WERTSCHÖPFUNGSKETTEN UND MÄRKTE – MILCHMARKT Die Besonderheiten des Schweizer Milchmarktes Inhalt Besonderheiten der Milchproduktionsbetriebe Die Schweizer Milch-Käse-Wertschöpfungskette (Schema «Ströme der Wertschöpfungskette Milch») Konsumtrends bei Milchprodukten Meilensteine in der Entwicklung des Milchmarktes Produzentenmilchpreis in der Schweiz • Entwicklung des Preises und der Sammlung nach Milchart • Die Produzentenpreise im Vergleich mit dem Ausland • Preisregulierungssystem: Die Segmentierung der Molkereimilch Produktionskosten der Betriebe Verteilung der Wertschöpfung innerhalb der Branche 2 4 6 6 7 9 10 11 1 14 15 Impressum Herausgeberin AGRIDEA Eschikon 28 CH-8315 Lindau T +41 (0)52 354 97 00 F +41 (0)52 354 97 97 www.agridea.ch Autoren Pascal Python, Fabienne Gresset und Sophie Réviron, AGRIDEA Revision Daniel Koller und Thomas Reinhard, SMP ; Stefan Kohler, BO Milch Layout Rita Konrad, AGRIDEA Artikel-Nr. 2929 Druck AGRIDEA © AGRIDEA, 2016 Seit der Aufhebung der Milchkontingentierung im Jahr 2009 stehen die Wertschöpfungskette der Milch und insbesondere der Molkereimilch unter Druck. Das vorliegende Dossier beleuchtet sämtliche Aspekte der Wertschöpfungsketten Milch und Käse: von den Betriebsstrukturen, den Produzentenpreisen und den Produktionskosten bis hin zu den Absatzkanälen und den Mechanismen der Milchpreisbildung. Die Schweiz produziert jährlich 4,1 Millionen Tonnen Milch und ist somit im internationalen Vergleich ein Federgewicht, entspricht die Produktion doch bloss 1 % der weltweiten Menge. 2013 sind weltweit 782 Milliarden Kilo Milch produziert worden, davon 646 Milliarden Kilo Kuhmilch (83 %) und 103 Milliarden Kilo Büffelmilch (13 %). Wichtige Punkte • Die Milchproduktion in der Schweiz findet hauptsächlich auf Grünlandbetrieben mit einer starken Käsetradition statt. • Die Liberalisierung des Schweizer Milchmarktes nimmt zu, was sich auf die Milchpreise und die Produktionsstrukturen auswirkt. • Der Preisbildungsmechanismus hängt von der Produktart ab. Die Preise für Molkereimilch und für Käsereimilch entwickeln sich nicht gleich. • Die Umsetzung eines Mengenführungssystems in den einzelnen Segmenten soll ermöglichen, die Preise zu halten. • In einem schwierigen Umfeld ist es wichtig, die Produktionskosten zu kennen und zu optimieren. • Die Verteilung der Wertschöpfung innerhalb der Branche fällt nicht immer zu Gunsten der Produzenten aus. Grund dafür sind die mangelnde Transparenz und die sehr uneinheitlichen Strukturen. WERTSCHÖPFUNGSKETTEN UND MÄRKTE – MILCHMARKT Besonderheiten der Milchproduktionsbetriebe Der durchschnittliche Milchproduktionsbetrieb (BLW 2015) verfügt über 25 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche (LN) und 24 Kühe. Er vermarktet 154 700 Kilo Milch (+ 2,4 % verglichen mit 2014). Insgesamt gibt es 21 800 Milchproduzenten, was 830 Produzenten weniger sind als 2014. Fast die Hälfte aller Betriebe befindet sich in der Bergzone. Von den 3,5 Millionen Tonnen vermarkteter Milch werden 42 % (1,5 Mio. t Milch) zu Käse verarbeitet. 20 % der gesamten Milcheinlieferung stammt von 5 % der Produzenten (Lieferrecht über 400 000 kg) und rund die Hälfte der gesamten Milcheinlieferung stammt von 77 % kleinstrukturierten Betrieben (Lieferrecht unter 200 000 kg). Durchschnittliche Einlieferungen je Hektare LN pro Gemeinde Die nachstehende Karte zeigt die Dichte der Milchproduktion, die sich vor allem auf das Talgebiet konzentriert (hell- bis dunkelbraun eingefärbt), wo leichtere Produktionsbedingungen herrschen als im Berggebiet. Beispielsweise ermöglicht eine intensivere Futterproduktion im Talgebiet eine durchschnittliche Produktion von 12 000 Kilo Milch pro Hektare Futterfläche. Im Berggebiet beträgt sie hingegen nur 5800 Kilo Milch pro Hektare. Milcheinlieferungen je ha LN und Werte pro Gemeinde, 2015 kg Milch je ha LN < 2000 2000 – 4000 4000 – 6000 6000 – 8000 > 8000 Quelle: Swisstopo, BLW, Auswertung der Daten über die Milchproduktion, Kalenderjahr 2015 2 2 Mehr als 70 % der LN der Schweiz ist Grünland, das vorwiegend aus Dauerwiesen besteht, auf welchen der Anbau von Kulturen nicht möglich ist. Einzig Pflanzenfresser können das dort wachsende Grünfutter zu Fleisch und Milch veredeln und so dafür sorgen, dass die Flächen offen bleiben. Die Viehhaltung hat somit einen wichtigen ökologischen Nutzen, denn sie begünstigt den Erhalt der Biodiversität und begrenzt die Vergandung. Dies ist eine Aufgabe, die im Übrigen vom Direktzahlungssystem mit verschiedenen Beiträgen gestützt wird (z. B. Kulturlandschaftsbeitrag). Aus diesen Gründen haben sich von allen schweizer Betrieben (53 200, Stand 2015) 73 % auf die Tierhaltung (davon sind 60 % Weideviehbetriebe), 7 % Pflanzenbau-Tierhaltungsbetriebe und 20 % im Pflanzenbau spezialisiert. Rund 12 % der Betriebe arbeiten nach den Vorgaben des biologischen Landbaus. AGRIDEA 2016 WERTSCHÖPFUNGSKETTEN UND MÄRKTE – MILCHMARKT Die Jahresration der Schweizer Milchkühe unterscheidet sich durch zwei Kriterien von derjenigen in Europa: einen sehr hohen Grasanteil (frisch, siliert oder getrocknet) und einen geringen Kraftfutteranteil (eigenes und zugekauftes Ergänzungsfutter). Eine Umfrage bei 157 Betrieben in der Deutschschweiz (deren Ergebnisse weiter unten präsentiert werden) bestätigt den hohen Grasanteil (76 %) und den gemässigten Einsatz von Kraftfutter (11 %). Bei einer Fütterung mit 740 Kilo Kraftfutter pro Laktation (305 Tage im Durchschnitt) produziert eine Kuh im Schnitt 6850 Kilo Milch, d. h. es bedarf 108 g/kg Milch. Die untenstehende Grafik zeigt den geringen Maisanteil (3 %) und den hohen Grasanteil (85 %) in der Bergzone. 