetzt. Deswegen wird die Leistungsanpassung nur bei kleinen
Leistungen der Nachrichtentechnik angestrebt, wo der Wirkungsgrad nicht entscheidend wichtig ist.
In der elektrischen Energietechnik ist man bestrebt, aus Kostengründen die Verluste im
Innenwiderstand einer Quelle so klein wie möglich zu halten; deshalb wird dabei die
Leistungsanpassung vermieden.
Trägt man die normierte Leistung am Lastwiderstand auf, so ergibt sich einen Verlauf gemäss Bild
5-7.
Bild 5-7 Normierte Leistung als Funktion des Widerstandverhältnis R/Ri
Die maximale verfügbare Leistung an der Last berechnet sich durch:
(5-2)
Der Wirkungsgrad der Schaltung ergibt sich aus:
(5-3)
Für eine lineare Spannungsquelle gilt
(5-4)
Für eine lineare Stromquelle gilt:
ETEK1 2013
---
60
5.3 Thévenin-Theorem
(5-5)
5.3
Thévenin-Theorem
Für jedes lineare Netzwerk, welches nur aus idealen Quellen und Widerständen besteht, gilt:
Bezüglich zwei frei wählbare Knoten verhält sich das Netzwerk wie eine lineare Spannungsquelle mit bestimmter Leerlaufspannung UTh und bestimmtem Innenwiderstand RTh (ThéveninÄquivalent)
Die Kenngrössen bestimmt man durch:
• Leerlaufspannung: UTh = Thévenin-Spannung = Spannung über Klemmen im Netzwerk
• Innenwiderstand RTh = Thévenin-Widerstand
1.
Alle Spannungsquellen auf Wert 0 setzen und die Stromquellen entfernen
2.
RTh = Ersatzwiderstand des Netzwerks bezüglich den Klemmen
Beispiel 5-1: Bestimmung des Thévenin-Äquivalents einer Schaltung
Gegeben ist die nachfolgende Schaltung. Berechnen Sie die Kenngrössen des Thévenin-Äquivalent.
ELHL1 2013
Arbeitspunkt, Leistungsanpassung, Thévenin-Theorem, NTC und PTC
5.4
61
Temperaturmodell Widerstandswert
Das Bild 5-8 zeigt den Widerstandsverlauf einer Glühbirne. Mit zunehmender Temperatur steigt der
Widerstand an. Der Glühdraht wird bei einer Temperatur von 2500 - 3000 °C betrieben. Die
Lichtausbeute beträgt bei einer Glühlampe ca. 5 % der zugeführten elektrischen Leistung.
50
Widerstand in Milliohm
40
30
20
10
0
50
100
150
200
250
Temperatur in °C
300
350
400
Bild 5-8 Widerstandskennlinie einer Glühlampe
Die Abhängigkeit eines Widerstandes von der Temperatur wird durch die Temperaturkoeffizienten
(temperature co-efficient) α und β beschrieben; dabei ist α der lineare und β der quadratische
Koeffizient. Zur Berechnung des bei der CELSIUS-Temperatur ϑ (griech. Buchstabe theta)
vorhandenen Widerstandes Rϑ geht man vom Widerstand R20 aus, der bei der Bezugstemperatur 20 °C
vorliegt, und setzt an:

R  R20  1   20    20 C    20    20 C 
2

(5-6)
mit
α20 linearer Temperaturkoeffizient (meist in K Kelvin)
β20 quadratischer Temperaturkoeffizient (meist in K2), ist der Wert nicht angegeben, kann er
vernachlässigt werden
R20 Widerstandswert bei 20 °C
ϑ Temperatur [°C]
R ϑ Widerstandswert bei der Temperatur ϑ, [ϑ] = °C des Widerstands (evtl. ≠ Umgebungstemperatur)
Die Temperaturkoeffizienten α20 und β20, die nur für die Bezugstemperatur 20 °C verwendet werden
dürfen, sind in der Tabelle 1.3 für einige Metalle angegeben.
ETEK1 2013
---
62
Tabelle 5-1:
5.4 Temperaturmodell Widerstandswert
Leitfähigkeit und Temperaturkoeffizienten von Metallen (Auswahl)
Ist der Widerstand für die Bezugstemperatur nicht gegeben, so muss er vorab mithilfe der Gl. (5-6)
berechnet werden. Im folgenden Beispiel zeigen wir, wie man den Widerstandswert bei einer
Isttemperatur berechnet.
Beispiel 5-2: Temperaturabhängigkeit eines Widerstandsbauelements
Gegeben ist ein Widerstandsbauelement mit folgenden Spezifikationen:
R20 = 1 kΩ, Toleranz = 5 %, Pmax = 5 W,
 = 150 °C bei Pv = 5 W, 20 = +300 ppm / °C bei 20 °C
Berechnen Sie den Widerstandswert bei maximaler Verlustleistung.
ELHL1 2013
Arbeitspunkt, Leistungsanpassung, Thévenin-Theorem, NTC und PTC
5.5
63
NTC- und PTC-Bauelemente
Mit steigender Temperatur nimmt bei Metallen die Schwingungsweite der Atome des Kristallgitters
und damit auch die Bewegungshemmung der in Leiterrichtung strömenden Elektronen zu. Man
bezeichnet solche Leiter, deren Widerstand mit steigender Temperatur zunimmt, als Kaltleiter.
Bei einem PTC-Widerstand (positive temperature co-efficient) ist der Widerstand R bei niedriger
Temperatur klein; er steigt in einem kleinen Temperaturbereich mit zunehmender Temperatur stark an.
So kann sich z. B. der Widerstand eines PTC-Bauelements bei der Temperaturänderung Δϑ = 20 K
vom Wert R auf den Wert 100 Ω ändern.
PTC-Bauelemente werden auch Thermistoren genannt und meist aus Bariumtitanat BaTiO3
hergestellt; sie werden z. B. zur Temperaturüberwachung von Geräten oder zur Flüssigkeits-NiveauAbtastung eingesetzt. Das Bild 11.12 zeigt als Beispiel die I-U-Kennlinien eines PTC-Widerstandes,
der durch Luft bzw. Öl gekühlt wird; der Thermistor nimmt bei der Kühlung durch Öl einen höheren
Strom auf als bei der Kühlung durch Luft. Derartige Widerstände werden bei Heizölanlagen
eingesetzt: Beim Befüllen wird die Pumpe abgeschaltet, wenn der vorgesehene Füllstand erreicht ist.
Bild 5-9 I-U-Kennlinien eines Thermistors bei einer Kühlung durch Luft bzw. Öl
Bei einem NTC-Widerstand (negative temperature co-efficient) ist der Widerstand R bei niedriger
Temperatur hoch; er fällt mit zunehmender Temperatur ab. NTC-Widerstände werden aus Nickeloxid
NiO oder Kobaltoxid CoO oder auch aus Mischkristallen wie z. B. Zn2TiO4 oder MgCr2O4 hergestellt.
Angewendet werden NTC-Widerstände z. B. zur Vermeidung von hohen Einschaltströmen. Die
nachfolgenden Bilder zeigen NTC- und PTC-Bauelement mit dem dazugehörigen Symbol und den
Kennlinien. Die Eigenschaften der Bauelemente sind zusammenfassend in der Tabelle 5-2 dargestellt.
ETEK1 2013
---
64
5.6 Lernziel-Test
Bild 5-10 PTC-Bauteil
Bild 5-11 NTC-Bauteil
Bild 5-12 PTC-Symbol
Bild 5-13 NTC-Symbol
Bild 5-14 PTC-Kennlinie
Bild 5-15 NTC- Kennlinie
Tabelle 5-2:
PTC- und NTC-Bauelemente Kategorisierung
Temperaturkoeffizient Bezeichnung
Verhalten
20 > 0
Positive Temperature
Coefficient = PTC
Widerstandswert steigt mit der
Temperatur
20 < 0
Negative Temperature
Coefficient = NTC
Widerstandswert fällt mit der
Temperatur
5.6
1.
2.
3.
4.
Lernziel-Test
Nennen Sie die grundsätzlichen Methoden zur Bestimmung des Arbeitspunktes?
Was ist ein Arbeitspunkt und wie ist er gekennzeichnet?
Was versteht man unter Leistungsanpassung?
Wie lautet die Bedingung für die Leistungsanpassung?
ELHL1 2013
Arbeitspunkt, Leistungsanpassung, Thévenin-Theorem, NTC und PTC
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
5.7
65
Zeichnen Sie die Verbraucherleistung P2 als Funktion der Verbraucherspannung U2?
Wie gross ist der maximale Wirkungsgrad einer Verbraucher-Last-Schaltung?
Was versteht man unter Thévenin-Theorem?
Wie bestimmt man unter dem Begriff Thévenin-Äquivalent einer Schaltung?
Wie berechnet sich allgemein der Widerstand als Funktion der Temperatur?
Welche Kenngrösse legt die Abhängigkeit der Temperatur fest?
Welches Vorzeichen hat der Temperaturkoeffizient bei Metallen um die Raumtemperatur?
Zeichnen Sie das Symbol eines NTC und PTC-Widerstands?
Was versteht man unter Kaltleiter?
Wie verändert sich ein Widerstand eines NTC bei Erwärmung?
Wie verändert sich der Leitwert eines PTC bei Abkühlung?
Lösungen zum Lernziel-Test
1. bis 15. siehe Skript
ETEK1 2013
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66
6
6.1 Phänomen «Strom durch Luft»
Kapazität und Kondensator
Lernziele:
 Aufbau von Kondensatoren
 Spannungsfestigkeit von Kondensatoren
 Zusammenschaltung von Kondensatoren
 Parallel- und Reihenschaltung von Kondensatoren
6.1
Phänomen «Strom durch Luft»
Ein Kondensator (capacitor) besteht aus zwei Metallflächen, die durch einen Isolator elektrisch
voneinander getrennt sind. Beim Plattenkondensator sind die Metallflächen planparallele Platten im
Abstand l; der Zwischenraum wird vom Isolator ausgefüllt, der auch Dielektrikum genannt wird (Bild
6-1).
Bild 6-1 Versuchsaufbau zum Kondensator
Verbindet man eine Gleichspannungsquelle mit einem Kondensator, fliesst kurzzeitig ein Strom; durch
den Kondensator. Die Ladung Q wird von der einen Platte abgezogen und der anderen hinzugefügt.
Der Strom hört dann zu fliessen auf, wenn der Kondensator auf die Quellenspannung aufgeladen ist
(Bild 6-2).
Legt man an zwei elektrisch voneinander getrennte Platten (Kondensator) an eine Spannung, so
kann man bei einer Spannungsänderung u(t) einen Stromfluss i(t) beobachten.
ELHL1 2013
Kapazität und Kondensator
67
Bild 6-2 Erläuterung zum Stromfluss im Kondensator
Erklärung:
• Durch die Spannungsänderung wird Ladung auf den Platten aufgebracht bzw. abgezogen.
• Der Kondensator ist nach einer bestimmten Zeit geladen, der geladene Zustand bleibt bei
geöffnetem Schalter erhalten.
Der Strom i(t) im Dielektrikum wird als Verschiebungsstrom (displacement current) bezeichnet.
Der Quotient aus Ladung und Spannung eines Kondensators wird elektrische Kapazität (capacitance)
C genannt:
C
elektrische Kapazität
Tabelle 6-1:
Qc
Uc
Formelbuchstaben und Einheiten zur Kapazität
Kapazität
C
Qc
, Qc  C  U c
Uc
Einheit der Kapazität:
[C] = Farad = F
Relationen
1 F = 1 C / V = 1 As / V
Momentane Ladung:
qt   C  uc t 
Momentane Strom:
iC t   C 
Momentane Spannung:
1
uC t     iC t   dt  uc t0 
C t0
ETEK1 2013
(6-1)
d uc t 
dt
t
---
68
6.1 Phänomen «Strom durch Luft»
Bild 6-3 Q-U-Kennlinie eines linearen und eines nichtlinearen kapazitiven
Eintors sowie Kapazität C
Trägt man die Ladung Q eines Kondensators als Funktion der Spannung auf, so erhält man bei einem
linearen kapazitiven Eintor eine Gerade durch den Nullpunkt (Bild 6-3). Bei diesem Eintor ist die
Kapazität C konstant und von der Spannung unabhängig. Bei einem nichtlinearen kapazitiven Eintor
ist der Graph der Funktion Q = f(U) keine Gerade; die Kapazität C eines solchen Eintors ist von der
Spannung abhängig.
Beispiel 6-1: Ladung in einem Kondensator
Welche Ladung trägt ein Kondensator C = 15 μF mit linearer Q-U-Kennlinie an der Spannung 12 V?
Ein Kondensator hat folgendes Verhalten:
• Ein ungeladener Kondensator wirkt im ersten Moment wie ein Kurzschluss (er wird aber
sogleich aufgeladen!)
• Ein geladener Kondensator wirkt im ersten Moment wie eine Spannungsquelle (er wird aber
sogleich entladen, womit die Spannung fällt!
Werden zwei oder mehrere Kondensatoren zusammengeschaltet, so ergeben sich folgende Verhalten:
• Das Zusammenschalten von ungeladene Kondensatoren ist unproblematisch.
• Beim Zusammenschalten von geladene Kondensatoren ist Folgendes zu beachten:
– Eine Serienschaltung ist unproblematisch.
– Bei einer Parallelschaltung ergibt sich:
Bei ungleicher Spannung erfolgt sofortiger Ladungsausgleich. Die Stromstärke nur
durch Widerstand der Drähte und der Platten begrenzt. Der hohe Strom kann den
Kondensator eventuell beschädigen.
ELHL1 2013
Kapazität und Kondensator
69
Bild 6-4 Zusammenschaltung von Kondensatoren
6.2
Aufbau und Bauformen von Kondensatoren
Die technische Ausführung von Kondensatoren besteht aus zwei elektrisch leitenden Flächen in meist
geringem Abstand, den Elektroden, auch Kondensatorbeläge genannt. Dazwischen befindet sich
immer ein isolierender Bereich, ein Dielektrikum (Bild 6-5). Bei den meisten Bauformen werden die
Elektroden und das Dielektrikum aufgerollt oder als Stapel angeordnet. Verschiedene Bauformen sind
im Bild 6-6 dargestellt.
Bild 6-5 Aufbau von Kondensatoren
Bild 6-6 Kondensatorbauformen
Kondensatoren werden in vielen elektrischen Anlagen und in nahezu jedem elektronischen Gerät
eingesetzt. Sie realisieren beispielsweise elektrische Energiespeicher, Blindwiderstände oder
frequenzabhängige Widerstände; spezielle Bauformen werden als Sensor verwendet. Ein Auszug aus
einem Datenblatt eines Kondensators ist in Bild 6-7 dargestellt.
ETEK1 2013
---
70
6.2 Aufbau und Bauformen von Kondensatoren
Bild 6-7 Datenblatt eines Kondensators
Zu einem der wichtigsten Parameter gehört die Spannungsfestigkeit UCmax. Beim Überschreiten der
maximal zulässigen Spannung UC > UCmax findet ein Überschlag statt. Die Spannungsfestigkeit ist
abhängig von:
ELHL1 2013
Kapazität und Kondensator


