Ein pathophysiologisches Modell der ventrikulären Extrasystole

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Ein pathophysiologisches Modell der ventrikulären Extrasystole
Wolfgang Herzberg
6.4.2016
Es ist sicherlich nicht möglich, in einem theoretischen Wurf auf Anhieb erklären zu wollen, wie eine
ventrikuläre Extrasystole in ihren variierenden Erscheinungsformen entstehen kann. Aber man kann
mit einer hohen Plausibilität darlegen, wie sie gewiss nicht verursacht sein kann – nämlich etwa wie
eine supraventrikuläre Extrasystole. Im Vorhof regiert die Hierarchie der Automatie. Diese unterliegt
dort den Einflüssen einer Vielzahl extrakardialer Ursachen und eine nutritive Minderversorgung
besitzt in den Vorhöfen keine nennenswerte Bedeutung. Sogar das ruinöse Vorhofflimmern lässt sich
noch in den funktionellen Grenzen der Elektrophysiologie deuten.
Abwärts beginnend mit dem AV-Knoten aber ist das wirksame Kräftespiel ein völlig anderes. Der
enorme Energiemengen umsetzende kontraktile Apparat des Myokards konkurriert mit dem
spezifischen Reizleitungssystem um die nutritive Versorgung und da letzteres in dieser
Nahrungskette nachgeschaltet ist, zieht es im Falle einer kritischen coronaren Versorgungslage
immer den Kürzeren – es fällt aus. Da vor allem der AV-Knoten von jenem Extravasat umspült wird,
aus welchem sich schon die gesamte Abfolge der Energieverbraucher zuvor bedient hat, ist er die
„letzte Wiese“ der Ernährung und somit auch der Erste, der bei chronischem Engpass den Dienst
einstellt. Da zudem die kontraktile Kraft des Kammermyokards die mechanische Ursache dafür
liefert, dass sich überhaupt ein Substratstrom im Einscheidungssystem des Reizleitungsbaumes
Richtung AV-Knoten bewegen kann, zeigt die komplexe Verschränkung der im Kammer-Herzen
wirkenden physiologischen Kräfte. Damit wird deutlich erkennbar, dass der alle anderen möglichen
Ursachen überwölbende Faktor der Kammer-Physiologie „nutritive Versorgung“ heißt. Und darum
muss sich auch ein Deutungsversuch der ventrikulären Extrasystole über den nutritiven Aspekt dem
Thema nähern.
Zum Verständnis der komplexen Vorgänge, die erforderlich sind, um eine ventrikuläre Extrasystole zu
erzeugen, sind folgende Grundannahmen zu treffen:
1. Die zeitliche Spreizung der myokardialen Depolarisation und Repolarisation benötigt eine
spezifische Dynamik in den Na+ Ionen Kanälen während der Depolarisation, damit ein
zeitgerechter Selbst-Verschluss des Kanales ermöglicht wird (Abb.1).
Abb. 1 Ableitung des Aktionspotentiales einer „false tendon“. Die links aufgetragenen mV-Werte entsprechen dem Membranpotential. Der
Pfeil zeigt den „Overshoot“- und „Rebound“- Strom. Der steile Depolarisations-Aufstrich ist in der Bildbearbeitung nachgezogen worden.
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In der Abbildung 1 ist erkennbar, dass der „Overshoot“ von +30mV mit derselben hohen
Geschwindigkeit zurückgeführt wird, mit welcher er aufgebaut wurde. Derjenige Na+ Ionen
Ladungsanteil, der den „Overshoot“ erzeugt hat, verlässt die Zelle sofort wieder. Dieser
extrem schnelle transmembranöse positive Strom aus der erregten Zelle heraus erzeugt eine
repolarisierende Induktionsspannung, die den noch offenen Na+ Ionen Kanal schließt. Damit
diese Vorgänge so ablaufen können, muss eine hohe Na+ Ionen Kanal Dichte vorhanden sein.
2. Die myozytäre Kraftrichtung setzt sich immer aus zwei Vektoren zusammen: einem
tangentialen und einem radiären (Abb.2). Die tangentialen Vektoren erzeugen in Summe den
systolischen Ventrikeldruck, der über die Wandspannung – also die tangentialen Kräfte –
etwa so wie bei einem Luftballon erzeugt wird. Die radiären Vektoren erzeugen zusätzlich
einen Ventrikelwanddruck, der keinen Einfluss auf den Ventrikelinnendruck besitzt. Er legt
sich nur innerhalb der Myokardwand additiv über den systolischen Ventrikeldruck. In der
Systole kann darum das Myokard auch gegen den Ventrikeldruck nach innen ausgepresst
werden wie ein Schwamm und das dabei exprimierte Paravasat ernährt vornehmlich die
inneren Wandschichten des Myokards und sammelt sich schließlich im hermetisch
geschlossenen Reizleitungssystem (Abb.3).
