Neuronale Netze Spiking Neural Networks basierend auf Gerstner und Kistler (2002) Prof. Dr. Rudolf Kruse Christian Moewes {kruse,cmoewes}@iws.cs.uni-magdeburg.de Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Facultät für Informatik Institut für Wissens- und Sprachverarbeitung R. Kruse, C. Moewes NN – Spiking Neural Networks 12.07.2012 1 / 15 Spiking Neural Networks • Spiking neural networks (SNNs) (gepulste neuronale Netze) • momemtan: am häufigsten diskutierten KNN-Modelle • erhöhen Realismus der neuralen Simulation: berücksichtigen neben neuronalem und synaptischem Zustand auch Zeit • Idee: Neuronen eines SNN feuern nicht wie z.B. beim MPL bei jedem Propagationszyklus • verschiedene Kodierungsmodelle, um Aktionspotential (Spike Train) als Folge von zu behandeln: basierend auf Frequenz der Spikes od. Zeitspanne zw. Spikes • Ziel: mit welchem Kode (welcher Sprache) kommunizieren Neuronen? R. Kruse, C. Moewes NN – Spiking Neural Networks 12.07.2012 2 / 15 Messung von Pulsen • neuronales Signal besteht aus kurzen elektr. Pulsen • mögl. Beobachtung: mittels feiner Elektrode nahe des Zellkörpers oder des Axons • Pulse (Aktionspotentiale/Spikes): Amplitude von 100 mV und Dauer von 1 − 2 ms • Aussehen des Pulses ändert sich bei Propagation entlang Axon nicht R. Kruse, C. Moewes NN – Spiking Neural Networks 12.07.2012 3 / 15 Spike Trains • Kette von Aktionspotentialen eines einzelnen Neurons heißt Spike Train • Sequenz stereotypischer Ereignisse, die in regelmäßigen/unregelmäßigen Intervallen eintreten • da alle Spikes eines Neurons gleich aussehen, enthält Form des Aktionspotentials keine Information • Vermutung: Anzahl und Zeitpunkte der Spikes spielen eine Rolle • Spikes eines Trains sind meistens leicht voneinander zu trennen R. Kruse, C. Moewes NN – Spiking Neural Networks 12.07.2012 4 / 15 Synapsen und Neuronale Dynamik • Synapse: Ort, wo Axon eines (präsynaptischen) Neurons • • • • • • • Dendrit/Zellkörper eines (postsynaptischen) Neurons berührt Ankunft eines Aktionspotentials führt zu biochem. Reaktion Rezeptoren der Synapse registrieren chem. Signal und wandeln es in elektr. Impuls um Effekt eines Spikes auf postsynaptisches Neuron kann mittels Elektrode gemessen werden sie misst Potentialdifferenz u(t) (Membranpotential) zw. Zellinnerem und -außerem ohne Spike: Neuron „ruht“ bei konstantem Potential (−65 mV) mit: Potential ändert sich und kehrt zurück in Ruhe bei positivem Wechsel: erregend (exzitatorisch), bei negativem: hemmend (inhibitorisch) R. Kruse, C. Moewes NN – Spiking Neural Networks 12.07.2012 5 / 15 Mathematische Beschreibung • geg. Zeitreihe ui (t) des Membranpot. vom Neuron i • in Ruhe: ui (t) = urest • bei t = 0 feuert präsyn. Neuron j • für t > 0, Antwort von i: ui (t) − urest = εij (t) • εij (t): postsynaptisches Potential (PSP) • falls εij (t) > 0, dann exzitat. PSP (EPSP wie in Abb. A), sonst inhibit. (IPSP) R. Kruse, C. Moewes NN – Spiking Neural Networks 12.07.2012 6 / 15 Schwellenwert und Aktionspotential • nun zwei präsynaptische Neuronen j = 1, 2, die beide Spikes an i senden (1) • Neuronen j feuern bei tj (2) , tj • jeder Spike evoziert ein PSP εij • mit wenigen Spikes, Änderung des Potentials (Abb. B): ui (t) = XX j εij (t − tjf ) + urest f • bei vielen Spikes in kurzer Zeit: Linearität verschwindet R. Kruse, C. Moewes NN – Spiking Neural Networks 12.07.2012 7 / 15 Schwellenwert und Aktionspotential • bei Erreichen des kritischen Wertes