3 Zahlreiche Studien belegen, dass eine grasreiche Fütterung das effizienteste Mittel ist, um eine Milch zu erhalten, die ein für die Gesundheit interessantes Fettsäuremuster1 aufweist (mehrfach ungesättigte Fettsäuren und ein vorteilhaftes Omega-6-zu-Omega3-Verhältnis). Darüber hinaus sind Milchsysteme mit einem hohen Grasanteil in der Ration autonomer (mehr produzierte Milch mithilfe von betriebseigenem Futter und weniger externe Futterzukäufe) und garantieren eine bessere Rückverfolgbarkeit des Produkts. Rationzusammensetzung für die Milchkühe nach Zone 100 12% 2% TS-Anteil Jahresration, % 80 18% Kraftfutter 11% 2% Futterrüben, Biertreber, Kartoffel 9% 11% 1% 3% Mais 25% 22% 60 18% Weide 11% 9% 40 Eingrasen 9% 9% 15% 17% Total Gras in der Jahresration Grassilage 42% 20 24% 30% Dürrfutter Talzone Bergzone Quelle: S. Ineichen und B. Reidy, HAFL, 2015 Bildquellenverzeichnis 1– 5, 8 © Le Gruyère AOP 6 ©A ssociation Suisse des AOP-IGP 7 © Pascal Python, AGRIDEA 9, 10 © Fabienne Gresset, AGRIDEA AGRIDEA 2016 1 S iehe Merkblatt «Wie das Fettsäuremuster der Milch verbessern?» AGRIDEA: kostenloser Download unter www.agridea.ch 3 WERTSCHÖPFUNGSKETTEN UND MÄRKTE – MILCHMARKT Die Schweizer Milch-Käse-Wertschöpfungskette Sämtliche Produktionsstufen – vom Rohstoff, über die Verarbeitung und Vermarktung bis hin zum Endprodukt für den Konsumenten – werden im abgebildeten Schema «Ströme der schweizerischen Wertschöpfungskette Milch» dargestellt und zusammengefasst. Kommentare und wichtige Fakten zur Wertschöpfungskette Milch, von der Produktion bis zur Vermarktung der Produkte 4 4 • Die 22 600 Milchproduzenten können sich einer der 26 Produzentenorganisationen (PO) oder Produzenten-Milchverwerter-Organisationen (PMO) und einer der 10 Branchenorganisationen (BO) anschliessen. • Die Fütterung der Kühe (silagefreie Fütterung = Gras/Heu/Emd oder Silagefütterung) entscheidet, in welchen der beiden Hauptverarbeitungskanäle die Milch fliesst: – Käsebranche mit AOP: Dieser Kanal verfügt über eine hohe Wertschöpfung (beige) und entspricht einem Fünftel der Gesamtmilchmenge (rund 3,5 Mio. t). Daneben besteht die Käsebranche ohne AOP (gelb) für die restliche silagefrei produzierte Milch. – Industriekanal (Milch aus Silagefütterung in gebrochenem Weiss): Über diesen Kanal werden Frischprodukte hergestellt (Butter, Rahm usw.) sowie ein Teil des Industriekäses (hellgelb). • Die Käsereimilch wird praktisch ausschliesslich zur Käseproduktion verwendet. Die Milch aus Silagefütterung wird mehrheitlich zentrifugiert (60 %), um standardisierte Milch, Magermilch, Rahm usw. herzustellen. Ein Teil der Milch aus Silagefütterung fliesst in die Produktion von gewissen Käsesorten, welche deren Verwendung zulassen: z. B. Frisch-, Weich- und Halbhartkäse. • 6,4 % (221 665 t) der vermarkteten Milch stammen von Bio-Betrieben. Nur 86 % dieser Milch werden tatsächlich zu Bio-Produkten verarbeitet. • 1,9 % (69 000 t) der vermarkteten Milch werden über den Direktverkauf und über die Alpkäsereien abgesetzt. • Nur 0,2 % der Rohmilch werden ohne mechanische oder thermische Behandlung an die Konsumenten verkauft. • 32 % der Rohmilch (1,1 Mio. t Milch) stammen aus silagefreien Gebieten und werden verkäst. Von dem daraus hergestellten Käse tragen 12 eine «Appellation d’origine protégée» (AOP, geschützte Ursprungsbezeichnung). Daneben werden auch 0,4 Mio. t Milch aus Silagefütterung verkäst (im Schema hellgelb). Insgesamt werden 42 % der Milch (oder 1,5 Mio. t) über den Käsereikanal verwertet. Die Produktion von Ziegen- oder Schafmilchkäse (im Schema nicht enthalten) ist gering: Sie macht 0,6 % der gesamten Käseproduktion aus. • Einschränkungsmilch: Überschüssige Käsereimilch wird über den Molkereimilchkanal zu Butter und Milchpulver verarbeitet. Ein Teil der Einschränkungsmilch wird im C-Segment verwertet. • Vier Verarbeiter – Emmi, Cremo, Hochdorf und Elsa-Mifroma – verarbeiten 60 % der vermarkteten Milch über den Molkereimilchkanal und rund 550 Dorfkäsereien verarbeiten 20 % der Milch zu AOP-Käsespezialitäten. • Mehr als 40 % der exportierten Käse sind mit einer AOP ausgelobt. • Die Import-Export-Bilanz (in Milchäquivalenten!) hat sich mengenmässig seit der schrittweisen Liberalisierung des Käsehandels zwischen der Schweiz und der EU ab 2002 verschlechtert, bleibt aber positiv. Denn die Schweiz exportiert nach wie vor mehr als sie importiert. Die Exporte machen 22 % aus (8,5 % Käse + 5 % Frischprodukte + 8,5 % verarbeitete Produkte), die Importe 12 % (6 % Käse + 2,5 % Frischprodukte + 3,5 % verarbeitete Produkte). In Milchäquivalenten beträgt die Aussen handelsbilanz +10 %, in Franken + 254 Millionen, d. h. + 31 % zwischen 2014 und 2015. • Im Detailhandel führt kein Weg an den beiden Grossverteilern Migros und Coop vorbei, die den Markt dominieren (mehr als 80 % Marktanteil). • Beim Lebensmittelkonsum ausser Haus ist eine Zunahme festzustellen (Restaurants, Hotels usw.), was die veränderten Lebensgewohnheiten widerspiegelt. • Der Einkaufstourismus, vom starken Franken angekurbelt, setzt den Inlandmarkt unter Druck. AGRIDEA 2016 Einschränkungsmilch Affineure Manor, Globus, Aldi, Lidl, Volg, andere Coop, Migros zu Hause 50% Käse Sortenorganisationen Käse Wertschöpfungskette 20% AOP 42% Käse ≈ 550 Dorfkäsereien Gewerbliche Käsereien 68% Molkereimilch 2,4 Mio. t Milch inkl. Emmi, Cremo Hotels, Restaurants, Gemeinschafts‐ küchen, andere ausser Haus 50% Hochdorf 8% Rahm Manor, Globus, Aldi, Lidl, Volg, andere Coop, Migros Rahm 11% Dauer‐ milchwaren Elsa Hotels, Restaurants, Gemeinschaftsküchen, andere ausser Haus 50% Butter Milchzutaten in verarbeiteten Produkten andere Produkte Schoggigesetz 2. Verarbeitungsstufe 16% Butter Frischprodukte und andere zu Hause 50% Konsum‐ milch Cremo 58% Frischprodukte und andere Joghurt, Quark, andere Frisch‐ produkte Export 11% Konsummilch Emmi Industrielle Verarbeitungsbetriebe Marktanteil von 30% 17 andere PO/PMO LRG, Strähl, Frisch‐ prod./ andere 0,5 Mio. t Milch Eigenverbrauch und Verwertung durch die Kälber 0,8% Freizone, Liechtenstein Export Import Export Coop, Migros, Aldi Suisse Quellen: P. Python, S. Réviron, AGRIDEA und T. Reinhard SMP (Daten 2014 gemäss BLW, TSM, AGRISTAT, BFS, SMP) Verteilung Aufbereitung Affinage in Milch‐ äquivalenten Produkte in Milch‐ äquivalenten Verarbeitung ≈ 700 Käsereigenossen‐ schaften ≈ 700 Alpkäse Spezialitäte Alpkäsereien 1% AOP Alpkäse AOP Alpkäse Alpkäsereien Spezialitäte Industrie‐ käse Organisationen für den Direktverkauf 3,5 Mio. t vermarktete Milch PO: ZMP, Nordostmilch, MIBA, Prolait, FMV PMO: Emmi (3 PMO), Cremo Marktanteil von 70% 32% silagfrei produzierte Milch 1,1 Mio. t Milch AOP Dorfkäsereien, andere Alpkäse Industrie‐ käse Andere Käse Import Einkaufstourismu 3% andere Frischprod. 4% Joghurt, Quark BIO 22'600 Betriebe (davon 2'200 Biobetriebe), 540'100 Milchkühe, Gesamtproduktion 4,06 Mio. t Milch (davon 0,22 Mio. t Bio) Frischprod./and. Kuhmilch‐ Produktion Direktverkauf Züger Zutaten in verarb. Prod. BIO Nestlé 5% andere Einkaufstourismu AGRIDEA 2016 BO Milch Ströme der schweizerischen Wertschöpfungskette Milch, 2016 WERTSCHÖPFUNGSKETTEN UND MÄRKTE – MILCHMARKT 5 WERTSCHÖPFUNGSKETTEN UND MÄRKTE – MILCHMARKT Konsumtrends bei Milchprodukten Die Milch gehört zu den Schweizer Essgewohnheiten, was insbesondere auf die stark verankerte Käsetradition zurückzuführen ist (2015 lag der Durchschnittskonsum bei 21,5 kg pro Einwohner). Der Milch werden auch negative Eigenschaften nachgesagt (Unverträglichkeiten), doch sie verfügt über unbestreitbare positive ernährungsphysiologische Eigenschaften. Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, für eine ausgewogene Ernährung drei Portionen Milch und Milchprodukte täglich zu konsumieren. Dennoch verzeichnet die Konsummilch zwischen 2010 und 2015 einen Rückgang um 16 %. Der Pro-Kopf-Konsum von Joghurt ist weniger stark gesunken (– 8 %) und der Käsekonsum hält sich auf gleichem Niveau. Die tiefere Nachfrage wird nicht durch das Bevölkerungswachstum kompensiert (im Schnitt seit 2010 + 90 000 Einwohner/Jahr). Entwicklung von Milchprodukten in der Schweiz (in kg pro Kopf) 80 70 60 50 40 30 20 10 0 2006 2007 2008 2009 2010 Joghurt 2011 Käse 2012 2013 2014 2015 Milch Quelle: SMP, Milchstatistik der Schweiz (provisorische Zahlen für 2015) Meilensteine in der Entwicklung des Milchmarktes Mehrere wichtige Ereignisse haben den Milchmarkt geprägt, der sich von einem geschützten zu einem zunehmend liberalisierten Markt entwickelt hat: 1999 Aufhebung der staatlichen Preis- und Absatzgarantie. 2007 Liberalisierung des Käsehandels mit der EU. 2008Die Überschüsse, in Kombination mit der weltweiten Finanzkrise, führen Ende Jahr zu einem massiven Zerfall des Milchpreises. 2009 – Aufhebung der Milchkontingentierung (eingeführt 1977), – Misslungener Versuch, die bestehenden Produzentenorganisationen hinter der Idee einer gemeinsamen Vermarktung zu vereinen, – Das Landwirtschaftsgesetz schreibt neu den Abschluss von Milchkaufverträgen vor, – Gründung einer nationalen Branchenorganisation (Produzenten, Verarbeiter, Milchindustrie, gewerbliche Käser und Detailhandel) der Milchbranche (BO Milch), welche den Milchmarkt regulieren und die Aufrechterhaltung der Preise sicherstellen soll, – Publikation eines Richtpreises für Molkereimilch durch die BO Milch. 2011 – Einführung eines Systems, das die Milchmenge in die Segmente A, B und C unterteilt (siehe Kapitel «Preisregulierungssystem»), – Neue Marktstabilisierungsmassnahmen: Die BO Milch errichtet einen Marktentlastungsfonds (2011 bis 2013) sowie einen Interventionsfonds (2010 bis 2011). 