Abb. 2 Histologisches Myokard-Bild. Nimmt man willkürlich an, dass die tangentiale Ausrichtung der Horizontalen des Bildes entspricht,
dann sind die senkrecht orientierten Vektoren der eingezeichneten Vektordiagramme radiär ausgerichtet.
Abb.3 Schlauchsystem des Purkinje Fasernetzes des Papillarmuskels durch Tuschefüllung visualisiert (aus Schütz).(1)
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Unter diesen genannten Prämissen lassen sich nun die verschiedenen Formen der ventrikulären
Extrasystolen bis hin zum Kammerflimmern erklären. Die Ursache, die eine einmalige Extrasystole
erzeugt und jene, die Salven und tachyarrhythmische Zustände bis hin zum Flimmern verursacht, ist
immer dieselbe: interstitieller Substratmangel des Myokards.
Zunächst soll die geringste Störung erklärt werden: die singuläre Extrasystole.
Der geforderte Substratmangel ist immer „dynamisch“ zu verstehen. Entweder liegt z.B. bereits eine
Kardiomyopathie mit Dilatation vor und die Substratmangelzustände entstehen bereits im Zustand
der körperlichen Ruhe oder ein gesundes Herz wird derart unter Leistungsstress gesetzt, dass der
maximierte Substratverbrauch punktuell schließlich einen relativen Substratmangel erzeugt. In
beiden Fällen können dann Extrasystolen entstehen.
Um dieses Phänomen verstehen zu können, muss man sich das Erregungsgeschehen des einzelnen
Kardiomyozyten anschauen. Eine unzureichende Versorgung mit Sauerstoff und Energieträgern
beeinträchtigt immer zuerst die Repolarisation – sie verlangsamt sich und bleibt darum
unvollständig. Da im Vorgang der Depolarisation nur die im Membranpotential gespeicherte
potentielle Energie umgesetzt wird, ist das Geschehen mit einem Stein vergleichbar, der aus einer
definierten Höhe fällt. In der Repolarisationsphase muss das Ruhemembranpotential (MRP) wieder
restauriert werden – der Stein muss wieder auf die alte Höhe gehoben werden. Wenn das MRP nicht
erreicht wird, dann besitzt die folgende Depolarisation nicht die erforderliche „Fallhöhe“ – die Kinetik
der durch den Na+ Ionen Kanal strömenden Na+ Ionen ist unzureichend. Am Ende der Depolarisation
wird die dynamische Selbstabschaltung verfehlt. Nun sorgt aber die hohe Na+ Ionen Kanaldichte
dafür, dass synchron arbeitende Kanäle in derselben Membranebene die Dynamik der
Induktionsspannung gemeinsam steigern und sich so gewissermaßen gegenseitig unterstützen – also
den dynamischen Selbstverschluss auch dann noch erzwingen können, wenn die zur Verfügung
stehenden Membran-Gradienten nicht mehr optimal sind. Das gilt aber nicht für alle „vier Seiten“
des Kardiomyozyten gleichermaßen. Wie kann es dezidierte „vier Seiten“ eines Kardiomyozyten
geben?
Die „vier Seiten“
Die sinusgesteuerte Erregung des Myokards erfolgt in bevorzugten immer gleichen Ebenen. Die
initiale Depolarisation des Kammermyokards erfolgt (vermutlich) auf den jeweiligen Innenseiten der
Myozyten. Dass es bei jedem Herzschlag immer dieselbe Seite ist, wird vom Purkinje System
gewährleistet. Beim Vorhof bewegt sich die Erregungswelle von den Außenseiten der Myozyten her,
was dadurch bereits bewiesen ist, dass eine rücklaufende Erregung vom AV-Knoten ein negatives „P“
erzeugt. Der AV-Knoten bezieht seine Erregungsimpulse von der Vorhof-Innenseite, während der
Sinus-Knoten auf der Vorhofaußenseite seine Signale sendet (1).
