1-06MPF-20-24 - Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

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NEULAND OZEAN
Leben im
Wo immer Energie in
chemischer Form vorliegt,
ist auch Leben möglich –
Bodenlosen
selbst an Orten, die
FOTO: IODP - BILL CRAWFORD
FOKUS
äußerst unwirtlich oder
lebensfeindlich erscheinen:
Davon war BO BARKER
JØRGENSEN,
Direktor
am Bremer MAX-PLANCKINSTITUT
FÜR MARINE
MIKROBIOLOGIE,
schon
als Student überzeugt, als
er begann, sich mit Mikroorganismen in den Weltmeeren zu beschäftigen.
Im Jahr 1977 vertrat er
diese Theorie erstmals in
einem Vortrag anlässlich
seiner Promotion. Dass er
Recht hatte, dafür konnte
Jørgensen 2002 einen
spektakulären Beweis vorlegen: Von einem Bohrschiff
aus stieß sein Team vor
der Küste Perus 400 Meter
unter dem Meeresboden
Mit der Existenz einer Vielzahl unbekannter Lebewesen in
der Tiefe der Ozeane haben
sich die Forscher längst abgefunden. Was sie wirklich erstaunt: Selbst 400 Meter unter
dem Meeresboden tummeln
sich noch Mikroorganismen.
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FOTO: SCIENCE PHOTO LIBRARY
auf lebende Bakterien.
DAS IODP
egionen, die uns Menschen als
besonders lebensfeindlich erscheinen, sind für unzählige Mikroorganismen ein völlig normales Umfeld“, sagt Bo Barker Jørgensen. „Das
meiste Leben auf dem blauen Planeten spielt sich unter völlig anderen
Bedingungen ab, als wir das gewohnt sind.“ So versuchen seine
Mitarbeiter in den Laborräumen des
Bremer Max-Planck-Instituts für
marine Mikrobiologie herauszufinden, ob und unter welchen Umständen Leben auch noch in Gesteinsschichten tief unter dem Meeresgrund möglich ist.
Das Material für diese Untersuchungen bieten Sedimentbohrkerne
aus verschiedenen Regionen der
Weltmeere – und darunter auch ein
Gesteinsstöpsel, den die Wissenschaftler von ihrer letzten Expedition mit dem Bohrschiff Joides Resolution im Rahmen des internationalen Integrated Ocean Drilling Program (IODP) in ihre Bremer Labors
holten: Er wurde einige hundert Kilometer vor der Küste Perus aus dem
Boden des Pazifiks erbohrt und unter
der schlichten Bezeichnung ODP
1226 katalogisiert.
Was mit ODP 1226 ans Licht kam,
bedeutete eine Sensation. Denn in
diesem Bohrkern fanden die Forscher
lebende Organismen noch in Segmenten, die aus einer Tiefe von bis
zu 400 Metern unter dem Ozeanbo-
R
Seit 1968 wurden im Rahmen des
von den Vereinigten Staaten initiierten
Deep Sea Drilling Program und seines
internationalen Nachfolgeprojekts
Ocean Drilling Program tausende von
Bohrlöchern in den Meeresboden niedergebracht. Nicht selten waren diese
Bohrungen mehrere hundert Meter tief.
Dank der gewonnenen Kerne (im Bild
ein Team bei der Bergung) verfügen die
Geologen heute über ein dreidimensionales Bild der oberen Erdkruste. Zudem
liefern die Gesteine auch Proben für
detaillierte chemische und physikalische
Untersuchungen. Zurzeit beteiligen sich
insgesamt 22 Nationen an dem Integrated Ocean Drilling Program (IODP).
den stammten – und damit aus einer
Region, die selbst nach Jørgensens
optimistischer Einschätzung nur
schwer als Lebensraum vorstellbar
war. Diese Organismen, Bakterien von
nur wenigen Mikrometern Größe,
stellten die Bremer Meeresbiologen
vor allerlei Fragen. Dazu Jørgensen:
„Das größte Rätsel liegt darin, wie
diese Bakterien ihre Existenz sichern.
