Gesellschaftliche Bedeutung von Heimtieren: politische Positionen im Dialog Ergebnisse der Arbeitssitzung des Forum Heimtier am 21. September 2016 Die Verbesserung der Situation der Tierheime in Deutschland, die Förderung der Mensch-TierForschung und mehr Klarheit über Zugangsrechte für Assistenzhunde sind nur einige Forderungen, die in der Jubiläumssitzung des Forum Heimtier gestellt wurden. In den Räumen des Deutschen Bundestages diskutierten die Gäste über notwendige Veränderungen von politischen Rahmenbedingungen, damit Mensch und Tier noch besser voneinander profitieren können. Gleichzeitig konnten die im Bundestag vertretenen Parteien ihre heimtierspezifischen Vorstellungen und Pläne für die nächste Legislaturperiode vorstellen und zur Diskussion stellen. Das Forum Heimtier wurde vor zwei Jahren mit dem Ziel gegründet, die Rolle von Heimtieren in unserer Gesellschaft stärker in den Blick zu nehmen und ein politisches Bewusstsein für die positiven Effekte von Mensch-Tier-Beziehungen zu schaffen. Heute, so der Tenor der Gäste, hat sich mit dem Forum Heimtier ein stabiles Netzwerk für das Thema gebildet. Im Mittelpunkt der Diskussion standen neben der gesundheits- und sozialpolitischen Diskussion insbesondere der Bereich Mensch-Tier-Forschung und die vielfältigen aktuellen Heimtier-Themen, wie Sachkundenachweise oder Tierheimfinanzierung. „Das Forum Heimtier ist ein Gremium, in dem Wissenschaft, NGOs und Politik sachorientiert fraktionsübergreifend relevan- 1 | Arbeitssitzung 21. September 2016 te Themen diskutieren“, erklärte Christina JantzHerrmann, Schirmherrin des Forum Heimtier, auf der jüngsten Sitzung des Forums. Da sich alle Parteien derzeit in Vorbereitung der 2017 stattfindenden Bundestagswahl in einem Programmprozess befänden, sei jetzt der geeignete Zeitpunkt für den Austausch über zukünftige Positionen. Tino Sorge, Schirmherr des Forum Heimtier, beschäftigte sich politisch vor allem mit der Frage nach dem volkswirtschaftlichen Nutzen der Heimtierhaltung. Dabei liege ihm besonders die Förderung der Mensch-Tier-Forschung am Herzen. „Erst durch die entsprechenden wissenschaftlichen Nachweise werden die Voraussetzungen für öffent- Gesellschaftliche Bedeutung von Heimtieren: politische Positionen im Dialog liche Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten für Mensch-Tier-Projekte geschaffen.“ Kristina Richter, Sprecherin der Mars-Initiative Zukunft Heimtier, dankte den Anwesenden für das hohe Engagement und fasste den Inhalt der Debatte folgendermaßen zusammen: „Es gibt viele spannende gesellschaftliche Fragestellungen rund um das Thema Heimtier. In diesem Forum wollen wir weiter dazu beitragen, inhaltliche Debatten zum Thema Heimtiere politisch voranzutreiben und darüber hinaus Bündnisse im Interesse von Mensch und Tier zu stärken. Ich bin gespannt, ob sich der eine oder andere Punkt in den Wahlprogrammen wiederfindet.“ Inhalte der Sitzung: verschiedene Ansatzpunkte für politische Aktivitäten Positive Effekte für die Gesundheit: MenschTier-Forschung stärken Die positiven Effekte von Heimtieren sind ebenso vielfältig wie die Einsatzmöglichkeiten, beispielsweise in der pädagogischen oder pflegerischen Arbeit. Viele kennen die Wirkung von Heimtieren auf die Gesundheit aus eigener Erfahrung, zum Beispiel die Entspannung und Bewegungsförderung bei einem Spaziergang mit dem Hund. Aber auch bei Demenzoder Herz-KreislaufErkrankungen hat der Einsatz von Heimtieren einen überraschenden Effekt gezeigt: Die Medikamenteneinnahme konnte deutlich reduziert werden. Allein, es fehlen belastbare Zahlen aus der Forschung. „Wir benötigen intensivere Forschung in diesem Bereich, die empirische Belege für die sozialen, körperlichen und psychologischen Auswirkungen auf die Patientengesundheit sowie den volkswirtschaftlichen Effekt liefert, so Tino Sorge (CDU), MdB, Schirmherr des Forum Heimtier. „Es müssen Grundlagen dafür geschaffen werden, dass eigene Professuren, Forschungsgruppen oder Netzwerke im Bereich Mensch-Tier-Forschung aufgebaut und etabliert werden können. Nur so schaffen wir die Voraussetzung für öffentliche Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten.“ Perspektivisch sieht der CDU-Gesundheitspolitiker dann auch eine Chance für eine bessere finanzielle Ausstattung in diesem Bereich im Rahmen der angestrebten Aufstockung des Forschungsetats auf Bundesebene. Das gemeinsame Ziel sollte ein eigener Titel im Bildungs- und Forschungsetat für Heimtierforschung sein. Situation der Tierheime: runder Tisch zur Tierheimfinanzierung Christina Jantz-Herrmann (SPD), MdB, Schirmherrin des Forum Heimtier, betonte, dass das Thema Tierschutz zwar viele Menschen bewege. Sobald es aber um das Thema Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung des Tierschutzes gehe, werde es von den Entscheidungsträgern sehr vorsichtig behandelt. Viel zu häufig werde der Tierschutz ökonomischen Interessen untergeordnet. Die Tierschutzbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion zeigte auf, in welchen Bereichen sich poli- 2 | Arbeitssitzung 21. September 2016 Gesellschaftliche Bedeutung von Heimtieren: politische Positionen im Dialog tisch jedoch endlich etwas bewege. Unter anderem finde endlich ein runder Tisch zur Tierheimfinanzierung statt, der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft einberufen wurde. Der runde Tisch sei insbesondere auf Druck der SPDBundestagsfraktion und der Zivilgesellschaft zustande gekommen. „Wir hoffen sehr, dass dieser auch vonseiten der Kommunen und Städte hochkarätig besetzt wird. Wir brauchen jetzt ein deutliches Zeichen, denn die Lage in den deutschen Tierheimen ist prekär“, sagte Jantz-Herrmann. Die Geduld beim Thema Tierheimfinanzierung schwinde. Tierschutz stärken verbessern – Haltungsbedingungen Birgit Menz (Die Linke), MdB, tierschutzpolitische Sprecherin, nahm in ihrem Statement auf verschiedenste Mensch-Tier-relevante Inhalte Bezug. Ihre Partei sei derzeit ebenfalls in der Programmfindung und bisher sei der Tierschutz eher im Bereich der Nutztiere relevant, weniger bei den Heimtieren. „Tiere stellen einen Gewinn für uns Menschen dar. Wir haben die Tiere zu uns geholt und müssen sie nun entsprechend ihrer Lebensweise versorgen. Wichtig ist mir der Sachkundenachweis bereits beim Kauf von Heimtieren“, so Menz. Sie möchte den Beruf des Tierhändlers wieder zum richtigen Beruf machen, um dem Tierwohl besser zu entsprechen. Nicht jedes Tier sollte darüber hinaus ein Haustier sein beziehungsweise nicht jeder sollte ein Haustier halten dürfen. Sie denke beispielsweise über eine Positivliste für Tiere nach, die in Privathaushalten gehalten werden dürfen. 3 | Arbeitssitzung 21. September 2016 Eine Überforderung der Halter gebe es insbesondere bei Exoten, mit massiven Folgen für die Tierheime. Exoten seien schwer vermittelbar, sodass damit zwangsläufig hohe Kosten für die Tierheime entstünden. Sie möchte grundsätzlich eine Registrierpflicht für Tiere festschreiben, damit alle Heimtiere zuordenbar werden. Jeder Mensch sollte darüber hinaus die Möglichkeit zur Tiernähe haben, aber es müsse nicht jeder Mensch ein Tier besitzen. Wichtig sei es zum Beispiel in der frühkindlichen Bildung und in Schulen, Kindern zu vermitteln, was es heißt, Verantwortung für Tiere zu übernehmen. Auch geht es Menz darum, Probleme bei der Tierhaltung in Städten offen zu diskutieren. Hinterlassenschaften und angemessener Auslauf für Hunde seien wichtige Beispiele. Diskussion im Forum: „Positive Forschungsbeispiele im Bereich der Mensch-Tier-Forschung lieferte beispielsweise Österreich. Hier gibt es im veterinärmedizinischen Institut Wien mehrere Forschungsvorhaben, die sich mit den Zielen der Arbeit des Forums decken“, so Undine Kurth, ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete und Vertreterin des Deutschen Naturschutzrings. „Der runde Tisch zum Thema Tierheimfinanzierung findet sehr spät statt. Lohnt es sich in dieser späten Phase der Legislaturperiode überhaupt, Wünsche zu formulieren? Wie ernsthaft können die Bemühungen überhaupt noch sein?