71
Abhängig vom Plattenabstand,
und vom verwendeten Isolationsmaterial
Um eine hohe Spannungsfestigkeit zu erreichen werden Flüssigelektrolyte eingesetzt. Das zeigt zwei
Kondensatoren mit unterschiedlicher Maximalspannung.
Bild 6-8 Kondensatoren ( links: 2200 μF / 16 V, rechts: 330 μF / 400 V)
6.3
Symbole und Schaltungen
Die Kondensatoren werden durch die nachfolgenden Symbole im Schaltschema dargestellt (Bild 6-9).
Ist bei der Verwendung des Kondensators die Polarität zu beachten, so wird dies im Schema
gekennzeichnet.
Bild 6-9 Symbole der Kondensatoren
Besteht eine zweipolige Schaltung aus zwei oder mehr kapazitiven Eintoren, so kann man sie durch
ein Ersatzeintor ersetzen. Wir befassen uns im Folgenden ausschliesslich mit Kondensatoren, die
lineare kapazitive Eintore sind. Das Bild 6-10 zeigt eine Parallelschaltung von zwei Kondensatoren
und eine Ersatzkapazität.
Bild 6-10 Parallelschaltung zweier Kondensatoren (a) und Ersatzkapazität (b)
ETEK1 2013
---
72
6.3 Symbole und Schaltungen
Sind zwei Kondensatoren parallel geschaltet, so ist die Ladung Qe des Ersatzkondensators gleich der
Summe der Teilladungen:
Qe  Q1  Q2
(6-2)
Mit Q = C U berechnen wir die Ersatzkapazität:
(6-3)
Die Ersatzkapazität von parallel geschalteten Kondensatoren ist gleich der Summe der
Teilkapazitäten.
Die Ersatzkapazität von parallel geschalteten Kondensatoren ist gleich der Summe der Teilkapazitäten.
Für n parallel geschaltete Kondensatoren gilt:
(6-4)
Sind zwei Kondensatoren in Reihe geschaltet, so haben sie die gleiche Ladung Q = Q1 = Q2, denn in
dem Zwischenstück, das durch zwei Isolatoren von der Quelle getrennt ist, werden durch
Ladungstrennung die Ladungen -Q1 und Q2 getrennt.
Bild 6-11 Reihenschaltung von zwei Kondensatoren (a) und Ersatzkapazität (b)
Allgemein gilt für beliebig viele Kondensatoren:
In Reihe geschaltete Kondensatoren tragen stets gleiche Ladung.
Die Ersatzkapazität der Reihenschaltung berechnen wir durch:
1
1
1


C e C1 C 2
(6-5)
Durch Umstellung der Gleichung erhält man:
(6-6)
Für n in Reihe geschaltete Kondensatoren gilt entsprechend:
ELHL1 2013
Kapazität und Kondensator
73
(6-7)
Beispiel 6-2: Kapazität einer Reihenschaltung
Welche Kapazität haben 4 in Reihe geschaltete Kondensatoren C = 1 μF mit linearer Q-U-Kennlinie,
deren Bemessungsspannung 100 V beträgt? An welcher maximalen Spannung darf die
Reihenschaltung betrieben werden?
6.4
1.
2.
3.
4.
5.
6.5
Lernziel-Test
Wie ist ein Kondensator aufgebaut?
Wie ist die Kapazität definiert?
Wie kann man die Ersatzkapazität von zwei parallel geschalteten Kondensatoren berechnen?
Wie kann man die Ersatzkapazität von zwei in Reihe geschalteten Kondensatoren berechnen?
Zeichnen Sie ein Q-U-Kennlinie einer Kapazität C.
Lösungen zum Lernziel-Test
1. bis 5. siehe Skript
ETEK1 2013
---
74
7
7.1 Coulombsches Gesetz
Zeitkonstante Felder
Lernziele:
 Coulombsches Gesetz
 Elektrisches Strömungsfeld
 Elektrostatisches Feld
7.1
Coulombsches Gesetz
Eine Ladung wirkt auf eine Probeladung mit einer Kraftwirkung (Bild 7-1). Die Kraftwirkung ergibt
sich aus dem coulombschem Gesetz
(7-1)
mit
Permittivität des Vakuums
Permittivität eines Materials
Dielektrizitätszahl (griechisch: Epsilon r»)
ε0 = 8.85 · 10-12 As/(Vm)
ε
εr = ε / ε0 d.h. ε = εr · ε0
Bild 7-1 Wirkung zwischen zwei Ladungen
Die Stärke des elektrischen Feldes kann auch durch eine Probeladung bestimmt werden. Für die Stärke
des elektrischen Felds gilt:
(7-2)

Die elektrische Feldstärke E hat eine Richtung und einen Betrag. Sie ist einem Raumpunkt
zugeordnet (Bild 7-2). Die Einheit ist in der Tabelle 1-1 aufgeführt.
ELHL1 2013
Zeitkonstante Felder
75
Bild 7-2 Elektrische Feldstärke im 2-dimensionalen Raum
Tabelle 7-1:
Formelbuchstaben und Einheiten zur elektrischen Feldstärke
Elektrische Feldstärke

E
Einheit der elektrischen Feldstärke:
[E] = V/m
Beispiel 7-1: Ladung im elektrischen Feld

In einem elektrischen Feld E von 3 V/m befindet sich eine Elementarladung. Berechnen Sie die
Kraftwirkung.
Bild 7-3 Verschiebung einer Ladung im elektrischen Feld E
Wird eine Ladung in einem elektrischen Feld verschoben um eine kleine Länge dl verschoben, so ist
eine Arbeit W notwendig. Es gilt für die Arbeit W:
(7-3)
(7-4)
ETEK1 2013
---
76
7.2
7.2 Elektrisches Strömungsfeld
Elektrisches Strömungsfeld
Wenn sich in einem Raumgebiet die Wirkungen elektrischer Ladungen nachweisen lassen, dann sagt
man, dass in diesem Gebiet ein elektrisches Feld (electric field) vorhanden ist. Die Ladungen können
sich in Bewegung oder in Ruhe befinden. Bei einer geordneten Bewegung von Ladungen fliesst ein
elektrischer Strom und es liegt ein elektrisches Strömungsfeld vor.
Homogenes Feld
Im Abschnitt 1.3 haben wir die Stromdichte in einem homogenen Leiter untersucht, dessen Material
gleichmässig verteilt ist; ausserdem haben wir angenommen, dass der Querschnitt des Leiters konstant
ist. Handelt es sich dabei um einen linearen Leiter, dessen Länge gross ist gegenüber der grössten
Querschnittsabmessung, so ist die Stromdichte J gleichmässig über die Leiterquerschnittsfläche A
verteilt.
Um diesen Sachverhalt grafisch darzustellen, teilen wir die gesamte Ladung Q, die von einem Strom I
durch einen Querschnitt A transportiert wird, in mehrere Teilladungen ΔQ ein. Dabei betrachten wir
die Kraft F auf je eine positive Ladung, die sich auf der Grenzlinie zwischen zwei Teilladungen
bewegt.
Verbindet man die Punkte, auf denen sich diese Ladungen bewegen, so erhält man die Feldlinien
(lines of force) des Kraftfeldes.
Bild 7-4 Feldlinien des elektrischen Feldes in einem linearen Leiter
Bei der Darstellung der Kraft erweist es sich als ungünstig, dass ihre Richtung anders ist, wenn sich
negative Ladungen bewegen. Für eine einheitliche Darstellung bildet man deshalb den Quotienten aus
Kraft und Ladung, der als elektrische Feldstärke (electric field strength) E bezeichnet wird und wie
die Kraft ein Vektor ist:

