Die hormonelle Gestimmtheit

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Medizin
12
Ärzte Woche
Die hormonelle Gestimmtheit
Ist Hypercholesterinämie psychosomatisch? Zusammenhang zwischen Cholesterin, Testosteron und Psyche.
Von Dr. Julia Rüsch
ist ein Laborbefund ohne Anamnese
nicht aussagekräftig, da eine ausführliche Erhebung der Lebensumstände
erforderlich ist, um die einzelnen Laborwerte (s. Kasten) in ihrer Gesamtheit erfassen zu können.
Cholesterin ist der Baustein, aus dem
die Steroidhormone gebildet werden.
Durch Abspaltung dreier Methylgruppen, Hydrierung und Isomerisierung entsteht aus dem Cholesterin
Testosteron und aus Testosteron mit
Hilfe der Aromatase Östradiol.
Testosteron ist nicht das „männliche Hormon“, sondern das „Lebenshormon“ für Männer und Frauen.
Frauen erzeugen mindestens genausoviel Testosteron wie Männer, um daraus Östradiol, das „weibliche Hormon“, zu bilden, auch wenn dieses
Testosteron nur sehr kurz – und daher
geringer messbar – im Blut ist, da es
gleich in Östradiol umgewandelt wird.
Eine ausführliche Anamnese der
Lebensumstände umfasst das Zusammenspiel zwischen Körper, Seele,
Familie-Freunden-Umwelt, Gedanken aufgrund vorgegebener Erfahrungen sowie von Sexualität, die
mehr bedeutet als Erektion oder Geschlechtsverkehr, sondern MannSein, Frau-Sein, Kind-Sein und die in
allen vorher genannten Teilbereichen
enthalten ist. Unterschiedliche
bio psy cho sozio mental sexuelle
Gründe
führen
Psyche beeinflusst
Testosteronproduktion
Bei Stress wird der Grundbaustein
Cholesterin zur vermehrten Bildung
von Cortisol „verbraucht“ und verdrängt die Bildung von Testosteron,
was zu einem Testosteronmangel
führt. In der Natur kommt Stress nur
kurz, etwa auf der Flucht, vor, und
dient einer Art „Vollgas geben“, das
aber wie beim Autofahren nicht auf
Dauer sein darf. Bildet die Frau aufgrund der Lebensumstände zu wenig
Östradiol, bleibt zu viel Testosteron
über, was etwa zu Akne oder verstärkter Behaarung führt und weiterreichende Folgen hat.
Ernährung überbewertet
Mehr als zwei Drittel des Cholesterins werden vom Körper selbst produziert, nur höchstens ein Drittel wird mit der Nahrung zugeführt,
in manchen
Studien
Laborwerte und Anamnese
Ein isolierter Laborwert ist nicht
aussagekräftig und darf nicht als
Grundlage einer Therapie herangezogen werden, vor allem, wenn diese
medikamentös ist und damit potentielle Gefahren und tatsächliche Nebenwirkungen mit sich zieht. Ebenso
24. Juni 2010
zu Störungen
an verschiedenen
Stellen des Körpers beziehungsweise der Hormonproduktion.
Wird aufgrund der Lebensumstände zu wenig Testosteron gebildet,
wird durch Wiederverwertung immer
mehr Cholesterin als Rohstoff für
Testosteron bereit gestellt. Aufgrund
der psychosomatischen Nichtproduktion des Testosterons verstopft
das übermäßig bereitgestellte Cholesterin die Gefäße. Dies führt dann
zu Arteriosklerose, Bluthochdruck,
Herzinfarkt, Schlaganfall – auch oder
besonders bei schlanken Menschen.
Basis einer
Untersuchung
Folgende Laborwerte sollten
bestimmt werden: KBB,
Retikulozyten, BSK, CRP,
Glucose, Chol, LDL, HDL, TG,
GOT, GPT, gGT, Bilirubin ges,
alk. Phosphatase, LDH, CK,
Eiweiß ges, Krea, HS, Fe,
Ferritin, Transferrin, Na, K, Ca,
Mg, Vit B12, Folsre, TSH, LH,
FSH, Testosteron, SHBG,
Östradiol, Progesteron, Prolaktin,
Cortisol, ACTH, Prolaktin, Vit D.
Wirkung von Testosteron
ist sogar nur
von fünf Prozent die
Rede. Die Rolle der Ernährung
ist damit minimal und in der Patientenberatung überbewertet.
