Thema 10: Die offene Volkswirtschaft Literatur: Blanchard, Kap. 18&19 • Was wir bis jetzt gemacht haben: – kurzfristiges Gleichgewicht – mittelfristiges Gleichgewicht – Vom kurzfristigen zum mittelfristigen Gleichgewicht; Anpassungsprozesse • Wir haben immer über eine geschlossene Volkswirtschaft gesprochen. • In der Realität sind Volkswirtschaften allerdings keine geschlossenen Systeme. 1 Die offene Volkswirtschaft • Volkswirtschaften sind miteinander verbunden – internationaler Handel – internationale Finanzströme – Migration – ... • Jetzt untersuchen wir ob und wie solche Faktoren unser Modell und unsere Ergebnisse beeinflussen. 2 Die offene Volkswirtschaft • Wir erweitern unser Modell um diese Faktoren (teilweise) berücksichtigen zu können. • Was besprochen wird: – Begriffe und Definitionen – Mundell-Fleming Modell 3 Die offene Volkswirtschaft • Was meinen wir mit „Offenheit“? – Gütermärkte; keine Zölle oder andere Handelshemmnisse. – Finanzmärkte; keine Kapitalverkehrskontrollen – Faktormärkte; EU, Dienstleistungsrichtlinie • Bis jetzt: Y = C + I +G • Ab jetzt: Y = C + I + G + EX IM 4 Die offene Volkswirtschaft • Was meinen wir mit „Offenheit“? – Gütermärkte; keine Zölle oder andere Handelshemmnisse. – Finanzmärkte; keine Kapitalverkehrskontrollen – Faktormärkte; EU, Dienstleistungsrichtlinie • Bis jetzt: Y = C + I +G • Ab jetzt: Y = C + I + G + EX IM 5 Die offene Volkswirtschaft • In der VGR werden Transaktionen mit dem Ausland in der Zahlungsbilanz erfasst. • Die Zahlungsbilanz gliedert sich in – Leistungsbilanz (CA) Importe und Exporte (Handelsbilanz) Faktoreinkommen Transfers – Kapitalbilanz (KA) Änderungen in der Nettovermögensposition 6 Die offene Volkswirtschaft • Angenommen ein Land hat ein Handelsbilanzdefizit und deshalb ist die Leistungsbilanz negativ. • Dieses Defizit muss finanziert werden. • Beispielsweise durch Verschuldung im Ausland. • „Verschuldung im Ausland“ wird in der Kapitalbilanz positiv verbucht; • entspricht genau dem negativen Leistungsbilanzsaldo 7 Die offene Volkswirtschaft • Allgemein gilt: CA+KA=0. • Praktisch nicht der Fall; statistische Abweichung. • Vorsicht! CA=-KA ist wieder eine definitorische Beziehung aus der VGR und keine Theorie oder Erklärung! 8 Die offene Volkswirtschaft • in offenen Volkswirtschaften können Konsumenten zwischen einheimischen und importierten Produkten wählen. • Somit müssen Preise im In- und Ausland verglichen werden. • Also Preise in verschiedenen Währungen. • Dazu ist der Wechselkurs notwendig. 9 Die offene Volkswirtschaft • Der nominelle Wechselkurs kann auf ZWEI Arten definiert werden: – A: Preis inländischer Währung in ausländischer Währung. Beispiel: Fuer 1 Euro (inländische Währung) bekommt man (entspricht) 1,5 USD (ausländische Währung). – B: Preis ausländischer Währung in inländischer Währung. Beispiel: Fuer 1 USD (ausländische Währung) zahlt man 0,66 Euro (inländische Währung). 10 Die offene Volkswirtschaft • Wir werden die 1. Definition verwenden. • Die 4./5. Auflage des Lehrbuches verwendet die 1. Definition. Frühere Auflagen verwenden die 2. Definition! • Die Bedeutung einer Aussage wie „Der Wechselkurs ist gestiegen“ hängt entscheidend von der Definition ab! 11 Die offene Volkswirtschaft • Eine Aufwertung bedeutet, dass die Währung an Wert gewinnt. • Eine Abwertung ist ein Wertverlust. Auf- und Abwertung ist unabhängig von der Definition des Wechselkurses! • Gemäß unserer Definition bedeutet eine Aufwertung des Euro einen Anstieg des nominellen Wechselkurses. • Wir bezeichnen den nominellen Wechselkurs mit E. 12 Die offene Volkswirtschaft • Um zwischen inländischen und importierten Gütern die Preise zu vergleichen, sind auch die Preise der jeweiligen Güter relevant. der reale Wechselkurs