Umweltökonomie Paradigmatische Grundlagen Gerald J. Pruckner Vorlesungsinhalte Paradigmatische Grundlagen der Umweltökonomie a. Neoklassische Umweltökonomie b. Ökologische Umweltökonomie c. Widersprüche, Konsequenzen für die Umweltpolitik d. Sustainability und Safe Minimum Standard Paradigmatische Grundlagen Slide #2 1 Zielsetzung der Umweltökonomie • generelle Zielsetzung: Realisierung einer optimalen Allo- kation der natürlichen Ressourcen • ABER: Was ist optimal? • divergierende Ansichten einer ökologisch orientierten und einer ökonomischen Sichtweise • 2 sehr unterschiedliche Ansichten neoklassische Umweltökonomie (environmental economics) ökologische Umweltökonomie (ecological economics) Entscheidung über richtige oder falsche Ansichten ist per se nicht möglich Paradigmatische Grundlagen Slide #3 Neoklassische Umweltökonomie I • Im Mittelpunkt steht der Mensch mit seinen individuellen Präferenzen U(x1, x2, ...) • Menschen handeln rational max U(x1, x2, ....) s. t. constraints • Umwelt ist ein Gut wie jedes andere auch max U(x1, env, ...) s. t. constraints Æ Substitutionsprinzip: Bedürfnisse bzw. Güter können substituiert werden (Indifferenzkurven, Produktionsfunktion) Æ Marginalkonzept: Grenzkosten versus Grenznutzen der Bereitstellung einer weiteren Einheit Paradigmatische Grundlagen Slide #4 2 Neoklassische Umweltökonomie II • Angebot und Nachfrage auf Märkten führt zu einem Preis [auch für das Gut Natur] • Eigentumsrechte [auch für das Gut Natur] sind eine Vo- raussetzung für das Funktionieren von Märkten • Funktionierende Märkte garantieren Paretooptimalität • Es gibt auch Marktversagen, das zu korrigieren ist (externe Effekte, öffentliche Güter ,.....) - "property rights approach" "cost benefit approach" Æ Wert der Natur hängt allein von individuellen Nutzen- funktionen ab (kann hoch oder niedrig sein) Æ "moderater Naturschutz" Paradigmatische Grundlagen Slide #5 Ökologische Umweltökonomie I • Wurzeln in den Naturwissenschaften • Institutionalisierung erst mit der Herausgabe von "Ecolo- gical Economics" 1989 • Methoden: Modelle für Bevölkerungsdynamik Ernährungskreisläufe Energetik Reproduktionsstrategien, Gesetz der natürlichen Auslese ... • diesen Methoden gemeinsame Grundlagen: Systemdenken Gesetz der Entropie Paradigmatische Grundlagen Slide #6 3 Ökologische Umweltökonomie II Zum Systemdenken • Quesnay 1785: Vergleich Wirtschaftskreislauf mit Körper• • • • • • kreislauf Boulding 1966: Raumschiff Erde keine einfachen Ursache – Wirkungs-Zusammenhänge sondern komplexe Regelkreise Gleichgewichtskonzept der Neoklassik existiert nicht (Æ Ökosystem wird auch bei optimaler Allokation reagieren) Black boxes Langfristige ökologische Auswirkungen sind oft unbekannte Größen Paradigmatische Grundlagen Slide #7 Ökologische Umweltökonomie II Zum Gesetz der Entropie I • Anwendung der thermodynamischen Gesetze auf ökono- mische Fragestellungen (Georgescu-Roegen!) • 1. und 2. thermodynamisches Gesetz The energy of the universe is constant The entropy of the universe tends to a maximum • Entropie = physikalische Größe, die die Verlaufsrichtung von thermodynamischen bzw. energetischen Prozessen charakterisiert • Unterscheidung potenzieller Energie (für den Menschen nutzbar) von nutzloser Energie • Potenzielle Energie wird kontinuierlich