Denn in dieser so genannten tiefen
Biosphäre – 400 Meter unter dem
Grund des Ozeans – laufen Lebensprozesse bis zu 10 000 Mal langsamer ab als an der Oberfläche des
Meeresbodens.“
So ist unklar, wie und wovon sich
diese Zellen ernähren, und ebenso,
ob und wie sie genügend Energie gewinnen, um sich zu verdoppeln, also
fortzupflanzen. Eine Zellverdopp-
lung in solchen Tiefen bräuchte laut
Jørgensen wenigstens einige Jahre,
könnte aber auch 1000 Jahre dauern.
Zunächst war nicht einmal sicher,
ob diese Mikroorganismen überhaupt leben – oder ob sie tot sind,
aber in ihrer Umwelt einfach nicht
zersetzt werden. Denn auch abgestorbene Biomasse wird gewöhnlich
von Bakterien abgebaut – und wo
keine lebenden Bakterien, da auch
kein Abbau von toten Organismen.
RAFFINIERTE METHODEN
BREMEN
AUS
Dass diese Organismen im tiefen
Untergrund tatsächlich quicklebendig waren, fand Axel Schippers von
der Bundesanstalt für Geologie und
Rohstoffe in Hannover, der mit
den Max-Planck-Meeresbiologen zusammenarbeitet: Die Wissenschaftler entdeckten in den Bakterienzellen so genannte 16S-ribosomale
RNA. Diese Moleküle sind Bestandteile des Proteinsyntheseapparats
und lebensnotwendig für alle Zellen. Sterben die Bakterien, wird ihre
ribosomale RNA umgehend abgebaut. Für den Nachweis dienten
zwei Verfahren, die am Bremer Institut verfeinert wurden und sich damit auch auf die Bakterien aus den
tiefen Sedimentschichten anwenden
ließen: die Polymerase-Chain-Reaction, kurz PCR, und die CARD-FISH®
Methode.
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Das Prinzip der PCR besteht darin,
einsträngige RNA-Moleküle mittels
eines Enzyms (der reversen Transkriptase) in doppelsträngige DNA
umzuschreiben. Wird dann in diese
Doppelstränge jeweils ein Farbstoffmolekül eingebaut, lässt sich daraus
die Menge der neu gebildeten DNA
und damit auch der einsträngigen
Vorlagen ermitteln – also der ribosomalen RNA aus den Bakterienzellen,
die deren Lebendigkeit belegt.
ARBEIT
UHR –
WOCHENENDE
RUND UM DIE
AUCH AM
Die CARD-FISH-Methode nutzt Gensonden, das heißt einsträngige Nukleinsäuren, deren Bausteinsequenzen
komplementär zu einer gesuchten
Nukleinsäure sind, an die sie sich
deshalb gezielt binden und sie dadurch verraten. In dem Fall verwendeten die Wissenschaftler Sonden,
die komplementär zur 16S-ribosomalen RNA gebaut und mit einem
Enzym markiert waren, das eine spezielle Färbereaktion verstärkte: Dank
dieser empfindlichen Methode ließ
sich in den „untermeerischen“ Bakterien ebenfalls intakte 16S-ribosomale RNA nachweisen und auf diese
Weise bestätigen, dass es sich
tatsächlich um lebende Organismen
handelte.
Dieser Nachweis bedeutete den
krönenden Abschluss eines langen
und anspruchsvollen Unternehmens,
das Anfang 2002 begonnen hatte.
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Damals startete das Bohrschiff Joides Resolution in die Gewässer vor
der Küste Perus. Das Schiff, ausgerüstet mit einem gut 60 Meter
hohen Bohrturm, war mit 150 Wissenschaftlern und Besatzungsmitgliedern länger als zwei Monate
unterwegs. Die Leitung der Fahrt lag
bei Jørgensen, der den Tagesablauf
schildert: „Gearbeitet wurde in zwei
Zwölf-Stunden-Schichten rund um
die Uhr, auch an den Wochenenden.
