JAN W EIL ER M EIN LE BEN AL S M EN SCH FOL GE 52 Neues aus der Embryonenforschung A us England erreicht uns die Nachricht, man habe dort ein Embryo aus einem Menschen und einer Kuh zusammengebastelt. Natürlich bloß zu Forschungszwecken. Und es sei auch nach drei Tagen zerstört worden. Kritiker haben sofort gegen das frankensteineske Experiment protestiert. Das finde ich prinzipiell richtig, aber die Entrüstung kommt viel zu spät, denn Kreuzungen aus Menschen und diversen Tieren sind schon lange Alltag. Gerade Mensch-KuhKombinationen trifft man recht häufig an, besonders im Straßenverkehr. Erst gestern begegnete mir ein sehenswertes Exemplar. Die Menschkuh schoss rückwärts mit einem asiatischen Kleinwagen aus einem Supermarktparkplatz und rammte meinen Einkaufswagen. Dieser hatte sich gänzlich ohne mein Zutun in Bewegung gesetzt, während ich den Kofferraum meines Autos öffnete. Er rollte unbemerkt zwei Meter, die Menschkuh knallte dagegen und zerstörte meine Eier (ja, so war es. Fünf von sechs braune Eier). Dann stieg sie aus und begann sofort, mich heftig zu bemuhen. Ich kann kein kühisch, aber soviel verstand ich: man müsse die Polizei rufen, Unverschämtheit, Sauerei, alles kaputt, Muuuuh. Wie schön wäre es gewesen, wenn sie ein Meerschweinchenmensch gewesen wäre. Oder ein Menschkarpfen. Aber die können nicht mit dem Auto fahren, Kühe mit menschlichem Phänotyp hingegen schon. Die Menschkuh war kurz davor, ein bis zwei Liter Milch zu geben vor lauter Wut. Bald hatte ich den Eindruck, einem fortgeschrittenen Fall von boviner spongiformer Enzephalopathie, also Rinderwahn, gegenüber zu stehen. Ich wollte schnell weg, denn ich fürchtete, dass sie mir Prionen ins Gesicht schnauben und mich anstecken könnte. Also fragte ich sie eingeschüchtert, ob sie zufällig das Werk eines Wissenschaftlers von der Newcastle University sei und wie sie als Betroffene zur Stammzellenforschung stünde, aber sie verstand mich nicht, muhte noch eine Weile pointenlos vor sich hin, um dann überstürzt in ihrem Honda Civic zu enteilen. Es war alles in allem eine nicht angenehme, aber interessante Begegnung, in etwa zu vergleichen mit dem Aufeinandertreffen eines nackten Urlauberpopos und einem Schwanzlurch in einem Ferienhausklo. Die Kuh am Steuer fährt in unterschiedlich erfolgreichen Zuchtvarianten vielfach über deutsche Supermarktparkplätze und die meisten Exemplare unterliegen nicht oder nicht mehr der Überwachung durch Fachpersonal oder begütigende Ehemänner. Auch jene liegen übrigens bei uns in mehr als ausreichender Anzahl als genetisch manipulierte Hybriden vor, häufig als Mensch-Wasserbüffel-Mischung. Bei mit dem oben geschilderten Fall vergleichbaren Gelegenheiten bewegen sie sich mit einem Audi oder einem BMW fort und brüllen sofort los, wenn man vor ihnen nicht schnell genug an der Ampel losfährt. Es geht eine nicht geringe Belästigung von ihnen aus, denn sie schubsen andere im Flugzeug von der Armlehne und telefonieren lauter als ein Frankfurter Devisenhändler. Manchmal handelt es sich bei ihnen um Frankfurter Devisenhändler. Sympathischer als die Versuche der britischen Forscher mit Menschen und Kühen erscheinen mir die Experimente von chinesischen Kollegen, welche 2003 im Fachjournal „Cell Research“ (wundern Sie sich nicht: Es gibt für alles Denkbare ein Fachjournal, wirklich für Alles) von einem Embryo berichteten, das sie aus einem Menschen und einem Kaninchen gewonnen haben. Die Chinesen werden es nicht mehr schaffen, dieses ebenso sportliche wie pazifistische Zwitterwesen bis zum Beginn der Olympischen Spiele für den Hochsprungwettbewerb hochzupäppeln, aber schon die Nachricht bedeutet einen immensen Imagegewinn für das Regime und macht Hoffnung, auch und gerade für Tibet. Chinesische Kaninchensoldaten stellen keinerlei Bedrohung für Minderheiten dar, es sei denn es handelt sich dabei um Möhrenfarmer, eine Minderheit, deren Vernachlässigung man selbst in Tibet als hinnehmbar bezeichnen wird. Vor diesem Hintergrund sollte man auch bei uns endlich das Embryonenschutzgesetz ändern, es würde unserem Ruf in der Welt erheblich weiterhelfen. Wenn ich mir was wünschen darf, dann eine Kreuzung aus einem Zeisig und einem Bundeskanzler. Kann nicht regieren, aber schön singen. Das wäre auf jeden Fall schon mal ein Fortschritt.• 10. APRIL 2008