“ Sie begrüße es aber, dass sich durch das Forum der Blick auf Heimtiere positiv verändert habe und es grundsätzlich eine höhere Sensibilität für die Mensch-Tier-Beziehung im politischen Gesellschaftliche Bedeutung von Heimtieren: politische Positionen im Dialog Raum gebe. Auch bei der Nutztierhaltung verbessere sich die Wahrnehmung. Zudem sollte ihrer Meinung nach nicht von Sachkundenachweisen, sondern von Fachkundenachweisen gesprochen werden, da es sich bei Tieren nicht um „Sachen“ handele, so Kurth. Den Vertretern der Tierschutzinstitutionen wie dem Deutschen Tierschutzbund war es wichtig zu betonen, dass bei jeder Form der tiergestützten Intervention der Tierschutz an erster Stelle zu stehen habe. Dagmar Wöhrl (CSU), MdB, Präsidentin des Tierschutzvereins Nürnberg-Fürth und Umgebung e.V., betonte die gute parteiübergreifende Zusammenarbeit beim Thema Heimtiere (Qualzuchten, Registrierungspflichten usw.). Tierschutz sollte nicht allein im Landwirtschaftsministerium angesiedelt sein. Eine Idee sei es, einen Tierschutzbeauftragten ministeriumsübergreifend einzusetzen. Dies fand allgemeine Zustimmung. Auch sie wünscht sich, dass Präsidiumsmitglieder der kommunalen Spitzenverbände beim runden Tisch vertreten sind. Ihr Desinteresse sei angesichts der offensichtlichen Zuständigkeit unverständlich. Mehr Klarheit über Zugangsrechte für Assistenzhunde war ein weiteres Thema in der Debatte. So wäre nach Aussage von Sabine Häcker von Hunde für Handicaps, Verein für BehindertenBegleithunde e.V. im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) eine klare Definition und einheitliche Verwendung des Begriffs „Assistenzhund“ wünschenswert gewesen. Darüber hinaus gelte es, die 4 | Arbeitssitzung 21. September 2016 im BGG enthaltene Definition von Barrierefreiheit zu überarbeiten, um so auch den Zugang mit Assistenzhunden zu Gebäuden der Privatwirtschaft zu ermöglichen. Abschließend sprach Ingrid Stephan vom Institut für soziales Lernen mit Tieren über den Zusammenhang zwischen Tierquälerei und Kindesvernachlässigung und forderte einen besseren Austausch der Information zwischen den verantwortlichen Behörden, den Veterinär- und Jugendämtern. Dr. Kay Ruge, Beigeordneter des Deutschen Landkreistages, sagte zu, diese Idee aufnehmen und weitertragen zu wollen. Ein Hinweis an die zuständigen Stellen könne recht einfach per Rundschreiben erfolgen. Gesellschaftliche Bedeutung von Heimtieren: politische Positionen im Dialog Ausblick In der nächsten Arbeitssitzung des Forum Heimtier steht das Thema „Assistenzhunde: Einsatz fördern – Anerkennung sichern“ im Mittelpunkt. Alle Interessierten sind herzlich dazu eingeladen. Die Veranstaltung findet am 30. November 2016 um 16:30 Uhr im Deutschen Bundestag statt. Über das Forum Heimtier Am 24. September 2014 wurde das Forum Heimtier gemeinsam mit Vertretern aus Politik, Verbänden, NGOs und mit Unterstützung der Wirtschaft gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern des Forums gehören neben den Bundestagsabgeordneten Christina JantzHerrmann und Tino Sorge außerdem das Institut für soziales Lernen mit Tieren, der Assistenzhund-Verein Hunde für Handicaps, der Deutsche Tierschutzbund sowie die Mars-Initiative Zukunft Heimtier. Das Forum hat sich zum Ziel gesetzt, auf die Bedeutung von Heimtieren für die Gesellschaft hinzuweisen und gemeinsame Aktivitäten zu initiieren. In den Sitzungen werden konkrete Themenfelder aus den Bereichen Bildung, Gesundheit und Tierschutz besprochen. Weiterführende Informationen finden Sie unter: www.forum-heimtier.de Kontakt: Forum Heimtier, c/o Ketchum Pleon GmbH, Friedrichstraße 200, 10117 Berlin, T: +49 30 726139-722, E: [email protected] 5 | Arbeitssitzung 21. September 2016