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24 REPORT REGIONALES MARKETING
HORIZONT 32/2016
11. August 2016
ILLUSTRATION: FOTOLIA / MONTAGE: HORIZONT
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FREIZEIT
ARBEIT
BILDUNG
Der bewegte Mensch
Geomarketing eröffnet
neue Welten: Der Einsatz präziser Mobilitätsdaten bringt Standort- und Mediaplanung
erheblich voran
B
Von Roland Karle
ierkonsum kann zu besonderen
Grenzerfahrungen führen. Wie
beispielsweise beim Bier in Tübingen: Dort wurden gerade
mehr als 200 Keller-, Land- und Festbiere
gezählt, die nach Umsatz schon die Nummer 2 (hinter Pils) sind und einen Marktanteil von 20 Prozent aufweisen. In Raum
Karlsruhe hingegen haben die Newcomer
keine Chance, der Marktanteil liegt gerade mal bei 3,7 Prozent. Dafür gehört dort
überraschend das „Kölsch“ zu den am
stärksten gewachsenen Sorten. Wer hat’s
herausgefunden? Marktforscher von
Nielsen, die seit Jahresbeginn „Micro Regionen“ analysieren.
„Marketers können aus solch speziellen Daten aus Regionen wertvolle Erkenntnisse ableiten und ihren MarketingMix entsprechend ausrichten“, sagt Gero
Döring, Director Marketing & Communications bei Nielsen. Details zu Preisen,
Produktpräferenzen, Nachfrageschwerpunkten und ihrer Entwicklung seien immer stärker gefragt. „Regionale Vielfalt
hat sich zu einem Mega-Trend entwickelt,
entsprechend braucht es differenzierte
Daten“, betont Döring.
An Daten mangele es nicht, sondern
daran, sie intelligent zu nutzen. „Aktuell
setzen Unternehmen hierzulande gerade
mal 10 Prozent ihrer Big-Data-Informationen ein. Da liegt noch viel Potenzial
brach“, sagt Jens Schnückel, Geschäftsführer der im Juli gestarteten Agentur
Brandlocal, einer Tochter von Crossmedia, die aus deren Unit für Geomarketing
und lokale Mediaplanung hervorging.
Wenn regionales Marketing immer
ausgeklügelter wird, heißt das nicht
zwangsläufig, dass dadurch die Bedeutung von gedruckten Beilagen schwindet.
Im Gegenteil: Für die deutschen Anzeigenblatt-Verlage war 2015 hinsichtlich
der gebuchten Fremdbeilagen eines der
erfolgreichsten Jahre. Der Anteil am Gesamtumsatz stieg auf 39 Prozent, während er drei Jahre zuvor erst bei 30 Prozent lag. Schnückel sieht sich bestätigt: „Je
feiner und fundierter Informationen
über Zielgruppenpotenzial erhoben werden, umso treffsicherer können Werbungtreibende ihre Beilagen einsetzen.“
Dass gedruckte Werbung, die Haushalten gratis zugestellt wird, weiterhin
Wirkung entfaltet, bezweifelt der Agenturchef ohnehin nicht: „Das ist ein akzeptiertes Werbemittel, über das sich schnell
eine hohe Reichweite in definierten Zielgebieten aufbauen lässt“, so Schnückel.
Der Unterschied zu früher: Prospektwerbung lässt sich gezielter und somit kostengünstiger aussteuern. Brandlocal hat
eine kleinteilige Local-Planning-Matrix
entwickelt, durch die relevante Einzugsgebiete für die anvisierte Zielgruppe besser zu orten sind. Im Falle eines Drogeriemarkts wurde auf diese Weise die Prospektauflage um satte 31 Prozent reduziert, bei um 25 Prozent höherer
Effizienz. „Es ist oft so, dass Kunden Media- und Produktionskosten sparen
könnten und dafür noch höheren Werbeerfolg erzielen“, erklärt Schnückel.
Am Ende sei das eine Frage von „Geo
Intelligence“. Sie beschäftigt sich damit,
relevante Informationen über Konsumenten zu analysieren, sie zeitlich zu bestimmen und lokal zu verorten. „Je mehr
Im Fokus: Switch-in-Format
HORIZONTREPORT
ist ein Sonderteil von HORIZONT,
Zeitung für Marketing, Werbung und Medien
Chefredaktion: Dr. Uwe Vorkötter (V.i.S.d.P.),
Volker Schütz, Jürgen Scharrer
Ressortleitung: Dr. Jochen Zimmer
Telefon 069/7595-2695
E-Mail: [email protected]
Redaktion: Bettina Sonnenschein,
Gloria Geyer
Onlinewerbung im TV, postleitzahlengenau
platziert und mit der Adresse des nächstgelegenen Händlers: So hat Peugeot Deutschland,
unterstützt von Moccamedia, erstmals individualisierte Switch-in-Werbung – die Einblendung am unteren Bildschirmrand – regional
ausgesteuert. Sobald ein Zuschauer mit seinem
internetfähigen TV-Gerät auf einen Sender der
Pro-Sieben-Sat-1-Gruppe schaltete, erschien für
zehn Sekunden das Online-Banner zu den
Peugeot-Modellen. Durch einen Klick auf den
Red Button wurde der Interessent auf eine
Microsite weitergeleitet. 70 Händler mit 40
Haupt- und 30 Nebenstandorten nahmen an der
Werbekampagne teil. Sie konnten über einen
Zeitraum von vier Wochen jeweils mindestens
25000 Ad Impressions erreichen.
ROL
Datenpunkte man in Bezug zueinander
setzen kann, desto wertvoller wird das daraus zu schöpfende Wissen. Big Data wird
sozusagen konsumerabel in den lokalen
Raum runtergebrochen“, so Schnückel.