2014 Gründung der LactoFama AG, einer Exportfirma, deren Aktionäre die PO und PMO sind. 2015Im Januar hebt die SNB den Euro-Mindestkurs auf. In der Folge verteuern sich die Exporte und die Importe werden günstiger. 2018Geplante Abschaffung des Schoggigesetzes. Dieses dient dazu, die Differenz zwischen den Inland- und Auslandpreisen der Rohstoffe, die über verarbeitete Produkten exportiert werden, auszugleichen. 6 AGRIDEA 2016 WERTSCHÖPFUNGSKETTEN UND MÄRKTE – MILCHMARKT Wie sich die Aufhebung des Euro-Mindestkurses auf die Käseimporte und -exporte auswirkt Trotz der schlechten Ausgangslage hat die Schweiz nie zuvor so viel Käse produziert wie 2015 (188 806 t; +1,9 %). Die Exporte entwickeln sich nur zögerlich: + 0,3 % im Jahr 2015 (2012: + 3,7 %, 2014: + 0,4 %). Analysiert man die Exporte nach Käsesorten, so fällt die Exportbilanz äusserst gegensätzlich aus: beispielsweise + 8 % für Halbhartkäse (Appenzeller – 3 %, Tilsiter + 41 %); – 3 % für Hartkäse (Emmentaler – 9 %, Gruyère – 3 %). In diesem neuen Umfeld legen in der Regel die kostengünstigen Sorten zu, da sie gegenüber der europäischen Konkurrenz wettbewerbsfähig sind. Die Importe nehmen zu: Seit 2010 sind sie gesamthaft um + 3 % gestiegen. 2015 sind 30 % der konsumierten Käse importiert. 5 Tonnen Käse 2015 Veränderung 2014 / 2015 Produktion 188 806 + 1,9 % Exporte 68 459 + 0,3 % Importe 55 432 + 1,9 % Quelle: TSM Produzentenmilchpreis in der Schweiz Der Produzentenmilchpreis sinkt seit 2000 stetig. Der kurze Aufschwung des internationalen Milchmarktes im Jahr 2007 und der Milchstreik im Jahr 2008 haben es nicht geschafft, den Trend nachhaltig umzukehren. Anfang 2009 führt das Überangebot, gepaart mit der weltweiten Finanzkrise und den Butterüberschüssen, zu einem Zerfall des Molkereimilchpreises. Seither driften die Preise von Käserei- und Bio-Milch einerseits und Molkereimilch andererseits auseinander. Entwicklung der Produzentenpreise von 2000 bis 2015 (Rp. / kg) 100 95 90 85 80 75 70 65 60 55 Molkereimilch Verkäste Milch, gewerbliche Käsereien Januar 15 Juli 15 Januar 14 Juli 14 Januar 13 Juli 13 Januar 12 Juli 12 Januar 11 Juli 11 Januar 10 Juli 10 Januar 09 Juli 09 Januar 08 Juli 08 Januar 07 Juli 07 Januar 06 Juli 06 Januar 05 Juli 05 Januar 04 Juli 04 Januar 03 Juli 03 Januar 02 Juli 02 Januar 01 Juli 01 Januar 00 Juli 00 50 Biomilch Quelle: Marktbericht Milch BLW AGRIDEA 2016 7 WERTSCHÖPFUNGSKETTEN UND MÄRKTE – MILCHMARKT Die Milchpreisbildung hängt vom Endprodukt ab (generische oder differenzierte Produkte: siehe Kapitel «Verteilung der Wertschöpfung innerhalb der Branche»). Die nachstehende Grafik zeigt, wie sich der Produzentenmilchpreis in mehr als einem Jahrzehnt entwickelt hat. In der Grafik wird der Unterschied deutlich zwischen der Molkereimilch, einem generischen Produkt, und der Käsereimilch für Gruyère AOP, einem differenzierten Produkt mit hoher Wertschöpfung. Der Milchpreis für Emmentaler AOP hat sich an die Kurve für Molkereimilch angepasst, was auf die wiederholte Überproduktion und die ausbleibende Umstrukturierung der Branche zurückzuführen ist. Entwicklung der Produzentenpreise von Molkereimilch und von zwei Milchkäsen AOP (Rp. / kg) 80 75 70 65 60 55 50 2004 2005 2006 2007 2008 Emmentaler AOP 2009 2010 Molkereimilch 2011 2012 2013 2014 2015 Gruyère AOP Quelle: Milchpreismonitoring SMP (für Emmentaler und Gruyère), Marktbericht Milch BLW (für die Molkereimilch) Preisentwicklung seit 2014 2015 war ein schlechtes Jahr für die Molkereimilch, sie ist verglichen zum Vorjahr um – 8 Rappen auf einen Produzentenpreis von 57 Rappen gesunken. Trotz eines Produktionsrückgangs im Jahr 2015 (–1,5 %) besteht bei der Molkereimilch nach wie vor ein Angebotsüberhang, dies obschon die Organisation der Schweizer Milchproduzenten (SMP) ihre Mitglieder aufgefordert hat, die Produktion zu drosseln, was den Preisdruck verringert hätte. Die BO Milch hat im Februar 2016 die Senkung des Richtpreises für Molkereimilch im A-Segment um – 3 Rappen auf 65 Rp. /kg kommuniziert (siehe Kapitel «Preisregulierungssystem»). Die Kernprobleme dieses Marktes sind die steigende Milchproduktion in der Schweiz wie auch im Ausland und der Verlust an Marktanteilen der Schweizer Milchwirtschaft. 6 8 AGRIDEA 2016 WERTSCHÖPFUNGSKETTEN UND MÄRKTE – MILCHMARKT Entwicklung des Preises und der Sammelmenge nach Milchart Die Produzentenpreise (gemäss BLW) für die beiden Milcharten (Käserei- und Molkereimilch) werden mit den produzierten Mengen verglichen. Dank diesem Vergleich lassen sich zwei Tendenzen erkennen: Der Preis für Käsereimilch (hohe Wertschöpfung) hält sich und das Angebot stabilisiert sich, während der Molkereimilchpreis zusammenbricht und das Angebot steigt. In der Folge steigt die durchschnittliche Differenz zwischen der Molkerei- und der Käsereimilch von 2.5 Rappen (Periode 2004 bis 2008) auf 12 Rappen (Periode 2009 bis 2015). Milchsammlung (in Tonnen) und Preis für Käsereimilch (in Rp. / kg) 7 80 75 2'000'000 70 1'500'000 65 1'000'000 60 500'000 55 50 0 2004 2005 2006 2007 2008 Menge Käsereimilch 