in nicht verwertbare Energie umgewandelt Paradigmatische Grundlagen Slide #8 4 Ökologische Umweltökonomie III Zum Gesetz der Entropie II • Anwendungsbeispiele Recycling (Abrieb von Autoreifen, Korrosion von Metallen) generell: Ökonomische Produktion und Konsum (Abfall) Unmöglichkeit eines steady state Wachstums Paradigmatische Grundlagen Slide #9 Ökologische Umweltökonomie IV Æ es existieren per se keine neoklassischen Gleichgewichte • ABER: Erde ist energetisch kein geschlossenes System Æ Betonung bioenergetischer Ressourcen (Sonnenenergie und der daraus abgeleiteten Wind- und Biomasseenergie usw.) • Instrumentalisierung mittels Indikatoren Energiegehalt von natürlichen Ressourcen Energieverbrauch durch ökonomisches Handeln Stoffstrombilanzen Produktbilanzen Gewicht Artenvielfalt ... • Æ strenger Naturschutz Paradigmatische Grundlagen Slide #10 5 Gegenüberstellung von Neoklassik und Ökologie I Neoklassische Umweltökonomie Ökologische Umweltökonomie Wertebegriff Wertebegriff • • anthropozentrischer Wert der Natur (explizite/implizite Preise!) Wert ist Beitrag zur menschlichen Bedürfnisbefriedigung • • ökozentrischer Wert der Natur (Indikatoren, nicht bestimmbar) monetäre Bewertung macht keinen Sinn Eigentumsrechte Eigentumsrechte • • Eigentumsrechte an der Umwelt sind wichtig und notwendig "it may be ok to kill the goose that lays the golden eggs" • Teil- und Substituierbarkeit Teil- und Substituierbarkeit • • nat. Ressourcen sind teil- und substituierbar Reversibilität der Entscheidung Eigentumsrechte spielen keine Rolle/ sind kontraproduktiv right to reduce nature crowding out of intrinsic motivation • Existenz von Irreversibilitäten Æ Umwelt ist nicht substituierbzw. teilbar Paradigmatische Grundlagen Slide #11 Gegenüberstellung von Neoklassik und Ökologie II Ökologische Umweltökonomie Neoklassische Umweltökonomie Ressourcenknappheit • • • • Preise reflektieren Knappheiten (Hotelling Regel) - Grenzproduktivität des Kapitals (Zinsen) = Grenzproduktivität der natürlichen Ressource - Märkte gewährleisten auch im Zeitablauf Optimalität (Bsp: Preis steigt solange bis die letzte Einheit genau dann verbraucht ist, wenn bei gegebenem (jetzt hohen Preis) keine Nachfrage mehr existiert) Recycling Backstop Technologien Relative Ressourcenknappheit Ressourcenknappheit • • steady state Wachstum, Recycling und Backstop-Technologien sind keine Alternativen absolute Ressourcenknappheit Paradigmatische Grundlagen Slide #12 6 Gegenüberstellung von Neoklassik und Ökologie III Neoklassische Umweltökonomie Ökologische Umweltökonomie Methodisches Instrumentarium • • • • • Modelle zur Erklärung menschlichen Verhaltens (Nutzen- und Gewinnmaximierung) Angebots- und Nachfragekurven Bewertung mittels Produzentenund Konsumentenrenten atomistischer Ansatz Æ Produktionsfaktoren können in beliebiger Art und Weise kombiniert werden mechanistischer Ansatz Methodisches Instrumentarium • • • kein Erklärungsansatz für menschliches Verhalten Reproduktionsstrategien, Bevölkerungsdynamik, Ernährungskreisläufe, Energieflüsse Thermodynamik (Verhalten von Systemen mit großer Teilchenzahl) Paradigmatische Grundlagen Slide #13 Gegenüberstellung von Neoklassik und Ökologie IV • • • Neoklassische Umweltökonomie Ökologische Umweltökonomie gerechte Verteilung gerechte