ϑ wird Aktionspotential (100 mV) in i angeregt • dieses wird über Axon an andere Neuronen weitergeleitet • nach Puls: ui (t) < urest • einzelne EPSPs haben 1 mV • ϑ ist ca. 20 − 30 mV über urest • Abb. C: 4 Spikes reichen nicht für postsyn. Aktionspotential • normalerweise ca. 20–50 Spikes in kurzer Zeit erforderlich R. Kruse, C. Moewes NN – Spiking Neural Networks 12.07.2012 8 / 15 Phänomenologisches Neuronenmodell • kristische Spannung für Aktionspotential: Schwellenwert ϑ (f ) • wenn ui (t) ≥ ϑ, dann feuert i einen Spike zum Zeitpunkt ti • Annahme: Spikes haben stets ähnliches Aussehen • Trajektorie des Membranpotentials während Spike kann (f ) deswegen über zeitlichen Verlauf η(t − ti ) beschrieben werden R. Kruse, C. Moewes NN – Spiking Neural Networks 12.07.2012 9 / 15 Definitions eines einfachen Modells • Variable ui beschreibt momentan Wert des Membranpotentials des Neurons i (f ) ui (t) = η(t − t̂i ) XX j εij (t − tjf ) + urest f (f ) • t̂i : letzte Feuerzeit von i, also (f ) t̂i (f ) = max{ti (f ) | ti < t} • es wird immer dann gefeuert, wenn ui Wert ϑ überschreitet ui (t) = ϑ und d ui (t) > 0 dt =⇒ (f ) t = ti • εij beschreibt Antwort von i • η beschreibt Aussehen des Spikes R. Kruse, C. Moewes NN – Spiking Neural Networks 12.07.2012 10 / 15 Definitions eines einfachen Modells (f ) ui (t) = η(t − t̂i ) XX j mit (f ) t̂i εij (t − tjf ) + urest f (f ) = max{ti (f ) | ti < t} • wichtig hier: es interessiert nur Potentialdifferenz („Abstand“ zu urest ) • mittels Vereinfachung urest ≡ 0: u(t) ist „Abstand“ zum Ruhepotential • dieses Modell nennt man SRM0 (Spike Response Model) (Gerstner, 1995) R. Kruse, C. Moewes NN – Spiking Neural Networks 12.07.2012 11 / 15 Beispiel: Formeller Pulse • η kann beispielsweise einen Rechteckpuls beschreiben, auf dem ein negatives Spike-Potential folgt: (f ) η(t − ti ) = 1/∆t (f ) (f ) t−ti ! −η0 exp − τ für 0 < t − ti < ∆t (f ) für ∆t < t − ti • η0 , τ und ∆t > 0 sind freie Parameter • für ∆t → 0 nähert sich der Rechteckpuls dem Dirac-Puls δ an (siehe Abb.) R. Kruse, C. Moewes NN – Spiking Neural Networks 12.07.2012 12 / 15 Beispiel: Formeller Spike Trains • Feuerzeit: Zeitpunkt, wann Neuron Aktionspotential emittiert (f ) • Feuerzeiten des Neurons i: ti mit f = 1, 2, . . . • rein formell: Spike Train S von i ist Sequenz der Feuerzeiten X (f ) δ(t − ti ) Si (t) = f • δ(x) ist Dirac-„Funktion“ mit δ(x) = 0 für x 6= 0 +∞ Z und δ(x) dx = 1 −∞ • Spikes werden somit zu Zeitpunkte reduziert R. Kruse, C. Moewes NN – Spiking Neural Networks 12.07.2012 13 / 15 Einschränkungen des Modells SMR0 • SMR0 ist sehr stark vereinfacht • es ignoriert viele Aspekte der neuronalen Dynamik • ganz besonders: postsynaptische Potentiale haben alle gleiches Aussehen unabhängig vom Zustand des Neurons • weiterhin: Dynamic des Neurons i hängt nur von allerletzten Feuerzeit t̂i ab • ausgefeiltere Modelle existieren, werden in dieser Vorlesung nicht behandelt R. Kruse, C. Moewes NN – Spiking Neural Networks 12.07.2012 14 / 15 Das Problem der neuronalen Kodierung • Gehirne von Säugetieren beinhalten mehr als 1010 dicht gepackte Neuronen • sie sind untereinander verschaltet zu einem komplizierten Netzwerk • in jedem kleinen Volumen des Kortexes werden Tausende von Spikes pro Millisekunde emittiert • Welchen Kode nutzen Neuronen zur Informationsübertragung? R. Kruse, C. Moewes Spike Train von 30 Neuronen im Affenkortex NN – Spiking Neural Networks 12.07.2012 15 / 15