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Milchpreis (verkäste Milch, gewerbliche Käsereien) Quelle: Preis gemäss Marktbericht BLW, Milchsammung gemäss TSM Es gibt immer mehr Molkereimilch (Milch aus Silagefütterung) und weniger Käsereimilch In den vergangenen fünf Jahren hat die Molkereimilchmenge um 145 000 Tonnen zugenommen und die Käsereimilchmenge um 96 000 Tonnen abgenommen. Die Milch aus Silagefütterung macht im Jahr 2004 64 % und 2015 68 % aus, wohingegen die silagefrei produzierte Milch um 4 % zurückgeht (von 36 % auf 32 %). Milchsammlung (in Tonnen) und Preis für Molkereimilch (in Rp. / kg) 2'500'000 80 75 2'000'000 70 1'500'000 65 1'000'000 60 500'000 55 50 0 2004 2005 2006 Menge Silomilch 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Molkereimilchpreis Quelle: Preis gemäss Marktbericht BLW, Milchsammung gemäss TSM AGRIDEA 2016 9 WERTSCHÖPFUNGSKETTEN UND MÄRKTE – MILCHMARKT Die Produzentenpreise im Vergleich mit dem Ausland Der Vergleich der Produzentenpreise in der Schweiz mit jenen in der EU, in Kanada und Neuseeland zeigt, dass die Produzentenpreise für Schweizer Milch nicht die höchsten sind. Die Milch in Kanada wird besser bezahlt, was auf ein Regulierungssystem zurückzuführen ist, welches das Angebot auf die Nachfrage abstimmt. Im Weiteren schränken Grenzschutzmassnahmen die Einfuhr von Produkten nach Kanada ein, damit die Nachfrage hauptsächlich über die Inlandproduktion gedeckt wird. Dieses System wird durch die laufenden Verhandlungen zum Abkommen über die Transpazifische Partnerschaft (TPP) und zum Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) gefährdet. 8 Die Preise in der EU befinden sich seit der Aufhebung der Milchquoten im April 2015 in der Krise. Sie sind im zweiten Halbjahr 2015 zusammengebrochen. Das Embargo Russlands und die Stagnation der Exporte nach China trüben zurzeit die Hoffnungen auf eine Entlastung des gesättigten europäischen Milchmarktes. Denn man muss wissen, dass China und Russland die grössten Importeure für Milchprodukte sind. Angesichts dieser Ausgangslage haben das EMB (European Milk Board) und der BDM (Bundesverband Deutscher Milchviehhalter) ein Marktverantwortungsprogramm entwickelt, um Krisen im Milchmarkt zu bewältigen. Neuseeland ist der grösste Milchexporteur der Welt und liegt somit vor den USA und der EU. Das neuseeländische System zeichnet sich durch die saisonale Abkalbung aus. Diese sorgt dafür, dass die Milchproduktion mit dem Graswachstum harmoniert und die Produktionskosten äusserst wettbewerbsfähig sind. Produzentenpreise (Rp. / kg Milch) und Standardabweichungen 2010 – 2013 69.2 62,5 51,2 42.1 Kanada ± 3.1 EU ± 2.3 Neuseeland ± 4.9 Schweiz ± 1.9 Quelle: Gemäss dem Bericht der International Dairy Federation Wie jedes Produktionsland ist auch die Schweiz Preisschwankungen ausgesetzt. Über die vergangenen 15 Jahre zeichnet sich ein Trend zu einer stärkeren Volatilität1 des Schweizer Milchpreises ab: zwischen 2000 und 2006 noch schwach, hat sich die Volatilität zwischen 2007 und 2014 verstärkt. Dennoch ist dieses Phänomen in der Schweiz weniger stark ausgeprägt als in den Nachbarländern. 1 10 ie Volatilität misst das Ausmass und die Häufigkeit der Milchpreisschwankungen während einer D bestimmten Dauer. AGRIDEA 2016 WERTSCHÖPFUNGSKETTEN UND MÄRKTE – MILCHMARKT Preisregulierungssystem: Die Segmentierung der Molkereimilch Das System der Segmentierung dient dazu, die Preise und Mengen zu staffeln in die drei Segmente A, B und C). Es ist 2011 eingeführt worden mit dem Ziel, mehr Transparenz zu schaffen und die Milchpreise zu regulieren. Die Segmentierung gilt für beide Milcharten: Molkerei- und Käsereimilch. Wir konzentrieren uns in diesem Kapitel auf die Segmentierung der Molkereimilch. 9 Die drei Segmente werden in der untenstehenden Tabelle definiert; jedes verfügt über ein eigenes Preisniveau. Die BO Milch veröffentlicht monatlich die Richtpreise pro Segment, die bei den Verhandlungen zwischen den Lieferanten und Käufern als Referenzwert dienen. Der Milchpreis im A-Segment entspricht einem Preis für wertschöpfungsstarke Produkte, die hauptsächlich für den Inlandmarkt bestimmt sind (die wenigen exportierten Produkte werden über das Schoggigesetz finanziell gestützt). Derjenige des B-Segments entspricht einem Preis für Produkte mit eingeschränkter Wertschöpfung (ein grosser Teil der Produkte wird ohne Stützung exportiert). Derjenige des C-Segments entspricht dem Weltmarktpreis und gilt für Produkte, die exportiert werden; er wird vom Weltmarkt bestimmt. Verwendung der Milch Segment Eigenschaften Schweizer Markt Export Produkte A mit Grenzschutz mit Rohstoffpreisausgleich (Schoggigesetz)1 Milchprodukte mit hoher Wertschöpfung: geschützter oder gestützter Markt • Konsummilch und -rahm • Butter • Pulver und Konzentrate • Käse • Joghurt • Andere Frischprodukte • Pulver und Konzentrate1 • Andere Frischprodukte1 Produkte B ohne Grenzschutz ohne Rohstoffpreisausgleich2 mit Weltmarktpreis (Protein, Fett) Milchprodukte mit eingeschränkter Wertschöpfung resp. höherem Konkurrenzdruck: ungeschützter und ungestützter Markt • Quark • Milchmischgetränke • Milchproteine • Joghurt • Magermilchpulver • Käse (Industrie) • Andere Frischprodukte2 Produkte C mit Weltmarktpreis (Protein, Fett) Regulier- resp. Abräumprodukte ohne Beihilfe 1 2 • Butter • Vollmilchpulver • Rahm • Milch (> 3,0 % Fett) P rodukte mit Exportbeihilfe (über das Schoggigesetz) Produkte ohne Exportbeihilfe Gemäss dem Jahresbericht von TSM (Treuhandgesellschaft, zuständig für die Milchprüfung) und dem Reglement «Segmentierung des Milchmarkts» der BO Milch (Anhang 2) AGRIDEA 2016 11 WERTSCHÖPFUNGSKETTEN UND MÄRKTE – MILCHMARKT Die Mengensegmentierung wird in den Milchkaufverträgen geregelt und die A- und B-Milchmengen für das folgende Kalenderjahr sind im Voraus bekannt. Über ein Kalenderjahr sollten mindestens 60 % der Gesamtmilchmenge der Erstmilchkäufer3 (PO oder PMO) und Zweitmilchkäufer dem A-Segment angehören. Möglich sind entweder Jahresverträge mit einer saisonalen Verteilung für die drei Segmente oder Quartalsverträge, die sich an der effektiven Absatzentwicklung orientieren, so dass die eingekauften A-, B- und C-Mengen mit dem effektiven Produktportfolio über ein Kalenderjahr übereinstimmen. Jedoch gilt, dass die Lieferung von C-Milch für den Lieferanten beim Erstmilchkauf und beim Zweitmilchkauf freiwillig ist. Ein Verzicht auf die Lieferung von C-Milch darf sich nicht negativ auf die Anteile im A- und B-Segment auswirken. 10 TSM kontrolliert die Übereinstimmungen der Datenmeldungen zwischen Käufer und Verkäufer. Die eingehenden und ausgehenden Mengen werden kontrolliert und verglichen; die Differenz darf gemäss dem Reglement der BO Milch nicht grösser als 5 % sein. Milchverwerter, welche B- oder C-Milch verwerten, müssen den Beleg der korrekten Verwertung zu B- oder C-Milchprodukten erbringen. Durch die Kontrolle der Daten zur Segmentierung (Milchfett- und Milchproteinbilanz) soll verhindert werden, dass Produkte mit hoher Wertschöpfung (A-Segment) aus B- oder C-Milch hergestellt werden. Die Vermarktung von saisonalen Milchüberschüssen über die LactoFama, welche in den Händen der Produzentenorganisationen ist, trägt zur Transparenz im C-Segment bei. Das nachstehende Diagramm liefert einen Überblick über die Verwertung nach Segment der Molkerei- und Käsereimilch. Die Tabelle weist die durchschnittlichen Produzentenpreise pro Segment der Molkereimilch aus. Gemäss BLW sollten sich die Molkereimilchmengen wie folgt auf die Segmente verteilen: 85 % entfallen auf das A-, 13 % auf das B- und 2 % auf das C-Segment. Unseren Informationen zufolge sind rund 75 % der Molkereimilch im A-Segment vermarktet worden und folglich 25 % in den Segmenten B und C. Der durchschnittliche Molkereimilchpreis für die Periode 2012 bis 2014 im A-Segment beträgt 63.4 Rappen. Die jährliche Schwankung 2014 – 2015 ist sehr stark ausgefallen: –7 Rappen im A-Segment, –13 Rappen im B-Segment und – 20 Rappen im C-Segment. Verwertung in % nach Segment der Molkerei- und Käsereimilch im Erstmilchkauf 2013 89 2014 85,1 13,2 1,7 2015 85 13,1 1,9 A-Milch 10,7 0,3 B-Milch C-Milch Quelle: BO Milch Produzentenpreis für Molkereimilch (Rp./kg) nach Segment Segment A B C Mischpreis A, B, C 2012 61.5 51.0 36.7 58.57 2013 64.9 57.9 31.5 63.84 2014 67.0 58.1 54.2 65.70 2015 60.3 45.4 33.8 57.91 Prix Ø 2012 – 2015 63.4 53.1 39.1 61.50 D’après l’OFAG, bulletin du marché du lait 3 12 E rstmilchkäufer oder Erstmilchkauf: Wenn die Milch erstmals vom Produzenten zu einem Käufer gelangt AGRIDEA 2016 WERTSCHÖPFUNGSKETTEN UND MÄRKTE – MILCHMARKT 73.0 68.0 63.0 Molkereimilchpreis (BLW) 58.0 A-Richtpreis (BO Milch) 53.0 B-Richtpreis (BO Milch) 48.0 Bereinigter europäischer Durchschnittsmilchpreis (LTO) April 16 Januar 16 Juli 15 Oktober 15 April 15 Januar 15 Juli 14 Oktober 14 April 14 Januar 14 Juli 13 Oktober 13 April 13 Januar 13 Juli 12 Oktober 12 April 12 Januar 12 Juli 11 Oktober 11 April 11 Januar 11 Juli 10 Oktober 10 April 10 Januar 10 Juli 09 43.0 Oktober 09 Rp. CHF/kg Milch (4,0 Fett, 3,3 Eiweiss), franko Rampe Wirkung der Segmentierung auf den Markt: Molkereimilchpreisindex des BLW, bereinigter europäischer Durchschnittspreis LTO sowie A- und B-Richtpreise der BO Milch Hinweis: Der Molkereimilchpreisindex des BLW nimmt das Jahr 2005 als Basisjahr (2005 = Basis 100) und einen Preis von 71.04 Rappen pro Kilo, umgerechnet franko Rampe. Der LTO Preis basiert auf dem europäischen Durchschnittsmilchpreis, umgerechnet in Schweizer Franken, bereinigt gemäss den schweizer Gehaltswerten, ergänzt um die Transportkosten ab Rampe und die Verkäsungszulage von 15 Rappen. Preisregulierungssystem: Die Segmentierung der Molkereimilch Umsetzung der Segmentierung Durch die Segmentierung ist es nicht gelungen, den Milchmarkt zu regulieren, obschon die BO Milch eine Branchenorganisation ist, die 95 % der Schweizer Milchmenge vereint. Ausserdem beeinflusst der Konkurrenzkampf zwischen den zahlreichen Produzentenorganisationen (PO) und PMO (PO mit Verwertern) die produzierte Milchmenge in der Schweiz. Dies kann sich in der Folge negativ auf den