LEBEN | top thema ernährung Die Wahrheit üb er Fett nährungstrends wie Paleo und Low Carb High Fat (siehe Kasten) setzen auf kohlenhydratarme und fettreiche Kost, machen schlank und gesund. Und Sportler wissen es längst: Für Muskelaufbau, Fettabbau und Energiegewinn gibt es nichts Besseres als viel Fett und Eiweiß sowie wenig Kohlenhydrate. Bereits 1995 wurde diese Ernährungsform für Leistungssportler und Bodybuilder entwickelt. E ier, Sahne, Speck – Lebensmittel, die wir jahrelang gemieden haben, gehören jetzt wieder auf den Teller. Immer mehr Studien widerlegen das Märchen, nach dem fettreiche Ernährung uns dick und das Leben kürzer macht. Die neuen Er- Die Mär vom bösen Fett. Warum haben wir trotzdem noch immer Angst vor Fetten aus Wurst, Eiern und Butter? In den Fünfzigerjahren klagte der amerikanische Forscher Ancel Keys als Erster fettreiche Ernährung an. Er verglich damals Fettverzehr und Infarktsterblichkeit in sechs Ländern – Die schlanke Ernährungspyramide Selten Süßigkeiten, gezuckerte Getränke & Weiß-­ mehlprodukte aufnehmen – sie lassen den Blut­ zucker- und Insulinspiegel sehr stark ansteigen. Weniger stark wirken sich die guten Kohlen­ hydrate aus Vollkornprodukten, Kartoffeln & Naturreis auf den Blutzuckerspiegel aus. Häufig Fisch, Fleisch und Milchprodukte essen – als Sattmacher und Eiweißquelle bei gemüsereichen Mahlzeiten. Oft sollten Gemüse, Salate und Obst auf dem Speiseplan stehen. Sie sättigen gut bei einer niedrigen Energiedichte. Fette aus Öl heizen den Stoffwechsel an. 20 42/2014 © Die Original-LOGI-Pyramide nach Dr. Worm, Stand 2009, publiziert in den Büchern zur LOGI-Methode bei systemed/systemed.de. Abdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung des systemed-Verlages. den USA, Kanada, England, Italien, Australien und Japan. Sein Ergebnis: Je höher die Fettaufnahme, desto höher die Zahl der Infarkte. Von da an verkündete er, dass eine fettreiche Ernährung Herzerkrankungen verursache. Viele Kollegen waren skeptisch, da Vergleiche von Durchschnittswerten wissenschaftlich fragwürdig sind. Außerdem wurde ein paar Jahre später nachgewiesen, dass er sich aus 22 Ländern genau jene rauspickte, deren Zahlen seine These bestätigten. Trotz der Argumentationsschwächen nahm die Verbreitung der Fett-Lüge an Fahrt auf. Erst recht, als die Medien darauf aufmerksam wurden. 1979 legte Keys nach: In einer weiteren Studie zeigte er, dass speziell die gesättigten Fettsäuren in tierischen Nahrungsmitteln für hohe Cholesterinspiegel und Herzinfarkte verantwortlich seien. Die Studie war ebenso fraglich wie die erste, schaffte es aber, dem Ruf der gesättigten Fettsäuren bis heute zu schaden. Mit der Verteufelung der Fette ging die Heiligsprechung der Kohlenhydrate einher. Möglichst viel Vollkornprodukte sollte man essen – und diese Ansicht hat sich in vielen von uns verfestigt. Nicht zuletzt, weil die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), die ja Informationsquelle für viele Ernährungsberater, Ärzte und Journalisten ist, lange Zeit Fette abwertete und Kohlenhydrate lobte. Auf die neuen Erkenntnisse (siehe Pyramide) wird von der DGE bis heute nicht so nachdrücklich hingewiesen, wie viele Experten es sich wünschen. Fettes Geschäftsmodell. Dass das Märchen vom bösen Fett sich so lange hielt, liegt auch daran, dass viele ordentlich Geld damit verdienen konnten: Lebensmittelhersteller mit cholesterinfreien Kunstfetten und Lightprodukten, Müslis und Cerealien. Und nicht zuletzt die Pharmaindustrie, die 1989 das erste Mittel zur Senkung des „bösen“ Cholesterins auf den Markt warf. 220 Millionen Menschen schlucken heute diese Mittel und Veronica Ferres setzt auf Paleo, die setzen in einem Jahr etwa 25 Milliarden Dollar weltweit um. Fett ist ungesund, macht dick und krank – das wird uns seit Jahrzehnten eingeredet. Doch richtig eingesetzt, hält es