Testosteron wirkt auf alle Hormonsysteme, wechselseitig, zum Beispiel auf die Schilddrüsenhormone,
die jede einzelne Zelle im Körper anregen und aktivieren, oder auf Vitamin D. In einer Wechselwirkung mit
dem Erythropoietin – Epo wie es bei
der Tour de France genannt wird
–fördert Testosteron die Bildung der
Erythrozyten, die Sauerstoff in alle
Organe transportieren.
Es sind Testosteronrezeptoren,
die Zucker aus dem Blut in die Zelle
aufnehmen. So kommt es durch
Stress und Depression, wobei mehr
Stresshormon als Lebenshormon gebildet wird, zu einem Testosteronmangel und damit zu einer Hyperglykämie (Diabetes).
Ein Testosteronmangel führt also
zu den unterschiedlichsten Erkrankungen im gesamten Körper. Daher
ist es so wichtig, bei jeder Erkrankung
eine ausführliche biopsychosoziomentalsexuelle Anamnese zu machen und eine Bestimmung der Hormone im Blut zu veranlassen, um
Zusammenhänge zu sehen.
Gedanken und Emotionen steuern
Nicht Alter, sondern Lebensform
Vielmehr geht es darum, die direkten Informationen an das Gehirn
– also Gedanken, Emotionen, Empfindungen, Wünsche – so zur Verfügung zu stellen, dass Gonadotropine
des Hypophysenvorderlappens, Bildung von Sexualhormonen und
Stresshormonen, sowie Recycling
von Cholesterin zur Rohstoffbereitstellung im Gleichgewicht sind.
Die Ursachen einer „falschen“ Information sind immer biopsychosoziomentalsexueller Natur. Wenn man
etwa konträr zu seinen Instinkten
lebt, zum Beispiel so wie es die gesellschaftliche Struktur erwartet, und
man gleichzeitig glaubt, dass die Natur das so vorsieht, dann spürt der
Körper diesen Widerspruch, kennt
sich nicht aus und ein Ungleichgewicht entsteht, in welcher Form auch
immer. Als Beispiel: Ein verheirateter
Mann, der seiner Frau treu sein will,
redet sich ein, nicht mehr an anderen
Frauen interessiert zu sein, ja sie nicht
einmal anzuschauen und als Frauen
wahrzunehmen. Das widerspricht
der Natur: Evolutionsbedingt wollen
Es wird oft gesagt, dass der Testosteronspiegel sowie das Interesse an
Sexualität im Alter sinken. Das ist absolut unrichtig. Der vielleicht bei vielen Männern zu niedrige Testosteronspiegel hat nichts mit dem Alter,
sondern mit der Lebensform zu tun.
Konkret haben ein 72-jähriger sowie ein 77-jähriger Patient ganz normale Testosteronwerte. Auffällig sind
die erhöhten Botenstoffe aus dem
Gehirn, Gonadotropine, die trotz
„normal hohem Testosteron“ die Produktion weiter anfeuern.
Bei einem 92-jährigen Patienten ist
das gemessene Testosteron im Blut
zwar unter der Norm, aber auch hier ist
das Steuersystem im Gehirn sehr aktiv.
Und obwohl er jeden Tag drei Eier und
jeden zweiten Tag eierreiches Tiramisu isst, zeigt sich ein normaler Cholesterinspiegel, denn sein Körper braucht
es, um Sexualhormone zu produzieren. Bei diesen drei Patienten sieht
man auch den unglaublich hohen Lebenswillen und Lebensdrang. Diese
Einstellung sorgt für die Ankurbelung
von Testosteron und die Hormonwerte
Testosteronerzeugung wird
über das Gehirn gesteuert
Durch das hypothalamische Hormon Gonadoliberin (GnRH) werden
im Hypophysenvorderlappen die Gonadotropine FSH (Follikel-stimulierendes Hormon) und LH (luteinisierendes Hormon), also Botenstoffe,
ausgeschüttet, welche vor allem in
Ovarien und Hoden die Eizellen- beziehungsweise Spermienreifung (FSH)
und die Produktion von Testosteron
(LH) anregen. In den Ovarien wird
dann, wie beschrieben, Testosteron in
Östradiol umgewandelt.
Ist ausreichend Testosteron vorhanden wird das durch einen Rückkoppelungsmechanismus dem Gehirn gemeldet und entsprechend wird
die Ausschüttung der Vorbotenstoffe
reguliert. Ist zu wenig Testosteron vorhanden, wird gleichzeitig mit der
Rückmeldung ans Gehirn die Produktion des Rohstoffes Cholesterin gesteigert und damit die Erzeugung des Testosteronnachschubs ermöglicht.
Zusätzlich zu dem Feedback-Mechanismus gibt es auch die direkte
Information ans Gehirn. So wurde
festgestellt, dass bei Männern, die bei
der Blutabnahme einer für sie attraktiv
empfundenen Frau mit Ausstrahlung
(Pheromone) gegenüber saßen, die
Testosteronproduktion sofort messbar
gestiegen ist.
