Coverthema Einfamilienhäuser Experiment Holzarchitektur D er Bauplatz liegt in einem Villenviertel in Geh­ distanz zum Zentrum von Klagenfurt. Gründer­ zeitbauten und Einfamilienhäuser jüngeren Da­ tums säumen die Straße zum Kreuzbergl, an deren En­ de das nach Süden und Westen orientierte Eckgrund­ stück liegt. Die Anforderungen der Bauherren waren vielschichtig. Halm.kaschnig.wührer architekten entwi­ ckelten in enger Zusammenarbeit mit dem Tragwerks­ planer ein Gebäude, das der Lage, den Ansprüchen der künftigen Nutzer und deren Lebensgewohnheiten gerecht wurde. „Die offene Bauweise entspricht un­ seren Vorstellungen vom gemeinsamen Leben und von Gastfreundschaft“, erklärt der Bauherr. Offener Grundriss Um den größtmöglichen Freiraum für den südseitigen Garten zu schaffen, wurde der Baukörper an die nörd­ liche Grundgrenze gesetzt und die Zufahrt an die West­ „Aus meiner Sicht zeigt sich die Qualität der Tragwerksplanung im Grad der Zurückhaltung der Tragstruktur. Die Statik soll die Architektur unterstützen, unmerklich und ohne sie durch große Gesten zu überschreiben.“ Tragwerksplaner Kurt Pock 20 2|2012 seite gelegt. Stahlbeton- und Holzmassivbauweise ver­ binden sich zu einem stimmigen Ganzen: Auf dem Erd­ geschoß-Sockel, großteils in Sichtbeton ausgeführt, wurden die Obergeschoße mit KLH-Elementen errich­ tet. Das Gebäude folgt dem leicht nach Süden abfal­ lenden Gelände und ist im Erdgeschoß als offener Grundriss angelegt. Den räumlichen Abschluss nach Westen bildet ein Gästezimmer, das über eine Rampe barrierefrei erreichbar ist und über einen separaten Ein­ gang von der Terrasse verfügt. Zentrales, Raum bilden­ des Element im Erdgeschoß ist eine Treppe, die in die Obergeschoße führt. Hinter einem zweiten Treppenmö­ bel verbirgt sich ein leicht erhöhter Arbeitsplatz, der als Zwischenebene aufgrund der erhöhten Raumhöhe möglich wurde. Als weitere Raumschicht sind Funkti­ onsräume und der Zugang mit Schmutzschleuse dem Wohnraum nördlich vorgesetzt. Die Bereiche Kochen, Essen und Wohnen gehen ineinander über und sind nur durch einen Niveausprung gegliedert. Im Süden ist dem Gebäude eine Terrasse vorgelagert, die sich dank raumhoher Verglasung mit dem Innenraum verbindet und so zum erweiterten Wohnbereich wird. Verschieb­ bare mit Lärchenlatten beschlagene Rahmen schützen vor unerwünschtem Einblick und zu viel Sonne. Treppe als Raumskulptur Die drei Schlafräume in den Obergeschoßen sind je­ weils von zwei Seiten belichtet und nach Süden ori­ > © Fotos: Rainer Wührer Modern Im Villenviertel von Klagenfurt errichteten halm.kaschnig.wührer architekten gemeinsam mit einem Tragwerksplaner ein Einfamilienhaus in Holzmassivbauweise, das mit dem gewohnt orthogonalen Raster bricht und so neue (Lebens-)Formen ermöglicht. Von Astrid Meyer-Hainisch Um den größtmöglichen Freiraum für den südseitigen Garten zu schaffen, wurde der Baukörper an die nördliche Grundgrenze gesetzt . 2|2012 21 interview Ein schlanker Baukörper Für holzbau austria sprach Astrid Meyer mit Architekt Peter Kaschnig über Raumexperimente und die Besonderheiten beim Bauen mit Holz in der Stadt. Was waren die wesentlichsten Anforderungen der Bauherren an den Entwurf? Funktional war es die Forderung einer optimalen Situie­ rung auf dem Grundstück mit Blickbeziehung über die gegenüberliegende Baulücke zu den Karawanken, und das vom Schlafzimmer aus! Weiters der Bezug zu den Gartenflächen, die mögliche Erschließung über eine Schleuse neben dem notwen­ digen Hauptzugang. Gestalterisch gab es die Forderung nach dem Flair einer Altbauwohnung mit hohen, großzü­ gig hellen Räumen und der Ausrichtung nach der B­esonnung. > entiert. Sie befinden sich auf unterschiedlichen Ebe­ nen und sind vom zentralen Treppenhaus erreichbar. Dem Elternschlafzimmer sind gleichsam als Schleusen eine Umkleide und das Badezimmer vorgeschaltet. Die Ausführung der Treppe