Hochhausdiskussion Deggendorf – Pro und Contra

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Hochhausdiskussion Deggendorf – Pro und Contra
Zusammenstellung der Argumente der Hochhausbefürworter
und Gegner
Argumente der Befürworter des 38 m hohen Hochhauses und der
Befürworter des Ratsbegehrens: kursiv gedruckt
Argumente der Befürworter einer Höhenbegrenzung auf 22m und der Initiatoren
des Bürgerentscheids: Regulär gedruckt
Deggendorf brauche als Zeichen seiner Modernität und als Ergänzung der Altstadt ein
Element moderner Architektur. Das Gebäude solle eine „Bereicherung der
Stadtsilhouette“ werden.
Gegenargument:
Stimmt, Deggendorf würde mehr hochwertige moderne Architektur als Symbol seiner
Aufgeschlossenheit und Fortschrittlichkeit gut tun! Aber ein Glashochhaus ist ungefähr so
zeitgemäß wie ein amerikanischer Straßenkreuzer. Modern wäre eine nachhaltige,
klimaschonende Architektur, die sich einfügt anstatt zu protzen.
Außerdem enthält der bisherige Bebauungsentwurf keinerlei qualitätssichernde Elemente für
den späteren Gebäudeentwurf. Eine herausragende Qualität, die sich die Stadtratsmehrheit an
dieser Stelle wünscht, schafft man nicht dadurch, dass man einen Investor und seinen von ihm
abhängigen Architekten einfach mal machen lässt. Sie kann nur aus einer entsprechenden
„Prozessqualität“ in der Projektentwicklung, z.B. durch Architektenwettbewerbe entstehen, wo
in einem Vergleichs- und Auswahlverfahren die jeweils beste Lösung ermittelt wird.
An dieser Straßenecke, die den Ortseingang Deggendorfs von Westen und von der
Autobahn darstelle, müsse ein besonders markantes Gebäude entstehen. Es müsse
„mindestens“ 36 (+2) m hoch werden.
Ein kräftiger städtebaulicher Akzent an dieser Stelle ist sicher richtig, aber dazu muss das
Gebäude keineswegs 36 m (+ 2 m Sockel) hoch werden. Ein Kopfbau, der ca. eineinhalb mal so
hoch wie die umliegende, auf 14 – 17,5m m Höhe
festgesetzte Bebauung ist, würde völlig reichen (s- Beispiel aus Konstanz). Eine 36 (+2) m
hohe Hochhausscheibe würde die gesamte historische Altstadtsilhouette dominieren, die bisher
die Identität Deggendorfs verkörpert. Im Städtebau geht es immer um Verhältnismäßigkeit.
Das geplante Hochhaus macht sich viel zu wichtig gegenüber der historischen Silhouette.
Beispiel Konstanz: Bahnhof Petershausen
Das Hochhaus solle gleichzeitig ein Markstein am Eingang des sog.
„Hochschulquartiers“ sein und die Verbindung zwischen Altstadt und Donau
herstellen.
In Wirklichkeit würde das Hochhaus den Blick aus der Edlmairstraße auf die Altstadt weitgehend
verstellen (s. Photomontage vorher – nachher). Außerdem ist das ganze längliche
Hochhausgrundstück entlang der Hans-Krämer-Straße im Bebauungsplan nicht einmal öffentlich
gewidmet. D.h. Fußgänger könnten es nur mit Zustimmung des Eigentümers überqueren.
Edlmairstraße mit Blick auf die Altstadt
Edlmairstraße mit Hochhaus
Das neue „Hochschulquartier“ würde angeblich ca. 500 Arbeitsplätze bringen.
Das ist völlig unabhängig davon ob das geplante Bürogebäude der Firma Karl 38 m oder 22 m
hoch wird. Zudem ist die angegebene Zahl der entstehenden Arbeitsplätze absolute
Spekulation. Niemand weiß momentan welche Betriebe und wie viel Arbeitsplätze entstehen
würden. Die Fa. Karl hat nach eigener Aussage lediglich vor, ca. 20 -30% des Geländes selbst
zu bebauen und die restlichen Grundstücke zu verkaufen! Wer diese erwerben wird und welche
Betriebe mit wieviel Arbeitsplätzen entstehen werden, ist völlig unbekannt.
Eine Begrenzung der Wandhöhe im gesamten Bebauungsplangebiet würde die
Entwicklung der Hochschule und der Werft „massiv“ behindern.
In dem von der Stadtratsmehrheit gebilligten BPL-Entwurf war die Wandhöhe im gesamten
Geltungsbereich auf 14 bzw. 17,5 m beschränkt! Nur auf dem Eckgrundstück gegenüber der
Stadthalle war 36 (+2) m zugelassen.