den Körper sogar gesund Illustration: iStockphoto/NilouferWadia; Fotos: Getty Images (4), privat (2) Neue Serie Eine fettreiche Ernährung hilft sogar beim Abnehmen Neue Sichtweise. Das Low-Fat-Experiment ist weltweit gescheitert: Die Menschen sind dicker und kränker, die Zahl der Diabetiker explodiert und noch immer sind HerzKreislauf-Krankheiten die häufigste Todes­ ursache in der westlichen Welt. Ein Viertel der Deutschen ist stark übergewichtig. Der Hauptvorwurf an Fette war immer, dass sie leichter dick machen als andere Nährstoffe. Doch nicht der Fettgehalt eines Lebensmittels entscheidet darüber, ob es dick macht, sondern seine Energiedichte (Kalorien pro Gramm). So können fettarme Backwaren viel mehr Kalorien haben als ein fettreiches Gericht mit Gemüse. Zudem versorgen Fettsäuren aus Sahne, Butter, Käse und Fleisch fast alle Körperzellen mit Langzeit-Energie. Davon profitieren die Muskeln und auch das Herz! Wenn man also einen Dickmacher-Nährstoff benennen muss, dann sind es die Kohlenhydrate: Je mehr Kohlenhydrate man isst, je leichter diese sich vom Körper in Glukose verwandeln lassen und je weniger man sich bewegt, desto mehr Insulin wird für die Verwertung des Blutzuckers benötigt. Insulin wiederum sorgt für eine Einlagerung von Fett im Gewebe. Und dafür, dass es dort bleibt. Das bedeutet auch, dass Fett, gegessen ohne Kohlenhydrate, sich gar nicht erst einlagert: Der Burger ohne Brötchen schrumpft also das Hüftgold, die Bulette (mit Semmelbröseln) im Brötchen lässt es wachsen. Solo ist Fett sogar gut fürs Herz – wird es dagegen in Kombination mit Kohlenhydraten gegessen, wird es gefährlich. In Schweden und Norwegen ist die LowCarb-High-Fat-Ernährung so populär, dass 2011 sogar Butter und Sahne knapp wurden. Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation leben dort heute die wenigsten über­ gewichtigen Teenager. Zurück zum Genuss. Das bedeutet aber nicht, dass nun jeden Morgen Eier und Speck auf den Speiseplan gehören. Doch statt wie bisher auf reichlich Kohlenhydrate in Form von Brot, Müsli und Pasta zu setzen, greifen Sie lieber wieder zu hochwertigen, natürlichen Zutaten wie Butter, Eiern, Fleisch und Käse und genießen Sie sie – in Maßen und ohne schlechtes Gewissen. t Paleo – Steinzeitkos vermutete Ernährungsweise der Menschen der Altsteinzeit, bevor Ackerbau und Viehzucht aufkamen. Es werden vor allem Fleisch, Fisch, Eier, Gemüse, Pilze und Nüsse gegessen. „Ich esse keinen Zucker, kein Getreide, keine Milchprodukte. Ich backe mir mit Nüssen und Cranberrys mein eigenes Brot und schlage ein Ei rein. Absolut köstlich. Meine Haut war noch nie so glatt und feinporig“, sagt die Schauspielerin. Industriell verarbeitete Lebensmittel sind tabu, Natürliches und Nährstoffreiches stehen auf dem Speiseplan, allerdings ist Paleo kosten- und zeit­ intensiv. Zudem sollte man darauf achten, genug Kalzium zu sich zu nehmen. Heidi Klum ernährt sich nach den Regeln des Harvard-Mediziners Dr. Nicholas Perricone: viel Pflanzenöl, fetter Fisch, Avocados, Geflügel, dafür kein Zucker, Brot, Kaffee oder Kuchen. Mit dieser Ernährung sollen Entzündungen im Körper, die den Alterungsprozess der Haut beschleunigen, gestoppt werden. Besonders hilfreich dabei sind die in Fisch enthaltenen Omega-3-Fettsäuren. Die PerriconeDiät ist somit eine Ernährungsumstellung mit Anti-Aging-Wirkung. Dabei sind zwar Vollmilch-Produkte verboten, fettarme Milch und Joghurt sowie Weichkäse aber erlaubt. Durch den Verzicht auf Kohlen­ hydrate steigt der Blutzuckerspiegel langsamer an und Heißhunger bleibt aus. Perricone-Diät Low Carb High Fat Kathrin Koehler ist Journalistin und ernährt sich seit Juli 2012 ketogen, also kohlenhydratarm und fettreich. Bis heute hat sie 21 Kilo abgenommen. „Bei der Umstellung hatte ich Mundgeruch und einen metallischen Geschmack im Mund – etwa eine Woche. Parallel