erfolgte stützenfrei. Die Trittstufen sind einerseits in der Wand verankert, ande­ rerseits mittels Stahlstangen eingespannt. Dies schafft Transparenz, Leichtigkeit und Großzügigkeit trotz opti­ mierter Raumgrößen. Die Materialien im Gebäudein­ neren sind auf einige wenige reduziert: Wände in Sicht­ beton bieten einen neutralen Hintergrund für die von den Architekten entworfenen und vom Bauherrn aus­ detaillierten Tischlermöbel. Holzdielen als Bodenbelag schaffen in den Obergeschoßen eine warme Atmo­ sphäre. IHR PARTNER, www.osmo.de AZ Holzbau Austria Color Image_92x125mm.indd 1 2|2012 ANZEIGE wenn es um natürliche Holzanstriche geht! 22 Der Bauherr spricht von einem „Architekturexperiment“. Was ist/war das aus Ihrer Sicht? Es ist der Versuch, einen möglichst schmalen, lang g­estreckten Baukörper nach seinen funktionalen Anfor­ derungen entlang der nördlichen Grundgrenze zu orga­ nisieren, der möglichst wenig Erschließungsflächen be­ nötigt und gleichzeitig komplexe Raum- und Lichtsituati­ onen schafft. Gleichzeitig war es schwierig, eine städte­ baulich richtige und nützliche Formation zu bauen, de­ ren räumliche Komposition eine Vielfalt von verschie­ densten Raumsituationen auf dem Grundstück erzeugt – Vorbereich, Eingang, Zufahrt, Hof, Garten, Terrasse. 07.03.12 14:24 Holz findet Stadt Mehr als 80 m3 Holz stecken in diesem Haus. Den Großteil davon macht die Konstruktion mit KLH-Ele­ menten in Fichten-Brettsperrholz aus. „Die Tragstruktur ist zurückhaltend, die Architektur, das Gesamtkonzept bestmöglich unterstützend, in weiten Bereichen stüt­ zenfrei, unsichtbar alle Möglichkeiten ausnützend“, so der Tragwerksplaner Kurt Pock. Neben der Optimierung des Tragwerks wurden spezielle Lösungen und Holz­ baudetails entwickelt. „Beim Balkon bilden die Belags­ pfosten um 90° gedreht gleichzeitig mit zarten Stahlele­ menten die Tragstruktur, SFSF-Verbinder halten den Ab­ stand, um ein Austrocknen des Holzes zu ermögli­ > coverthema Welche Herausforderungen gab es beim Bau? Bauen, wie ich es betreibe und meine Architektur es benötigt, stellt immer mehrere Herausforderungen zu­ gleich dar. Man muss bedenken, es entsteht eine Idee zum Wohnen, eine Vorstellung über eine von vielen Möglichkeiten zu wohnen, die zuerst die Überzeugung des Bauherrn und damit sein Vertrauen erlangen muss. Auf diese Phase folgt die gemeinsame Formulierung und Materialisierung und schlussendlich die Umset­ zung dessen, was man sich vorgenommen hat. Schließlich die Frage und die Antwort über das Ge­ Rund 15 m3 Lärchenholz wurden allein für die Fassade aufgewendet. Diese ist mit h­orizontalen Lärchenholzlatten verkleidet. baute, ob die Vorstellungen des Bauherrn und des Ar­ chitekten noch innewohnen und Ausdruck finden. Was war das „hausblau“? Wie kam es zu diesem Projekt? Welche Reaktionen gab es seitens der Anrainer, Besucher und des Fachpublikums? Hausblau war ein Raumexperiment im Vorfeld des Neu­ baus mit dem Bestandsgebäude auf dem Grundstück. Eine Untersuchung über die Wirkung der Monochromie im Innen- wie auch im Außenraum, deren Idee mir auf­ grund des intakten und vollständigen Erhaltungszu­ standes kam. Die Reaktionen waren sehr vielfältig, im Wesentlichen aber nicht wirklich relevant, da es sich eben um eine Untersuchung und damit Erkenntnisse über den Raum handelte und mir selbst diese am wichtigsten waren. Die Schaffung und das Erleben eines solchen ab­ strakten Raumkonstruktes waren schlussendlich die treibenden Kräfte für diese Arbeit. ANZEIGE Thema Holzbau in der Stadt: Welche Besonderheiten gab es zu bedenken? Einerseits dem Material einen adäquaten Auftritt in der Stadt zu ermöglichen und andererseits eine Fassade zu bauen, die eine Tiefe erzeugt, welche eine Art Filter zum städtischen Umraum erwirkt, zumal die Schlafräu­ me allseits vom Außenraum umgeben sind! haus klagenfurt 2|2012 23 Coverthema Einfamilienhäuser