Beiträge des Instituts für Meteorologie der Freien Universität Berlin zur Berliner Wetterkarte 55/07 SO 26/07 Herausgegeben vom Verein BERLINER WETTERKARTE e.V. c/o Carl-Heinrich-Becker-Weg 6-10, 12165 Berlin http://www.Berliner-Wetterkarte.de ISSN 0177-3984 22.8.2007 Der Juli in der 100-jährigen Beobachtungsreihe von Berlin-Dahlem 1908 bis 2007 von Jürgen Heise und Georg Myrcik Ist Siebenbrüder (10. Juli) ein Regentag, so regnet’s noch 7 Wochen danach. Foto: Georg Myrcik 7. Juli 2006 Berlin-Steglitz Überschwemmung an der S-Bahn-Unterführung Wolfensteindamm in Berlin-Steglitz nach starken gewittrigen Regenschauern. Das Motto für diesen Monat erinnert an die Siebenschläferregel (27. Juni). Danach soll es 7 Wochen lang regnen, wenn es am Siebenschläfertag regnet. Diese Regel ist wohl schon vor der Gregorianischen Kalenderreform von 1582 entstanden, die zu einer Verschiebung von 10 Kalendertagen führte; damit rückte der wahre Siebenschläfertag auf den 7. Juli. Die Siebenbrüderregel stammt möglicherweise aus der Zeit nach der Kalenderreform und berücksichtigt die Erfahrung, dass die in dieser Zeit herrschende Witterung eine große Erhaltungs- und Wiederholungsneigung besitzt. Die atmosphärische Zirkulation ist nämlich im Hochsommer am schwächsten ausgeprägt, da der Temperaturgegensatz zwischen Polargebiet und Subtropen ihren niedrigsten Wert hat und damit die westliche Höhenströmung ihre geringste Stärke erreicht. Erst im Laufe des August nehmen die Gegensätze wieder zu, und die in der Folge stärker werdende westliche Höhenströmung führt auch zu vermehrter Sturmtiefbildung über dem Nordatlantik, die Umstellungen der Großwetterlage über Europa fördert. Hinzu kommen monsunale Effekte, und 1 tiefem Luftdruck über Südasien steht hoher Luftdruck bei den Azoren gegenüber, was zu einem verstärkten Auftreten von Westwinden über Mitteleuropa führt: So nimmt die Häufigkeit der Windrichtungen (Beobachtungen von Berlin-Dahlem 1961 – 1990) aus dem SW-W-NW-Sektor weiter zu auf 62% (Juni 54%), während die Häufigkeit aus dem NE-E-SE-Sektor auf 21% abnimmt (Juni 27%). Legt man die Zeit um den 7. Juli zugrunde, so folgt nach H. Malberg (1) mit einer Wahrscheinlichkeit von 65% auf niederschlagsreiche Witterung ein nasser Hochsommer, auf niederschlagsarme Witterung ein trockener Hochsommer. An dieser Stelle sei auch auf die Regel 64 von F. Baur hingewiesen: Wenn in Frankfurt/Main, Potsdam und München vom 6. – 11. Juli der Luftdruck im Mittel 1020,0 hPa oder mehr beträgt, ist mit sehr großer Wahrscheinlichkeit in den folgenden Wochen bis Mitte August in Deutschland ein trockener Hochsommer zu erwarten. Mit einer Mitteltemperatur von 17.9°C (30-jährige Normalperiode 1961 – 1990) ist der Juli der wärmste Monat des Jahres. Der kälteste Tag ist der 1. Juli mit 17,0°C, der wärmste der 31. Juli mit 19,0°C. Insgesamt schwankt die Tagesmitteltemperatur im Verlauf des Monats nur wenig um 18°C. Entsprechend weichen auch die mittleren Tagesextreme nur wenig von den Monatsdurchschnittwerten von 23,1°C/12,9°C ab. Der wärmste Juli wies eine Mitteltemperatur von 23,2°C (2006), der kälteste von nur 15,1°C (1979) auf. Am heißesten war es am 11. Juli 1959, als in Berlin-Dahlem 37,8°C gemessen wurde, am kältesten in den Frühstunden des 9. Juli 1948, als das Minimum nur 5,4°C betrug. Mag für viele typisches Sommerwetter mit der Vorstellung mit lang anhaltenden Perioden von 25°C und mehr verbunden sein, so ist in einem durchschnittlichen Juli nur mit 10,3 Sommertagen zu rechnen. Heiße Tage mit 30,0°C und mehr gibt es im Mittel nur an 2,5 Tagen. In dem Rekordjuli 2006 traten allerdings 29 Sommertage (an der Station Fichtenberg sogar 31 Sommertage) und 17 Heiße Tage auf. Nicht immer steigt die Temperatur im Juli über 30°C, und in den Julimonaten 1909 und 1954 gab es noch nicht einmal einen Sommertag. Zum