Verteilung Kosten und Nutzen zu unterschiedlichen Zeitpunkten Æ Diskontierung heutiger Konsum wird dem morgigen vorgezogen (soziale Zeitpräferenz) Konsumverzicht erlaubt Investition und höheren morgigen Konsum (Marktzinssatz) • • intertemporale Gewichtung wird abgelehnt Haben morgige Generationen höhere Konsummöglickeiten durch heutige Investitionen? Fristigkeit Fristigkeit • Gleichgewichtskonzept Æ kurze Fristigkeit • Gesetz der Entropie Æ lange Fristigkeit Paradigmatische Grundlagen Slide #14 7 Synthese der Paradigmen I Ökonomische Effizienz Ökologische Effizienz Umweltqualität Status Quo ? Ansätze für eine Synthese • Safe Minimum Standard • Konzept der Nachhaltigkeit (Sustainability) Paradigmatische Grundlagen Slide #15 Synthese der Paradigmen II Safe Minimum Standard • Ciriacy-Wantrup • Festlegung von Grenzen für das wirtschaftliche Handeln • innerhalb der Grenzen Æ neoklassisches Prinzip • Heute existieren Standards hauptsächlich in Bereichen, wo Konsum und Produktion menschliche Lebensgrundlagen gefährden. • Bsp: Standards der Weltgesundheitsorganisation WHO • Æ vergleichsweise niedrigere Anforderungen an den Umweltschutz Paradigmatische Grundlagen Slide #16 8 Synthese der Paradigmen III Prinzip der Nachhaltigkeit • Einführung zusätzlicher Nebenbedingungen in die Neoklassik: "keine Gefährdung der Qualität bzw. Quantität von natürlichen Ressourcen durch ökonomisches Handeln" • Operationalisierung Erntemengen von erneuerbaren Ressourcen (Fisch, Wald) soll unter der natürlichen Regenerationsfähigkeit liegen. Umweltverschmutzung soll unter der Assimilationskapazität von natürlichen Ressourcen liegen erschöpfbare Ressourcen (Erdöl) nur dann verbrauchen, wenn der Bestand erneuerbarer Ressourcen (Biomasse) dementsprechend erhöht wird ökonomischer Handlungsspielraum ist mit der Menge der Sonneneinstrahlung (Windenergie, Sonnenenergie, Biomasse, ...) limitiert. • Æ vergleichsweise hohe Anforderungen an den Umweltschutz Paradigmatische Grundlagen Slide #17 Monetäre Bewertung ? Argumente für eine monetäre Bewertung und neoklassische Umweltökonomie • inwieweit ein intrinsischer Wert der Natur existiert ist unsi- cher, ein anthropozentrischer Wert existiert mit Sicherheit • falls beide Paradigmen mehr Naturschutz zum Ergebnis haben Æ kein Problem • realpolitische Entscheidungen erfordern Abwägung von Alternativen (Bsp: Ausgabenerhöhung für Naturschutz oder für Familienförderung?) • Neoklassik bietet mit der Kosten/Nutzenanalyse einen ausgereiften Maßstab für den Vergleich • mangelnde Operatonalität der ökologischen Umweltökonomie: Konsequenz eines radikalen ökologischen Ansatzes ? Paradigmatische Grundlagen Slide #18 9 Monetäre Bewertung ? Argumente f. monetäre Bewertung u. neoklassische Umweltökonomie • Verzicht auf monetäre Bewertung bedeutet oft, dass dem Schutz der Ökosysteme kein Wert beigemessen wird • anthropozentrische (monetäre) Bewertung hat größere Akzeptanz in der Bevölkerung • jede ökonomische Entscheidung ist gleichzeitig eine monetäre Entscheidung über ökologische Dinge ABER • ökologisch unbedenkliche Fälle Æ neoklassisches Prinzip irreversible Eingriffe Æ Prinzipien der ökologischen Umweltökonomie berücksichtigen • Pluralismus und Akzeptanz unterschiedlicher Weltanschauungen Paradigmatische Grundlagen Slide #19 10