Biostrom aus Abwasser

Werbung
Powered by
Seiten-Adresse:
https://www.biooekonomiebw.de/de/fachbeitrag/aktuell/biostrom-aus-abwasser/
Biostrom aus Abwasser
Weltweit arbeiten Wissenschaftler an der Entwicklung neuer Technologien, um saubere
Energie zu erzeugen. Das Team um Sven Kerzenmacher vom Institut für Mikrosystemtechnik
der Universität Freiburg setzt dabei auf eine so ungewöhnliche wie erfolgversprechende
Kombination: Abwasser und Bakterien.
Dr. Sven Kerzenmacher und Joana Danzer © Baden-Württemberg Stiftung / Sebastian Schulz
Auch wenn der momentan niedrige Erdölpreis es nicht vermuten lässt: Die Reserven an fossilen
Brennstoffen wie Erdöl und Kohle sind endlich. Und da auch die Weltbevölkerung stetig
weiterwächst – und damit der Bedarf an Energie – werden neue Technologien benötigt, die
CO2-neutrale, saubere Energie erzeugen. Sonne, Wind und Energiepflanzen allein können das
Weltenergieproblem nicht lösen. Als vielversprechende neue Ressourcen gelten heute Algen
und Bakterien.
Das Team um Sven Kerzenmacher vom Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) der Universität
Freiburg nutzt dabei eine Ressource, die bislang nicht als solche galt: Abwasser. „Theoretisch
reicht es aus, zwei Elektroden ins Abwasser einer Kläranlage zu halten: Nach einer Weile siedelt
sich ein Biofilm an, mit dem man aus der Brühe Strom machen kann“, sagt Kerzenmacher.
Abwasser als Energiequelle
1
Filtrierende, mikrobielle Brennstoffzelle: Eine bakterielle Brennstoffzelle besteht aus zwei Kompartimenten, die
durch eine Protonenaustauschmembran oder einen Separator voneinander getrennt sind. Verwerten Bakterien die
Bestandteile des Abwassers, entstehen Kohlenstoffdioxid, Elektronen und Protonen. Die Protonen gelangen durch
den Separator zur Kathode, während die Elektronen zur Anode gezogen werden. Fließen diese Elektronen von der
Anode über einen Draht zur Kathode, entsteht technisch nutzbarer, elektrischer Strom. © IMTEK / Joana Danzer
Der Strom entsteht wie bei einer herkömmlichen Brennstoffzelle, also indem chemische
Energie in elektrische Energie umgewandelt wird. Die im Abwasser schwimmenden
organischen Bestandteile dienen den Bakterien als Futterquelle. Wie bei allen Lebewesen, die
Nahrung verwerten, fließen dabei Elektronen. Die Freiburger Wissenschaftler haben einen Weg
gefunden, diesen Elektronenfluss anzuzapfen, und gewinnen damit Strom. „Die Bakterien
fungieren als Katalysator. Nur sind sie wesentlich günstiger als zum Beispiel Platin in normalen
Brennstoffzellen“, sagt Kerzenmacher.
Allerdings eignen sich nur wenige Bakterienarten für die Stromerzeugung: „Sie müssen in der
Lage sein, ihre Elektronen direkt auf eine Elektrode zu übertragen“, sagt Kerzenmacher. Zum
Beispiel auf eine Anode aus porösem Edelstahl oder Grafit – eine Besonderheit, die
exoelektrogenen Bakterien vorbehalten ist. Die Freiburger Wissenschaftler arbeiten mit
Geobacter sulfurreducens, einem Bakterium, das überall im Boden vorkommt und demzufolge
auch im Abwasser. In diesen Bakterien transportieren spezielle Proteine die Elektronen aus
dem Stoffwechsel über die Zellmembran nach außen, wo sie dann auf die Anode einer
Brennstoffzelle übertragen werden können. Fließen diese Elektronen dann von der Anode über
einen Draht zur Kathode, entsteht technisch nutzbarer, elektrischer Strom.