Die drei Schlafräume in den Obergeschoßen sind jeweils von zwei Seiten belichtet und nach Süden orientiert. Sie befinden sich in unterschiedlichen Ebenen und sind vom zentralen Treppenhaus erreichbar. Daten & Fakten: Standort: Teichstraße 2, 9020 Klagenfurt Bauherr: Familie P. Planung: halm.kaschnig.wührer; www.halm.kaschnig.at Projektleitung: Kurt Pock; www.holz-tragwerk.at Statik: Kurt Pock; www.holz-tragwerk.at Holzbaumeister: Holzbau Plankensteiner, www.plankensteiner.at Grundstücksfläche: 717 m² Bebaute Fläche: 242,15 m² Nutzfläche: 193 m² Bauweise: KG EG (teilweise) Stahlbeton, EG+OG Holzmassivbau (BSP) Wandaufbau: STB 20 cm / VWS20cm / PUTZ Vorsatzschale (Gipsbauplatten) 5 cm Gipsbauplatten / KLH 12cm / Dämmung 20 cm / Lattenschalung Dachaufbau: Vorsatzschale (Gipsbauplatten) 5 cm Gipsbauplatten / KLH 12cm / Dämmung 20 cm / Sarnafil / Bruchschotter Energiesystem: Luftwärmepumpe + PV Anlage Energieträger: Strom Energiekennzahl: 38,9 kWh/m²a Planungsbeginn: 2008 Baubeginn: 2008 Fertigstellung: 2010 Auszeichnungen: Holzbaupreis Kärnten 2011 24 2|2012 > chen und bilden gleichzeitig die erforderliche Scheibe“, erläutert Pock. Beim Einsatz von Holz wurde ausschließ­ lich konstruktiver Holzschutz angewendet und auf An­ striche gänzlich verzichtet. Rund 15 m3 Lärchenholz wurden allein für die Fassade aufgewendet. Diese ist mit horizontalen Lärchenholz­ latten verkleidet, wobei südseitig jeweils jede zweite Latte vorgezogen ist. Der Baukörper erhält somit mehr Tiefe, wirkt dabei jedoch transparent und leicht. Diese Fassadengestaltung gibt den Schlafräumen optisch Abstand zum Außenraum und dient gleichzeitig als Sonnenschutz. „Die Fassade ist unser Ansatz für die Anwendung einer Holzfassade im urbanen Bereich“, erklärt der Tragwerksplaner. Ausgezeichnet Die Planer erhielten für dieses Projekt den Holzbau­ preis Kärnten 2011. Die Jury unter dem Vorsitz von Ar­ chitekt Helmut Dietrich von Dietrich Untertrifaller be­ gründet dies folgendermaßen: Das Projekt „demons­ triert, welche Freiheiten der moderne Holzbau offe­ riert, dass nicht nur pragmatische Konzepte mit Stüt­ zenraster und orthogonale Konstruktionsprinzipien im Holzbau ihre Berechtigung haben. Und es demons­ triert, welche Wohnqualitäten und welch differenzierte Innen- und Außenraumbezüge durch unkonventionelle Ansätze entstehen können“. Als „gelebtes Architektur­ experiment“ bezeichnet der Bauherr heute sein Haus. Und dieses Experiment scheint geglückt. coverthema haus klagenfurt Eine Vorgeschichte: Kunst vorm Bau Vor ziemlich genau drei Jahren ging ein Bild von einem zur Gänze blau eingefärbten Einfamilienhaus durch die österreichischen und internationalen Medien. „Hausblau“ war ein „Raumexperiment“, so der Architekt Peter Kaschnig, der das Projekt initiiert und gemeinsam mit dem Bauherrn realisiert haben. Dabei ging es darum, die Raumwahrnehmung durch Monochromie zu verändern. Im Rahmen einer öffentlichen Führung konnten sich Interessierte selbst einen Eindruck von der Wirkung des Raumes und von den Lichteinfällen im ultramarinblauen Haus machen. Zwei Tage danach wurde das Gebäude abgebrochen, um dem späteren Haus P. Platz zu machen. Das Gebäude folgt dem leicht nach Süden abfallenden Gelände und ist im Erdgeschoß als offener Grundriss angelegt. BeA Breitrückenklammern zur Befestigung von Dämmstoffen er n a m m m it l K B e A 30 m m u n g 1 ig 75 – schein 52 e fb 10 P r ü h DIN c a n ANZEIGE BeA Druckluftgeräte für Klammern bis 160 mm! 246/110-851E von 50 – 110 mm NEU: 246/130-944E von 75 – 130 mm NEU: 246/160-964E von 65 – 160 mm 100 Jahre BeA. The Power of Fastening Holzbau_Austria_Anzeige_Apr2012.indd 1 Bildarchiv: Weber-Haus Joh. Friedrich Behrens AG Niederlassung Österreich, Marktstrasse 3, 2331 Vösendorf Tel.: +43 (0) 1 699 27 01 – 0, Fax: +43 (0) 1 699 27 01 – 16 e-mail: [email protected], www.bea-group.com 22.03.12 15:27 2|2012 25