ist der einheimischer Güter gemessen in ausländischen Gütern: EP ε= P • P inländisches Preisniveau • P* ausländisches Preisniveau 13 Die offene Volkswirtschaft • Beispiel: Preis eines amerikanischen Autos gemessen in englischen Autos: – Amerikanisches Auto kostet 40.000 USD (=P). – Ein USD entspricht 0.55 GBP (=E). – Preis eines englischen Autos: 30.000 GBP (=P´). – Der Preis des amerikanischen Autos „gemessen“ in englischen Autos: EP 40.000 0.55 ε= = = 0.73 P 30.000 14 Die offene Volkswirtschaft EP ε= P • Änderungen werden als reale Auf- bzw. Abwertung bezeichnet. • Der reale Wechselkurs kann schwanken, weil – der nominelle Wechselkurs schwankt; – die relativen Preisniveaus schwanken. • Eine reale Aufwertung bedeutet, dass inländische Güter weniger konkurrenzfähig sind. 15 Die offene Volkswirtschaft • Internationale Finanzmärkte. • Investoren können in in- und ausländische Wertpapiere investieren. – Zinssatz im Euroraum: i – Zinssatz in den USA: i* • Nach einer Periode wird aus einem Euro 1+ i und aus einem USD 1+ i 16 Die offene Volkswirtschaft • Soll im Euroraum oder in den USA investiert werden? • Um in den USA zu investieren müssen zuerst Euro in USD gewechselt werden. • Für einen Euro erhalten wir Et USD. 1Euro Et Et 1+ i • Nach einer Periode erhalten wir also in Euro: Et 1+ i Et+1 17 Die offene Volkswirtschaft • im Euroraum: 1+ i • in den USA: Et 1+ i Ete+1 E 1 + i t • investieren in den USA, falls 1+ i < Ete+1 E 1 + i t • investieren im Euroraum, falls 1+ i > Ete+1 18 Die offene Volkswirtschaft Et 1+ i 1+ i < Ete+1 • Niemand möchte im Euroraum investieren. • Höhere Kapitalzuflüsse in die USA. • Hohe Nachfrage nach USD. • Wechselkurs (eventuell auch Zinssätze) wird sich anpassen: USD wird aufwerten. 19 Die offene Volkswirtschaft Et 1+ i 1+ i > Ete+1 • Niemand möchte in den USA investieren. • Höhere Kapitalzuflüsse in den Euroraum. • Hohe Nachfrage nach Euro. • USD wird abwerten. 20 Die offene Volkswirtschaft Et 1+ i 1+ i e Et+1 • kann kein Gleichgewicht sein. • Kapitalflüsse würden eine Auf- bzw. Abwertung auslösen. • Solange bis: Et 1+ i 1+ i = Ete+1 21 Die offene Volkswirtschaft Et 1+ i 1+ i = Ete+1 • Zinssatzparität • was wir nicht berücksichtigt haben: – Transaktionskosten, – Wechselkursrisiko, – in- und ausländische Wertpapiere nicht unbedingt perfekte Substitute. – ... 22 Die offene Volkswirtschaft • Alternative Darstellung der Zinssatzparität: Et 1+ i E 1+ i = = 1+ i e Et+1 Et e t+1 1 E Et = 1+ i 1+ Et e t+1 1 E Et i=i Et e t+1 23 Die offene Volkswirtschaft e E t+1 Et i=i Et • Der inländische Zinssatz muss dem ausländischen Zinssatz entsprechen, bereinigt um die erwartete Wechselkursänderung. • D.h. abzüglich der erwarteten Aufwertung der inländischen Währung. 24 Die offene Volkswirtschaft • Wir werden jetzt das IS-LM Modell erweitern. • 1. Schritt: Gütermarktgleichgewicht in einer offenen Volkswirtschaft. • Für den Gütermarkt war die gesamtwirtschaftliche Nachfrage relevant. • Jetzt müssen wir unterscheiden zwischen – inländischer/ausländischer Nachfrage – nach inländischen/ausländischen Gütern 25 Die offene Volkswirtschaft • Die Nachfrage nach inländischen Gütern: IM Z = C + I +G +X ε • Bis jetzt: IM=X=0 • Ein Teil der inländischen Nachfrage entfällt auf Importe. Deshalb werden Importe abgezogen. • Teilweise werden inländische Güter im Ausland nachgefragt. 26 Die offene Volkswirtschaft • inländische Nachfrage: C Y T + I Y,r + G • wir nehmen an, dass der Wechselkurs keine direkten Effekte auf die inländische Nachfrage ausübt. • Anders bei Exporten und Importen 27 Die offene Volkswirtschaft IM = IM Y,ε IM >0 Y IM >0 ε • Ein höheres, inländisches Einkommen erhöht die Nachfrage nach Importen. • Eine Aufwertung des realen Wechselkurses erhöht ebenfalls die Nachfrage nach Importen. Warum? 