Doch es geht noch effektiver: Joana Danzer, Mitarbeiterin im Team von Kerzenmacher, forscht
an der sogenannten filtrierenden mikrobiellen Brennstoffzelle, die das Abwasser zusätzlich
noch reinigt. „Bei dieser röhrenförmigen Brennstoffzelle besteht die Anode aus einer Membran,
die gleichzeitig als Filter und als Elektrode dient“, erklärt Danzer, die diese Variante während
ihrer Doktorarbeit an der IMTEK-Professur für Anwendungsentwicklung entwickelte (siehe
Grafik). Für ihre Arbeit erhielt sie im Oktober 2014 den Wissenschaftspreis f-cell award des
baden-württembergischen Umweltministeriums.
2
Vom Labor in die Praxis
Dr. Sven Kerzenmacher und Joana Danzer im Labor © Juliette Irmer
In einem nächsten Schritt will Danzer ihre Anwendung mit echtem Abwasser testen – bislang
verwendet sie synthetisches. Auch müssen für beide Brennstoffzellen alternative Materialien für
die Anode gefunden werden, da etwa poröser Edelstahl für eine kommerzielle Nutzung zu
teuer wäre. Und langfristig wollen die Forscher die funktionierenden Miniaturformate im
großen Maßstab testen. Statt Quadratzentimeter müssen schließlich einmal Quadratmeter
abgedeckt werden. „Welche Probleme beim Upscaling auftreten, können wir noch nicht
abschätzen“, sagt Kerzenmacher.
Auch die Stromdichte müssen die Forscher noch erhöhen. „Bislang produzieren wir etwa 1-2
Watt pro Quadratmeter, es rechnet sich aber erst ab 5-10 Watt“, sagt Danzer. Das Ziel
allerdings ist nicht die Versorgung ganzer Städte. „Aber wenn wir es schaffen, dass eine
Kläranlage ihren eigenen Strombedarf damit deckt, wäre schon viel gewonnen“, sagt Danzer.
Kläranlagen – der optimale Einsatzort
Mikrobielle Brennstoffzellen © Juliette Irmer
Denn Kläranlagen sind wahre Stromfresser: Vor allem die Belüftung des Abwassers kostet
Strom. Die jedoch ist unverzichtbar, da Mikroorganismen zum Reinigen des Abwassers
3
Sauerstoff benötigen. Laut Umweltbundesamt verbrauchen Kläranlagen durchschnittlich 20
Prozent des Energiebedarfs deutscher Städte und Gemeinden und sind damit die größten
kommunalen Energieverbraucher. Der jährliche Gesamtverbrauch beläuft sich auf etwa 4.400
Gigawattstunden, was einem Strombedarf von 900.000 Vier-Personen-Haushalten entspricht.
Könnte man also einen Teil der benötigten Energie direkt in der Anlage herstellen, wäre das
Einsparpotenzial enorm.
Die Freiburger Wissenschaftler wollen sich zunächst auf industrielle Abwässer von Brauereien
oder Lebensmittelherstellern konzentrieren: „Diese sind meist stärker belastet als das
kommunale Abwasser. Die Kosten für die Reinigung beziehungsweise Entsorgung sind
entsprechend höher, sodass solche Betriebe sicherlich Interesse an unserer Technologie
hätten“, so Kerzenmacher.
Neben der energieneutralen Abwasserreinigung existieren aber noch andere mögliche
Anwendungen der mikrobiellen Brennstoffzelle: Mit einer Variante lässt sich auch Wasserstoff
erzeugen. Und mit wieder einer anderen Variante könnte man indirekt Biokunststoff herstellen:
Indem man Biokunststoff produzierenden Bakterien die Elektronen der Brennstoffzelle als
Energiequelle zur Verfügung stellt, statt diese – wie heute üblich – mit Zucker zu füttern.
4
Fachbeitrag
29.02.2016
Juliette Irmer
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Dr. Sven Kerzenmacher
Institut für Mikrosystemtechnik – IMTEK
Lehrstuhl für Anwendungsentwicklung
Georges-Köhler-Allee 103
79110 Freiburg
Tel.: +49 (0)761 203-73218
E-Mail: sven.kerzenmacher(at)imtek.uni-freiburg.de
IMTEK – Bioelektrochemische Systeme, Dr. Sven Kerzenmacher
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Mit welcher Biomasse die Energiewende stemmen?
Energiegewinnung aus Abfall
Bioenergie
Bakterium
Biokatalyse
Biomasse
Abwasser
Kläranlage
5
Herunterladen