Tätigkeitsbericht Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 2007 · 50:1440–1442 DOI 10.1007/s00103-007-0373-9 Online publiziert: 7. November 2007 © Springer Medizin Verlag 2007 Methoden für die Probenahme und den Nachweis von Viren Nachweis von replikativen Vacciniaviren Bericht des Unterausschusses Methodenentwicklung der Bund/Länder-AG Gentechnik 1 Zweck und Anwendungsbereich 3 Material 3.2 Reagenzien und Lösungen Mit dieser Anleitung können replikative Vacciniaviren (Wildtyp und rekombinant), welche zuvor von Laboroberflächen abgewischt oder als Identifikationsproben genommen wurden, auf ihre biologische Funktion hin überprüft und damit nachgewiesen werden (zu den vorgenannten Wischproben vgl. die entsprechende Methode des Unterausschuss Methodenentwicklung des LAG „Abwischen von Viren von Laboroberflächen“). 3.1 Geräte Es sind grundsätzlich analysenreine, für die Zellkultur und die Molekularbiologie geeignete Reagenzien zu verwenden. Soweit nicht anders angegeben, ist unter „Lösung“ eine wässrige Lösung zu verstehen. F Dulbecco’s Phosphate Buffered Saline (PBS), F Dulbecco’s Modified Eagle’s Medium (DMEM), F Fetal Bovine Serum (FBS), F 1 x Trypsin-EDTA-Lösung, F Geneticin-Lösung (30 mg/ml), F Crystal violet, F Ethanol 70 %. Kulturmedium bestehend aus: F 500 ml DMEM, F 50 ml FBS (ca. 10 %), F 300 μl Geneticin-Lösung. Färbelösung bestehend aus: F 1 g Crystal violet, F 710 ml H2O, F 290 ml Ethanol 70 %. F Vero-Zellen (Vero-B4). 2 Kurzbeschreibung Biologisch aktive Vacciniaviren können nebst anderen auch Verozellen („African green monkey kidney cells“) infizieren. Die Methode beschreibt neben der Kultivierung der Verozellen deren Infektion mit Vacciniaviren (aus dem Probenmaterial). Spätestens 72 Stunden nach der Infektion werden die Ansätze ausgewertet. Die Plaques können nach einer Fixierung und Blaufärbung des Zellrasens mit dem Auge erkannt und ggf. unter dem Mikroskop (40 x Vergrößerung) weiter charakterisiert werden. Der Replikationszyklus dieser Viren ist so schnell, dass die auf einer Monolayer-Kultur der Zelllinie Vero entstehenden Plaques häufig bereits nach 24 Stunden mit einem Mikroskop sichtbar sind. 1440 | Kunststoff- und Glasmaterialien müssen vor der Verwendung sterilisiert werden. Die Verwendung von aerosolgeschützten Pipettenspitzen dient als Schutz vor Kontamination. F Zentrifuge, F Sicherheitswerkbank (Klasse II), F Ultraschallgerät (z. B. Cup Horn mit Ultraschallgenerator), F Halter für graduierte 15-ml und 50-ml-Plastikröhrchen, F Mikroskop mit Phasenkontrast, F Pipetboy, F Kryostat (Flüssigstickstoffbehälter zum Aufbewahren von Zelllinien in Kryoröhrchen), F Ampullenträger für Kryoröhrchen, F Zellkultur-Inkubator mit HEPA-Filter und CO2-Zumischung (37 °C, mit 5 % CO2). Plastikverbrauchsmaterial: F 15 ml und 50 ml graduierte Zentrifugenröhrchen mit verschraubbarem Plastikdeckel, F Einweg serologische Pipetten 25 ml, 10 ml, 5 ml, F sterile Zellkulturflaschen mit Filterdeckel, 75 cm2, F sterile Zellkultur-Testplatten mit 24 Löchern zu je 1,9 cm2. 4 Durchführung Alle Arbeiten werden, soweit dies möglich ist, in der Sicherheitswerkbank durchgeführt. Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 11 · 2007 1440_1442_BuGel_373.indd 1440 30.10.2007 13:57:45 Uhr 4.1 Auftauen der Zellen (Es können auch die Standardanleitungen aus entsprechenden Methodensammlungen verwendet werden.) F Wasserbad auf 37 °C vorwärmen, F 1 x ca. 50 ml Kulturmedium auf 37 °C vorwärmen, F Kryoröhrchen mit Vero-Zellen dem Kryostat entnehmen und während 1 Minute im Wasserbad auftauen (Der Wasserstand sollte wegen der Kontaminationsgefahr die Füllmenge des Kryoröhrchens nicht übersteigen), F Kryoröhrchen mit Alkohol außen abspritzen und aufgetaute Zellsuspension in je 5 ml vorgewärmtes Kulturmedium (15 ml Zentrifugenröhrchen) transferieren, F Zellen während 5 Minuten bei 100 x g sedimentieren, F Überstand entfernen und sedimentierte Zellen in 1 ml Kulturmedium aufnehmen und danach in 30 ml vorgewärmtes Kulturmedium (Zellkulturflaschen mit 75 cm2 Boden) transferieren, F Zellkultur bei 37°C und 5 % CO2 inkubieren und mindestens alle 2 Tage mit dem Mikroskop kontrollieren. Die verwendete Zelllinie benötigt nach dem Auftauen zum