28 Die offene Volkswirtschaft X = X Y´, ε X X >0 <0 Y´ ε • Ein höheres, ausländisches Einkommen, Y´, erhöht die Nachfrage nach inländischen Gütern. • Reale Aufwertung reduziert die Nachfrage (aus dem Ausland) nach inländischen Gütern. 29 Die offene Volkswirtschaft 30 Die offene Volkswirtschaft 31 Die offene Volkswirtschaft • Gütermarktgleichgewicht: Y= Z IM Z = C + I +G +X ε IM Y,ε Y = C Y T + I Y,r + G + X Y´, ε ε 32 Die offene Volkswirtschaft 33 Die offene Volkswirtschaft 34 Die offene Volkswirtschaft • Im Gütermarktgleichgewicht muss die Handelsbilanz nicht ausgeglichen sein. • Ohne weitere Annahmen bezüglich der Exporte (ausländisches Einkommen), können wir über die Handelsbilanz nur wenig sagen. • Wir wissen jetzt wie das Gütermarktgleichgewicht bestimmt wird. • Wie wirken sich Änderungen in den exogenen Variablen aus? Beispielsweise eine Erhöhung der Staatsausgaben. 35 Die offene Volkswirtschaft 36 Die offene Volkswirtschaft 37 Die offene Volkswirtschaft 38 Die offene Volkswirtschaft 39 Die offene Volkswirtschaft • Höhere Staatsausgaben bedeuten eine höhere inländische Nachfrage. Deshalb steigt der Output im Gleichgewicht. Warum? • Soweit bekannt von der geschlossenen Volkswirtschaft. • Allerdings gibt es hier auch Effekte auf die Handelsbilanz: • Durch das höhere Einkommen im Gleichgewicht steigt die Importnachfrage. Handelsbilanz verschlechtert sich. 40 Die offene Volkswirtschaft • Der Effekt der höheren Nachfrage auf den Output ist kleiner in einer offenen Volkswirtschaft. • Ein Teil der höheren Nachfrage erhöht die Importe und nicht die inländische Produktion. • Es folgt, dass der Ausgabenmultiplikator in einer offenen Volkswirtschaft kleiner ist als in einer geschlossenen. 41 Die offene Volkswirtschaft • Die Erhöhung der Staatsausgaben war ein Beispiel für einen Anstieg der inländischen Nachfrage. • Wie reagiert unser Modell auf einen Anstieg der ausländischen Nachfrage? • Beispielsweise ein höherer Output im Ausland. 42 Die offene Volkswirtschaft 43 Die offene Volkswirtschaft 44 Die offene Volkswirtschaft 45 Die offene Volkswirtschaft 46 Die offene Volkswirtschaft • Was haben wir gelernt? • Höhere Nachfrage erhöht den Output im Gleichgewicht. • Ein Anstieg in der inländischen Nachfrage verschlechtert die Handelsbilanz. • Ein Anstieg in der ausländischen Nachfrage verbessert die Handelsbilanz. 47 Die offene Volkswirtschaft • Diese Resultate haben wichtige wirtschaftspolitische Implikationen: – Es gibt „Spill-over“ Effekte zwischen Ländern. – Falls der Output in einem Land steigt, steigt auch der Output der Handelspartner. – Ohne, dass die inländische Wirtschaftspolitik aktiv wird. – Angenommen es gibt eine Rezession. Jedes Land hat einen Anreiz zu warten. – Internationale Koordinierung der Wirtschaftspolitik ist wichtig. 48 Die offene Volkswirtschaft • Wir haben bis jetzt angenommen, dass eine reale Abwertung zu einer Verbesserung der Handelsbilanz führt. • Warum soll das so sein? • Ist dies notwendigerweise der Fall? 49 Die offene Volkswirtschaft IM Y,ε NX = X Y´, ε ε • Eine reale Abwertungen beeinflusst die Handelsbilanz durch – Exporte – Importe – realen Wechselkurs • Exporte steigen • Importe sinken • ABER: Der Effekt auf Importe gemessen in heimischen Gütern ist nicht klar! 50 Die offene Volkswirtschaft IM Y,ε NX = X Y´, ε ε • Die Handelsbilanz verbessert sich nur dann, falls die Exporte stark genug steigen und die realen Importe genuegend fallen um den höheren Preis der Importe zu kompensieren. • Dies nennt man Marshall-Lerner-Bedingung. 51 Die offene Volkswirtschaft • • • • • IM Y,ε NX = X Y´, ε ε Ist die Marshall-Lerner-Bedingung in der Realität erfüllt? Ja, aber nicht unbedingt kurzfristig. Importe und Exporte reagieren relativ langsam auf Änderungen in relativen Preisen. Importe verteuern sich aber sofort. Deshalb kann sich kurzfristig die Handelsbilanz verschlechtern. 