fühlte ich mich leicht und befreit, da ich nicht mehr ständig Appetit hatte. Der Zucker war weg. In der Folge habe ich kaum Ausschläge beim Insulin, sodass kein Fett in den Zellen gespeichert wird. Klingt paradox: Führe ich hinreichend Fett zu, kommt der Abbau meines Körperfetts erst so richtig in Schwung. An Kohlenhydraten ,gönne‘ ich mir vor allem Eiweißbrot. Dafür kommen da fette grobe Hausmacher-Leberwurst oder fetter Käse und dick Butter drauf. Gern noch dazu Ei mit Butter und Salz oder Mayo – das sättigt locker fünf bis sechs Stunden. Langsam realisiere ich meinen Erfolg und diesen will ich ausbauen, darüber schreibe ich in dem Blog www.die-letzten-zehn.de.“ Bitte umblättern 42/2014 21 LEBEN | top thema Kokosöl Das Fett oder Öl aus dem Fleisch Schlagen Sie ruhig zu! Rindersteak Ist es von ei- Die populärsten Fettmythen und welche fettreichen Lebensmittel besonders gut für Sie sind nem Weiderind mit viel Auslauf und Grünfutter, stecken in einem Steak viele Omega-3-Fettsäuren. Wer also nicht gern Fisch isst, bekommt seine Dosis auch im Steak. Eine durchschnittliche Portion kann sogar die empfohlene Tagesmenge an Vitamin B12 liefern und somit für Energie, starke Nerven und eine gute Blutbildung sorgen. Eisen und Zink sind ebenfalls in hohen Mengen enthalten. den dem Herz Tierische Fette scha 3 Fette Irrtümer aufgeklärt Margarine ist besser als Butter 1 Stimmt nicht ganz. Im Gegensatz zu Butter enthält Margarine zwar viele mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die gut für die Gesundheit sind. Allerdings sind meist nur die hochwertigen, teureren Sorten frei von künstlichen Transfetten, die bei der Härtung von Pflanzenölen entstehen und besonders schnell für Fettpölsterchen sorgen sollen. Und: Neue Studien zeigen, dass das Cholesterin in der Butter für das Herz nicht schädlich ist. Zudem ist Butter mit ihren vielen gesättigten Fetten ein super Energielieferant. Entscheidend ist somit nur, was Ihnen besser schmeckt! acht schlank m Fettarme Ernährung 2 Stimmt nicht. Ein Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Fettverzehr lässt sich wissenschaftlich nicht nachweisen. Entscheidend ist die tägliche Kalorienzufuhr. Wer statt Wurst Pasta isst, wird ohnehin nicht abnehmen, da stark verarbeitete Kohlenhydrate den Fettabbau behindern. Und auch wenn Fett eine höhere Energiedichte hat als Kohlenhydrate, macht es schneller satt. Ideal ist deswegen, zu fettreichen Lebensmitteln viel Gemüse zu essen, denn sie haben die niedrigste Energiedichte und gleichen somit die Kalorienbilanz wieder aus. 22 42/2014 sto besser Je mehr Omega 3, de 4 Stimmt nicht. Fetter Fisch wie Lachs und Hering enthält reichlich Omega-3-Fettsäuren. Die schützen u. a. vor Herzinfarkten und beugen Depressionen vor. Aber heute werden zunehmend Lebensmittel wie Fischstäbchen, Eier und Brot künstlich mit Omega 3 angereichert – damit verdient die Lebensmittelindustrie richtig gut. Das Bundesinstitut für Risikobewertung fordert jetzt Grenzwerte für Omega-3-Zusätze, denn ein Zuviel kann Nebenwirkungen wie eine erhöhte Blutungsneigung und eine schlechtere Immunabwehr haben. Zweimal pro Woche Fisch zu essen, reicht also vollkommen aus. enöl Nichts geht über Oliv 5 Stimmt nicht ganz. Seit den Sechzigern gilt Olivenöl als das Wundermittel der Mittelmeerküche, das dafür sorgt, dass die Menschen dort weniger oft an Herzkrankheiten leiden als wir. Und so ertränken wir unsere Salate in dem Wunderöl und braten damit Fleisch und Fisch. Doch nicht nur die Fettsäuren aus Olivenöl machen Griechen und Italiener so gesund, sondern dass sie dazu auch viel Gemüse, Hülsenfrüchte und Geflügel essen. Übertreiben Sie es daher mit dem Olivenöl nicht, sondern setzen Sie auf einen Pflanzenöl-Mix – das gibt noch mehr gesunde Nährstoffe. Hühnerei Illustration: M.I.G./LISA/Stefan Hilberer; Fotos: Fotolia.de (4)/Africa