Mit dem Ratsbegehren widersprechen die Befürworter nun also teilweise ihrem eigenen
Mehrheitsbeschluss! Wenn es erfolgreich wäre, dürften im gesamten Gebiet Hochhäuser bis 36
m entstehen! Wollen wir Deggendorfer wirklich ein Baugebiet, in dem ein Wald von
Hochhäusern vor der Altstadtsilhouette entstehen kann?
Im übrigen hat der BPL mit der Hochschule und der Werft überhaupt nichts zu tun. Er dient
dazu, die Grundstücke der Fa. Karl zu entwickeln. Im BPL gibt es keine Bindungen für
bestimmte Nutzungen, insb. nicht für neue Hochschulgebäude. Und alle bisherigen Gebäude der
Hochschule sind lediglich dreigeschossig – was der Gesamtanlage an der Donau sehr gut tut!
Wirtschaftliche Entwicklung sei im Endeffekt wichtiger als die Erhaltung der
einmaligen Stadtsilhouette.
Die wirtschaftliche Entwicklung in dem Gebiet ist völlig unabhängig davon, ob das Bürogebäude
36 (+2) m oder 22 m hoch wird, d.h. die Erhaltung des historischen Stadtbildes und die
wirtschaftlichen Ziele sind überhaupt keine Gegensatz. Es gibt kein „entweder – oder“.
Entscheidend sei „für viele“ wie das Gebäude aussehen werde. Die
Fassadengestaltung des Hochhauses solle deshalb später mit Beratung durch ein
externes Fachgremium entwickelt werden.
Keine Fassadengestaltung kann die völlig unangemessene Größe des geplanten Gebäudes
kaschieren.
Im Übrigen ist im BPL keinerlei Regelung zu diesem Fachgremium und seinen Befugnissen
enthalten. D.h. die Beteiligung von externen Fachleuten und deren Urteil wäre völlig
unverbindlich für die Fa. Karl. Sie müsste die Ratschläge der Fachleute nicht annehmen und
umsetzen und auch die Stadt hätte keinerlei Handhabe dies zu erzwingen.
Der Architekt des Hochhauses meint, es müsse „unbedingt“ die gleiche Höhe wie der
Rathausturm bis zur Traufe haben. Als Begründung dafürgibt er an, dass das
Bürohochhaus den Rathausturm nicht überragen solle.
Der Rathausturm ist ein bewusst hervorgehobenes und sehr schlankes Architekturelement des
spätgotischen Rathauses. Er hat eigentlich keine echte Funktion aber eine herausragende
symbolische Bedeutung. Er versinnbildlicht die Bedeutung und das Selbstbewusstsein der
Bürgerschaft und des von Ihr gewählten Rates!
Soll sich das Gebäude eines privatwirtschaftlichen Unternehmens wirklich die gleiche Bedeutung
anmaßen dürfen, wie die des Symbols der demokratisch gewählten Bürgerschaft?
Außerdem beruht die Wirkung des Hochhauses nicht nur auf seiner Höhe sondern sehr stark
auch auf seiner Massivität. Es wäre ca. viermal so breit und so lang wie der Rathausturm. und
würde entsprechend mehr städtebauliches Gewicht haben.
Wer sich das Hochhaus vorstellen möchte: Es würde ungefähr so lang wie das gesamte Rathaus
ohne den nördlichen Anbau, aber auf die gesamte Länge so hoch wie der Turm des Rathauses!
Das Hochhaus werde kaum höher als die 30 m hohen Hallen von MAN.
Die 30 m hohe und 110 m lange Reaktorbauhalle war ein städtebaulicher Sündenfall ersten
Ranges. Von der Fischerdorfer Seite gesehen verschwindet dahinter ein großer Teil der Altstadt
und von den Höhenzügen aus betrachtet macht sich die Halle gegenüber den ursprünglich
dominierenden Kirchenschiffen viel zu wichtig.
Diese städtebauliche Sünde nun als Bezugsfall heranzuziehen ist absurd und zeigt die Blindheit
der Hochhaus-Befürworter für das historische Stadtbild.
Die Höhe der Halle ist in der Abwägung gegenüber der Erhaltung des Stadt- und
Landschaftsbild allenfalls mit produktionstechnischen Notwendigkeiten zu begründen. Diese gibt
es bei einem Bürogebäude nicht.
Deggendorf habe nur begrenzt Flächen zur Verfügung, deshalb müsse man baulich in
die Höhe gehen.