52 Die offene Volkswirtschaft 53 Die offene Volkswirtschaft 54 Die offene Volkswirtschaft • Jetzt haben wir das Gütermarktgleichgewicht beschrieben. • Jetzt werden weitergehen und das IS-LM Modell erweitern. • Dieses erweiterte Modell wird MundellFleming Model genannt. • Was bestimmt den Wechselkurs? 55 Mundell-Fleming Modell • Die IS Kurve für die offene Volkswirtschaft haben wir bereits: IM Y,ε Y = C Y T + I Y,i + G + X Y´, ε ε IM Y,ε NX Y,Y´, ε = + X Y´, ε ε NX NX NX <0 >0 >0 Y Y´ ε Y = C Y T + I Y,i + G + NX Y,Y´, ε 56 Mundell-Fleming Modell • Annahme: Das inländische und das ausländische Preisniveau werden wie folgt normiert: EP´ ε= =E P = P´= 1 P Y = C Y T + I Y,i + G + NX Y,Y´, ε Y = C Y T + I Y,i + G + NX Y,Y´, E 57 Mundell-Fleming Modell • Gleichgewicht auf dem Geldmarkt (bisher): M = YLi P • Ändert sich diese Bedingung in einer offenen Volkswirtschaft? • Jetzt können Investoren auch ausländische Wertpapiere erwerben. 58 Mundell-Fleming Modell M = YLi P • An dieser Bedingung ändert sich nicht viel. • Zumindest solange die inländische Geldmenge vor allem in Inland gehalten wird. • Die (Opportunitäts) Kosten der Geldhaltung werden durch den inländischen Zinssatz bestimmt. 59 Mundell-Fleming Modell • Wir wissen bereits, wie in- und ausländische Zinssätze zusammenhängen. • Zinssatzparität: Et 1+ i = 1+ i e Et+1 • Annahme: der erwartete Wechselkurs ist konstant: E = Ete+1 1+ i E 1+ i = 1+ i E = E E 1+ i 60 Mundell-Fleming Modell 61 Mundell-Fleming Modell 1+ i E= E 1+ i • Angenommen die inländische Geldpolitik wird restriktiver: – Der inländische Zinssatz steigt. – Die Nachfrage nach inländischen Anleihen steigt. Investoren kaufen vermehrt inländische Anleihen. – Deshalb steigt auch die Nachfrage nach Euros. – Der Euro wertet auf. – Allerdings wird für die Zukunft eine Abwertung erwartet. 62 Mundell-Fleming Modell • Was wir bis jetzt haben: • Gütermarkt (IS): Y = C Y T + I Y,i + G + NX Y,Y´, E • Geldmarkt (LM): M = YLi P • Wechselkurs: E = 1+ i E 1+ i 63 Mundell-Fleming Modell • Zur Vereinfachung kombinieren wir die Gleichung für den Wechselkurs mit dem Gütermarktgleichgewicht: Y = C Y T + I Y,i + G + NX Y,Y´, E 1+ i E= E 1+ i 1+ i Y = C Y T + I Y,i + G + NX Y,Y´, E 1+ i 64 Mundell-Fleming Modell • IS: 1+ i Y = C Y T + I Y,i + G + NX Y,Y´, E 1+ i • LM: M = YLi P • Was ist hier neu? • Änderung im Zinssatz: – direkter Effekt I und Y. – indirekter Effekt über E auf NX und auf Y. 65 Mundell-Fleming Modell c 66 Mundell-Fleming Modell 67 Mundell-Fleming Modell • Fiskalpolitik in einer offenen Volkswirtschaft: – Höhere Nachfrage, deshalb höherer Output im Gleichgewicht. – Höheres Einkommen impliziert eine höhere Geldnachfrage, deshalb steigt der Zinssatz im Gleichgewicht. – Der höhere Zinssatz macht inländische Anleihen attraktiv. – reale Aufwertung! – Der höhere Zinssatz und die Aufwertung reduzieren die Nachfrage and kompensieren somit teilweise die expansive Fiskalpolitik. – Was passiert mit der Handelsbilanz? 68 Mundell-Fleming Modell NX = NX Y,Y´, E • im neuen Gleichgewicht steigt das Einkommen. • reale Aufwertung. • Beide Effekte verschlechtern die Handelsbilanz. • „Twin Deficits“ 69 Mundell-Fleming Modell 70 Mundell-Fleming Modell • Geldpolitik in einer offenen Volkswirtschaft: – Eine restriktive Geldpolitik erhöht den Zinssatz. – Einheimische Anleihen sind deshalb attraktiv und es kommt zu einer realen Aufwertung. – Der höhere Zinssatz und die Aufwertung reduzieren die Nachfrage. – Somit muss der Output im neuen Gleichgewicht niedriger sein. 71 Mundell-Fleming Modell 72 Mundell-Fleming Modell 73