Erreichen der Konfluenz auf dem Boden der Zellkulturflasche zwischen 3 und 5 Tage. 4.2 Umsetzen der Zellen (Passagieren) (Es können auch die Standardanleitungen aus entsprechenden Methodensammlungen verwendet werden.) F Kulturmedium vorsichtig entfernen. F Zellrasen 2 x vorsichtig mit 1 x PBS waschen. F Mit 3 ml Trypsin-EDTA-Lösung die Zellen vom Boden der Zellkulturflächen lösen (dauert ca. 5 Min. bei 37 °C). F Neue Kulturflaschen (75 cm2) mit je 30 ml Kulturmedium vorbereiten. F Abgelöste Zellen mit 5 ml Kulturmedium versetzen (Inaktivieren von Trypsin) und mit einer 10 ml serologischen Pipette resuspendieren. F Je 1/5 bis 1/3 der Zellsuspension auf die vorbereiteten Kulturflaschen animpfen. F Zellkulturen bei 37 °C und 5 % CO2 inkubieren und mindestens alle 2 Tage mit dem Mikroskop kontrollieren. Die verwendeten Zelllinien benötigen beim Passagieren zum Erreichen der Konfluenz auf dem Boden der Zellkulturflaschen zwischen 2 und 3 Tage. 4.3 Infizieren der Zelllinien F Zellen aus einer 75 cm2 Kulturflasche mit der Vero-Zelllinie, welche ca. 70 % Konfluenz erreicht hat, werden wie unter Punkt 4.2 beschrieben trypsiniert. F Die Hälfte der Zellsuspension aus dem Trypsinierungsvorgang wird mit Kulturmedium auf 50 ml ergänzt. F Je 2 ml verdünnte Vero-Zellsuspension wird zu den Löchern einer 24 Loch-Zellkultur-Testplatte gegeben. F Die Zellen werden so lange bei 37 °C und 5 % CO2 inkubiert, bis sie einen konfluenten Zellrasen bilden (ca. 24–48 Stunden). F Die Medienüberstände von jeder Kultur werden bis auf ca. 200 μl entfernt. (Achtung! Die Zellen müssen immer mit ca. 200 μl Kulturmedium überdeckt sein, damit sie nicht austrocknen!) F Nach dem Auftauen der Proben oder Wischproben werden diese während 30 Sekunden im Wasserbad mit Ultraschall homogenisiert (Achtung! Geeignete Einstellung des Ultraschallgerätes wählen, um Probe nicht zu schädigen!) F 500 μl jeder zu untersuchenden Wischprobe oder maximal 107 Pfu eines Vacciniavirus-Überstandes werden mit 1 ml Kulturmedium versetzt. F Je 300 μl dieser verdünnten Probe (Wischprobe bzw. VacciniavirusÜberstand) werden auf je 4 Loch-Kulturen der 24-Loch-Zellkultur-Testplatte transferiert. F Als Negativ-Kontrolle dient das reine Kulturmedium. F Als Positiv-Kontrolle können mit Kulturmedium verdünnte, zuvor schon validierte Vacciniavirensuspensionen verwendet werden (im Minimum 10 Pfu pro Loch). F Für die Infektion werden die Zellen während 1 Stunde bei 37 °C und 5 % CO2 inkubiert. Die Zellkultur-Testplatte wird während dieser Zeit alle 15 Minuten 3 x leicht gewippt, um ein Antrocknen der Zellen in der Mitte des Zellrasens zu verhindern. F Nach 1 Stunde werden die Zellkulturen mit je 1,5 ml Kulturmedium ergänzt. 4.4 Inkubation und Färben der Zellkulturen (Es können auch die Standardanleitungen aus entsprechenden Methodensammlungen verwendet werden.) F Die Zellkultur-Testplatte wird nach der Infektion bei 37 °C und 5 % CO2 während 72 Stunden inkubiert. F Die Kulturmedien werden vorsichtig entfernt und verworfen (Achtung! Potenziell infektiöses Material! Zum Inaktivieren am besten mit einem Vakuumabsaugsystem direkt in einen Behälter mit einem geeigneten Desinfektionsmittel absaugen.) F 200 μl Färbelösung zum Boden jeder Kultur geben und durch Wippen auf dem gesamten Zellrasen jeder Kultur verteilen. F Nach ca. 60 Sekunden Färbelösung absaugen und Zellkultur-Testplatte an der Luft in der Sicherheitswerkbank trocknen. 5 Auswertung Plaques sind mit bloßem Auge als helle, durchsichtige Punkte/Flecken in einem blauen Hintergrund (gefärbte Zellen) sichtbar. „Echte“, durch Viren erzeugte Plaques können von anderen Löchern im Zellrasen unter dem Mikroskop leicht unterschieden werden, da die Zellen am Rand des Plaques eine veränderte Morphologie aufweisen und zudem viel intensiver gefärbt sind (dunkelblau). 