Die größte bauliche Dichte und beste Flächennutzung erreicht man nachgewiesenermaßen mit
einer viergeschossigen Bebauung. Diese ist im Bebauungsplan bei einer Wandhöhe von 14 bis
17,5 m gut möglich. Höhere Gebäude erfordern größere Abstände voneinander, so dass keine
bessere Flächennutzung mehr entsteht.
Die Gegner des Hochhauses wurden als „Bremser“ der Stadtentwicklung bezeichnet.
Das Bürgerbegehren richtet sich ausschließlich gegen ein Hochhaus mit 36 (+ 2) m Höhe. Alle
anderen Inhalte des Bebauungsplans waren bisher völlig unstrittig. Die Entwicklung in diesem
Gebiet hängt nicht daran, ob das Hochhaus 36 (+2) m hoch oder nur 22 m hoch würde. Der
größte Bremser bei der Entwicklung des Gebietes war bisher übrigens de Eigentümerselbst,
dem die meisten Flächen schon seit über 20 Jahren gehören.
Deshalb ist es nicht nachvollziehbar, dass eine so bedeutende Entscheidung nun übers Knie
gebrochen werden muss. Es wäre angemessen, im Verfahren einen Schritt zurückzutreten und
wirklich unabhängige Fachleute zu beteiligen.
Im übrigen garantiert auch der BPL nicht, dass das Gelände wirklich bebaut wird. Es gibt darin
keine Regelung, die eine Bebauung innerhalb einer bestimmten Zeit verlangt. Dies wäre nur mit
einem sog. „vorhabenbezogenem Bebauungsplan“ gem. § 12 BauGB, Vorhabens- und
Erschließungsplan (VEP), möglich, der regelt, dass die Bebauung innerhalb eines bestimmten
Zeitrahmens abgeschlossen sein muss, nach dem der BPL wieder verfällt!
Genau dies verweigert aber die Stadtratsmehrheit. D.h. das Gelände könnte auch nach
Inkrafttreten des BPL noch lange ein Parkplatz bleiben ohne dass die Stadt eine Handhabe
dagegen hätte.
Die Stadt steigert durch die Festsetzung der sehr hohen Baudichte den Grundstückswert enorm,
und begibt sich bzgl. der städtebaulichen Entwicklung auf Gedeih und Verderb in die Hände des
Grundstückseigentümers -ohne irgendeine Sicherheit dafür zu schaffen, dass sich das Gelände
überhaupt und im Sinne der Bürger entwickeln wird.
Der Stadtrat Fürter fand ein hohes Gebäude „architektonisch ansprechender als einen
breiten Klotz.“
Herrn Fürter ist wohl entgangen, dass dieses Gebäude ungefähr genauso breit wie hoch wird.
Es wäre kein schlanker Turm, sondern eine breite Scheibe vor der stadtbildprägenden
Silhouette der drei Türme.
Der OB meinte, die Silhouette mit den drei Türmen könne man erst seit dem Bau der
Autobahnbrücke, d.h. seit 20 Jahren so sehen. 990 Jahre sei man über die Maxbrücke
gefahren.
Es geht nicht darum, wie man die Altstadt in den letzten 990 Jahren gesehen hat, sondern
darum wie man sie in Zukunft wahrnehmen wird! Der OB und der Fraktionsvorsitzende der CSU
waren bei der Behandlung des Vorentwurfs zum BPL 2008 gegen ein Hochhaus, nun sind sie
flammende Befürworter. Sie halten es aber nicht für notwendig, den Bürgern ihren
Meinungsumschwung zu erläutern! Der OB hat Deggendorf einmal als vielleicht schönste Stadt
der Welt bezeichnet. Wozu braucht sie dann dieses absolut mittelmäßig konzipierte Hochhaus?
Im obersten Stock des Hochhauses sei ein Cafe geplant.
Das würde definitiv der schönste Platz in Deggendorf, da der einzige, von dem man den
Hochhausklotz nicht sähe!
Der OB meinte, es gäbe bereits 16 Gebäude in der Stadt mit einer Wandhöhe von über
22 m.
Ist eines dieser Gebäude eine Bereicherung für Deggendorf? Das nun geplante Gebäude mit 36
+2 m Höhe wäre mehr als 1,5 mal so hoch wie alle bestehenden „Hochhäuser“ und wesentlich
breiter. Versuchen Sie sich anhand der vorhandenen Hochhäuser einfach vorzustellen, welche
Dimension das Hochhaus an der Stadthallenkreuzung bekommen würde.
90% der Stadträte hätten schließlich für das Ratsbegehren gestimmt.