normalen Sommer gehören aber auch kühle Tage: Immerhin steigt die Temperatur im Mittel an 8 Tagen nicht über 20°C (im Juni an 11, im August an 8 Tagen). Betrachtet man den Gesamtsommer (Monate Juni, Juli und August), so stehen durchschnittlich 27 Sommertagen genau 27 Tage gegenüber, an denen 20°C nicht überschritten werden. Diese kühlen Tage, an denen manchmal auch geheizt werden muß, gehören ebenso zum Bild eines typischen Berliner Sommers wie warme Tage. Im Durchschnitt der Jahre 1961 – 1990 fiel 53,1 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Im trockensten Julimonat waren es nur 8,0 Liter (1971), im nassesten 195,2 Liter pro Quadratmeter (1922). Mit 218,0 Stunden scheint die Sonne unbedeutend weniger als im Juni (220,9 Stunden). Das sind 43,2% des astronomisch Möglichen (Juni 44,0%). Seit 1991 haben sich die warmen Julimonate in auffallender Weise gehäuft: Betrug das Temperaturmittel – wie oben angeführt – in der Periode 1961 – 1990 17,9°C, so stieg es in den darauf folgenden 15 Jahren um 1,2 K auf 19,1°C (2). Hauptursache war das gehäufte Auftreten von zumeist antizyklonalen Großwetterlagen, die trocken-warme Witterung begünstigen. Wie weit diese Häufung mit der globalen Erwärmung zusammenhängt, ist noch nicht eindeutig geklärt. Immerhin hatten diese Wetterlagen zur Folge, dass von 1991 – 2007 (17 Jahre) das Temperaturmittel 6 mal über 20°C lag (in zwei Fällen sogar über 22°C), d. h. etwa jeder dritte Juli war so warm. Im Zeitraum 1908 – 1990 (83 Jahre) wurde in 7 Fällen 20°C erreicht oder überschritten (niemals aber 21°C), also im Durchschnitt nur in jedem 12. Julimonat. Von 1913 – 1940 (28 Jahre) blieb das Julimittel durchweg unter 20°C. (1) H. Malberg: „Bauernregeln aus meteorologischer Sicht“ Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2003, 4. Auflage (2) J. Heise: „Der Temperaturverlauf der vergangenen 15 Jahre in Berlin-Dahlem“ Beilage zur Berliner Wetterkarte SO 03/06 2 3 4 * alle Werte in den Tabellen und Grafiken auf Seite 3, 4, 5 und 8 sind nicht reduziert bzw. homogenisiert. Das Mittel und die Abweichungen der Sonnenscheindauer sowie das Mittel der 5 cm Lufttemperatur beziehen sich auf die Messreihe 1961-1990. Die im Kriegsjahr 1945 entstandenen Datenlücken wurden teilweise mit Werten der Säkularstation Potsdam ergänzt. 5 Die Unwetterfront vom 10. Juli 2002 An diesem Tag lag der Nordosten Deutschlands und damit auch Berlin am Rande des russischen Hochdruckgebietes ZISKUS in einer warmen Südostströmung. Um Mitternacht hatte zwar von Südwesten her eine Konvergenzlinie mit Gewittern die Elbe erreicht, verlor aber rasch an Wetterwirksamkeit. So stieg die Temperatur in Berlin-Dahlem bei nahezu ununterbrochenem Sonnenschein auf einen Höchstwert von 33,2°C, während Gewitterregen hinter einer Kaltfront im Rheinland die Mittagstemperatur auf 12°C herab drückte. Abends überquerte dann die Kaltfront auch den Berliner Raum, die mit ungewöhnlich heftigen Gewitterböen verbunden war. Verbreitet gab es Böen der Stärke 12, so dass beträchtliche Schäden auftraten. Hauptsächlich durch herab fallende Äste und umstürzende Bäume kamen 8 Menschen um Leben. 6 Das Oderhochwasser vom Juli 1997 – Dauerregen auch in Berlin Der mit seinem Zentrum über den Karpaten liegende Tiefdruckwirbel ZOE bewegte sich nur wenig, so dass es insbesondere im südöstlichen Mitteleuropa anhaltend regnete. Die Folge war hauptsächlich an der Oder in Polen eine der schlimmsten Hochwasserkatastrophen der Geschichte, zumal es dort schon vom 5. – 9. 7. bei einer ähnlichen Wetterlage anhaltend und stark geregnet hatte (Lysa Hora in Tschechien 594 mm Niederschlag). Berlin wurde nur von dem zweiten Dauerregen erfasst: Hier fielen vom 18. – 21. 65 mm, davon allein in der ersten Tageshälfte des 20. 7. 38 mm. Die Schäden durch Überflutungen hielten sich aber in Grenzen. 7 8