Hormonwerte sind eine Momentaufnahme und dadurch ein Spiegelbild der Seele. Es muss immer ein
durch eine gesunde Psychosomatik
abgestimmtes Zusammenspiel vorhanden sein, das sich im Verhältnis,
nicht in der absoluten Zahl des jeweiligen Hormon- beziehungsweise
sonstigen Laborwertes äußert.
sich Männer möglichst oft vermehren, Kinder zeugen und damit ihre
Gene weiter geben, weshalb sie versuchen, bei möglichst vielen Frauen
anzukommen.
Dieser Gegensatz von Instinkten, die unbewusst in jedem von uns
verankert sind, und einem von sich
erwarteten Verhalten führen zu einer Fehlproduktion und zu einem
Testosteronmangel. Untersuchungen zeigen, dass bei Männern die
Testosteronwerte in der Ehe generell niedriger sind als bei Nichtverheirateten. Wenn der Mann hingegen weiß, es ist gegen die Natur aber
sein gesellschaftlicher Wunsch, nur
seine Frau als Frau zu sehen, dann
kann sich der Körper – und damit
das Cholesterin und die Hormone –
darauf einstellen.
zeigen, wie ein Spiegelbild, wo sich die
Psyche befindet.
Suche nach den Ursachen
Es ist essentiell, dass man den
Grund findet, aus dem es zu einer Störung des Zusammenspiels gekommen ist. Die Ursache spielt sich immer
im familiären, sozialen, mentalen, sexuellen Bereich ab. Diese umfassen
einerseits kindliche Erfahrungen,
Eine endogene Depression wird diagnostiziert, wenn der Arzt
zu wenig gefragt hat.
kindliche Verletzungen, die man später versucht wieder gut zu machen,
was die Verletzungen aber nicht ungeschehen macht und daher nicht
geht und andererseits auch das Frauen- und Männerbild, das man mitgenommen hat und das man auch im
Verhältnis zu anderen lebt. Durch
psychosomatische Gespräche, das
sind biopsychosoziomentalsexuelle
ärztliche Gespräche, gilt es, all dem
auf den Grund zu gehen und durch
die Information darüber, wie die Zusammenhänge sind, eine Veränderung beim Patienten herbeizuführen.
Genauso wird der Begriff der Genetik meist missbräuchlich verwendet. Einerseits wissen wir viel zu wenig über die Genetik gesunder Menschen und ob sie nicht auch Gene
aufweisen, die mit Krankheiten assoziiert sind. Andererseits hat der Nobelpreisträger Eric Kandel nachgewiesen, dass die Genexpression durch
Information veränderbar ist. Durch
Erklärungen wie „endogene Ursache“
oder „genetische Veranlagung“ wird
der Blick auf die wahren Ursachen
und Zusammenhänge verstellt.
Eigenproduktion versus
Hormonzufuhr
Eigenproduziertes Testosteron ist
Leben für Mann und Frau, zugeführt
als Medikament ist es genau das Gegenteil und führt zum Tod: Solange
eine Eigenproduktion der Hormone
möglich ist, also weder Ovarien / Hoden noch Schilddrüse etc., entfernt
wurden, dürfen keine Hormone von
außen zugeführt werden, da damit die
Eigenproduktion komplett hinuntergefahren und unterdrückt wird. Es wird
damit nicht die Ursache behandelt, die
noch mehr Schaden nimmt. Hormone
zu substituieren, bei bestehenden Organen, macht nicht nur keinen Sinn,
sondern ist regelrecht katastrophal!
Es wird von außen etwas zugeführt,
was man selber schwer steuern kann.
Jede Hormonzufuhr ist wie eine Autofahrt mit einem fixen Gaspedal ohne
Bremsen, auf das man keinen Einfluss
hat. Wichtig ist aber, dass der Organismus lernt, selbst richtig zu steuern.
Cholesterin ist für die Hormonproduktion unabdingbar. Cholesterin ist Hoffnung, dass etwas entsteht.
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Dr. Julia Rüsch ist Ärztin für Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt
Psychosomatik in der Steiermark.
Foto: wikipedia / Ärzte-Woche-Montage
Arteriosklerose, Hypertonie, Insult, Infarkt – Erkrankungen, denen nachgesagt wird, dass ihnen
eine Hypercholesterinämie zugrunde liegt. Doch was ist die Ursache der Hypercholesterinämie?
Der Zusammenhang zur Psyche
liegt auf der Hand und wird doch
nicht erkannt!
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