Neues aus der Embryonenforschung

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Neues aus der Embryonenforschung
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us England erreicht uns die Nachricht, man habe dort ein Embryo aus
einem Menschen und einer Kuh zusammengebastelt. Natürlich bloß
zu Forschungszwecken. Und es sei auch nach drei Tagen zerstört
worden. Kritiker haben sofort gegen das frankensteineske
Experiment protestiert. Das finde ich prinzipiell richtig, aber die
Entrüstung kommt viel zu spät, denn Kreuzungen aus Menschen und
diversen Tieren sind schon lange Alltag. Gerade Mensch-KuhKombinationen trifft man recht häufig an, besonders im
Straßenverkehr.
Erst gestern begegnete mir ein sehenswertes Exemplar. Die Menschkuh schoss rückwärts
mit einem asiatischen Kleinwagen aus einem Supermarktparkplatz und rammte meinen
Einkaufswagen. Dieser hatte sich gänzlich ohne mein Zutun in Bewegung gesetzt, während
ich den Kofferraum meines Autos öffnete. Er rollte unbemerkt zwei Meter, die Menschkuh
knallte dagegen und zerstörte meine Eier (ja, so war es. Fünf von sechs braune Eier). Dann
stieg sie aus und begann sofort, mich heftig zu bemuhen. Ich kann kein kühisch, aber soviel
verstand ich: man müsse die Polizei rufen, Unverschämtheit, Sauerei, alles kaputt, Muuuuh.
Wie schön wäre es gewesen, wenn sie ein Meerschweinchenmensch gewesen wäre. Oder ein
Menschkarpfen. Aber die können nicht mit dem Auto fahren, Kühe mit menschlichem
Phänotyp hingegen schon.
Die Menschkuh war kurz davor, ein bis zwei Liter Milch zu geben vor lauter Wut. Bald
hatte ich den Eindruck, einem fortgeschrittenen Fall von boviner spongiformer
Enzephalopathie, also Rinderwahn, gegenüber zu stehen. Ich wollte schnell weg, denn ich
fürchtete, dass sie mir Prionen ins Gesicht schnauben und mich anstecken könnte. Also
fragte ich sie eingeschüchtert, ob sie zufällig das Werk eines Wissenschaftlers von der
Newcastle University sei und wie sie als Betroffene zur Stammzellenforschung stünde, aber
sie verstand mich nicht, muhte noch eine Weile pointenlos vor sich hin, um dann überstürzt
in ihrem Honda Civic zu enteilen. Es war alles in allem eine nicht angenehme, aber
interessante Begegnung, in etwa zu vergleichen mit dem Aufeinandertreffen eines nackten
Urlauberpopos und einem Schwanzlurch in einem Ferienhausklo.
Die Kuh am Steuer fährt in unterschiedlich erfolgreichen Zuchtvarianten vielfach über
deutsche Supermarktparkplätze und die meisten Exemplare unterliegen nicht oder nicht
mehr der Überwachung durch Fachpersonal oder begütigende Ehemänner. Auch jene liegen
übrigens bei uns in mehr als ausreichender Anzahl als genetisch manipulierte Hybriden vor,
häufig als Mensch-Wasserbüffel-Mischung. Bei mit dem oben geschilderten Fall
vergleichbaren Gelegenheiten bewegen sie sich mit einem Audi oder einem BMW fort und
brüllen sofort los, wenn man vor ihnen nicht schnell genug an der Ampel losfährt. Es geht
eine nicht geringe Belästigung von ihnen aus, denn sie schubsen andere im Flugzeug von der
Armlehne und telefonieren lauter als ein Frankfurter Devisenhändler. Manchmal handelt es
sich bei ihnen um Frankfurter Devisenhändler.
Sympathischer als die Versuche der britischen Forscher mit Menschen und Kühen
erscheinen mir die Experimente von chinesischen Kollegen, welche 2003 im Fachjournal
„Cell Research“ (wundern Sie sich nicht: Es gibt für alles Denkbare ein Fachjournal, wirklich
für Alles) von einem Embryo berichteten, das sie aus einem Menschen und einem Kaninchen
gewonnen haben. Die Chinesen werden es nicht mehr schaffen, dieses ebenso sportliche wie
pazifistische Zwitterwesen bis zum Beginn der Olympischen Spiele für den
Hochsprungwettbewerb hochzupäppeln, aber schon die Nachricht bedeutet einen immensen
Imagegewinn für das Regime und macht Hoffnung, auch und gerade für Tibet. Chinesische
Kaninchensoldaten stellen keinerlei Bedrohung für Minderheiten dar, es sei denn es handelt
sich dabei um Möhrenfarmer, eine Minderheit, deren Vernachlässigung man selbst in Tibet
als hinnehmbar bezeichnen wird. Vor diesem Hintergrund sollte man auch bei uns endlich
das Embryonenschutzgesetz ändern, es würde unserem Ruf in der Welt erheblich
weiterhelfen. Wenn ich mir was wünschen darf, dann eine Kreuzung aus einem Zeisig und
einem Bundeskanzler. Kann nicht regieren, aber schön singen. Das wäre auf jeden Fall schon
mal ein Fortschritt.•
10. APRIL 2008
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