L ETZTE Ä NDERUNG : 5. D EZEMBER 2006 Vorlesung: Einführung in die Spieltheorie WS 2006/2007 8. Vorlesung 28. November 2006 2.4 Guido Schäfer Reduktion der Preis der Anarchie auf Pigou-ähnliche Instanzen Bezeichne G= ein Graph der aus zwei Knoten V = = {s,t} und zwei parallelen Kanten E = = {ē, e} besteht (wie im Beispiel von Pigou). Sei C eine Menge von nicht-negativen, schwach monoton steigenden, differenzierbaren und semi-konvexen Latenzfunktionen, die insbesondere alle konstanten Funktionen enthält. Satz 2.4. Sei (G, r, c) eine Selfish Routing Instanz mit Latenzfunktionen (ce )e∈E ∈ C |E| . 2 Dann ist der Preis der Anarchie ρ(G, r, c) ≤ ρ(G= , r= , c= ) mit (c= e )e∈{ē,e} ∈ C . Beweis. Sei f ein Nash-Fluss für (G, r, c). Wir fügen für jede Kante e ∈ E eine parallele Kopie ê hinzu. Den resultierenden Graphen bezeichnen wir mit Ĝ. Definiere die Latenzfunktion ĉe (x) := ce (x) für jede Originalkante e ∈ E und ĉê (x) := ce ( fe ) für jede Kopieˆ um die Instanz (G, r, c) bzw. (Ĝ, r, ĉ) zu bezeichnen. kante ê. Wir verwenden I und I, Behauptung 2.1. ˆ f ist ein Nash-Fluss für I. Beweis. f ist ein Nash-Fluss für I. Die Latenz auf der Kante ê ist eine flussunabhängige Konstante ce ( fe ), die gleich der Latenz auf der Kante e mit Fluss fe ist. Somit wird kein Fluss von fe von seiner Kante e zu einer Kante ê in Ĝ wechseln wollen. Insbesondere haben die flussführenden Pfade in Ĝ minimale Kosten; f ist also auch ein Nash-Fluss für ˆ die Instanz I. ˆ Sei fˆ∗ ein optimaler Fluss für I. Behauptung 2.2. Sei g ein zulässiger Fluss für I. Dann gilt: CIˆ( fˆ∗ ) ≤ CI (g). ˆ Die Kosten eines optimalen Fluss Beweis. Der Fluss g ist auch ein zulässiger Fluss für I. ˆf ∗ in Iˆ können also nur kleiner oder gleich den Kosten von g in I sein. Wir behaupten nun, dass wir durch geschicktes ausbalancieren des Flusses fe zwischen e und ê für alle Kanten e ∈ E einen optimalen Fluss fˆ∗ für Iˆ erzeugen können. Betrachte eine Kante e ∈ E mit fe > 0. Wir rebalancieren den Fluss fe so, dass die marginalen Kosten bzgl. ĉ auf e und ê identisch sind; d.h. wir bestimmen ein x0 , so dass ĉ∗e (x0 ) = ĉ∗ê (x0 ). Nach Definition der Latenzfunktionen ĉ in Iˆ ist dies äquivalent zu ce (x0 ) + x0 · c0e (x0 ) = c∗e (x0 ) = ĉ∗e (x0 ) = ĉ∗ê (x0 ) = c∗e ( fe ) = ce ( fe ). 35 (7) Behauptung 2.3. Es existiert immer ein x0 ∈ [0, fe ], so dass (7) erfüllt ist. Wir definieren fˆe∗ := x0 und fˆê∗ := fe − x0 für jede Kante e ∈ E. Behauptung 2.4. ˆ fˆ∗ ist ein optimaler Fluss für I. ˆ Ferner haben wir fˆ∗ so Beweis. fˆ∗ ist nach Konstruktion ein zulässiger Fluss für I. gewählt, dass er ein Nash-Fluss für die marginalen Kostenfunktionen (ĉ∗e )e∈E ist. Nach ˆ Korollar 2.2 ist fˆ∗ damit ein optimaler Fluss für I. Der Preis der Anarchie für I ergibt sich nun wie folgt: Sei f ∗ ein optimaler Fluss für I. CI ( f ) CI ( f ) ∑e∈E ce ( fe ) · fe ≤ = CI ( f ∗ ) CIˆ( fˆ∗ ) ∑e∈E (ĉe ( fˆe∗ ) · fˆe∗ + ĉê ( fˆê∗ ) · fˆê∗ ) ∑e∈E ce ( fe ) · fe = ∑e∈E (ce ( fˆe∗ ) · fˆe∗ + ce ( fe ) · fˆê∗ ) ce ( fe ) · fe ≤ max e∈E ce ( fˆe∗ ) · fˆe∗ + ce ( f e ) · fˆ∗ ê Die erste Ungleichung folgt von Behauptung 2.2; die letzte gilt, da ∑i ai / ∑i bi ≤ maxi ai /bi . Wenn wir uns den letzten Ausdruck anschauen, ist dies der Preis der Anarchie = auf einer Instanz (G= , r= , c= ) mit r= = fe und c= ē (x) = ce (x) und ce (x) = ce ( f e ). Satz 2.4 ist bemerkenswert. Er besagt, dass der Preis der Anarchie einer gegebenen Instanz (G, r, c) mit Latenzfunktionen aus der Klasse C nicht schlechter ist als der Preis der Anarchie auf einer Pigou-ähnlichen Instanz mit den entsprechend spezifizierten Latenzfunktionen c= . Bemerke, dass wir im Beweis insbesondere ausnutzen, dass die Klasse C der Latenzfunktionen alle konstanten Latenzfunktionen beinhaltet. Zur Illustration betrachten wir die Pigou-ähnliche Instanz (G= , r= , c= ) hier noch einmal (siehe Abbildung 5). ce (x) ē fe s t e ce ( f e ) Abbildung 5: Pigou-ähnliche Instanz (G= , r= , c= ) aus dem Beweis von Satz 2.4. Ein Nash-Fluss f ergibt sich durch fē = fe und fe = 0 und hat Kosten C( f ) = ce ( fe ) · fe . Ein optimaler Fluss f ∗ weist fē∗ = x0 und fe∗ = fe − x0 zu, so dass c∗ē (x0 ) = ce (x0 ) + x · c0e (x0 ) = ce ( fe ) = c∗e (x0 ). 36 Die Kosten von f ∗ sind C( f ∗ ) = fē∗ · ce ( fē∗ ) + fe∗ · ce ( fe ). Dies entspricht also genau der Konstruktion im Beweis von Satz 2.4. Wir wenden Satz 2.4 nun auf spezielle Klassen von Latenzfunktionen an; wobei wir uns auf Pigou-ähnliche Instanzen zurückziehen können. 2.4.1 Konstante Latenzfunktionen Sei C := {(ce )e∈E : ce (x) = be , be ≥ 0}. be ē r s t e be Abbildung 6: Pigou-ähnliche Instanz (G= , r= , c= ) für Latenzfunktionen C . Es ist leicht zu sehen, dass ein Nash-Fluss die gleichen Kosten hat wie ein optimaler Fluss (siehe Abbildung 6). Somit gilt ρ(G, r, c) = 1. 2.4.2 Lineare oder konstante Latenzfunktionen Betrachte C := {(ce )e∈E : ce (x) = ae · x, ae ≥ 0} ∪ {(ce )e∈E : ce (x) = be , be ≥ 0}. Letztere Latenzfunktionen haben wir bereits oben charakterisiert. Betrachte nun Funktionen der Form ce (x) = ae · x . ae · x ē r s t e ae · r Abbildung 7: Pigou-ähnliche Instanz (G= , r= , c= ) für Latenzfunktionen C . 37 Es gilt: fē = r und fe = 0 ist ein Nash-Fluss. Desweiteren ist fē∗ = x0 und fe∗ = r − x0 ein optimaler Fluss mit 2ae · x0 = ae · r ⇔ x0 = r/2. Somit gilt: C( f ) r · ae · r 4 = = . ∗ C( f ) r/2 · ae · r/2 + r/2 · ae · r 3 2.4.3 Affin lineare Latenzfunktionen Sei C := {(ce )e∈E : ce (x) = ae · x + be , ae , be ≥ 0}. Wir ersetzen jede Kante e ∈ E mit Latenzfunktion ce (x) = ae · x + be durch einen Pfad aus zwei Kanten mit Latenzfunktion ae · x und be (siehe Abbildung 8). Nash-Flüsse und optimale Flüsse werden durch diese Kantenersetzung nicht verändert. ae · x + be ae · x be Abbildung 8: Kantenersetzung Das resultierende Netzwerk hat Latenzfunktionen wie oben und somit ist der Preis der Anarchie für Selfish Routing Instanzen mit affin linearen Latenzfunktionen 4/3. Satz 2.5. Der Preis der Anarchie für eine Selfish Routing Instanz (G, r, c) mit affin linearen Latenzfunktionen ist ρ(G, r, c) ≤ 4/3. Pigou’s Beispiel zeigt, dass es Instanzen gibt, für die diese Abschätzung scharf ist. 2.4.4 Polynomielle Latenzfunktionen mit Grad p Sei (p) (p−1) p−1 C p := {(ce )e∈E : ce (x) = ae x p +ae x (0) (i) +· · ·+ae , ae ≥ 0 für alle i ∈ {0, 1, . . . , p}}. Wir wenden den gleichen Trick an wie oben: Ersetze jede Kante durch einen Pfad aus p + 1 Kanten und teile die Latenzfunktionen entsprechend auf diesen Kanten auf. Wir betrachten hier nur die (für die asymptotische Betrachtung relevanten) Kanten der Form (p) ae x p ; siehe Abbildung 9. Für die verbleibenden Kanten könnne wir induktiv argumentieren (ähnlich wie oben). 