Und besonders hektisch ging es her,
wenn ein neuer Bohrkern an Deck
gehievt wurde: ein jeweils zehn
Zentimeter dicker und zehn Meter
langer Sedimentstrang, erbohrt in
Meerestiefen bis zu 5000 Meter.“
Die Sedimentkerne wurden zunächst markiert und dann wurde
zentimetergenau festgehalten, aus
welcher Tiefe des jeweiligen Bohrlochs sie stammten. Sofort nach der
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ARCHIV
ERDGESCHICHTE
EINMALIGES
Ende März 2002 bekamen Jørgensen
und sein Team wieder festen Boden
unter die Füße – die Crew erreichte
den Hafen von Valparaiso in Chile.
Von dort wurde ein kleiner Teil der
Bodenproben, den die Wissenschaftler schon an Bord analysiert hatten,
ans Bremer Max-Planck-Institut geschickt. Der Großteil der kostbaren
Sedimentkerne gelangte per Flugzeug nach College Station im USStaat Texas und wurde dort in einer
riesigen Halle gelagert, entsprechend
den Richtlinien des internationalen
Bohrprogramms, wonach Bohrkerne
aus dem Pazifik in den USA oder in
Japan aufbewahrt werden, Kerne aus
dem Atlantik hingegen in Bremen –
und zwar im „Marum-Gebäude“ der
Universität, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Max-Planck-Institut.
Dort lagern bei konstanten vier Grad
Celsius bereits mehr als 110 000
Bohrkerne, verpackt in 1,5 Meter
langen Plastikröhren: ein einzigartiges Archiv der Erdgeschichte. Was
an Sedimentproben aus dem Pazifik
hung zu den Bakterien, die über
ihnen leben – näher an der Oberfläche der Sedimente. Die Frage sei,
so Bo Barker Jørgensen, ob die mikrobielle Gemeinschaft in den großen
Tiefen des Meeresbodens von einer
ursprünglich „oberflächlichen“, doch
inzwischen begrabenen Gemeinschaft abstammt und seit Jahrmillionen keinen Kontakt mehr zur Oberfläche hatte. Oder ob diese tiefe Biosphäre noch mit den modernen Bakterien im Ozean zusammenwirkt.
SEDIMENTE LASSEN
BAKTERIEN ABTAUCHEN
Dass die Bakterien vor der Küste Perus so tief in den Untergrund des
Meeresbodens abtauchen konnten,
liegt an der Dynamik der Erde. Die
Sedimente aus 400 Meter Bodentiefe
sind rund 16,5 Millionen Jahre alt
und stammen damit aus dem Miozän. Im Laufe von Jahrmillionen
wanderte das am Mittelozeanischen
Rücken des Pazifiks neu gebildete
Basaltgestein in Richtung des südamerikanischen
Kontinentalrands,
bewegte sich damit also weg von
seinem Entstehungsort. In dieser Zeit
sammelten sich auf dem ursprünglichen Basaltboden feine Partikel, die
aus dem Ozeanwasser auf dem
Grund sanken: Sie bildeten das Sediment, das sich im Laufe der Jahrmillionen über die Mikroorganismen
legte. In einigen weiteren Millionen
Jahren wird der Ort, an dem die Forscher aus dem Bohrloch ihre vorsintflutlichen Bakterien gewonnen haben, mit der südamerikanischen
Zahl der Zellen
GRAFIK: PROC. ODP, INIT. REPTS., 2001: COLLEGE STATION TX (OCEAN DRILLING PROGRAM), 1-81
Der Planet der Meere ist ein unerschöpflicher Quell für Entdeckungen. Das rechte Bild
etwa zeigt eine Probe, die 320 Meter tief im Sediment gewonnen wurde und lebende Zellen
enthält – markiert durch zwei helle Punkte, die intakte ribosomale RNA anzeigen.
EIN
DER
in den Labors des Max-Planck-Instituts landet, wird jeweils aufwändig
für die einschlägigen Untersuchungen aufbereitet und dabei zunächst
in winzige Mengen portioniert, um
sie unter dem Mikroskop zu analysieren sowie ihre chemische Zusammensetzung aufzuklären. Tomas
Wilkop, technischer Assistent in Jørgensens Abteilung, nimmt die Proben
mikroskopisch unter die Lupe. Über
eine Digitalkamera am Okular kann
er auf einem großen Bildschirm sehen, was unter spezieller farbiger
Beleuchtung in den Sedimentproben
aufscheint: dicht gedrängte rote
Punkte – und dazwischen auch einige blaue Kügelchen. „Diese blauen
Winzlinge sind für uns interessant.