Studio/emuck/Marek/Neumann, Shutterstock (2)/verca/Viktor1, StockFood Butter oder Margarine? Essen Sie, was Ihnen schmeckt! Stimmt nicht. Fettreiche, tierische Lebensmittel wie Sahne und Käse sollen das vermeintlich „böse“ LDL-Cholesterin erhöhen, das lange in Verdacht stand, dem Herz zu schaden. Aber etwa die Hälfte aller Herzpatienten hat ganz normale Cholesterinwerte. Und LDL-Cholesterin ist nur dann gefährlich, wenn die Partikel klein und dick werden und bereits entzündete Arterien angreifen. Diese Art von Cholesterin – das belegen neue, namhafte Studien – entstehen durch zu viele Kohlenhydrate wie Zucker und Brot. Gut fürs Herz ist ein Mix aus gesättigten und ungesättigten Fettsäuren: Essen Sie zum Steak beispielsweise einen Salat mit Rapsöl. der Kokosnuss enthält mittelkettige Fettsäuren, die im Körper zu gehirnschützenden Substanzen umgebaut werden und vor Demenz und Alzheimer schützen können. Die enthaltene Laurinsäure wirkt antibakteriell, etwa bei Karies, und eignet sich deswegen sehr gut fürs Ölziehen (morgens ca. 20 Minuten den Mund mit einem Esslöffel Öl spülen). Ob gekocht oder gebraten – das Gelbe vom Ei ist ein super Lezithin-Lieferant. Dieses schützt die Leber und die Dickdarmschleimhaut und ist ein wichtiger Reparaturstoff für Körperzellen. Außerdem verbessert es die Konzentrations- und Merkfähigkeit. Mit Cholesterin, essenziellen Fettsäuren, Vitaminen und Mineralstoffen gibt das Ei unserem Körper alles, was er zum Wachsen braucht. Ein bis zwei Eier pro Tag erhöhen auch nicht den Cholesterinspiegel und sind somit das perfekte Frühstück und Diätessen, weil das Eiweiß lange satt macht. Butter Dass Butter ein schneller, gut verdaulicher Energielieferant ist, wissen Sie bereits. Zudem erhöhen ihre Fette die Blutwerte nicht so stark wie Raps- oder Olivenöl. Butter enthält viel natürliches Vitamin A, D und E: Das stärkt die Sehkraft. Der Körper braucht sie auch, um fettlösliche Vitamine etwa in Karotten aufnehmen zu können. 20 bis 30 Gramm Butter pro Tag sind laut Ernährungsexperten unbedenklich. Chiasamen Die Vitaminbombe galt schon bei den Azteken als Wundermittel und wird auch bei uns immer populärer. Chia ähnelt Getreide, ist aber eine Ölsaat. Die Samen wirken antioxidativ, schützen vor Umweltgiften, beugen Herzkrankheiten vor und liefern reichlich Energie. Chia gilt als reichhaltigste Quelle von Omega-3-Fettsäuren und Ballaststoffen. In der Küche sind die Supersamen, die den Geschmack ihrer Umgebung aufnehmen und verstärken, eigentlich überall einsetzbar: in Salaten, Suppen, Aufläufen und Kuchen. Bulletproof Coffee Der neueste Hype bei Managern, Sportlern und Abnehmwilligen ist schwa rzer Kaffee mit je einem Esslöffel Kokosöl und Butter. Zum Frühst ück „genossen“ soll er Energie und Konzentration für den ganzen Tag liefern und dazu den Appetit zügeln. Gesund ist der fettige Kaffee durch die Nährstoffe definitiv, besonders durch die mittel­ kettigen Fettsäuren aus Butter und Öl. Aber auch eine schöne Kalorienbombe, die dafür lange satt machen soll. Wer die Fettau gen nicht mag, kann die Zutaten vorm Trinken pürieren. Kathrin Koehle r (siehe Seite 21) macht das genauso: „Ich habe mich lange davor geziert , den Kaffee so zu trinken, ist aber echt lecker. Ich trinke ihn frühmorgens, esse erst wieder gegen Mittag und brauche dann nur noch ein Abendessen.“ Trend Gänsebraten Keine Angst mehr vor knuspriger Haut und reichhaltiger Soße: Das Fett der Gans enthält mehr Ölsäure als Oliven und schützt somit vor Arteriosklerose und hält die Blutgefäße geschmeidig. In dem Fleisch stecken zusätzlich viel Vitamin C und große Mengen an Niacin (Vitamin B3). Letzteres repariert Nervenzellen und verschönert die Haut. Da das enthaltende Eiweiß ohnehin gut sättigt, verzichten Sie auf die Klöße und essen ordentlich Rotkohl dazu. Nächste Woche: Die Wahrheit über Kohlenhydrate 42/2014 23