38 (p) ae · x p ē r s t e (p) ae · r p Abbildung 9: Pigou-ähnliche Instanz (G= , r= , c= ) für Latenzfunktionen C . Für den Nash-Fluss gilt: fē = r und fe = 0. Daher ist C( f ) = a(p) r p+1 . Für den optimalen Fluss muss gelten: fē∗ = x0 und fe∗ = r − x0 , wobei r a(p) x0p + x · p · a(p) x0p−1 = a(p) r p ⇔ x0p (p + 1) = r p ⇔ x0 = (1 + p)1/p Somit sind die Kosten eines optimalen Flusses r a(p) r p r C( f ) = · + r− a(p) · r p (1 + p)1/p (1 + p) (1 + p)1/p 1 (p) p+1 = a ·r 1− p· (1 + p)1+1/p ∗ Betrachtet man nun den Preis der Anarchie für diese Instanz, ergibt sich −1 1 C( f ) = 1− p· . C( f ∗ ) (1 + p)1+1/p Satz 2.6. Der Preis der Anarchie für Selfish Routing Instanzen (G, r, c) mit Polynomen vom Grad p als Latenzfunktionen ist −1 p 1 =Θ . ρ(G, r, c) ≤ 1 − p · ln p (1 + p)1+1/p Ein paar Werte für p: p ρ(G, r, c) 1 ≈ 1.333 2 ≈ 1.626 3 ≈ 1.896 ... Tabelle 1: Preis der Anarchie in Abhängigkeit von p. Satz 2.6 zeigt auch, dass ρ(G, r, c) → ∞ wenn p → ∞ (vgl. auch Aufgabe 2, Übung 4). Die Intuition ist damit, dass der Preis der Anarchie klein ist, wenn die Latenzfunktionen relativ moderat ansteigen; wachsen die Latenzfunktionen hingegen schnell, ist der Preis der Anarchie unbegrenzt. 39 2.5 Alternativer Beweis Im weiteren Verlauf entwickeln wir einen alternativen Beweis von Satz 2.5; die dabei gewonnenen Einsichten werden sich später als nützlich erweisen. Wir benötigen zunächst die folgende Definition: Definition 2.7. Sei f ein zulässiger fester Fluss für eine Selfish Routing Instaz (G, r, c). Wir definieren die Kosten eines Flusses x relativ zu f als C f (x) := ∑ xe · ce( fe). e∈E D.h. die Kosten einer Kante werden durch f vorgegeben; die Flussmenge jedoch durch x. Mittels dieser Definition ergibt sich eine weitere Charakterisierung von Nash-Flüssen: Satz 2.7. Sei f ein zulässiger Fluss für die Selfish Routing Instanz (G, r, c) mit nichtnegativen, schwach monoton steigenden und differenzierbaren Latenzfunktionen. Dann ist f genau dann ein Nash-Fluss, wenn C f ( f ) ≤ C f (x) für alle zulässigen Flüsse x. Beweis. Sei f ein Nash-Fluss. Nach Korollar 2.1 gilt für jede commodity i ∈ [k] und P1 ∈ Pi mit fP1 > 0: cP1 ( f ) = ci ( f ). Ferner gilt für jeden Pfad P2 ∈ Pi mit fP2 = 0: cP2 ( f ) ≥ cP1 ( f ) = ci ( f ). Somit haben wir: ! ! C f ( f ) = C( f ) = ∑ ∑ ci ( f ) · fP = i∈[k] P∈Pi = ∑ ∑ i∈[k] P∈Pi ci ( f ) · xP ≤ ∑ ci( f ) ∑ i∈[k] ∑ ∑ fP P∈Pi = ∑ ci( f ) ∑ i∈[k] xP P∈Pi cP ( f ) · xP = C f (x). i∈[k] P∈Pi Um die umgekehrte Richtung zu zeigen, nehmen wir an, dass C f ( f ) ≤ C f (x) für alle zulässigen Flüsse x und f ist kein Nash-Fluss. Dann gibt es eine commodity i ∈ [k] und zwei Pfade P1 , P2 ∈ Pi mit fP1 > 0 und cP1 ( f ) > cP2 ( f ). Sei x der Fluss, der aus f entsteht, wenn man den Fluss von P1 auf P2 verlagert. Es gilt: C f ( f ) −C f (x) = fP1 · cP1 ( f ) − fP1 · cP2 ( f ) = fP1 · (cP1 ( f ) − cP2 ( f )) > 0, ein Widerspruch. 40