Neue Z}rcer Zeitung FORSCHUNG UND TECHNIK Mittwoch, 09.02.2005 Nr.33 59 Das Brummen der Ozeane Der ständige Wellengang in den Weltmeeren erschüttert den Ozeanboden genau so wie eine seismische Quelle. Im Gegensatz zu einem Erdbeben wirkt der Wellengang jedoch permanent und erzeugt eine Art konstantes Brummen. Dieses wird bereits seit Anfang des letzten Jahrhunderts von Seismographen registriert, ist aber von den Ozeanographen lange Zeit ignoriert und von den Seismologen als störender Lärm beiseite gewischt worden. Nun widmet man diesem Phänomen, im Fachjargon «ocean microseisms», wissenschaftlich neue Aufmerksamkeit, wie die Wissenschaftszeitschrift «Science» berichtet. Aufgrund der Annahme, dass das Brummen auf einer Wechselbeziehung zwischen den Wellen der Ozeane und der Erdkruste beruht, hatten bereits vor rund fünfzig Jahren einzelne Forscher angefangen, die Aufzeichnungen genauer zu untersuchen. In den sechziger Jahren liess sich zeigen, dass man über die seismischen Daten Stürme auf dem Meer lokalisieren kann. Später wurde beispielsweise die Stärke eines Niño für Zeiten rekonstruiert, in denen es an ozeanogra- © 1993-2004 Neue Zürcher Zeitung AG phischen Daten mangelte. Und neuestens werden Satellitendaten mit solchen Messungen kombiniert, um die Interaktionen zwischen Ozean und Erde besser zu verstehen. Man hat dabei festgestellt, dass sich Intensität und Dauer des Brummens systematisch ändern und sich die Hintergrundvibration der Erdkruste in der winterlichen Hemisphäre verstärkt. Das Brummen lässt sich generell als ein Indikator einsetzen, mit dem im globalen Massstab die Aktivität der Ozeane beobachtet werden kann. Zudem hat sich gezeigt, dass sich damit seismisch die oberen zwanzig Kilometer Erdkruste engmaschiger räumlich abbilden lassen als mit herkömmlichen Methoden. Dadurch können vorübergehende Veränderungen wie die Bewegung von Fluiden und der Aufbau von Spannungen in der Erdkruste erfasst werden. Das könnte hilfreich für die Beobachtung von Vulkanen und erdbebengefährdeten Regionen sein. Simone Ulmer Quelle: Science 307, 682–683 (2005). Blatt 1