 F
E
Q
(7-5)
Das Bild 7-4 zeigt nicht nur die Feldlinien der elektrischen Feldstärke, sondern auch die der
Stromdichte.
Das Feld des linearen Leiters (Bild 7-4) ist ein homogenes Feld, dessen Feldvektor in jedem
Raumpunkt gleichen Betrag und gleiche Richtung hat. Die Feldlinien eines homogenen Feldes
sind zueinander parallel und haben gleiche Abstände.
ELHL1 2013
Zeitkonstante Felder
77
Bild 7-5 Kraft- und Feldstärkevektor bei einer positiven und negativen Ladung.
Bei einer positiven Ladung haben Kraft- und Feldstärkevektor gleiche Richtung und bei einer
negativen Ladung entgegengesetzte Richtungen (Bild 7-5).
Das Feld des linearen Leiters (Bild 7-4) ist ein homogenes Feld, dessen Feldvektor in jedem
Raumpunkt gleichen Betrag und gleiche Richtung hat. In einem homogenen Feld ist der Betrag E des
Feldstärkevektors wegen gleich dem Quotienten aus der Spannung U12 zwischen zwei Punkten 1 und 2
sowie der Länge l des Leiters:
(7-6)
In einem homogenen Feld lassen sich deshalb auch problemlos die Flächen gleichen Potenzials
eintragen, die man als Äquipotenzialflächen bezeichnet. Diese Flächen werden von den Feldlinien
senkrecht durchstossen.
In der zweidimensionalen Darstellung des Bild 7-4 werden die Äquipotenzialflächen zu
Äquipotenziallinien. Diese haben im homogenen Feld gleiche Abstände und sind zueinander parallel.
Feldlinien und Äquipotenziallinien verlaufen stets senkrecht zueinander.
Beispiel 7-2: Linearer Leiter
Wir wollen für einen linearen Leiter mit R = 1 kΩ, an dem die Spannung U = 4 V liegt, das Feldbild
zeichnen.
Inhomogenes Feld
Hat die elektrische Feldstärke E in einem Leiter nicht an jedem Punkt denselben Betrag oder ist der
Vektor E an verschiedenen Stellen unterschiedlich gerichtet, so liegt ein inhomogenes Feld vor.
Entsprechendes gilt wegen für den Stromdichtevektor J.
ETEK1 2013
---
78
7.2 Elektrisches Strömungsfeld
Das Bild 7-6 zeigt als Beispiel einen um 90° abgeknickten Leiter, der an der Spannung 10 V liegt.
Durch den Leiter mit dem Widerstand R = 2 kΩ fliesst der Strom 5 mA. Die Dicke des Leiters hat
überall denselben Wert; man nennt das Feld deshalb paralleleben.
Bild 7-6 Parallelebenes Feld der Stromdichte in einem abgeknickten Leiter
Der gezeichnete Feldverlauf ergibt sich dann, wenn der Strom in das Feldgebiet über einen Leiter
eingeleitet wird, dessen Leitfähigkeit γ wesentlich höher ist als die des Leiters, in dem sich das Feld
ausbildet. Man bezeichnet den Leiter mit hoher Leitfähigkeit, der an einen anderen mit wesentlich
niedrigerer Leitfähigkeit grenzt, auch als Elektrode. Die Feldlinien stehen an jeder Stelle des Feldes
senkrecht auf den Äquipotenzialflächen, die wir beim parallelebenen Feld als Äquipotenziallinien
darstellen.
Bild 7-7 Messung der Potenziallinien im parallelebenen Feld
Es ist problemlos möglich, die Potenziallinien zu messen. Dazu wird ein Abbild der Kontur aus
elektrisch schwach leitendem Papier ausgeschnitten und an zwei Elektroden befestigt, die mit einer
Spannungsquelle verbunden sind (Bild 7-7). Mit einer Prüfspitze können dann die Punkte eines
bestimmten Potenzials gesucht und markiert werden.
Sind die Äquipotenziallinien eines Feldes bekannt, so kann man die Feldlinien mithilfe der
Kästchenmethode einzeichnen. In einem parallelebenen Strömungsfeld hat ein Ausschnitt, der als
Kästchen bezeichnet wird, die mittlere Breite Δb und die mittlere Länge Δl. Für quadratähnliche
Kästchen mit Δb = Δl hat jedes Kästchen den gleichen Widerstand:
ELHL1 2013
Zeitkonstante Felder
79
(7-7)
Bild 7-8 „Kästchen“ in einem inhomogenen Stromdichtefeld
Wie das Bild 7-8 zeigt, kann man durch die Unterteilung des Feldes in die Kästchen auch die
Feldlinien erhalten.
Das Feld einfacher symmetrischer Anordnungen kann mit erträglichem Aufwand berechnet werden.
Bevor wir uns damit befassen, soll zunächst gezeigt werden, wie man eine Spannung und einen Strom
in einem inhomogenen Feld berechnet.
Eine Spannung kann im inhomogenen Feld nicht einfach berechnen, weil die Feldstärke längs des
Weges unterschiedliche Werte annimmt. Man zerlegt deshalb zweckmässig den Weg in infinitesimal
kleine Teilstrecken und ermittelt für jede die Teilspannung:
 
dU  E  ds
(7-8)
Da die beiden Vektoren unterschiedliche Richtung haben können, muss das Skalarprodukt gebildet
werden. Die Spannung U12 zwischen zwei Punkten 1 und 2 erhalten wir durch Integration:
2
 
U12   E  ds
(7-9)
1
7.3
Elektrostatisches Feld
Ist der Stromkreis durch einen Isolator unterbrochen, so können sich die Ladungen nur kurzzeitig nach
dem Einschalten bewegen und erreichen dann eine Ruhelage. Man bezeichnet den dabei vorliegenden
Sonderfall des elektrischen Feldes in einem idealen Isolierstoff mit der Leitfähigkeit  = 0 als
elektrostatisches Feld (electrostatic field).
ETEK1 2013
---
80
7.3 Elektrostatisches Feld
Homogenes Feld
Ein homogenes elektrostatisches Feld liegt im Inneren einer Anordnung aus zwei planparallelen
Platten vor, die als Plattenkondensator (plate capacitor) bezeichnet wird (Bild 7-9). Die Platten tragen
unterschiedliche Ladungen +Q und – Q. Der Kondensator trägt die Ladung Q.
Die Feldlinien beginnen auf den positiven und enden auf den negativen Ladungen. Man bezeichnet die
positiven Ladungen als Quellen und die negativen als Senken des elektrischen Feldes und sagt, das
elektrostatische Feld ist ein Quellenfeld.
Bild 7-9 Feld im Inneren eines Plattenkondensators (randferner Ausschnitt)
Die Ladungen mit gleichen Vorzeichen üben aufeinander abstossende Kräfte aus. Dagegen ziehen sich
die Ladungen unterschiedlichen Vorzeichens an. Die Kraftwirkung führt dazu, dass sich die Ladungen
auf den einander zugewandten Plattenflächen befinden und sich auf diesen Flächen gleichmässig
verteilen. In der Nähe des Plattenrandes ist die Verteilung nicht konstant.
Zu der gleichmässigen Verteilung der Ladungen im Inneren eines Plattenkondensators gehört ein
homogenes Feld (Bild 7-9). In den Randzonen sind die Ladungen dagegen nicht gleichmässig verteilt,
das Feld ist dort inhomogen. Dies wird als Randeffekt bezeichnet, der aber bei grosser Plattenfläche
und kleinem Plattenabstand vernachlässigt wird.
Wie das Bild 7-9 zeigt, stehen die Feldlinien des elektrostatischen Feldes senkrecht auf den
Leiteroberflächen. Da keine Ströme fliessen, treten im Leiterinneren keine Potenzialdifferenzen auf
und jeder Punkt besitzt dort das gleiche Potenzial wie die Leiteroberfläche. Wird ein leitender
Gegenstand in ein elektrostatisches Feld gebracht, so erzwingt man damit eine Äquipotenzialfläche
und verändert im Allgemeinen den Feldverlauf.
Im elektrostatischen Feld ist jede Leiteroberfläche eine Äquipotenzialfläche.
Influenz
Der Feldverlauf des elektrostatischen Feldes wird durch das Einbringen eines leitenden Gegenstandes
dann nicht verändert, wenn der leitende Gegenstand sehr dünn ist und seine Oberfläche senkrecht auf
den Feldlinien steht.
ELHL1 2013
Zeitkonstante Felder
81
Bild 7-10 Influenz als Ladungstrennung im elektrostatischen Feld
Das Bild 7-10 zeigt einen leitenden Gegenstand L, der in ein ursprünglich homogenes elektrostatisches
Feld gebracht wurde. Durch die COULOMB-Kräfte werden frei bewegliche Ladungen so an die
Oberflächen des leitenden Gegenstandes bewegt, dass die Feldlinien auf positiven Ladungen beginnen
auf negativen Ladungen enden. Diese Ladungstrennung im elektrostatischen Feld wird als Influenz
(electric induction) bezeichnet.
Durch die Influenz bildet sich eine Flächenladung aus, die als elektrische Flussdichte (dielectric
displacement) D bezeichnet wird. Wir betrachten ausschliesslich die positive Ladung Q > 0 und setzen
für das homogene Feld an, bei dem die Ladung gleichmässig verteilt ist:
Elektrische Flussdichte
D
Q
A
(7-10)
Die elektrische Flussdichte hat die Einheit:
Die elektrische Flussdichte wird in einigen Literaturstellen auch als elektrische Verschiebungsdichte
bezeichnet. Dieser Begriff ist die wörtliche Übersetzung des englischen Begriffes.
Da man den leitenden Gegenstand an jede Stelle des elektrostatischen Feldes bringen kann, existiert
auch die elektrische Flussdichte D an jeder Stelle dieses Feldes.
Die bei der Influenz getrennte Ladung Q ist umso grösser, je höher die Feldstärke E des elektrischen
Feldes ist. Dementsprechend ist auch die elektrische Flussdichte D von der Feldstärke E abhängig. Für
Vakuum gilt:
Elektrische Flussdichte im Vakuum
D  0  E
(7-11)
Die Grösse ε0 (griech. Buchstabe epsilon) wird als elektrische Feldkonstante (absolute permittivity)
bezeichnet. Sie hat den Wert:
elektrische Feldkonstante
ETEK1 2013
 0  8.8542  10 12
As
Vm
(7-12)
---
82
7.3 Elektrostatisches Feld
Die elektrische Feldkonstante wird auch als Permittivität des Vakuums bezeichnet.
Inhomogenes Feld
In einem inhomogenen elektrostatischen Feld hat der Feldstärkevektor E an verschiedenen Stellen
unterschiedlichen Betrag und unterschiedliche Richtung. Auch die elektrische Flussdichte ist ein
Vektor; sie hat an jeder Stelle des inhomogenen Feldes dieselbe Richtung wie der Feldstärkevektor:
Elektrische Flussdichte im Vakuum


D  0  E
(7-13)
Permittivität
Bisher haben wir lediglich Vakuum als Isolator zugelassen. Wir wollen nun untersuchen, wie es sich
auswirkt, wenn stattdessen ein nicht leitender Stoff zwischen die Elektroden eines Plattenkondensators
gebracht wird.
Bild 7-11 Kondensator mit nicht leitendem Stoff
Liegt ein Plattenkondensator mit dem Plattenabstand l an der Spannung U, so entsteht in seinem
Inneren ein homogenes Feld mit der Feldstärke
E
U
l
(7-14)
Ist der Feldraum zwischen den Platten evakuiert, so herrscht dort die elektrische Flussdichte
D0   0  E
(7-15)
und auf einer Platte ist die positive Ladung
(7-16)
vorhanden. Wird ein nicht leitender Stoff zwischen die Elektroden des Plattenkondensators gebracht,
so ist bei gleicher Spannung U und unveränderter Feldstärke
E
U
l
(7-17)
die positive Ladung Q > Q0 vorhanden und es ist D > D0. Der Quotient aus D und D0 wird
Permittivitätszahl (relative permittivity) εr (griech. Buchstabe epsilon) genannt:
ELHL1 2013
Zeitkonstante Felder
83
r 
D
Q