Denn das sind die etwa ein Mikrometer großen Bakterien, nach denen wir
suchen“, sagt Wilkop.
Daneben bieten die Sedimente
vom Meeresgrund noch weithin unerforschtes Terrain, wie Jørgensen
anmerkt: „Fast alles, was wir dort
durch unsere Mikroskope sehen, ist
uns zurzeit noch unbekannt. Das ist
ähnlich wie beim Blick auf den
Nachthimmel: Von den meisten Sternen, die wir da wahrnehmen, wissen
wir so gut wie nichts. Ebenso ist bis
heute nur ein kleiner Bruchteil der
Ozeane erforscht – und noch weit
weniger das, was sich in deren Untergrund, in Millionen Jahre alten
Sedimenten, abspielt.“
Wie und wovon die Mikroorganismen in dieser tiefen Biosphäre leben
und sich vermehren ist ebenso unklar
wie ihre verwandtschaftliche Bezie-
Freier Pazifik
Küste vor Peru
EIN MEER
VON
LEBEN
IM
UNTERGRUND
Die Grafik zeigt die Verteilung von Prokaryonten pro Kubikzentimeter Sediment aus Bohrkernen verschiedener Tiefe.
Die Proben wurden direkt vor der Küste Perus gewonnen sowie aus den tiefen Gewässern einige hundert Kilometer von
der Küste entfernt. Der Begriff Prokaryonten (Lebewesen
ohne Zellkern) umfasst sowohl Bakterien als auch Archäen.
Die Zellen wurden durch eine Methode nachgewiesen, die –
im Gegensatz zum so genannten CARD-FISH-Verfahren –
keinen Schluss darüber zulässt, ob sie leben oder nicht. Die
unterschiedlichen Symbole beziehen sich auf verschiedene
Bohrungen. Die gestrichelte Linie in der Mitte der Grafik
zeigt den Durchschnitt der Zellen, die bei allen Expeditionen
des Ocean Drilling Program (ODP) und des Integrated Ocean
Drilling Program (IODP) bisher gefunden wurden.
DEN MEERESBODEN
INS LABOR GEHOLT
Einer Bibliothek der Bohrkerne
gleicht das Archiv in Bremen.
Wissenschaftler wie Michael
Böttcher (links) lesen darin
wie in einem Buch. Doch bevor
die wertvollen Sedimentproben
unters Mikroskop kommen
(ganz rechts), müssen sie erst
aufbereitet werden; das erledigt die Laborantin Imke Busse
(rechts) aus dem Team um
Bo Baker Jørgensen vom MaxPlanck-Institut für marine
Mikrobiologie.
FOTOS: THORSTEN NAESER
20 µm
Bergung wurden erste Untersuchungen in den Labors an Bord der Joides
Resolution vorgenommen. Dann wanderten die Bohrkerne in Kühlräume
mit einer Temperatur von vier Grad
Celsius – einer Temperatur, die zum
einen die Schimmelbildung auf den
Sedimenten verzögern, zum anderen
aber die in den Sedimenten enthaltenen Mikroorganismen am Leben und
aktiv erhalten sollte.
Tiefe unter dem Meeresboden
FOTOS: NASA / AXEL SCHIPPERS
FOKUS
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FOTOS: IODP
FOKUS
DIE JOIDES
RESOLUTION
Der fast 61 Meter hohe
Turm in der Mitte des Tiefseebohrschiffs Joides Resolution ist sein fast unverwechselbares Erkennungszeichen.
Das 143 Meter lange Forschungsschiff besitzt die
Möglichkeiten auch in den
tiefsten Ozeanen der Erde
Bohrungen vorzunehmen.
Von Bord aus können mehrere
tausend Meter Gestänge auf
den Meeresgrund herabgelassen werden. Während der
Bohrung wird das Schiff mittels GPS ständig exakt an
derselben Stelle gehalten.
Kontinentalplatte kollidieren und in
die Tiefe gedrückt werden.
