Sepienhaltung im Berliner Zoo-Aquarium Traditionell beschäftigt man sich in der Fischabteilung des Berliner Zoo-Aquariums nicht allein mit der Haltung der schuppentragenden Wasserbewohner. Gerade jene aquatilen Lebewesen, die durch ihre „Andersartigkeit“ auffallen, gehören zu den gehüteten Schätzen des bald einhundertjährigen Hauses. Besondere Aufmerksamkeit schenken die ZooAquarianer ihren Tintenfischen und hier besonders den Sepien. Trotz der Bezeichnung „Fisch“ im Namen gehören die Kopffüßer oder Cephalopoden jedoch vielmehr zu den Schneckenverwandten. Als Bewohnerin des Mittelmeeres, des nördlichen Atlantik und sogar der Nordsee ist Sepia officionales, die Gemeine Sepia, überraschend unbekannt. Lediglich der Schulp, der Schwimmkörper aus Kalklamellen, erlangte als Kalziumspender für Wellensittich, Kanarienvogel und Co. Etwas mehr öffentliche Aufmerksamkeit. Umso mehr bemüht man sich im Zoo-Aquarium, diese faszinierenden Tiere einem breiten Publikum näher zu bringen. Paläontologen der Freien Universität Berlin, welche die Kopffüßer als Leitfossilien zur Altersbestimmung von Ablagerungen nutzen, brachten frischen Sepialaich aus einer südfranzösischen Mittelmeerstation mit. Der Lebenszyklus der Sepien begann daraufhin als knapp einen Zentimeter kleine, mit allen Funktionen ausgestattete Jungtiere. Ihre Embryonalentwicklung hatten sie vollständig im Ei absolviert. Dieser Prozess ist abhängig von der Wassertemperatur, kann bis zu drei Monate dauern, wurde aber im Zooaquarium bei etwa 16°C auf ungefähr zwei Monate verkürzt. Eine probeweise Zeitigungstemperatur von annähernd 22°C erwies sich leider als zu hoch und hatte eine hohe Mortalitätsrate unter den Schlüpflingen zur Folge. Zur Überwachung der Jungtiere im Ei entfernte der Pfleger die äußeren Schichten der zwiebelschalenartig aufgebauten Eihülle. Die inneren Schichten sind klar und erlauben die Kontrolle der Babys. Erschraken diese, konnte es geschehen, dass sie bereits im Ei eine Tintenwolke ausstießen, die sich bald als winzige schwarze Perle am Boden sammelte, ohne jedoch den Embryo zu schädigen. Entgegen häufiger Meinung ist die Tinte der Sepien ungiftig und besteht aus reinem Farbstoff, der bereits vor Jahrhunderten als Tusche Verwendung fand. Endlich geschlüpft, vergruben sich die kleinen Sepien im feinen Sand der Hälterungsbecken und gingen erst bei Dunkelheit auf Jagd nach lebenden Kleinkrebsen. Mit zunehmendem Alter verlor sich diese Nachtaktivität und bald konnte man sich die in Farbe und Oberflächenstruktur der Umgebung anpassenden Jungtiere auf ihren Beutezügen beobachten. Wie kleine Hummeln näherten sie sich ihrem Futtertier mit oszillierendem Flossensaum und schossen in Sekundenbruchteilen ihre zwei dehnbaren Fangtentakel hervor. Nun wurden die Tiere langsam auf Frostfutter umgestellt. Beobachteten sie die langsam absinkenden Garnelen zunächst nur, ohne ihre Fangtentakel einzusetzen, tasteten sie sich im Anschluss an die leblose Beute heran und überwältigten sie schließlich doch. Der Prozess der Nahrungsumstellung dauerte nur wenige Tage. Um das Jagdverhalten zu studieren und um den intelligenten Tieren Abwechslung zu verschaffen (gelangweilte Kraken haben sich schon selbst verstümmelt), wurden sie jedoch weiterhin mindestens zwei mal in der Woche mit lebenden Futter ernährt. Überrascht war man im Zoo-Aquarium, als die heranwachsenden Sepien für Garnelen und Futterfische verschiedene Taktiken der Jagd anwandten. Wurden die Krebstiere aktiv verfolgt, erbeuteten sie Sepien die angebotenen Futterfische in typischer Lauerräubermanier. Offenbar gelingt es den Sepien, ihren Pfleger zu erkennen, denn eine hinter den Kulissen gehaltene Gruppe verließ ihre Verstecke nur, wenn die vertraute Person die Fütterung beobachtete. Fremde Interessenten erlebten lediglich den „Vorführeffekt“. Im Alter von sechs Monaten, bei einer Größe von knapp zehn Zentimetern begannen die Sepien mit ersten Rangordnungskämpfen. Die dominanten Tiere zeigten nun immer häufiger die charakteristische Streifenfärbung der Erwachsenen. Bis zur ersten Paarung, bei denen die Männchen mit einem umgebildeten Tentakel ein Spermapacket in die entsprechende Tasche in der Mantelhöhle des Weibchens überführten, vergingen aber noch weitere vier Monate. Interesant zu beobachten war, dass die Männchen ihre auserkorenen Weibchen gegen Übergriffe der Nebenbuhler beschützen, indem sie sich mit ausgebreiteten Armen in voller Dominanzfarbe über sie stellten. Die Eiablage erfolgte nur wenige Tage später im Anschluss. Ein einzelnes Sepia-Weibchen legte dabei mehr als einhundert Eier in Gesteinsspalten ab, aus denen nach weiteren zwei Monaten die nächste Generation kleiner Tintenfische schlüpfte. Obwohl in der Haltung eigentlich recht unkompliziert, ist es für die Zoo-Aquarianer noch immer eine Herausforderung, Sepien dauerhaft im Bestand zu erhalten. Zur Problematik der Versorgung der Jungtiere in den ersten Wochen mit lebenden Garnelen entsprechender Größe kommt die Kurzlebigkeit aller Sepien hinzu, deren maximale Lebenserwartung unter den im Aquarium herrschenden Bedingungen kaum anderthalb Jahre beträgt. Reviertierpfleger Zoo-Aquarium Marco Hasselmann