H
ier spielen Geomarketing-Spezialisten wie Microm eine wichtige Rolle. „Wir sind heute in der
Lage, Informationen aus Markt-MediaStudien wie Best for Planning in die Fläche
zu übertragen und dadurch die Qualität
von raumbezogenen Zielgruppendaten
erheblich zu verbessern“, sagt Geschäftsführer Rolf Küppers. Microm unterstützt
Unternehmen dabei, Zielgruppen soziodemografisch, psychografisch und sozioökonomisch zu verstehen und sie zu lokalisieren. Mit Hilfe des kürzlich entwickelten „Senozon Mobilitätsmodells“ lassen
sich Bewegungsmuster darstellen, die Aufschluss darüber geben, wer sich wo und
womit zu welcher Zeit bewegt.
In das Modell fließen Echtdaten (zum
Beispiel über Wohngebäude, Fahrpläne,
Einkaufsgelegenheiten), Befragungsdaten zum Mobilitätsverhalten aus MarktMedia-Studien sowie mikrogeografische
Infos, etwa zu Alter, Bildung und Kaufkraft. „Die Bewegungsdaten schließen die
Lücke zwischen Wohnumfeld- und
Standortdaten“, erklärt Microm-Chef
Küppers. Damit eröffne sich „eine neue
Dimension für das Geomarketing“. Einen wesentlichen Beitrag dazu haben
Wissenschaftler der ETH Zürich und der
TU Berlin geleistet. Sie haben eine „agentenbasierte Mobilitätssimulation“ entwickelt und ermöglichen dadurch einen datenschutzrechtlich unbedenklichen Modellansatz, in dem die Bevölkerung als
„Agenten“ mit Merkmals- und Bewegungsprofil abgebildet werden.
Für die Praxis heißt das: Kennt man
die Bewegungsmuster, lässt sich beispielsweise Außenwerbung so schalten, dass sie
von den richtigen Kunden dann gesehen
wird, wenn die tatsächlich dort unterwegs
sind. Gleiches gilt für die Ausspielung von
Bannern in Apps auf mobilen Endgeräten. Morgens um 7 trifft man an Bahnund Busstationen andere Zielgruppen an
als am späten Vormittag. Die abrufbaren
(Bewegungs-)Daten geben dazu detailliert Aufschluss. „Der Einsatz von Marketingmaßnahmen lässt sich dadurch noch
genauer steuern, das gilt auch für die Auswahl von Geschäftsstandorten oder die
Platzierung von Bankautomaten“, nennt
Küppers Beispiele.
D
ie gewaltig gewachsene Nutzung
von Mobilfunkgeräten könnte
die Art lokaler Werbung deutlich
verändern. Brandlocal-Chef Schnückel
prognostiziert, dass in wenigen Jahren
Mobile Advertising im lokalen Raum nahezu selbstverständlich sein wird. Jedoch:
„Werbung aufs Smartphone auszuspielen, wird für die Marketing-Kommunikation zu einer gewaltigen Herausforderung. Denn Verbraucher wollen nicht von
für sie uninteressanten Informationen belästigt werden“, so Schnückel.
Schon heute lässt sich, fein dosiert und
gezielt gesteuert, der Mobil-Boom nutzen, um lokales Geschäft anzukurbeln.
Da Smartphones über eingebaute GPSSensoren verfügen, kann man mobile Bewegungsdaten erheben und auswerten.
Zusammen mit entsprechenden Firmendaten lassen sich daraus hyperlokale Mobile-Kampagnen entwickeln. Sobald ein definiertes Nutzerprofil aus
der Zielgruppe in einem relevanten
Raum auftaucht, wird es adressierbar für Werbung in Apps.
Für eine große Kfz-Handelskette
hat Brandlocal in Kooperation mit
dem Mobile-Spezialisten Barcoo sogenannte „Geo Fences“ um kampagnenrelevante lokale Touchpoints
definiert. Befand sich nun jemand
aus der adressierten Zielgruppe in
diesem digital abgesteckten Bezirk,
erschien über die Barcoo-App eine
Push-Notiz mit einem Serviceangebot. Die Empfänger konnten dazu
direkt einen Termin mit dem Unternehmen vereinbaren. Resultat: Die
Werbekampagne, 600 Filialen betreffend und rund 70000 Mal ausgespielt, erzielte eine ClickThrough-Rate von 18 Prozent und
führte zu einer maximalen Auslastung in den meisten Filialen.
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