Ob die Organismen der tiefen
Biosphäre mit denen am Meeresboden verwandt sind, versuchen die
Wissenschaftler mittels genetischer
Analysen herauszufinden. Dazu klonieren sie die Bakterien und sequenzieren anschließend den Abschnitt
des Genoms, in dem das Gen für
die 16S-ribosomale RNA liegt. Dieser Genombereich umfasst zwischen
1500 und 2000 Basenpaare. „Das gesamte Genom unserer Bakterien aus
den tiefen Sedimenten zählt vermutlich an die vier Millionen Basenpaare. Doch der kleine Abschnitt des
Erbguts, den wir analysieren, reicht
aus, um die genetische Diversität zu
katalogisieren“, sagt Jørgensen.
ANGENEHMES KLIMA
IN GROSSER TIEFE
Inzwischen wissen die Forscher einiges über die Lebensumstände in
den Meeressedimenten. So haben sie
etwa herausgefunden, dass die Bakterien in den großen Tiefen keine
besonderen Überlebensstrategien entwickeln mussten. „Die Zellstrukturen
können problemlos in den Porenräumen der dicht gepackten Sedimente
überleben“, sagt Jørgensen, „und die
Temperaturen an den von uns angebohrten Schichten liegen nicht
höher als 20 bis 30 Grad Celsius“. Im
tiefen Untergrund können sehr unter24
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schiedliche Temperaturen herrschen,
und zwar abhängig von den örtlichen
tektonischen Gegebenheiten. In anderen Regionen der Erde weisen Sedimente in ähnlichen Tiefen viel höhere
Temperaturen bis weit über 100 Grad
Celsius auf, bei denen keine Bakterien
mehr leben können.
Wie sich die Bakterien der tiefen
Biosphäre ernähren, wird in den Labors des Max-Planck-Instituts für
marine Mikrobiologie analysiert und
nachgestellt. „Viele der Mikroorganismen, die wir entdeckt haben, veratmen Sulfat – so wie wir Menschen
den Sauerstoff der Luft nutzen“, erklärt Michael Böttcher, wissenschaftlicher Mitarbeiter in Jørgensens
Team. „Und als Energiequelle kann
ihnen Methan dienen.“ Das Sulfat
beziehen diese Lebenskünstler in der
tiefen Biosphäre aus dem Porenwasser; das Methan stammt aus dem
Abbau von sedimentärem organischem Material, etwa aus Schwarzschiefergesteinen. „Selbst über 90
Millionen Jahre alter Schwarzschiefer kann in tiefen Sedimentschichten
immer noch als Methanquelle herhalten“, sagt Böttcher.
Wie viel Sulfat und Methan die
Bakterien benötigen, um ihr Überleben zu sichern, erforschen die
Meeresbiologen, indem sie Sedimentproben mit den Organismen in abgeschlossene Glasampullen füllen. In
diese Behälter leiten sie anschließend
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jeweils Sulfat und Methan und bestimmen mit ausgeklügelten chemischen Analysemethoden, wie viel
davon die Bakterien innerhalb eines
bestimmten Zeitraums verbrauchen.
Zudem werden die Gene der Organismen sequenziert und in einer Datenbank gespeichert.
SPURENSUCHE
UNTERGRUND
IM
Ihre künftigen Forschungsfahrten
haben Jørgensen und sein Team
schon geplant. Zunächst soll es in
den Südpazifik gehen, und zwar nahe an den Mittelozeanischen Rücken.
Denn dort, so vermuten die Meeresbiologen, lassen sich Mikroorganismen aufspüren, denen noch weniger
Energie zum Leben zur Verfügung
steht als denen vor der peruanischen
Küste. Dabei geht es nicht darum,
Sonderlinge für eine Art „Raritätenkabinett“ zu sammeln. Es geht vielmehr um eine der noch weithin unbekannten Grundlagen auch unserer
oberirdischen Existenz, wie Jørgensen feststellt: „Das Leben in der tiefen Biosphäre, also im Untergrund
der Ozeane, macht fast ein Zehntel
der globalen lebenden Biomasse aus
und hat über Umsetzungs- und
Recyclingprozesse einen großen Einfluss auf die gesamte Ökologie unseres Planeten. Und wir wollen ausloten, wo die Grenzen dieses Lebens
THORSTEN NAESER
liegen.“
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