D0 Q0
(7-18)
Wie aber kann man sich erklären, dass der nicht leitende Stoff zwischen den Elektroden des
Plattenkondensators die Ladung auf einen Wert Q > Q0 anwachsen lässt? Wir müssen bei dieser
Erklärung berücksichtigen, dass in den nicht leitenden Stoffen räumlich verteilte positive und negative
Ladungen der Atome bzw. Moleküle vorhanden sind, die man sich jeweils in einem
Ladungsschwerpunkt konzentriert vorstellen kann.
Nichtleiter, bei denen diese Ladungsschwerpunkte zusammenfallen, nennt man unpolare Stoffe; sie
enthalten zunächst keine Dipole. Zu diesen Stoffen gehören z. B. Luft, die meisten Kunststoffe, Öl,
Porzellan, Glas und Glimmer. Ihre εr-Werte liegen in der Grössenordnung 2…10 und sind als
Materialkonstanten praktisch unabhängig von der Temperatur und der äusseren Feldstärke. Bringt man
einen unpolaren Stoff in ein äusseres elektrostatisches Feld, so werden z. B. die Ladungsschwerpunkte
von Atomkern und Elektronenhülle gegeneinander verschoben, wodurch Dipole entstehen (Bild 7-12).
Bild 7-12 Molekül eines unpolaren Stoffes
a) ohne äusseres elektrisches Feld, b) im äusseren elektrischen Feld
Nichtleiter, bei denen die Ladungsschwerpunkte auch ohne äusseres elektrisches Feld nicht
zusammenfallen, nennt man polare Stoffe; sie enthalten von vornherein Dipole. Im elektrischen Feld
werden die Dipole ausgerichtet, was man als Orientierungspolarisation bezeichnet. Zu den polaren
Stoffen gehören z. B. das Wasser, Kunststoffe aus C-Cl-Verbindungen (z. B. PVC) und TitanoxidKeramik (TiO2). Die εr-Werte der polaren Stoffe sind höher als die der unpolaren, sie hängen jedoch
von der Temperatur und zum Teil auch von der äusseren elektrischen Feldstärke ab.
Auf einen Dipol in einem homogenen elektrischen Feld wird ein Drehmoment ausgeübt, das die
Dipolachse in die Feldrichtung zu drehen sucht (Bild 7-13). In einem inhomogenen Feld sind die
Kräfte auf die Dipolladungen unterschiedlich; dadurch wird der Dipol in das Gebiet höherer
Feldstärke gezogen (Bild 7-13).
Bild 7-13 Dipol im homogenen Feld
ETEK1 2013
Bild 7-14 Dipol im inhomogenen Feld
---
84
7.3 Elektrostatisches Feld
Nun lässt sich die Frage beantworten, warum ein Nichtleiter im Feldraum eine grössere Ladung Q auf
den Platten eines Kondensators zur Folge hat als die Ladung Q0, die der evakuierte Kondensator
enthält. Im Nichtleiter sind die Dipole ausgerichtet, sie erscheinen an den Grenzflächen als gebundene
Ladungen, die den Isolator nicht verlassen können (Bild 7-15).
Bild 7-15 Feldstärke im Plattenkondensator an konstanter Spannung im Vakuum
(a) und im Isolator (b), in dem E unverändert und D > D0 ist
Die Quelle verschiebt zusätzliche Ladungen auf die Platten, wodurch die Flussdichte auf einen Wert
D > D0 ansteigt:
Elektrische Flussdichte
D  r 0  E
(7-19)
Das Produkt  r   0 wird als Permittivität (permittivity)  bezeichnet:
  r 0
(7-20)
Damit lässt sich die elektrische Flussdichte der Gl. (7-19) verkürzt schreiben:
Elektrische Flussdichte
D  E
(7-21)
Diese Bezeichnung Permittivität ist problematisch: Die Grösse  ohne Index und die Feldkonstante 0
mit dem Index 0 haben die Einheit A s / (V m); und dass die Permittivitätszahl r die Einheit 1 hat,
lässt sich nur am Index erkennen, den lediglich die englische Bezeichnung relative permittivity erklärt.
ELHL1 2013
Zeitkonstante Felder
Tabelle 7-2:
85
Permittivitätszahl von Isolierstoffen (Auswahl)
Elektret
Durch spezielle Herstellungsverfahren ist es möglich, Ladungen auf der Oberfläche von
Kunststofffolien so „einzufrieren“, dass sie sich nicht bewegen können und praktisch beliebig lange
erhalten bleiben.
Man bezeichnet ein derartiges Gebilde, das in seiner Umgebung dauernd ein elektrisches Feld erzeugt,
als Elektret (electret). Angewendet werden Elektretfolien z. B. in der Audio-Technik bei Mikrofonen.
Wird dabei die stets geladene Folie beim Auftreffen einer Schallwelle verbogen, so ergibt sich eine
zeitabhängige Spannung, die einem Verstärker zugeführt wird.
7.4
Kapazität von Leiteranordnungen
Eine Kapazität kann nicht nur für das Bauelement Kondensator angegeben werden, sondern auch für
eine beliebige Anordnung aus zwei Leiterflächen, die durch einen Isolator elektrisch getrennt sind.
Bild 7-16 Aufbau eines Plattenkondensators
ETEK1 2013
---
86
7.4 Kapazität von Leiteranordnungen
Beim Plattenkondensator (Bild 7-16) lassen wir den Randeffekt unberücksichtigt und nehmen
vereinfachend an, dass die Flussdichte nur im Bereich zwischen den Platten einen Wert D ≠ 0
aufweist. Für die Kapazität eines Plattenkondensators gilt:
(7-22)
Kapazität eines Plattenkondensators
mit
l
A
(7-23)
Plattenabstand
Plattenfläche
Relativ einfach lässt sich auch die Kapazität von konzentrischen Anordnungen berechnen (Bild 7-17,
Bild 7-18). Für einen koaxialen Zylinder, wie sie z. B. bei der Koaxialleitung (coaxial line) vorliegen,
ergibt sich die Kapazität durch:
Kapazität eines Koaxialkondensators
Bild 7-17 Feld der elektrischen Flussdichte
zwischen koaxialen Zylindern
C
2  r 0  l
r
ln a
ri
(7-24)
Bild 7-18 Aufbau eines koaxialen Zylinders
1: Seele oder Innenleiter
2: Isolation oder Dielektrikum zwischen
Innenleiter und Kabelschirm
3: Aussenleiter und Abschirmung
4: Schutzmantel
Für die Kapazität zwischen zwei konzentrischen Metallkugeln (Bild 7-19) mit den Radien ri und ra
gilt:
ELHL1 2013
Zeitkonstante Felder
87
Konzentrische Metallkugeln
C
4  r 0
1 1

ri ra
(7-25)
Bild 7-19 Aufbau zweier konzentrischer Metallkugeln
Praktische Bedeutung hat lediglich der Sonderfall ra → ; die Kapazität zwischen einer Kugel mit
dem Radius ri und der Fernkugel ist:
Kugel
C  4     r   0  ri
(7-26)
Das Bild 7-20 zeigt den praktischen Aufbau eines Elektrolytkondensators. Für grosse Kapazitäten
wird eine sehr dünne Aluminiumfolie elektrochemisch an der Oberfläche elektrochemisch aufgerauht.
Durch diesen Vorgang erzielt man eine Flächenvergrösserung von ca. 150. Die Oberfläche wird
anschliessend oxidiert und es entsteht hieraus ein Dielektrikum. Das Dielektrikum hat eine
Schichtdicke von ca. 14 nm bei 10 V Spannungsfestigkeit (Spannungsfestigkeit ca. 700 V/um). Damit
eine gute Verbindung zur aufgerauten Fläche entsteht ist der andere Pol aus flüssig Elektrolyt
aufgebaut. Die Dielektrizitätszahl des Elektrolyten ist sehr gross (Formamid = 109). Eine weitere Folie
zur Kontaktierung des Elektrolyten ist vorhanden. Damit im gleichen Volumen eine möglichst grosse
Kapazität entsteht, wird der Aufbau aufgerollt, sodass die wirksame Fläche sich verdoppelt. Der
Vorteil dieser Technologie sind die günstigen Ausgangsmaterialien und der einfache Herstellungsprozess. Ein Elektrolytkondensator ist ein polarisiertes Element. In der Aluminiumoxidschicht ergeben
sich mit der Zeit Defekte (durch Diffusion). Ist jedoch der Pluspol wie bei der Anodisierung
angeschlossen, diese Defekte werden durch wieder repariert. Kondensatoren, die lange gelagert
wurden, können deshalb einen hohen Strom in den ersten Betriebsminuten aufweisen. Bei falscher
Polarisierung werden Defekte nicht repariert und es kommt zu einem ansteigenden Leckstrom. Der
Leckstrom führt zur Elektrolyse, die entstehenden Gase blähen den Kondensator auf und entzünden
sich bei genügend hohem Leckstrom, d. h. bei einer genügend hohen Erwärmung im Kondensatorinnern kann der Kondensator explodieren. Ein lange gelagerter Kondensator wird schnell explodieren,
da er bereits viele Defekte aufweist.
ETEK1 2013
---
88
7.5 Zusammenfassung
7.5
Zusammenfassung
Grundgleichungen
ele elektrische Kapazität
C
Kapazität eines Plattenkondensators
C
C
Qc
Uc
Qc  C  U c
Uc 
Qc
C
ELHL1 2013
Qc
Uc
(6-1)
r 0  A
l
(7-23)
Zeitkonstante Felder
89
Bild 7-20 Aufbau eines Elektrolytkondensators (Quelle: EPCOS)
Beispiel 7-3: Kapazität zwischen Kugel und Fernkugel
Welche Kapazität liegt zwischen einer Kugel mit dem Durchmesser 1 cm und der Fernkugel beim
Dielektrikum Luft vor?
Beispiel 7-4: Reihenschaltung von zwei Kondensatoren
Zwei Kondensatoren mit den Kapazitäten 0.22 μF und 4.7 μF haben jeweils die Bemessungsspannung
100 V. An welcher höchsten Spannung darf die Reihenschaltung dieser Kondensatoren betrieben
werden und welche Ersatzkapazität liegt vor?
ETEK1 2013
---
90
7.5 Zusammenfassung
Beispiel 7-5: Plattenkondensator mit Glas
In einen Plattenkondensator mit dem Dielektrikum Luft und dem Plattenabstand 5 mm wird eine 3 mm
dicke Glasplatte gebracht, wodurch die Kapazität auf das 2.1-fache ansteigt. Welche Permittivitätszahl
hat das Glas? Der Randeffekt soll unberücksichtigt bleiben.
Beispiel 7-6: Farady-Käfig
Erläutern Sie die elektrostatische Funktion und Wirkung im nachfolgenden Bild?
ELHL1 2013
Zeitkonstante Felder
7.6
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
7.7
91
Lernziel-Test
Was ist ein parallelebenes Feld?
Wie ist die elektrische Feldstärke definiert?
Zeichnen Sie die Feldlinien eines homogenen Stromdichtefeldes.
Wie kann man eine Spannung in einem inhomogenen Feld mit der Feldstärke berechnen?
Wie kann man einen Strom in einem inhomogenen Feld mit der Stromdichte berechnen?
Erläutern Sie, warum das elektrostatische Feld ein Quellenfeld ist.
Wie ist die elektrische Flussdichte für ein homogenes Feld definiert?
Wie lautet der Zusammenhang zwischen der elektrischen Flussdichte und der elektrischen
Feldstärke?
Welche Einheit hat die elektrische Feldkonstante?
Was versteht man unter dem Begriff Punktladung?
Skizzieren Sie das elektrische Feld in der Umgebung einer Punktladung.
Wie lautet das COULOMB-Gesetz?
Was ist ein Dipol?
Welche Kräfte wirken auf einen Dipol in einem homogenen und in einem inhomogenen
elektrischen Feld?
Was ist ein Elektret?
Welche Energie ist notwendig, um eine Ladung auf einer Äquipotenzial-Linien zu verschieben?
Was versteht man unter Dielektrikum?
Lösungen zum Lernziel-Test
1. bis 17. siehe Skript
ETEK1 2013
---
92
8
8.1 Feldlinien von Magneten
Magnetisches Feld
Lernziele:
 Feldlinien von Magneten
 Magnetische Flussdichte
 Kraftwirkung zwischen zwei Leitern
 Durchflutungsgesetz
 Induktionsgesetz
 Lenzsche Regel
 Induktion bei Drehbewegung
 Ruheinduktion
 Selbstinduktion
8.1
Feldlinien von Magneten
Ein Magnet (magnet) ist ein Körper, der Eisenteile anziehen und festhalten kann. Eine der Wirkungen,
die ein Magnet hervorruft, ist also die Erzeugung von Kräften. An den beiden Enden eines
Stabmagneten (Bild 8-1) ist die Kraftwirkung am stärksten; diese Stellen werden als Pole (pole)
bezeichnet. Das Gebiet zwischen den Polen, in dem nur geringe magnetische Wirkungen vorhanden
sind, wird indifferente Zone genannt.
Bild 8-1 Feldlinien in der Umgebung eines Stabmagneten
Man sagt, dass in einem Raumgebiet, in dem sich magnetische Wirkungen nachweisen lassen,
ein magnetisches Feld (magnetic field) vorliegt.
Die Ursache der magnetischen Wirkung ist stets eine Bewegung von Ladungen. Es gibt zwei
unterschiedliche Arten der Erzeugung eines Magnetfeldes:
 Da sich in einem stromführenden Leiter Ladungen bewegen, ist ein solcher Leiter stets von einem
Magnetfeld umgeben. Das Magnetfeld verschwindet, wenn der Strom abgeschaltet wird. Ein
ELHL1 2013
Magnetisches Feld