Milchpreis auswirken. Die PO möchten ihre Stellung halten und erlauben ihren Mitgliedern, die Milchproduktion zu erhöhen. Die so entstandene überschüssige Milch, die oft ins C-Segment fliesst, zieht den Preis nach unten. Die obenstehende Grafik zeigt, dass die Segmentierung dennoch eine gewisse Wirkung auf den Markt hat (Grafik: Gegenüberstellung der A- und B-Richtpreise der BO Milch, des Preises des BLW und des europäischen Preises gemäss LTO Nederland www.milkprices.nl). Zitat aus dem Reglement der BO Milch zur Segmentierung des Milchmarkts (Artikel 8.5): «Mit der Milchgeldabrechnung werden für alle drei Segmente einzeln Menge und Preis ausgewiesen. Der in den einzelnen Segmenten ausbezahlte Milchpreis orientiert sich an den durch die Branchenorganisation Milch veröffentlichten Richtpreisen.» Die Mischpreise sind zwischen den Milchlieferantenorganisationen (Zweitmilchkauf) erlaubt, hingegen sind sie bei den Milchlieferanten (Erstmilchkauf) in der Milchgeldabrechnung verboten. Gemäss BO Milch scheint die Transparenz (Menge und Preis der drei Segmente einzeln ausgewiesen) in der Milchgeldabrechnung gewährleistet zu sein. Bei festgestellten Unregelmässigkeiten bei den Mengenangaben können die Marktakteure die Geschäftsstelle der BO Milch als vertrauliche Ombudsstelle beiziehen. Für Produzenten, die über eine Monatsvertragsmenge an einen Käufer gebunden sind, wird im Preis (SPP, StandardProduzentenpreis) B-Milch ausgewiesen, wenn die durchschnittliche schweizerische Monatseinlieferung die jeweilige A-Monatsvertragsmenge übersteigt. Mit diesen Käufern haben jene Produzenten, die aufgrund ihres Systems unregelmässige Lieferungen aufweisen (saisonale Abkalbungen, Sömmerung), einen höheren Anteil Milch in den Segmenten B und C. Die Monatsvertragsmenge setzt sich zusammen aus der regelmässig eingelieferten A- und B-Milch. Milch, die ausserhalb dieser festgelegten Mengen produziert wird, wird nach Möglichkeit in B-Milch, ansonsten in C-Milch klassiert. Das aktuelle Problem ist mit der Freiwilligkeit der C-Milch verbunden, die nicht unbedingt angegeben wird (Artikel 8.3 und 9.3 des Reglementes der BO Milch). Sowohl Milchproduzenten als auch Milchvermarkter müssen die Möglichkeit haben, auf C-Milchlieferungen verzichten zu können. Das Problem besteht darin, dass die Freiwilligkeit der C-Milchlieferungen von den verschiedenen Akteuren unterschiedlich ausgelegt werden kann. Die Details dazu müssen zwingend zwischen den Handelspartnern entweder in einem Milchkaufvertrag mit einer minimalen Laufzeit von einem Jahr oder in einem anerkannten Milchmengenreglement geregelt sein. Dem Milchproduzenten muss immer eine Option für den Verzicht auf C-Milch zur Verfügung stehen, die keine negative Auswirkung auf die anderen Segmente hat. AGRIDEA 2016 13 WERTSCHÖPFUNGSKETTEN UND MÄRKTE – MILCHMARKT Produktionskosten der Betriebe Angesichts der Preisschwankungen ist es wichtig zu wissen, wie sich die verschiedenen Kosten verteilen. Die Kosten setzen sich aus drei Kategorien zusammen: Direktkosten, fremde Strukturkosten und eigene Strukturkosten. Die zentrale Frage ist, ob die Kosten durch die Leistungen (Milchpreis und Direktzahlungen) gedeckt sind. Anders formuliert: Macht der Betrieb Gewinn (Leistungen > Kosten) oder Verlust (Kosten > Leistungen)? Eine Analyse der Daten 2012 – 2014 zeigt, dass der Milchpreis und die Beiträge die Produktionskosten nicht zu decken vermochten – weder im Tal-, Hügel- (nicht abgebildet) noch im Berggebiet. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Analyse für Familienarbeitskräfte eine Entschädigung von 28 CHF / Std. berücksichtigt. In der Realität beträgt die effektive Entschädigung im Schnitt 18 CHF / Std. im Talgebiet, wobei diese Zahl von Betrieb zu Betrieb stark schwankt (zwischen 7 und 36 CHF / Std.). Im Berggebiet beträgt die höchste Entschädigung 20 CHF / Std. Eine Analyse der Produktionskosten zeigt, wo noch Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. Dazu müssen die eigenen Daten mit jenen anderer Betriebe (z. B. der 25 % erfolgreichsten Betriebe) derselben Zone verglichen werden. Angesichts des schwierigen Umfelds ist es wichtiger denn je, die eigenen Kosten zu analysieren und die Funktionsweise seines Systems zu optimieren, um mögliches Sparpotenzial auszumachen. Ist der Milchpreis tief, sind die Landwirte versucht, die Produktion zu steigern, um so den tiefen Preis mit einer höheren Menge zu kompensieren. Es fragt sich allerdings, ob diese Strategie hinsichtlich der Verwertung der zusätzlichen Milch (B- oder C-Preis) sinnvoll ist. Quellen: AGRIDEA, bbzn.lu.ch Vollkostenrechnung von Tal- und BergbetriebenKosten 2015 Kosten Leistung 180 Rappen pro kg Milch 152 Talbetriebe und 43 Bergbetriebe, Buchhaltungen 2012 – 2014 164.1 160 100 80 69.3 97.7 32.7 85.2 − 12.5 20.9 60 40 20 0 123.5 −40.6 140 120 Leistung 56.5 68.9 43.2 67.0 64.3 21.8 Talzone Direktkosten Fremde Strukturkosten Eigene Strukturkosten 25.9 Bergzone Milchpreis Direktzahlungen Kostenoptimierung in der Milchproduktion Zwischen 2009 und 2012 haben die AGRIDEA, die