• Xavier K., ein 56-jähriger Portugiese, ist „neu“ in Deutschland. Er ist vor 6 Monaten zu seiner bei Frankfurt lebenden Tochter gezogen, nachdem er in Portugal seine Arbeit als Bauarbeiter verloren hat; nach drei Jahren Suche hat er die Hoffnung auf eine neue Stelle aufgegeben und kümmert sich jetzt hauptberuflich um den Enkel. • Xavier bekommt in den letzten Monaten zunehmend Atemnot, wenn er mit dem jetzt 5-jährigen Enkel Roberto spielt. • Xavier hat 25 Jahre in Portugal (in Porto) auf Baustellen gearbeitet; neben der staubigen Arbeit musste er auch bei Renovierungsarbeiten mit „Altlasten“ arbeiten, gelegentlich hat er auch mit Pestiziden und Fungiziden arbeiten müssen. Er hat immer gerne Wein getrunken, und hat über viele Jahre etwa einen Liter guten Wein pro Tag konsumiert. Drogen hat er nie genommen, Xavier hat auch nicht geraucht. • Auf Nachfragen des Hausarztes verneint er Fieber, Nachtschweiß oder Schüttelfrost, Brustschmerzen, blutiges Sekret beim Husten oder Risikofaktoren für eine HIVInfektion. • Bei der körperlichen Untersuchung durch den Hausarzt ist der Allgemeinzustand (AZ) reduziert, die Haut intensiv gebräunt. • Xavier wiegt 49 kg bei 1,72 m Größe (BMI 16,6 kg/ m2), die Herzfrequenz ist 80/min, der Blutdruck 105 / 70 mm Hg, die Atemfrequenz 18 / min. • Bei der Auskultation des Thorax sind die Herztöne klar, am linken Sternumrand hört der Hausarzt ein 2/6 Holosystolikum. Über den Unterlappen sind die Atemgeräusche vermindert. Im rechten Mittellappen ist feines Entfaltungsknistern zu hören. • Die weitere körperliche Untersuchung ist unauffällig. • Xavier wird zur weiteren Diagnostik in die nahe gelegene Lungenklinik eingewiesen. • Bei der Aufnahme in der Klinik durch die PJ-lerin Miriam werden ein EKG und ein Röntgen-Thorax angefertigt. Während das EKG im wesentlichen unauffällig ist und keine Hinweise auf eine Druck- oder Volumenbelastung des Herzens zeigt, ist der Röntgen-Thorax sehr auffällig: • Die linke Lunge ist verkleinert, mit einer ipsilateralen Verschiebung des Mediastinums und der Trachea. Ebenfalls links ist ein ausgeprägtes Lungenemphysem erkennbar, mit Bronchiektasien und Kavitationen vor allem im Oberlappen. Der Recessus ist stumpf, vereinbar mit einer pleuralen Verdickung oder einem kleinen Pleuraerguss. • Die rechte Lunge ist überbläht, mit multiplen kleinen, teilweise konfluierenden Verschattungen im Unterlappen und perihilär. • Die abgenommenen Laborwerte sind weitgehend normal, nur Cholesterin ist mit 245 mg/dl erhöht. • Xavier wird am nächsten Tag Sputum abgenommen, in dem beim Direktpräparat einige Säure-feste Stäbchen sichtbar sind. • Der zwei Tage später abgelesene Tuberkulintest ist stark positiv, der Knoten hat einen Durchmesser von 22 mm (normal: <10). Die ebenfalls mittlerweile durchgeführten Tests auf HIV und Candida sind dagegen negativ, so dass Xavier mit dem Verdacht auf eine offene Tuberkulose isoliert und mit einer Viererkombination behandelt wird. • Unter Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol und Pyrazinamid bessert sich der Husten etwas, Xavier bleibt fieberfrei. Nachdem zwei Wochen später das Sputum mehrfach frei von Mykobakterien ist, wird Xavier mit einer bestehenden Vierermedikation entlassen. In den nächsten Wochen beginnt er auch, wieder etwas Gewicht zuzunehmen. • Drei Monate nach der Tbc-Diagnose wird der Husten wieder stärker, mit etwas klarem Auswurf. Auch unter leitliniengerechter weiterer Tbc-Therapie verschlechtert sich Xaviers Zustand, Husten, Belastungsdyspnoe und Appetitlosigkeit sind stärker als vorher. Xavier wird wieder stationär eingewiesen. Jetzt sind eine Tachykardie von 108/min, eine tief stehende Leber (3 cm unter dem Rippenbogen, 5 cm Größe gesamt), und ein starker auffälliges Röntgenbild der Lunge dazugekommen: • Bei der Aufnahme ist die Vitalkapazität auf 40% der Norm vermindert, die FEV1 dagegen ist normal. Der Sauerstoff-Partialdruck unter Raumluft ist 38 mm Hg, mit reinem Sauerstoff steigt er auf 73 mm Hg. • Xaviers Zustand bessert sich trotz intensiver Therapie nicht, auch mit Erythromycin und Ampicillin-Sulbactam nehmen die Lungeninfiltrate zu. Während des vierten Tages sinkt der Blutdruck auf 74 / 45 mm Hg, Xavier wird auf die Intensivstation verlegt, wo er am folgenden Tag im Herz-Kreislaufversagen stirbt. • Bei Xavier wird die Grundkrankheit und die Todesursache durch eine Autopsie gesucht. Hierbei ist die linke Lunge insgesamt vergrößert: • Histologisch findet sich kein Hinweis auf Erreger oder auf eine entzündliche Reaktion. Dafür sind die Alveolen und Bronchien dicht ausgekleidet mit säulenförmig angeordneten Zellen, die einen großen Kern und ein granuläres Zytoplasma haben: