Jetzt gibt ein Mini den Herz-Takt an

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Sonntag, 24. Januar 2016 / Nr. 4 Zentralschweiz am Sonntag
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Jetzt gibt ein Mini den Herz-Takt an
GESUNDHEIT Ein schmales
Röhrchen statt ein klobiges
Kästchen: Am Luzerner
Kantonsspital wird eine neue
Generation von Herzschrittmachern eingesetzt. Mini,
sondenlos und implantiert
direkt in der Herzkammer.
INTERVIEW HANS GRABER
[email protected]
Der sondenlose Herzschrittmacher gilt
als der aktuell kleinste Herzschrittmacher, er ist kaum grösser als eine
Vitaminpille. Was ist neben seiner bescheidenen Dimension das Spezielle
daran?
Richard Kobza*: Da muss ich ein wenig
ausholen: Die meisten konventionellen
Herzschrittmacher werden unterhalb
des Schlüsselbeins in eine kleine Hauttasche eingebettet. Dieses Herzschrittmachersystem erfordert ausserdem eine
bis drei Elektroden. Das sind dünne,
weiche und isolierte Drähte, die über
Venen ins Herz geführt und an den
Herzschrittmacher angeschlossen werden. Die Elektroden leiten den elektrischen Impuls vom Schrittmacher zum
Herzen und senden Informationen über
die Aktivität des Herzens an den Schrittmacher zurück, um einen regelmässigen
Herzschlag zu unterstützen (siehe auch
Kasten).
Und nun gibt es das im Mini-Format?
Kobza: Mini ja, aber es funktioniert anders. Ein sondenloser Herzschrittmacher,
den wir seit letztem Jahr erfolgreich am
Luzerner Kantonsspital einsetzen, ist ein
System, das Generator, Batterie und Verbindung vom Herzschrittmacher zum
Herz in Form einer kleinen, vollständig
in der rechten Herzkammer implantierbaren Kapsel in sich vereint. Dieser sogenannte Leadless Pacemaker wird über
einen steuerbaren Katheter in der rechten
Herzkammer verankert. Nach dem Verankern wird die Kapsel vom Katheter
abgekoppelt. Das aktuell verfügbare System hat vier Haken, die bei der Freisetzung aus dem Katheter exponiert werden
und sich im Gewebe (Trabekelwerk) des
Herzmuskels verankern.
Was hat denn dieses System für Vorteile gegenüber herkömmlichen Modellen?
Jährlich rund 5000
Implantationen
ZAHLEN red. In der Schweiz wurden
2014 in 74 Spitälern knapp 5000
Herzschrittmacher und 1150 Defibrillatoren neu implantiert (Luzerner Kantonsspital: 400), mit Abstand am meisten Zweikammerschrittmacher (66 Prozent). Die
Zahl der Implantationen ist in den
letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. In den 1990er-Jahren lag
sie noch bei rund 2500.
" Knapp 60 Prozent der Patienten
sind Männer. 35 Prozent der Patienten sind zwischen 71 und 80
Jahre alt, 38 Prozent zwischen 81
und 90 Jahren, 13,5 Prozent zwischen 61- und 70-jährig. Schrittmacher bei unter 60- und über
90-Jährigen sind seltener.
" Die Implantationen von Ein- und
Zweikammerschrittmachern erfolgen heute häufig ambulant, teilweise auch für CRT und CRT-ICD.
" Neben den Erstimplantationen
wurden 2014 gesamtschweizerisch
in rund 1600 Fällen die Schrittmacher erneuert, zumeist, weil die
Lebensdauer der Batterie erschöpft
war (sie hält rund 5 bis 10 Jahre).
" Die Technik und damit auch die
Schrittmacher werden immer ausgefeilter. Zum Teil kann ihre Funktion fernüberwacht und -justiert
werden (Daten werden einmal
täglich ans behandelnde Spital
übermittelt). Einschränkungen zum
Beispiel im Umgang mit WLAN/
Handy sind bei modernsten Geräten kaum mehr nötig, zudem sind
die Schrittmacher auch für ein MRI
kein Hinderungsgrund mehr.
Herkömmlicher (links) und sondenloser Mini-Herzschrittmacher. Das neue
System ist vorerst nur für einen kleinen Teil der Patienten verfügbar.
Bild Manuela Jans-Koch
Kobza: Die Konstruktion von Herzschrittmachern ohne Elektroden hilft, einige
Probleme der konventionellen Schrittmacherbehandlung zu vermeiden. Das
Fehlen einer Sonde verhindert Probleme
in den zuführenden Venen und Komplikationen an Elektroden. Aufgrund des
minimalinvasiven Implantationsverfahrens hinterlässt die Kardiokapsel auch
keine sichtbaren Anzeichen auf ein medizinisches Gerät. Dies bedeutet, dass der
Patient nach der Implantation bei bestimmten Aktivitäten unter Umständen
weniger eingeschränkt ist, wobei auch die
bis anhin verwendeten Schrittmachersysteme die Patienten im Alltag meist
nicht gross behindern.
Hat er allenfalls auch Nachteile?
Kobza: Da es aktuell noch keinen sondenlosen Mehrkammerschrittmacher gibt, ist
dieses Gerät nur für Patienten geeignet,
die ein Einkammersystem brauchen. Das
ist höchstens bei 10 bis 20 Prozent der
Herzschrittmacher-Patienten der Fall (siehe auch Kasten).
Was ist ein Einkammersystem?
Kobza: Ein Einkammerstimulationssystem ist, wie es der Name andeutet, ein
Herzschrittmachersystem, das nur eine
Herzkammer beeinflusst. Der sondenlose
Herzschrittmacher wird in der rechten
Hauptkammer platziert. Bei diesem System bleiben also die Herzvorkammern
(Vorhöfe) unbeeinflusst. Deshalb eignet
sich das System vor allem für Patienten,
die keine Stimulation in den Vorhöfen
brauchen, was zum Beispiel bei Vorhofflimmern nötig sein kann. In Frage kommt
dieses System auch bei Patienten, die den
Herzschrittmacher nur sehr wenig brauchen, um plötzlich eintretende Bewusstlosigkeiten zu verhindern.
«Die Miniaturisierung
weiterer Systeme ist
erstrebenswert.»
P D D R . M E D . R I C H A R D KO B Z A ,
C H E FA R Z T KA R D I O LO G I E LU K S
Wie verläuft ein Eingriff mit dem sondenlosen Herzschrittmacher?
Kobza: Der Arzt führt ein strohhalmartiges Kathetersystem in eine Vene ein,
üblicherweise geschieht dies im Bereich
des oberen Oberschenkels. Dies macht
man unter lokaler Betäubung des Patien-
ten, es ist also keine Vollnarkose notwendig. Über das Kathetersystem wird
die Schrittmacherkapsel in die rechte
Herzkammer gebracht, dort an der Herzwand positioniert und mit flexiblen Fixierungsankern gesichert.
Jeder Eingriff ist mit Risiken verbunden. Was sind bei diesem System
mögliche Komplikationen?
Kobza: Theoretisch gefürchtet ist eine
Loslösung der Kapsel. In einer Studie mit
über 700 Patienten wurde das aber nie
beobachtet. Eine weitere Komplikation ist
eine sogenannte Perforation. Gemeint ist
damit ein Austritt von Blut aus dem
Herzen in den Herzbeutel. Allgemein
kann gesagt werden, dass gemäss den
vorliegenden Studiendaten die Komplikationsrate beim neuen sondenlosen
Schrittmachersystem nicht höher ist als
bei den konventionellen Systemen. Dort
liegt sie im unteren einstelligen Prozentbereich. Langzeitstudien für den sondenlosen Schrittmacher fehlen aber noch.
Was ist mit der Nachsorge?
Kobza: Auch sie unterscheidet sich nicht
von konventionellen Herzschrittmachern.
Der erste Nachsorgetermin liegt in der
Regel 4 bis 6 Wochen nach der Implantation. Weitere Nachsorgetermine finden
üblicherweise alle 6 bis 12 Monate statt.
Dabei kann der Schrittmacher von aussen
mit einem Abfragegerät kontrolliert wer-
Verschiedene Typen von Herzschrittmachern
EINSATZMÖGLICHKEITEN red. Ein
Herzschrittmacher (engl. Pacemaker)
ist ein elektrisches Gerät, das die Herzfrequenz bei zu langsamem Herzschlag
(Bradykardie) beschleunigen kann. Das
Gerät stimuliert den Herzmuskel mit
Hilfe von elektrischen Impulsen und
regt diesen so zur Kontraktion an.
Herzschrittmacher werden bei Patienten eingesetzt, bei denen eine
krankhafte Verlangsamung des Herzschlages diagnostiziert wurde, was zu
Schwindelanfällen, Leistungsschwäche
und Bewusstseinsverlust führen kann.
Der Schrittmacher sendet einen nicht
spürbaren elektrischen Impuls an das
Herz, wenn der natürliche Herzrhythmus zu langsam ist oder gar aussetzt.
Er stellt die normale Herzfrequenz
wieder her und sorgt für eine ausreichende Blutversorgung des Körpers.
Einkammerschrittmacher
Je nach Art der Rhythmusstörung
wird bei herkömmlichen Systemen
eine Elektrode (dünner, weicher Draht)
entweder in den rechten Vorhof oder
in die rechte Herzkammer geführt.
Diese Einkammerschrittmacher können jetzt teilweise abgelöst werden
durch einen sondenlosen Herzschrittmacher (siehe Interview).
Zweikammerschrittmacher
Noch nicht möglich ist dies beim
Zweikammerschrittmacher, der über je
eine Elektrode im rechten Vorhof und
in der rechten Kammer verfügt. Dieser
Schrittmacher bietet erweiterte Funktionen für Erkennung und Therapie
von Herzrhythmusstörungen.
CRT
Ein anderes Ziel als das Verhindern
eines langsamen Herzschlags hat die
sogenannte CRT (kardiale Resynchronisationstherapie). Eine CRT ist im
Kern ein normaler Herzschrittmacher,
bei welchem eine zusätzliche (dritte)
Elektrode an die freie Wand der linken
Hauptkammer gelegt wird. Implantiert
wird ein solches Gerät Patienten mit
ausgeprägter Herzschwäche (Herzinsuffizienz), bei welchen sich zudem
nicht alle Herzwandabschnitte gleichzeitig zusammenziehen, was zu typischen Veränderungen der Herzstromkurve (Linksschenkelblock) führt. Die
CRT hat zum Ziel, dass das Herz
wieder synchron stimuliert wird und
die ungünstigen Effekte des Linksschenkelblocks ausgeglichen werden.
Das hilft, die Pumpkraft des geschwächten Herzens zu steigern.
CRT mit integriertem Defibrillator
Da Patienten mit ausgeprägter Herzinsuffizienz oft auch ein markant erhöhtes Risiko von plötzlichen und
lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen (Kammerflimmern) haben,
werden die Geräte heutzutage immer
häufiger mit einem implantierbaren
Defibrillator kombiniert (CRT/ICD
bzw. CRT-D).
den, geprüft werden die Funktion und
die Batteriereserve.
Geht die Entwicklung auch bei anderen Schrittmachern Richtung mini?
Kobza: Aus meiner Sicht ist es absolut
erstrebenswert, dass auch Mehrkammersysteme miniaturisiert werden. Aktuell
besteht aber noch das Problem, dass die
Kommunikation zwischen den Systemen
in zwei Herzkammern zu viel Strom verbraucht. Bis dieses Problem durch die
Hersteller gelöst wird, wird es wohl noch
einige Jahre dauern. Das bedeutet, dass
wir in den nächsten Jahren weiterhin
vorwiegend mit den etablierten Systemen
mit Elektroden arbeiten werden.
HINWEIS
* PD Dr. med. Richard Kobza ist Chefarzt
Kardiologie am Luzerner Kantonsspital.
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Angst vorm Zahnarzt
Dentophobie
Angst vor dem Zahnarzt ist ein weit
verbreitetes Problem. Manche Menschen leiden sogar unter extremer
Dentophobie und vermeiden die Behandlung, bis die Zahnschmerzen unerträglich werden. Auf dem Zahnarztstuhl kann es dann zu Herzrasen, Zittern, Schweissausbrüchen, Würgereiz,
oder sogar Kreislaufkollaps kommen.
Schlimm für diese Patienten ist, dass
sie mit ihrer Angst oft nicht ernst
genommen werden, selbst von ihrem
eigenen Zahnarzt nicht („Tut doch gar
nicht weh“). Daher haben wir uns
schon seit über zehn Jahren auf die
Behandlung von Angstpatienten
spezialisiert. Neben einfühlsamen,
sanften Behandlungsmethoden setzen
wir auf Lachgas, das für die meisten
Patienten eine ideale Entspannung
ohne Nach- und Nebenwirkungen
bewirkt. Auch stärkere Beruhigungsmittel (Dämmerschlaf) oder Vollnarkose können in bestimmten Fällen
hilfreich sein. Im Vordergrund steht
aber immer der Abbau der Angst.
Ausführliche Infos: www.ztlu.ch
Zahnarzt Team Luzern
Praxis Dr. Schulte
Winkelriedstrasse 37
6003 Luzern – Tel. 041 210 58 58
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