93
Magnet, dessen durch stromführende Leiter erzeugtes Magnetfeld sich technisch nutzen lässt, wird
Elektromagnet genannt.
Ein Magnet, dessen Magnetfeld dauernd besteht und nicht wie ein Strom abgeschaltet werden
kann, wird als Dauermagnet (permanent magnet) bezeichnet. Das Magnetfeld wird hierbei von
Elektronen bei der Bewegung um Atomkerne des Dauermagnetmaterials erzeugt.
In der Natur kommen starke Magnetfelder in der Umgebung der Strombahnen von Blitzströmen vor.
Die Wirkungen natürlicher Dauermagneten sind dagegen schwach; so gehen z. B. von
Magneteisenstein Fe3O4, einem hochwertigen Eisenerz, schwache magnetische Wirkungen aus.
Der Planet Erde besitzt ein Magnetfeld. Die leicht drehbare Magnetnadel eines Kompasses stellt sich
etwa in die geografische Nord-Süd-Richtung ein. Der Pol, der nach Norden zeigt, wird als Nordpol,
der andere als Südpol bezeichnet. Als Ursache des Erdmagnetfeldes nimmt man Ströme im Erdinneren
an.
Die Bezeichnungen Nordpol und Südpol, die eigentlich nur bei der Magnetnadel eines Kompasses
Bedeutung haben, werden auch bei jedem anderen Magneten verwendet (Bild 8-2). Die Kräfte, die
zwei Magnete aufeinander ausüben, sind von der Art der Pole abhängig.
Bild 8-2 Anzeige eines Kompasses
Gleichnamige Pole stossen einander ab, ungleichnamige Pole ziehen einander an.
Der Nordpol der Magnetnadel wird vom Südpol des Erdmagnetfelds angezogen, der in der Nähe
kanadischer Inseln liegt; der magnetische Nordpol liegt am Rand der Antarktis. Wegen der grossen
Entfernung zwischen magnetischem und geografischem Pol zeigt der Kompass nicht exakt nach
Norden; die ortsabhängige Missweisung wird als Deklination bezeichnet.
Zwar kann die Richtung eines Magnetfelds durch eine kleine drehbare Magnetnadel angezeigt werden,
die aber keine Information über die Stärke des Magnetfelds liefert. Magnetfelder werden daher
zweckmässig mit geeigneten Messgeräten gemessen.
Ein Hilfsmittel zur grafischen Darstellung des Feldverlaufs sind die Feldlinien. Die Richtung einer
Feldlinie gibt für die betreffende Stelle die Richtung der Kraft an, in die sich eine drehbare
Magnetnadel einstellt. Die Dichte der Feldlinien ist wie beim elektrischen Feld ein Mass für die Stärke
des Feldes, also für den Betrag der Kraft, die das Magnetfeld auf ein Eisenstück ausübt. Ein Feld,
ETEK1 2013
---
94
8.1 Feldlinien von Magneten
dessen Feldlinien an jeder Stelle gleichen Abstand und gleiche Richtung haben, wird homogen
genannt. Wegen des gleichen Abstands der Feldlinien hat das homogene Feld an jeder Stelle gleiche
Feldstärke. So ist z. B. das Magnetfeld in unmittelbarer Nähe eines Pols des Stabmagneten nahezu
homogen und im übrigen Feldraum inhomogen.
Im Gegensatz zu den Feldlinien eines elektrischen Feldes, die stets einen Anfang und ein Ende haben,
ist jede Feldlinie eines Magnetfeldes in sich geschlossen. Dies gilt auch für Dauermagnete: Bei
Dauermagneten schliessen sich die Feldlinien im Magnetmaterial.
Man bezeichnet ein Feld, dessen Feldlinien in sich geschlossen sind, als Wirbelfeld.
Dass magnetische Feldlinien in sich geschlossen sind, erkennt man z. B. beim Feld eines
stromführenden Leiters: Die Feldlinien eines langen, geraden, zylindrischen Leiters sind konzentrische
Kreise senkrecht zur Leiterachse (Bild 8-3). Mit wachsendem Abstand vom Leiter nimmt die Stärke
des Magnetfeldes ab; dies zeigen die zunehmenden Abstände zwischen je zwei Feldlinien.
Bild 8-3 Feldlinien des Magnetfeldes in
der Umgebung eines langen, geraden,
stromdurchflossenen Leiters; die
Magnetnadeln zeigen die Feldrichtung an.
Bild 8-4 Rechte-Hand-Regel für das
Magnetfeld eines Leiters
Die Feldlinien umschliessen den stromführenden Leiter im Rechtsschraubensinn: Ordnet man dem
Richtungssinn des Stromes die axiale Bewegung einer rechtsgängigen Schraube zu, so stimmt die
zugehörige Drehbewegung mit der Feldrichtung überein. Um die Feldlinien um einen Leiter zu
beschreiben kann man auch die Rechte-Hand-Regel anwenden (Bild 8-4). Der Daumen zeigt in die
Stromrichtung und die einzelnen Finger geben die Richtung des Magnetfelds an.
Bei der Darstellung des Magnetfelds in einer Ebene (Bild 8-5) wird die Stromrichtung durch einen
Punkt angedeutet, wenn der Strom zum Betrachter hinfliesst (man sieht die Spitze des Pfeils). Fliesst
ELHL1 2013
Magnetisches Feld
95
der Strom vom Betrachter weg, so wird die Stromrichtung durch ein Kreuz angedeutet (man sieht die
Federn des Pfeils) (Bild 8-6).
= «Strom fliesst in
Richtung Betrachter»
= «Strom fliesst vom
Betrachter weg»
Bild 8-5 Ebene Darstellung der Feldlinien
des Magnetfelds in der
Umgebung eines stromdurchflossenen
Leiters
Bild 8-6 Darstellung der Stromrichtung
Beispiel 8-1: Magnetfeld in der Umgebung des Leiters
Ergänzen Sie die Feldlinien der stromdurchflossenen Leiter und kennzeichnen Sie den Nord-Süd-Pol.
8.2
Magnetische Flussdichte
Die Intensität eines Magnetfeldes wird zweckmässig mit Hilfe einer Anordnung definiert, bei der ein
sehr langer, gerader Stromleiter senkrecht zu den Feldlinien eines homogenen Magnetfeldes geführt
ETEK1 2013
---
96
8.2 Magnetische Flussdichte
ist, das zwischen zwei planparallelen Magnetpolen entsteht. Auf den Leiter, der den Strom I führt,
wird im Magnetfeld der Länge l senkrecht zur Zeichenebene im Bild 8-7 die Kraft F ausgeübt.
Bild 8-7 Kraft auf einen stromführenden Leiter in einem ursprünglich homogenen Magnetfeld
(das inhomogene Magnetfeld des Leiters ist nicht dargestellt)
Die Kraft ist umso grösser, je grösser die Stromstärke I bzw. je grösser die Länge l des Leiters im
Magnetfeld und je stärker die Intensität des Magnetfeldes ist, die als magnetische Flussdichte
(magnetic flux density) B bezeichnet wird:
magnetische Flussdichte
(8-1)
Die Einheit der magnetischen Flussdichte B ist:
(8-2)


Die Flussdichte B ist ebenso wie die Kraft F eine gerichtete Grösse. Für den Zusammenhang

zwischen diesen Vektoren definiert man auch die Länge des Leiters im Magnetfeld als Vektor l ,
dessen Richtung mit dem Richtungssinn des Stromes übereinstimmt. Dreht man diesen Vektor „auf
dem kürzesten Weg“ um den Winkel α < 180° in den Vektor B und überträgt diese Drehbewegung auf

eine Rechtsschraube, so stimmt ihre Vorschubrichtung mit der Richtung von F überein. Die Richtung
der Kraft kann auch mit der Rechten-Hand-Regel bestimmt werden:
Bild 8-8 Wirkung der Kraft mit der Rechten-Hand-Regel
Die Grösse der Kraft F ergibt sich durch:
ELHL1 2013
Magnetisches Feld
97

 

F  I  l B

(8-3)
Das Produkt (sprich: „l Kreuz B“) wird als Vektorprodukt bezeichnet, weil sein Ergebnis ein Vektor
mit dem Betrag (l B sin α) ist.
Auch auf zwei stromdurchflossene Leiter werden Kräfte ausgeübt. Wir betrachten den Sonderfall
zweier zylindrischer, paralleler, endlich langer Leiter l, die vom Strom I1 bzw. I2 durchflossen werden
(Bild 8-9). Die Kraft F2 im Leiter zwei ergibt sich durch:
F2 
  I1  I 2  l
2   a
(8-4)
Bild 8-9 Kräfte auf zwei stromdurchflossene Leiter; der von AMPÈRE gemessene und 1822
formelmässig angegebene Zusammenhang wird auch als AMPÈREsches Gesetz bezeichnet.
So wie es zur Stromdichte einen zugehörigen Strom gibt, so gehört zu einer Flussdichte B ein
magnetischer Fluss (magnetic flux) Φ (griech. Buchstabe Phi). Für ein homogenes Magnetfeld lässt
sich der Fluss Φ, der durch die Fläche A senkrecht hindurchtritt, durch Multiplikation der Flussdichte
mit der Fläche berechnen:
magnetische Fluss
  B A
(8-5)
Die Einheit des magnetischen Flusses Φ ist:
(8-6)
8.3
Durchflutungsgesetz
Die Flussdichte des Magnetfelds in der Umgebung eines stromdurchflossenen Leiters ist von der
Stromstärke I abhängig. Sie nimmt mit wachsendem Abstand r von der Mittelachse des Leiters ab. Die
Inhomogenität des Feldes zeigen die zunehmenden Abstände der kreisförmig den Leiter umgebenden
Feldlinien an (Bild 8-10).
ETEK1 2013
---
98
8.3 Durchflutungsgesetz
Bild 8-10 Feldlinien des Magnetfeldes in der Umgebung eines langen, geraden,
stromdurchflossenen Leiters
Befindet sich der stromdurchflossene Leiter im Vakuum, so hat die Flussdichte B den Betrag:
magnetische Fluss
B  0 
I
(8-7)
2   r
Die Grösse μ0, die mit der elektrischen Feldkonstanten ε0 und der Lichtgeschwindigkeit c im Vakuum
durch die Gleichung
1  c 2  0   0
(8-8)
verknüpft ist, wird magnetische Feldkonstante (absolute permeability) genannt:
 0  4    10 7
Vs
Vs
 1.257  10 6
Am
Am
(8-9)
Für die Flussdichte eines Magnetfelds B einer Spule nach Bild 8-11 gilt:
B  0 
N
I
l
(8-10)
ℓ
N Windungen
I
Bild 8-11 Spule mit einem Spulenstrom I, der Windungszahl N und der Spulenlänge l
ELHL1 2013
Magnetisches Feld
99
Beispiel 8-2: Kraftwirkung zwischen zwei Leitern
Zwei Leiter (Hin- und Rückleiter) eines Stromkreise habe einen Abstand von s = 1 cm. Der Strom
durch den Leiter beträgt I = 1 A. Berechnen Sie die Kräfte die zwischen den Leiter auftreten.
Merke: zwei stromführende Leiter mit
- gleichgerichteten Strömen ziehen sich an
- entgegengerichtete Ströme stossen sich ab
Beispiel 8-3: Magnetfeld einer Spule
Eine Spule mit der Windungszahl N = 100 und der Länge l = 10 mm wird mit einem Strom I = 1 A
durchflossen. Berechnen Sie die magnetische Flussdichte B.
ETEK1 2013
---
100
8.4 Induktionsgesetz
Da die Flussdichte materialabhängig ist, definiert man zweckmässig die magnetische Feldstärke
(magnetic field strength) H als nicht vom Material abhängige Grösse. Für Vakuum gilt:
H
B
(8-11)
0
Setzen wir die obigen Gleichungen ineinander ein und so erhalten wir magnetische Feldstärke H in der
Umgebung des langen, geraden Leiters:
H
8.4
I
2   r
(8-12)
Induktionsgesetz
Wenn das Magnetfeld, das eine Spule durchsetzt, sich zeitlich ändert, dann entsteht an den Klemmen
der Spule während dieser Änderung eine Spannung. Man bezeichnet den Vorgang als Induktion
(induction) und sagt, die Spannung wird induziert.
Bild 8-12 Während der Bewegung des Stabmagneten wird in der Spule eine Spannung induziert
Das Bild 8-12 zeigt eine einfache Anordnung, mit welcher der Induktionsvorgang demonstriert
werden kann: Ein Stabmagnet wird in eine Spule geschoben, an die ein Spannungsmesser
angeschlossen ist; dabei entsteht während der Bewegung des Magneten eine positive Spannung. Wird
danach der Magnet wieder aus der Spule herausgezogen, so wird eine negative Spannung induziert.
Die Spannung u ist von der Geschwindigkeit v des Magneten abhängig. Diese Geschwindigkeit
bestimmt die zeitliche Änderung dΦ/dt des magnetischen Flusses: Wenn der Magnet in die Spule
hineingeschoben wird, dann nimmt der Fluss zu und es ist dΦ/dt > 0; wenn der Magnet aus der Spule
herausgezogen wird, dann nimmt der Fluss ab und es ist dΦ/dt < 0. Ausserdem ist die Spannungshöhe
der Windungszahl N der Spule proportional.
ELHL1 2013
Magnetisches Feld
101
Der Zusammenhang, der den Induktionsvorgang beschreibt und daher Induktionsgesetz genannt wird,
lautet:
uN
d
dt
(8-13)
Bild 8-13 Wenn sich das Magnetfeld in der Spule zeitlich ändert, dann treibt die induzierte
Spannung u einen zeitabhängigen Strom i durch den Verbraucher
Die Gl. (8-13) gilt für eine rechtssinnig gewickelte Spule, an welcher die Bezugspfeile für die
Spannung u und für den Fluss Φ(t) gleiche Richtung haben (Bild 8-13). Ist eine der beiden
Bedingungen (rechtssinnige Wicklung; gleiche Bezugspfeile) nicht erfüllt, so ändert sich das
Vorzeichen der Spannung in der Gl. (8-13).
Die Spannung u, die als induktive Spannung bezeichnet wird, ist eine Quellenspannung, denn sie treibt
einen Strom i im angegebenen Bezugssinn (Bild 8-13) durch einen angeschlossenen Verbraucher.
Wenn der Fluss durch eine äussere Ursache (z. B. die Annäherung des Stabmagneten) im Bezugssinn
anwächst, dann ist dΦa/ dt > 0. Der von der induktiven Spannung im Bezugssinn getriebene Strom i
erzeugt in der Spule eine innere Flussänderung dΦi/ dt < 0, welche der Flussänderung dΦa/ dt
entgegengerichtet ist. Dieser Zusammenhang wird als LENZsches Gesetz bezeichnet:
Ein durch Induktion erzeugter Strom fliesst stets so, dass sein Magnetfeld der induzierenden
Flussänderung entgegenwirkt.
Es ist unerheblich, wie die Änderung des magnetischen Flusses zustande kommt; so kann sich z. B.
entweder bei ruhender Spule das Magnetfeld bewegen oder bei ruhendem Magnetfeld die Spule
bewegen. Entscheidend für eine Spannungsinduktion ist lediglich, dass sich das Magnetfeld zeitlich
ändert, welches die Spule durchsetzt.
ETEK1 2013
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102
8.5 Induktion bei Drehbewegung
Beispiel 8-4: Induzierte Spannung in einer Spule
Eine rechtssinnig gewickelte Spule mit der Breite b = 25 mm und der Windungszahl N = 100 wird mit
der konstanten Geschwindigkeit v = 1 m/s durch ein homogenes Magnetfeld bewegt. Wenn sich die
Spule vollständig im Magnetfeld befindet, wird sie von dem Fluss Φmax = 0.625 mV s durchsetzt.
Welche Spannung wird in der Spule induziert?
8.5
Induktion bei Drehbewegung
Bei rotierenden elektrischen Maschinen drehen sich Spulen in einem Magnetfeld. Wenn sich der Fluss
Φ , der eine Spule durchsetzt, zeitlich ändert, dann wird in der Spule eine Spannung u induziert.
ELHL1 2013
Magnetisches Feld
103
Bild 8-14 Induktion bei der Drehung einer Leiterschleife in einem homogenen Magnetfeld
Das Bild 8-14 zeigt als Beispiel eine rechteckige Leiterschleife der Fläche A, die in einem homogenen
Magnetfeld der Flussdichte B mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ω rotiert. Der Fluss Φ, von
dem die Schleife durchsetzt wird, ist vom Winkel α = ω t abhängig:
  B  A  cos   B  A  cos  t 
(8-14)
Dieser Fluss ist zeitabhängig. So hat z. B. zum Zeitpunkt t = 0 derFluss das Maximum Φmax = B A;
beim Winkel α = 90° hat der Fluss den Wert Φ = 0. Wir sehen die Leiterschleife als Spule mit der
Windungszahl N = 1 an und berechnen die induzierte Spannung mit:
   B  A    sin  t      max  sin   t 
(8-15)
Das Bild 8-15 zeigt den Zeitverlauf des Flusses Φ, der die Leiterschleife durchsetzt, und der Spannung
u, die in der Leiterschleife induziert wird. Rotiert anstelle der Leiterschleife eine Spule mit N
Windungen und wird jede dieser Windungen vom gleichen Fluss Φ durchsetzt, so ist die induzierte
Spannung um den Faktor N grösser als die Spannung, welche durch die Gl. (8-15) beschrieben wird.
Bild 8-15 Fluss Φ(t) und Spannung u bei der Rotation einer Leiterschleife
in einem homogenen Magnetfeld
Dieses Grundprinzip wird bei Generatoren in Kraftwerken eingesetzt um die elektrische Energie zu
erzeugen.
ETEK1 2013
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104
8.6 Ruheinduktion
Bild 8-16 Aufbau eines Kraftwerksgenerators
8.6
Ruheinduktion
Eine Spannungsinduktion setzt nicht voraus, dass sich Spule und Magnetfeld gegeneinander bewegen.
Sie ist auch bei einer ruhenden Spule möglich, die von einem zeitabhängigen Fluss Φ(t) durchsetzt
wird; man spricht dabei von Ruheinduktion.
Wird z. B. jede Leiterschleife einer ruhenden Spule von einem magnetischen Fluss Φ(t) = Φmax cos(ωt)
durchsetzt, so entsteht in der Spule die induktive Spannung
u t     N   max  sin  t 
(8-16)
Wie im Bild 8-15 ist u gegen Φ(t) phasenverschoben. Die Spannung u hat den Scheitelwert:

u    N   max  2    f  N   max
(8-17)
Für den Effektivwert der Spannung gilt:
U  4.44  f  N   max
(8-18)
Beispiel 8-5: Induzierte Spannung im sinusförmig schwingenden Fluss
Eine Spule wird von einem sinusförmig schwingenden Fluss mit dem Maximalwert 3.2 mV s = 3.2 ·
10–3 Wb und der Frequenz 50 Hz durchsetzt. Wie viele Windungen muss die Spule erhalten, damit in
ihr der Effektivewert der Spannung 230 V induziert wird?
ELHL1 2013
Magnetisches Feld
105
Beispiel 8-6: Induzierte Spannung in einer Hochspannungsleitung
In einem Gebiet schliessen Hochspannungsleitungen eine Fläche ein, die einem Quadrat mit 100 km
Seitenlänge entspricht. Durch ein kosmisches Ereignis ändert sich in 10 ms die Flussdichte des
Erdmagnetfelds um 0.5 μT (also um etwa 1 % ihres Wertes). Welche Spannung wird in dem
Leitungszug induziert?
8.7
Selbstinduktion
Die Flussänderung, die eine Spannungsinduktion in einer Spule bewirkt, kann auch von dem
zeitabhängigen Strom i hervorgerufen werden, der durch die Windungen derselben Spule fliesst. In
diesem Fall wird der Induktionsvorgang, bei dem die Spule selbst das Magnetfeld erzeugt, als
Selbstinduktion (self induction) bezeichnet.
Wird dagegen das Magnetfeld durch eine äussere Ursache geändert, z. B. durch die Bewegung des
Stabmagneten, so spricht man von Fremdinduktion.
Die beiden Vorgänge Selbstinduktion und Fremdinduktion können auch gleichzeitig an einer Spule
auftreten; dies ist dann der Fall, wenn das die Spule durchsetzende Magnetfeld durch eine äussere
Ursache geändert wird und dabei ein Strom in der Spule fliesst.
Bei der Selbstinduktion ruft der Strom i den magnetischen Fluss Φ(t) hervor. In der Spule wird dabei
die Spannung u induziert:
uN
d
di
L
dt
dt
(8-19)
Die induktive Spannung u ist dabei der Stromänderung proportional. Die Konstante L wird als
Selbstinduktivität oder kurz als Induktivität (inductance) L bezeichnet. Die Induktivität hat die Einheit
(8-20)
Bild 8-17 Schaltzeichen des Grundeintors L mit Bezugspfeilen für Spannung und Strom
ETEK1 2013
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106
8.7 Selbstinduktion
Für eine Luftspule mit der Windungszahl N und der mechanischen Länge l ergibt sich eine Induktivität
durch
L  0
ELHL1 2013
N2  A
l
(8-21)
Magnetisches Feld
8.8
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
8.9
107
Lernziel-Test
Was ist eine indifferente Zone?
Wie ist das magnetische Feld definiert?
Was ist die Ursache der magnetischen Wirkung?
Wie entsteht das Magnetfeld in einem Dauermagneten?
Was ist die Ursache für das Erdmagnetfeld?
Was ist beim Magnetfeld unter dem Begriff Deklination zu verstehen?
Wie ist ein homogenes Magnetfeld definiert?
Was versteht man unter der Durchflutung?
Welche Einheit hat die Durchflutung?
Was ist die magnetische Feldstärke?
Was versteht man unter Ruheinduktion?
Wie funktioniert ein Transformator?
Was ist eine Selbstinduktion?
Lösungen zum Lernziel-Test
1. bis 13. siehe Skript
ETEK1 2013
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108
9.1 Übergangsvorgang
9
Schalt- und Übergangsvorgänge
Lernziele:
 Übergangsvorgänge
 Schalterarten
 Netz mit einem Grundeintor C
 Netz mit einer Spule L
 Grundeigenschaften von Exponentialfunktionen
9.1
Übergangsvorgang
Bei einem Schaltvorgang (switching operation) wird zum Zeitpunkt t = 0 die Struktur des Netzes
geändert. Sind im Netz Energiespeicher wie Induktivitäten L oder Kapazitäten C vorhanden, so läuft
ein Übergangsvorgang (transient1) ab, bei dem sich die Netzwerkgrössen zeitlich ändern:

Den Endgrössen, die im eingeschwungenen Zustand (steady-state regime) erreicht werden,
sind transiente Grössen überlagert, die zeitabhängig sind.