Abb.4 Kardiomyozyten der Kammern im Querschnitt. Die Innenseiten der Zellen weisen nach oben. Dort erfolgt die initiale fast synchrone
Depolarisation. Die große Stärke des dabei entstehenden Magnetfeldes depolarisiert auch solche Membranabschnitte, die nur noch mit
einem Teil-Vektor in der Feldebene liegen, wenn dieser für die Depolarisation ausreichend ist (fett schwarz oben). Die Erregung bewegt
sich dann über die Seitenwände (gepunktet) und endet schließlich an der Außenwand (fett schwarz unten).
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Die Abbildung 4 zeigt die Kardiomyozyten der Kammern im Querschnitt. Die Innenseiten der Zellen
weisen nach oben. Dort erfolgt die initiale fast synchrone Depolarisation. Die große Stärke des dabei
entstehenden Magnetfeldes depolarisiert auch solche Membranabschnitte, die nur noch mit einem
Vektor in der Feldebene liegen (fett schwarz oben). Dadurch wird ein Maximum erreichbarer
Membranoberfläche mit der ersten Erregungswelle depolarisiert. Diese Membranbezirke sind gegen
eine Störung des Selbstabschaltungsmechanismus am besten gesichert. Die Erregung bewegt sich
dann mit einer minimalen Zeitverzögerung über die Seitenwände (gepunktet). Dort erfährt die
Dynamik der Depolarisation keine nennenswerte Unterstützung durch entferntere synchron erregte
Membranen gleicher Ebene. Im Gegenteil liegen sich hier Membranen teilweise sehr dicht
gegenüber, die zwar zeitgleich erregt werden aber zueinander anisoelektrischen Charakter besitzen:
ihre Induktionsspannungsvektoren sind gegeneinander gerichtet und heben sich in der Zone
gegenseitiger magnetischer Feld-Überlagerung auf. Die Erregungsdynamik dieser Membranen wird
somit geschwächt. Hier liegt die Achillesferse der dynamischen Selbstabschaltung verborgen. Wenn
die Erregung abschließend die Gegenseite der Zelle erreicht, dann ist die Depolarisation der initialen
Membran bereits abgeschlossen und die Erregung kann unbeeinflusst von einer synchron erregten
anisoelektrischen Nachbarmembran – nämlich der initialen Membran! – ein magnetisches
Summationsfeld mit allen zeitgleich in derselben Ebene erregten Membranen erzeugen. Dieses
Summationsfeld ist zwar wesentlich kleiner als das der initialen Erregungswelle; aber vielleicht
dennoch groß genug, um im EKG als eine kleine „S“-Zacke die Depolarisation der äußeren
Zellmembran abzuschließen. Diese „S“-Zacke ist der „R“-Zacke entgegen gesetzt, da die Na+ Ionen
Ströme ebenfalls gegeneinander gerichtet sind. Diese „S“-Zacke beginnt außerdem früher und ist
auch größer als im EKG erkennbar. Ihr wesentlicher Anteil „verschwindet“ im ungleich größeren „R“Ausschlag. Das erkennbare „S“ ist nur die Summe der letzten Erregungs-Nachzügler nachdem die
Erregungen aller initialen Membranen vollständig abgeschlossen sind. Die Erregungen der
Seitenwände hinterlassen im EKG keine Spuren, da ihre Feldebenen zum einen senkrecht zur
tangentialen Hauptebene stehen und die gegenseitigen Schwächungen der Nachbarmembranen
ohnehin keine detektierbaren Magnetfelder entstehen lassen. (Es ist aber denkbar, dass auch die
Gegenseiten-Erregung zu schwach ist, um im EKG erkennbar zu werden. Alternativ könnte dann das
„S“ der nicht kaschierte Rest des breiteren „R“ der rechten Kammer sein, das ebenfalls
anisoelektrisch erzeugt ist.)
Wenn also eine unterschwellige nutritiv verursachte Repolarisationsbehinderung die
Selbstschließung von Na+ Ionen Kanälen stört, dann kann das am ehesten in den
Seitenwandmembranen geschehen.