D.h. 90% der Stadträte haben nicht gemerkt, dass sie gegen ganz wesentliche Inhalte des von
Ihnen mit 37 zu 1 Stimmen gebilligten Entwurfs gestimmt haben. Im BPL-Entwurf war die
Wandhöhe fast im gesamten Geltungsbereich auf 14 bis 17,5 m beschränkt! Nur auf dem
Eckgrundstück gegenüber der Stadthalle war 36 (+2) m zugelassen.
Die Fragestellung im Ratsbegehren ließe zunächst einmal 36 m hohe Gebäude im gesamten
Gebiet zu. Will die 90-prozentige Mehrheit wirklich einen Hochhauswald im „Hochschulviertel“
ermöglichen, der die Altstadt optisch völlig erschlagen würde?
Stadtrat Lorenz (SPD) hatte das Gefühl, „dass es gegen den Herrn Karl gehe“.
Auch die Initiatoren des Bürgerbegehrens möchten ausdrücklich, dass die Fa. Karl sich ansiedelt
– nur eben nicht in einem 36 (+2) m hohen Scheibenhochhaus. Dass die Fa. Karl die maximale
Baudichte und –höhe auf Ihrem Grundstück herausholen möchte, ist auch legitim. Sie hat nur
die Interessen des eigenen Unternehmens zu beachten.
Der Stadtrat und die Bauverwaltung dagegen sind nach dem Baugesetzbuch verpflichtet, im
Bebauungsplan die Belange der Allgemeinheit zu wahren. Dies sind gem. § 1 Baugesetzbuch
u.a.:
„Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen,
wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen … in Einklang bringt, und eine dem
Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodenordnung gewährleisten. Sie sollen dazu
beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern,… sowie den Klimaschutz und die
Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung zu fördern sowie die
städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu
entwickeln.“
„Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen: … 5.) Die Belange
der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile,
Straßen und Plätze von geschichtlicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und
Landschaftsbildes.“
Deshalb ist es auch unverständlich, dass der Stadtrat einen Architekten mit der Planung des
Bebauungsplans beauftragt, der in einem starken Abhängigkeitsverhältnis von seinem
wichtigsten Auftraggeber, der Fa. Karl steht. Diesen Interessenkonflikt kann er unmöglich
auflösen.
Und es ist auch schwer nachvollziehbar, dass die wichtigste Entwicklungsmaßnahme der Stadt
in den letzten und zukünftigen Jahrzehnten nicht einmal von einem eingetragenen Stadtplaner
erarbeitet wird, sondern von einem reinen Hochbauarchitekten, der fast keine Erfahrung mit
städtebaulichen Planungen – geschweige denn von dieser Bedeutung und Tragweite- hat.
Der Bau eines Hochhauses ist zweifellos ein gravierender Eingriff in das Stadtbild. Jeder
vernünftige Patient würde sich bei einem bedeutenden medizinischem Eingriff eine zweite
Fachmeinung einholen. Die Stadtratsmehrheit verzichtet aber bewusst auf die Unterstützung
durch unabhängige Stadtplaner.
Weitere vermutlich sehr aussagekräftige Argumente zum Bebauungsplan und zum geplanten
Hochhaus enthalten der Oberbürgermeister und die Stadtratsmehrheit der Öffentlichkeit bisher
bewusst vor:
I m R a h m e n d e s bisher noch nicht abgeschlossenen Verfahrens zur Aufstellung des
Bebauungsplans haben die sog. „Träger öffentlicher Belange“, d.h. die verschiedenen zu
beteiligenden Behörden, Stellungnahmen abgegeben, die seit Mitte Dezember 2014 vorliegen.
Das sind zum Beispiel die höhere Landesplanungsbehörde, die Städtebauförderung der
Regierung v. Niederbayern und das Landesamts für Denkmalpflege. Evtl. liegen auch
Stellungnahmen von betroffenen Anliegern wie der Hochschule, der Werft usw. vor.
Trotz des Antrags der Initiatoren des Bürgerentscheids werden diese Stellungnahmen nicht
veröffentlicht, obwohl sie sicher wesentliche Informationen und wichtige Entscheidungskriterien
für die Bürger enthalten. Man kann nur spekulieren, was die Verantwortlichen dazu veranlasst,
die Stellungnahmen unter Verschluss zu halten. Jedenfalls ist dies sicher nicht im Sinne eines
fairen und transparenten Verfahrens und einer objektiven Meinungsbildung der Bevölkerung.
Demokratie wird hier behindert!
V.i.S.d.P: Prof. Dr. Johannes Grabmeier, Köckstr. 1, 94469 Deggendorf
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