6 Ringversuch Im Jahr 2002 wurde diese Methode durch den Unterausschuss „Methodenentwicklung“ des LAG in einem Ringversuch vali- Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 11 · 2007 1440_1442_BuGel_373.indd 1441 | 1441 30.10.2007 13:57:46 Uhr Fachnachricht diert, an dem insgesamt 6 bundesdeutsche und ein Schweizer Überwachungslabor teilnahmen. Alle 7 Laboratorien wendeten die vorliegende Nachweismethode „mit Erfolg“ an. An jeden Teilnehmer waren 4 codierte Proben, jeweils 2 Proben mit rekombinanten Vacciniaviren, eine positive Kontrollprobe (Wildtyp Vacciniaviren) sowie Puffer als Negativprobe, verschickt worden. Diese 4 Proben wurden von allen beteiligten Laboren richtig erkannt. Diese Methode beruht auf einer Standard-Arbeitsanweisung (SOP) des kantonalen Laboratoriums Basel-Stadt (SOP P283), deren Entwicklung finanziell durch das Schweizer Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaften (BUWAL) unterstützt wurde. 1442 | Prionen und Retroviren - eine unheilige Allianz? – Expression endogener Retroviren ist nach Prionen-Infektion verändert Im Rahmen des ausgelaufenen Bayerischen Forschungsverbundes Prionen (FORPRION) konnte ein Team um die Wissenschaftlerin Prof. Dr. Christine Leib-Mösch zeigen, dass Prion-Proteine in infizierten Gehirnzellen endogene Retroviren aktivieren können. Die Gruppe sucht am Institut für Molekulare Virologie des GSF-Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit in Neuherberg/ München (Helmholtz-Gemeinschaft) nach zellulären Komponenten, deren Regulation infolge einer Prion-Infektion verändert ist. In Zusammenarbeit mit Kollegen der Technischen Universität München und der Universität Heidelberg konnten sie mit Mikroarry-Techniken – Mikroarrys sind Chips mit Tausenden oder Zehntausenden von DNA- oder Protein-Proben – nachweisen, dass die Expression von endogenen Retroviren im Mausmodell durch Infektion mit PrionProteinen beeinflusst wird. Prionen – Kurzform für proteinaceous infectious particles – gelten als Auslöser für eine Reihe von Erkrankungen des Gehirns und Nervensystems, den so genannten spongiformen Enzephalopathien. Zu diesen zählen unter anderem BSE bei Rindern, Scrapie bei Schafen und Creutzfeldt-Jakob-Krankheit bei Menschen. Prionen sind Strukturvarianten von Proteinen, die auch in gesunden Geweben – vor allem im Gehirn – vorkommen. Das Fatale an Prionen ist, dass sie, einmal in den Organismus eingedrungen, ihre „gesunden“ Verwandten strukturell so modifizieren können, dass diese ebenfalls pathogen werden und die Erkrankung fortschreiten lassen. Über die molekularen Mechanismen der Pathogenese, die Rolle von Ko-Faktoren und die Interaktion von Prion-Proteinen mit zellulären Bestandteilen ist allerdings immer noch wenig bekannt. Retroviren wiederum bauen ihre genetische Information in das Erbgut ihrer Wirtszellen ein. Bei endogenen Retroviren handelt es sich um Überreste von lang zurückliegenden retroviralen Infektionen, die über viele Generationen über die Keimbahn weitergegeben wurden. Nahezu zehn Prozent des gesamten Genoms der Maus und des Menschen bestehen aus endogenen retroviralen Sequenzen, die sich im Verlauf der Evolution akkumuliert haben. Die meisten Strukturgene der endogenen Retroviren sind zwar inaktiviert, aber viele regulatorische Elemente, wie zum Beispiel Bindungsstellen für Transkriptionsfaktoren, sind häufig noch aktiv und können benachbart liegende zelluläre Gene beeinflussen. Die GSF-Wissenschaftler infizierten in Kultur gehaltene neuronale Mauszellen mit Prion-Proteinen und analysierten anschließend die Expressionsmuster der endogenen Retroviren. Die Ergebnisse zeigten, dass die Expression einer ganzen Reihe endogener retroviraler Sequenzen durch die PrionInfektion beeinflusst wird: Im Vergleich zu nichtinfizierten Zellen nahm die Expression – je nach Zelllinie und Art der untersuchten endogenen Retroviren – zum Teil zu, zum Teil aber auch ab. Durch Pentosan-Polysulfat, einem Anti-Prion-Präparat, konnten diese Effekte unterdrückt werden, das heißt die Beeinflussung der Expression ist tatsächlich auf Prionen zurückzuführen. Diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass Prion-Proteine nicht nur mit Hilfe von Viruspartikeln verbreitet werden, sondern möglicherweise sogar die Produktion solcher Partikel durch Aktivierung von endogenen Retroviren selbst anregen. Diese Retrovirus-ähnlichen Partikel könnten dann dazu benutzt werden, PrionProteine von Zelle zu Zelle zu transportieren und so die Infektion zu verbreiten. Quelle: GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 11 · 2007 1440_1442_BuGel_373.indd 1442 30.10.2007 13:57:46 Uhr