Ein offen gebliebener Na+ Ionen Kanal stört im Zeitintervall zwischen Depolarisation und
Repolarisation nur wenig, da die Zelle in dieser Phase bei etwa 0mV durchgehend depolarisiert
bleibt. Zwar liegt das Äquilibriumpotential für [Na+] bei etwa +60mV, so dass ein mäßiger Na+ Ionen
Einstrom in die Zelle stattfindet; aber es wird dabei keine manifeste Störung erzeugt. Das ändert sich
schlagartig, wenn die Repolarisation einsetzt und der massive K+ Ionen Ausstrom das Innere der Zelle
wieder auf -80mV (?) und die interstitielle Umgebung wieder auf 0mV setzt. Umgehend erzeugen die
noch offenen Na+ Ionen Kanäle einen starken Na+ Ionen Einstrom, der sich jedoch nur auf die offenen
Kanäle beschränkt – also nur einen kleinen Teilbereich der Zellmembran betrifft. In der Folge wird
das Innere der Zelle langsam depolarisiert und die unmittelbare äußere Umgebung der offenen
Kanäle wird negativ, was ebenfalls depolarisierend wirkt. Die Zelle ist damit zu einem „schnellen“
Schrittmacher geworden und löst eine vorzeitige Selbst-Erregung aus. Da die nun folgende
extrasystolische Myokarderregung zeitlich dieser singulären Selbsterregung nachgeschaltet ist, kann
die Schrittmacherzelle ihre offen gebliebenen Na+ Ionen Kanäle der Seitenwände wieder schließen,
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da die jeweiligen anisoelektrischen Nachbarmembranen nicht synchron wie sonst erregt werden
sondern mit Verzug. Die Schrittmacherzelle hat sich damit wieder korrigiert und die Extrasystole
bleibt ein singuläres Ereignis.
Nun kann es aber geschehen, dass mit der nächsten Sinus-Erregung dieselben Na+ Ionen Kanäle wie
zuvor ihren Selbst-Verschluss wieder verfehlen. Das kinetische Defizit dieser Kanäle entspräche dann
gerade dem störenden magnetischen Einfluss der synchron erregten Nachbarmembran. Wird diese
nicht synchron erregt, ist die Kinetik noch ausreichend – wird sie synchron erregt, wird der KanalVerschluss verfehlt. Es entsteht dann der Bigeminus – Extrasystole und Sinus-Erregung wechseln sich
ab.
Wohin führt der Bigeminus?
Die Grundvoraussetzung extrasystolischer Phänomene ist die nutritive Mangelsituation. Diese kann
ausschließlich relativ sein – also durch extreme Beanspruchung des gesunden Herzens – oder auch
absolut erzeugt sein (Kardiomyopathie). Eine relative Komponente findet sich dabei immer und diese
entscheidet auch, wohin sich die momentane Entwicklung bewegt. Wird die relative Komponente
abgestellt, kann sich die Schrittmacher-Zelle wieder reorganisieren – gewinnt die relative
Komponente an Einfluss, verschlechtert sich die Versorgungslage der Schrittmacher-Zelle und die
extrasystolische Störung nimmt zu.
Die nutritive Verschlechterung der den Bigeminus verursachenden Schrittmacher-Zelle würde
zunächst das kinetische Defizit der Depolarisationsdynamik erhöhen und damit auch in der
Extrasystole dafür sorgen, dass der Selbstverschluss der Na+ Ionen Kanäle verfehlt wird. Aus dem
Bigeminus werden extrasystolische Salven. Wird der Kanal-Verschluss mit der ersten Systole verfehlt,
ist kein Grund erkennbar, warum er bei der zweiten oder dritten Extrasystole gelingen sollte; denn
eine Schrittmacherzelle setzt mehr Energie um als eine passiv erregte. Warum ?