Der eingeschwungene Zustand wird nur dann erreicht, wenn die transienten Grössen
abklingen.
In diesem Abschnitt setzen wir voraus, dass das Netz linear ist, ausser Spannungs- und Stromquellen
sind lediglich die Grundeintore Widerstände R, Induktivitäten L und Kapazitäten C zugelassen.
9.2
Schalterarten
Einen Schalter, der zum Zeitpunkt t = 0 geschlossen wird, bezeichnet man als Schliesser; entsprechend
wird ein Schalter, der zum Zeitpunkt t = 0 geöffnet wird, als Öffner bezeichnet. Die Schaltsymbole für
einen Schliesser und Öffner sind Bild 9-1 abgebildet.
Bild 9-1 Schliesser (a) und Öffner (b).
1
Bild 9-2 Widerstandsänderung
Das Wort transient stammt ebenso wie das englische Wort transient aus dem Lateinischen und bedeutet
vorübergehend.
ELHL1 2013
Schalt- und Übergangsvorgänge
109
bei einem realen Schalter
Wird ein idealer Schalter zum Zeitpunkt t = 0 geschlossen, so springt sein Widerstand vom Wert
R → ∞ übergangslos auf den Wert R = 0. Wird der ideale Schalter zum Zeitpunkt t = 0 geöffnet, so
springt sein Widerstand vom Wert R = 0 übergangslos auf den Wert R → ∞. Ein realer Schalter (Bild
9-2) hat im geöffneten Zustand den Widerstand Ropen und im geschlossenen Zustand den Widerstand
Rclose. Gelegentlich wird der Widerstand auch als Ron und Roff bezeichnet. Für den Übergang zwischen
diesen beiden Zuständen benötigt er die Übergangszeit ttran. In diesem Abschnitt setzen wir voraus,
dass sämtliche Schalter ideal sind.
9.3
Netz mit einem Grundeintor C
In diesem Abschnitt wird eine Schaltung mit einem Kondensator C, einer Spannungsquelle Uq mit
Innenwiderstand Ri und einem Schliesser genauer untersucht (Bild 9-3). Zum Zeitpunkt t = 0 wird der
Schalter geschlossen.
Bild 9-3 Schaltvorgang in einer Schaltung mit einem Kondensator
Wird ein Kondensator, der näherungsweise als Grundeintor C angesehen werden kann, zum Zeitpunkt
t = 0 mit einem idealen Schalter an eine Gleichspannungsquelle mit der Quellenspannung Uq und dem
Innenwiderstand Ri geschaltet, so ergibt sich für t > 0 die Maschengleichung:
(9-1)
Setzt man in die Maschengleichung die Kondensatorgleichung
(9-2)
ein, so ergibt sich für die Maschengleichung:
(9-3)
Wie die Gl. (9-3) zeigt, beschreibt die Variable uC den Inhalt des Energiespeichers C; sie wird
deswegen als Zustandsgrösse (state variable) dieses Energiespeichers bezeichnet.
Die Gl. (9-3) ist eine Differenzialgleichung 1. Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Weil der ideale
Schalter in der Zeitspanne Δt = 0 schliesst, in der sich die Energie des Speichers C und damit auch
ETEK1 2013
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110
9.3 Netz mit einem Grundeintor C
seine Zustandsgrösse uC nicht ändern, ist eine Lösung der Gleichung einfach möglich. Wir bezeichnen
die Spannung uC zum Zeitpunkt t = 0 als Anfangswert UA.
Für die Lösung der Gl. (9-3) ist ausserdem der Wert der Variablen uC für den eingeschwungenen
Zustand, also für t → ∞, erreicht wichtig. Dieser Wert wird als Endwert UE bezeichnen; da sich dabei
der Differenzialquotient d uC / dt nicht mehr ändert. Der Endwert der Kondensatorspannung ist
(9-4)
Zur Lösung der Differenzialgleichung wird eine Funktion gesucht, die die Gleichung (9-3) erfüllt. Die
Lösung der Differnzialgleichung lautet
uC t   U E  U A  U E   e

t

(9-5)
Für die obige Aufgabe gilt:
t


uC t   U q  1  e 





(9-6)
Wobei die Zeitkonstante (time constant) τ (griech. Buchstabe tau) das Produkt Ri C in der Gl. (9-5)
genannt wird:
  Ri  C
(9-7)
mit den Einheiten
(9-8)
Die zweite zeitabhängige Grösse in der Gl. (9-1) ist der Strom i. Dieser ergibt sich durch:
i t  
t
U E  U A 
e
Ri
(9-9)
Für die obige Aufgabe gilt:
U q  t
i t  
e
Ri
(9-10)
Ein Grundeintor C, das keine Ladung enthält, wirkt im Schaltzeitpunkt wie ein Kurzschluss.
An einem Grundeintor C, ändert sich die Spannung am Kondensator immer in Form einer
Exponenzialfunktion (nicht sprunghaft).
ELHL1 2013
Schalt- und Übergangsvorgänge
9.4
111
Exponentialfunktionen
Die Eigenschaften der Exponentialfunktionen lassen sich nachfolgend zusammenfassen. Die
abklingende Exponentialfunktion
y t   Y0  e

t

(9-11)
ist durch zwei Parameter charakterisiert:
Anfangswert Y0
Zeitkonstante 
Die Eigenschaften der abklingenden Exponentialfunktion sind:
Anfangswert
y t  0  Y0
(9-12)
Endwert
y t     0
(9-13)
Funktionswert bei 
y t    
Funktionswert bei 5 
y t  5     0
Y0
 0.37  Y0
e
(9-14)
(9-15)
Die
ansteigende Exponentialfunktion
ETEK1 2013
t


y t   Y0  1  e 





(9-16)
---
112
9.4 Exponentialfunktionen
ist durch zwei Parameter charakterisiert:
Anfangswert Y0
Zeitkonstante 
Die Eigenschaften der ansteigenden Exponentialfunktion sind:
Anfangswert
y t  0  0
(9-17)
Endwert
y t     Y0
(9-18)
Funktionswert bei 
y t     0.63  Y0
(9-19)
Funktionswert bei 5 
y t  5     Y0
(9-20)
Beispiel 9-1: Entladener Kondensator
Ein entladener Kondensator C = 2.0 μF wird zum Zeitpunkt t = 0 an eine Quelle Uq = 10 V; Ri = 50 Ω
geschaltet. Wir wollen den zeitlichen Verlauf der Spannung uC und des Stromes i aufzeichnen. Lösen
Sie die Aufgabe mit Matlab.
Beispiel 9-2: Geladener Kondensator
Ein auf 100 V aufgeladener Kondensator C = 0.15 μF entlädt sich über seinen Isolationswiderstand
50 GΩ. Wir wollen die Spannung uC berechnen, die bei t = 4 τ an den Klemmen des Kondensators
liegt.
ELHL1 2013
Schalt- und Übergangsvorgänge
113
Beispiel 9-3: Simulink für RC-Schaltung
Gegeben ist die nachfolgende Schaltung. Erstellen Sie ein Matlab/Simulink-Modell für die
nachfolgende Schaltung. Die Bauteilwerte sind R = 10 kΩ und C = 1 uF; für die Eingangsspannung U1
gilt: Rechteckfunktion mit Vpp = 1 V und f = 10 Hz.
iout0
i
u1
R
C
u2
ic
ETEK1 2013
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114
9.5
9.5 Netz mit einer Spule L
Netz mit einer Spule L
Die Spule mit der konstanten Induktivität L = const. wird zum Zeitpunkt t = 0 vom Anfangswert IA des
Stromes durchflossen; sie wird zu diesem Zeitpunkt mit einem idealen Schalter unterbrechungsfrei an
eine Quelle mit der Quellenspannung Uq geschaltet, die für t → ∞ den Endwert IE des Stromes durch
die Spule treibt.
Für t → ∞ ist der Übergangsvorgang abgeschlossen und der Strom i ändert sich nicht mehr. Da hierfür
uL = 0 ist, gilt für den:
Endwert des Stromes
(9-21)
Der Strom i beschreibt den Inhalt des Energiespeichers L; er wird deswegen als Zustandsgrösse (state
variable) dieses Energiespeichers bezeichnet. Zur Berechnung des Stromes i, der während des
Übergangsvorgangs fliesst, setzen wir zunächst die Maschengleichung für t > 0 an:
(9-22)
Wir bringen die Quellenspannung auf die rechte Seite und setzen die Grundgleichung für die
Induktivität
uL  L 
di
dt
(9-23)
ein. Anschliessend dividieren wir die Gleichung durch R und erhalten:
L di
  i  IE
R dt
(9-24)
Diese Gleichung ist eine Differenzialgleichung 1. Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Wir können
sie lösen, weil der ideale Schalter in der Zeitspanne Δt = 0 schliesst, in der sich die Energie des
Speichers L und damit auch seine Zustandsgrösse i nicht ändern.
Der Quotient aus L und R hat die Einheit Zeit und wird Zeitkonstante (time constant) τ (griech.
Buchstabe tau) genannt:

L
R
(9-25)
Für die Einheiten ergeben sich:
(9-26)
ELHL1 2013
Schalt- und Übergangsvorgänge
115
Damit lautet die Lösung der Differenzialgleichung (8.8):
i t   I E  I A  I E   e

t

(9-27)
Für die obige Aufgabe gilt:
t
 


i t   I E  1  e 


(9-28)
Hiermit berechnen wir die Spannung, die an den Klemmen des Grundeintors L liegt:
uL t   R  I E  I A   e

t

(9-29)
Für die obige Aufgabe gilt:
uL t   R  I E  e

t

(9-30)
Ein Grundeintor L, im dem kein Strom fliesst, wirkt im Schaltzeitpunkt wie ein Leerlauf.
An einem Grundeintor L, ändert sich der Strom durch die Induktivität immer in Form einer
Exponenzialfunktion (nicht sprunghaft).
Beispiel 9-4: Spule mit Widerstand
Eine stromlose Spule mit dem Widerstand RSp = 6 Ω und der Induktivität L = 1.6 mH wird zum
Zeitpunkt t = 0 an eine Quelle Uq = 4 V; Ri = 2 Ω geschaltet. Wir wollen die Liniendiagramme des
Stromes i und der Spannung uL mit Matlab erstellen.
ETEK1 2013
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116
9.5 Netz mit einer Spule L
Beispiel 9-5: Ausschalten einer Spule mit Widerstand
Die Spule mit RSp = 6 Ω und L = 1.6 mH aus dem obigen Beispiel wird vom Strom IA = 0.5 A
durchflossen. Zum Zeitpunkt t = 0 wird mit einem idealen Schalter auf den Widerstand RF
umgeschaltet. Welchen Wert darf dieser Widerstand RF höchstens haben, damit die Spannung uF den
noch ungefährlichen Wert 50 V nicht übersteigt?
Das Beispiel zeigt, dass der Widerstand nach dem Abschalten des Stromes einer Spule nicht zu hoch
sein darf. In der Leistungselektronik wird einem Bauteil mit der Induktivität L im Allgemeinen eine
sog. Freilaufdiode parallel geschaltet, welche die Spannung auf einen Wert 1 … 2 V begrenzt.
Bild 9-4 Die Freilaufdiode begrenzt die Spannung nach dem Abschalten
Beim Abschalten eines stromdurchflossenen Grundeintors L darf der Leitungsweg nicht
unterbrochen werden, weil sonst die Spannung ansteigt, bis es zu einem Durchschlag kommt.
ELHL1 2013
Schalt- und Übergangsvorgänge
117
Wird der Stromfluss durch eine Spule unterbrochen, z. B. mit Schalter, so steigt die Spannung
theoretisch auf einen unendlich hohen Wert an. Die Höhe der Spannung wird begrenzt durch
den Offenwiderstand des Schalters oder durch die Entladungsstrecke zwischen den zwei
Kontaktelementen.
Praktisch steigt die Spannung so weit an, bis ein Funkenschlag über die offenen Kontakte des
Schalters (ca. 1 kV/mm) entsteht. Da jeder elektrische Verbraucher eine Mischlast mit ohmschen,
induktiven und kapazitiven Anteilen darstellt, ergibt sich, je nach Anteil, eine mehr oder weniger
grosse Belastung für den schaltenden Relaiskontakt. Eine geeignete Kontaktschutzbeschaltung
reduziert die Belastung erheblich. Die meisten Verbraucher bei steuerungstechnischen Anwendungen
sind Magnetventile, Motore oder Schütze, also Lasten mit hohem induktiven Anteil. Die in den
Verbraucherspulen gespeicherte latente Energie erzeugt beim Abschalten Spitzenspannungen bis hin
zu einigen tausend Volt. Diese hohen Abschaltspannungen verursachen durch ihren Lichtbogen
Materialerosion an den Relaiskontakten, so dass die Lebensdauer deutlich verringert wird. So kann
beispielsweise ein Relais beim Schalten von hohen Gleichstromlasten schon beim ersten Einsatz durch
Kontaktbrand ausfallen oder zerstört werden. Es gibt verschiedene Methoden eine wirksame
Beschaltung anzubringen, um nahezu die gleichen Schaltzyklen wie bei rein ohmschen Lasten zu
erreichen. So kann man den Kontakt, den Verbraucher oder sogar beide beschalten. Grundsätzlich
sollte die Schutzbeschaltung jedoch dort angebracht werden, wo die Störung entsteht.
Praktische Anwendung findet der Lichtbogen in der Zündkerze des Verbrennungsmotors (Bild 9-5).
Dort springt der durch die Zündspannung erzeugte Zündfunke zwischen einer keramisch isolierten
Mittelelektrode und einer am Befestigungsgewinde fixierten Masseelektrode über und startet damit
den Verbrennungsvorgang.
Bild 9-5 Zündkerze für einen Ottomotor
9.6
Prellen eines Schalters
Als Prellen wird ein mechanisch ausgelöster Störeffekt bei elektromechanischen Schaltern und Tastern
bezeichnet: Statt des sofortigen elektrischen Kontaktes ruft die Betätigung des Schalters kurzzeitig ein
mehrfaches Schliessen und Öffnen des Kontakts hervor. Ebenso kommt es beim Ausschalten der
Schalter bzw. Loslassen der Taster nach der ersten Unterbrechung zur wiederholten erneuten
Kontaktgabe. Der Grund sind Federungen an Bauteilen der Schaltermechanik, die ihre Ursache in dem
physikalischen Effekt des elastischen Stosses haben.
Auswirkungen
Dieser Effekt des mehrfachen Schliessen und Öffnen des Kontaktes führt bei schnellen elektronischen
Schaltungen, deren zeitliche Auflösung hoch genug ist um das Prellen zu erfassen, zu unerwünschten
Mehrfachereignissen. Betroffen sind beispielsweise digitale Eingabegeräte wie eine Computertastatur,
ETEK1 2013
---
118
9.6 Prellen eines Schalters
Eingabecontroller an Tastenfeldern oder elektronische Schaltungen, welche einen Relais- oder einen
anderen elektromechanischen Kontakt erfassen. Durch die prellenden Schliessvorgänge würde ohne
Entprellung ein Tastenanschlag fehlerhafterweise als mehrfacher Anschlag registriert werden.
Aber auch bei elektromechanischen Schaltern, Relais und Schützen tritt das Prellen der Kontakte auf
und führt dabei zu erhöhtem Kontaktabbrand und Ausfall der Kontakte. Das Kontaktverschweissen
wird durch die Prellphase stark begünstigt, weil dabei der entstehende Lichtbogen Kontaktmaterial
wiederholt aufschmilzt, was dann bei einem erneuten Schliessen während dem Prellen verschweissen
kann, wenn der Kontakt nicht für den Strom ausgelegt ist. Ob ein Kontakt verschweisst hängt auch
stark von der geschalteten Last ab. Besonders beim Einschalten von zumindest anfänglich kapazitiven
Lasten, wie zum Beispiel Schaltnetzteilen, tritt ein Verschweissen und oder dadurch ein starker
Kontaktverschleiss, schon nach wenigen tausend Schaltungen auf, was dann zum Ausfall des Schalters
führt.
Geöffneter Kippschalter mit verbrannten Kontakten.
Beim Kontaktöffnen von Relais, Schützen oder Leistungsschaltern tritt dagegen kaum ein Prellen und
damit kein Verschweissen ein. Durch die Federkraft wird der Kontakt kontinuierlich geöffnet.
Die Dauer und die Anzahl der mehrfachen Kontaktgabe wird durch die mechanischen Eigenschaften
des Schalters, der Grösse, Rückstellfederkraft, Form und Material und Masse der Kontakte und deren
Befestigungen bestimmt. Typische Prellzeiten bei elektromechanischen Schaltern und Tastern liegen
im Zeitbereich 100 µs bis 10 ms. Bei grossen Schützen kann die Prellzeit auch grösser sein. Einen
typischen Verlauf zeigt das Bild 9-6.
Bild 9-6 Zeitlicher Signalverlauf eines prellenden Schalters
Gegenmassnahmen
Seit Beginn der elektronischen Signalverarbeitung und der damit einhergehenden Relevanz dieses
Phänomens bei Signalschaltern und Relais wurden verschiedene Hard- und Softwareverfahren
ELHL1 2013
Schalt- und Übergangsvorgänge
119
entwickelt, um dem Prellen und dessen Auswirkungen entgegenzuwirken. Diese Massnahmen nennt
man Entprellen. Das Entprellen erfolgt mittels eines Tiefpassfilters oder einer Verriegelungslogik.
Entprellen per Hardware (Entprellschaltung) Im einfachsten Fall wird dabei ein RC-Glied als
Tiefpassfilter und ein Schwellwertschalter zur Signalformung vorgesehen. Der Tiefpassfilter
unterdrückt dabei die hochfrequenten Signalanteile zufolge Kontaktprellen, der Schwellwertschalter
stellt die passenden Spannungspegel für die nachfolgende Digitalschaltung sicher.
Mittels Verriegelungslogik in Form eines Wechselschalters. Die Verriegelung ist beispielsweise über
ein asynchrones RS-Flipflop realisiert. Dabei muss vom mechanischen Aufbau des Wechselschalters
sichergestellt sein, dass die Kontakte nicht zwischen den beiden Kontaktstellungen schwingen können.
Der Kontaktweg beim Umschalten zwischen den beiden Zuständen muss dazu hinreichend gross
gewählt sein.
Entprellen duch eine Ansteuerung der AC Magnetspule eines Relais oder Schützes welche die
Auftreffenergie reduziert und für alle Schliessvorgänge vergleichmässigt. Hierzu wird unter anderem
die Magnetspule vormagnetisiert und per Phasenanschnitt mit reproduzierbaren Spannungskurven
eingeschaltet.
Entprellen per Software (Entprellroutine) Die Zustandsänderung des Kontaktes wird erst dann
registriert, wenn er eine bestimmte Zeit, der so genannten Entprellzeit, vorliegt. Dies ist eine Form der
Tiefpassfilterung und kann wie ein digitaler Tiefpassfilter realisiert werden. Meistens, da einfacher,
wird dieser Filter in Form eines Zählers realisiert. Der Zählerwert, welcher das Ereignis auslöst, stellt
gemeinsam mit der Zählgeschwindigkeit die Grenzfrequenz des Filters dar.
Weiters kann auch in Software mittels Verriegelungslogik eine Entprellung vorgenommen werden. Da
dafür aber pro Taste ein Wechselschalter und zwei digitale Eingänge, samt den damit verbundenen
höheren schaltungstechnischen Aufwand nötig sind, kommt diese Art der Entprellung nur selten zur
Anwendung.
Wird die Verriegelungslogik durch eine Zeitsteuerung in Form einer monostabilen Kippstufe in
Software nachgebildet, wird der Impuls zwar mit der ersten Signalflanke erkannt und nachfolgend
werden für eine bestimmte Zeit alle weiteren Signaländerung ignoriert, jedoch ist dieses Verfahren
empfindlich auf hochfrequente Störimpulse. Es stellt, da es eine Form von Hochpass ist, keine sichere
Entprellung dar. Ebenfalls stellt auch die Unterabtastung keine sichere Entprellung dar, da damit nur
die Wahrscheinlichkeit zur Erkennung von kurzen Störimpulsen reduziert aber nicht vermieden wird.
Durch speziellen mechanischen Aufbau und Kontaktgestaltung können auch nahezu prellfreie Schalter
realisiert werden. Flüssige Kontaktmaterialien, beispielsweise in Form des Quecksilberschalters, sind
praktisch prellfrei. Durch die Giftigkeit von Quecksilber und seiner chemischer Verbindungen finden
diese Schalter zur Vermeidung des Prellens allerdings keine praktische Anwendung mehr.
Sensortasten mit integrierter Elektronik wie Piezo- und Hall-Tasten enthalten intern bereits
Schwellwertschalter und liefern üblicherweise prellfreie Signale.
ETEK1 2013
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120
9.7
9.7 Lernziel-Test
Lernziel-Test
1. Was versteht man bei einem Schalter unter Öffner und Schliesser?
2. Zeichnen Sie den idealen Widerstandsverlauf beim Betätigen eines Schalters vom Zustand
Geschlossen in den Zustand Offen?
t
 


3. Skizzieren Sie die Funktionen y t   Y0  e und y t   Y0  1  e  . Geben Sie jeweils den


Anfangs- und Endwert an sowie den Funktionswert bei Zeit t =  und t = 5  an.
4. Wie kann die Zeitkonstante  aus dem Strom- und Spannungsverlauf einer einer RC- und RL
5.
6.
7.
8.
9.
10.
9.8
t

Schaltung bestimmt werden?
Nach welchen mathematischen Funktionen ändern sich die Spannung und der Strom bei einer RCund RL-Schaltung?
Welche Grössen ändern sich bei einer Spule und bei einem Kondensator mit einer
Exponentialfunktion?
Wie arbeitet eine Freilaufdiode?
Was versteht man bei einem Schalter unter Öffner und Schliesser?
Was versteht man unter Prellen eines Schalters?
Warum entsteht das Prellen eines Tasters oder Schalters?
Lösungen zum Lernziel-Test
1. bis 10. siehe Skript
ELHL1 2013
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