Organisation der Schweizer Milchproduzenten (SMP), Profi-Lait und das Beratungsforum Schweiz (BFS) eine gemeinsame Kampagne zu den Produktionskosten durchgeführt. Die Landwirte sind ermutigt worden, die Milchproduktionskosten zu berechnen und zu analysieren. Die Deckungsbeitragsberechnung Milchviehhaltung ist immer noch im Internet aufgeschaltet und für alle zugänglich. Die Landwirte können dort ihre Resultate mit den Referenzwerten von Agroscope Tänikon aus der zentralen Auswertung vergleichen. Die Milchproduzenten, welche ihre Produktionskosten berechnen möchten, können dies nach wie vor mit Unterstützung ihres Beraters über das Excel-Tool VOKO tun. Die AGRIDEA und das Beratungszentrum Luzern werten jedes Jahr die Resultate dieser Betriebe aus. Die aktuelle Kampagne «Erfolgreiche Milchproduktion» bezieht neben den anderen Faktoren auch die Lebensgemeinschaft auf dem Betrieb mit ein, welche ein ebenso wichtiger Erfolgsfaktor ist. 14 AGRIDEA 2016 WERTSCHÖPFUNGSKETTEN UND MÄRKTE – MILCHMARKT Verteilung der Wertschöpfung innerhalb der Branche Der Produzentenpreis hängt von der Differenzierung der produzierten Milch ab, aber auch von der Transparenz darüber, wie diese Milch später in der Wertschöpfungskette verwertet wird. Bezüglich der Differenzierung bestehen zwei wichtige Märkte, die unterschiedlichen Preisbildungsmechanismen unterliegen: • Märkte «generischer» Produkte: Diese Produkte sind austauschbar und der Preis variiert stetig, entsprechend den internationalen Veränderungen von Angebot und Nachfrage. • Märkte «differenzierter» Produkte, die über eine Marke oder ein Label verfügen: In diesem Fall besteht ein Wettbewerb zwischen den verschiedenen Lieferanten. Der Endkäufer bevorzugt gewisse Produkte und verfügt über eine gewisse Zahlungsbereitschaft hinsichtlich der erwarteten Vorteile und des Preises. Diese zwei Märkte kommen in der Schweiz sowohl bei Milch als auch bei verarbeiteten Produkten zum Tragen. Das nachfolgende Schema stellt die verschiedenen Möglichkeiten dar. Die Differenzierung im Milchmarkt Differenzierte verarbeitete Produkte Käse mit AOP Nationale Markenprodukte mit hoher Wertschöpfung: Milchmischgetränke, Glace usw. Traditionelle Käsespezialitäten Bio-Milchprodukte Produkte, die konventionell unter einer Marke oder Eigenmarke verarbeitet werden: Konsummilch, Joghurt, Industriekäse, Rahm, Butter usw. Bergprodukte generische Milch differenzierte Milch Verarbeitete, billige Produkte Milchpulver und Butter für die Industrie Deklassierte Milch Produkte mit schwacher Wertschöpfung: Milchpulver und Butter für den Weltmarkt Generische verarbeitete Produkte Quelle: S. Réviron, AGRIDEA AGRIDEA 2016 15 WERTSCHÖPFUNGSKETTEN UND MÄRKTE – MILCHMARKT Eine Studie der AGRIDEA über die Preisbildung in den landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten in der Genferseeregion aus dem Jahr 2012 vergleicht die Wertschöpfung für Produkte, die mit generischer Milch hergestellt worden sind (die Studie ist nur auf Französisch erschienen unter dem Titel «Formation des prix dans les filières agricoles de l’arc lémanique»). Je höher und erfolgreicher die Differenzierung eines verarbeiteten Produkts ist (oberer Bereich in der Grafik), desto höher fällt der Anteil der Verarbeiter und des Handels am Preis aus. Wie hoch der Anteil der Produzenten am Preis ist, hängt dagegen stark von der Transparenz innerhalb der Branche ab. Wenn der Landwirt weiss, was der Verarbeiter mit seiner Milch herstellt und zu welchem Preis das Endprodukt verkauft wird, verfügt er über eine bessere Verhandlungsbasis. Kennt der Landwirt hingegen das Produkteportfolio seines Milchkäufers nicht, so ist die Berechnung seines Preises undurchsichtig. Verteilung der Wertschöpfung nach Konsummilchart, 2011 CHF 2.5 CHF 2.0 CHF 1.5 Handel Verarbeiter CHF 1.0 Produzent CHF 0.5 CHF 0.0 Billige Milch Milch Eigenmarke Pasteurisierte Bergmilch Bio-Milch (LRG: Laiteries Réunies Genève) Faire Milch LRG Quelle: S. Réviron et al., Formation des prix dans les filières agricoles de l’arc lémanique, pour l’Union Lémanique des Chambres d’agriculture, projet Interreg, 2012 Verteilung der Wertschöpfung nach Joghurtart, 2011 CHF 7.0 CHF 6.0 CHF 5.0 CHF 4.0 Handel CHF 3.0 Verarbeiter Produzent CHF 2.0 CHF 1.0 CHF 0.0 Joghurt: Nature Eigenmarke Früchte Eigenmarke Berg Heidi Nature Bio Früchte Bio Früchte Westschweiz Nature Marken Früchte Marken Source : S. Réviron et al., Formation des prix dans les filières agricoles de l’arc lémanique, pour l’Union Lémanique des Chambres d’agriculture, projet Interreg, 2012 Nützliche Links zu den Quellen www.agriculture.ch www.agridea.ch > FACHBEREICHE > Tierhaltung > Milchviehhaltung und Aufzucht > Märkte, Wertschöpfungsketten www.agristat.ch www.bfs.admin.ch www.blw.admin.ch www.bobutter.ch www.europeanmilkboard.org European Milk Board www.fil-idf.org International Dairy Federation 16 www.schweizeralpkäse.ch www.schweizerkäse.ch www.fromarte.ch www.ip-lait.ch www.milchindustrie.ch www.milchstatistik.ch www.swissmilk.ch www.swiss-milkpowder.ch www.tsmtreuhand.ch AGRIDEA 2016