Da die Reizleitungskaskade ihre unterschiedlichen Automatiezeiten über eine MRP-Kaskade regelt –
niedrigstes MRP im AV-Knoten, höchstes MRP im Arbeitsmyokard – ist die Anzahl der Na+ Ionen
Leckkanäle pro Membranfläche im gesamten kardialen System wohl konstant. Da aber die Zellen des
AV-Knotens aufgrund ihrer niedrigen Membranschwelle (= MRP minus Kanalschwelle im Betrag) mit
sehr geringen transmembranösen Ladungsverschiebungen eine Selbst-Erregung auslösen können
und die Kardiomyozyten aufgrund ihrer sehr hohen Membranschwelle zur Selbstauslösung sehr
große Ladungsverschiebungen benötigen, ist die Selbsterregungs-Arbeit der Kardiomyozyten sehr
viel größer als für die Zellen des spezifischen Erregungsleitungssystems. Für die Kardiomyozyten
kommt nun noch erschwerend hinzu, dass die spontane Selbstdepolarisation den elektrischen
Gradienten erheblich reduzieren muss (von etwa -80mV auf etwa -40mV), um die kritische Na+ Ionen
Kanalschwelle zu erreichen. Die Gradienten der schließlich ausgelösten Selbst-Erregung sind darum
im Vergleich zu passiv erregten Kardiomyozyten erheblich geringer. Warum? – muss doch die Na+
Ionen Kanalschwelle in jedem Fall erreicht werden und somit die Erregung mit einer
Membranspannung ablaufen, die der Kanalschwelle entspricht. Der entscheidende Unterschied liegt
darin, dass die passive Depolarisation bei geschlossenen Na+ Ionen Kanälen erfolgt. Die
depolarisierende Wirkung des magnetischen Induktionsfeldes nachbarschaftlicher Erregungsabläufe
wirkt über eine Induktionsspannung, die mit der Größe ihres Vektors das MRP eines noch
geschlossenen Na+ Ionen Kanales kurzzeitig auf die Kanalschwelle absenkt und dadurch die Öffnung
des Kanales erreicht. Der sich öffnende Kanal besitzt in diesem Moment seine Gradienten in voller
Höhe. Eine aktiv sich selbst erregende Zelle besitzt im Moment der Selbst-Erregung reduzierte
Gradienten. Eine Schrittmacher-Zelle des Arbeitsmyokards setzt darum einerseits mehr Energie um
und erzeugt dennoch nur eine reduzierte Erregungsdynamik.
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Mit der Häufung ventrikulärer Extrasystolen wächst die Komplexität aus begünstigenden Ursachen
einerseits und begünstigenden Folgen andererseits. Dadurch kann das einmal begonnene Geschehen
eine irreversible Richtung erhalten. In den weiteren Ausführungen sollen einzelne Aspekte einer
derartigen Entwicklung aufgezeigt werden.
1. Da eine ventrikuläre Extrasystolie die Sinusfrequenz durch die höhere ventrikuläre
Eigenfrequenz ausschaltet, steigert sie den Stress der Kammerarbeit in Abhängigkeit von der
Häufigkeit der Extrasystolen.
2. Da schon das Auftreten einer singulären Extrasystole ein Zeichen einer lokalen oder
allgemeinen Repolarisationsstörung ist, ist die Stress-Zunahme geeignet, weitere Störherde
zu erzeugen.
3. Eine dauerhaft wirksame Trigger-Zelle schaltet ihren ergastoplasmatisch-muskulären
Erregungsapparat ab. Dieser Vorgang schützt die Integrität der Zelle, indem alle Ressourcen
für die Wiederherstellung des äußeren Membranpotentials reserviert werden. Klinisch ist
dieser Vorgang bei Betroffenheit großer Herzwandareale (Infarkt) im EKG als eine TNegativierung erkennbar. Da das positive „T“ Ausdruck der Repolarisation
ergastoplasmatischer Membranen ist, lässt ihr Ausfall das zuvor maskierte negative „T“ der
äußeren Membranrepolarisation erkennen.
4. In der Abwärtsspirale der Repolarisationsstörung bleibt die Trigger-Zelle schließlich dauerhaft
depolarisiert. Schon vorher hat sie aufgrund ihrer geringer werdenden Membrangradienten
Nachbarzellen nicht mehr erregen können, da die erforderliche magnetische Feldstärke dazu
nicht gereicht hat. Sie hat damit also ihre Fähigkeit, Extrasystolen auszulösen, zunächst
eingebüßt.
5. Nun erzeugen die offenen Na+ Ionen Kanäle eine durchgehende extrazelluläre Negativität,
deren depolarisierende Wirkung für die Auslösung von Erregungen der Nachbarzellen zwar
nicht ausreicht; aber den K+ Ionen Verbrauch der Nachbarzellen in der Repolarisation erhöht.
Damit wird Repolarisationsarbeit von der Trigger-Zelle auf Nachbarzellen verlagert.
6. Da die unverschlossenen Na+ Ionen Kanäle der Trigger-Zelle zur Abschaltung des
ergastoplasmatischen Apparates führt, leistet der Trigger keine muskuläre Arbeit und
schwächt damit die kollektive muskuläre Leistung. Dadurch verschlechtert sich auch die
eigene Ernährungslage und auch die der Nachbarzellen; denn der extravasale Substratfluss
ist eine unmittelbare Wirkung der systolischen Arbeit.
1. Schütz: Physiologie des Herzens, Springer Verlag Berlin 1958
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