Vorlesung Erd- und Produktionssystseme, Herbstsemester 2007 1 Klimasystem und Wasserkreislauf Christoph Schär Institut für Atmosphäre und Klima ETH Zürich http://www.iac.ethz.ch/people/schaer TEIL 5 Anthropogene Effekte Schär, ETH Zürich 2 TEIL 5: Anthropogene Effekte Kapitel 18. Hochwasserschutz (Schweiz) Kapitel 19. Bewässerung (Aral-See) Kapitel 20. Klimaänderung (Global) Schär, ETH Zürich 1 3 Flussverbauungen Aare oberhalb Brugg 1840 1988 Schär, ETH Zürich 4 Auswirkung der Seeregulierungen auf Seewasserstände Schär, ETH Zürich (Margot et al. 1991, Hydr. Atlas der Schweiz) 2 5 Thur – 1840 versus 2000 Blau: ursprüngliche Gewässer Rot: ehemalige Gewässer Grün: neue Gewässer (ETH Fallstudie Thur, 2002) Schär, ETH Zürich Aktuelle Bauvorhaben der Schweiz 6 Linth-Kanal • gegenwärtiger Kanal stammt aus der Zeit von K. Escher von der Linth • erfüllt Anforderungen nicht mehr (Hochwasser Mai 1999, August 2005) • gegenwärtig Planung für Ersatz und/oder Dammverstärkung Rhonekorrektur • Hochwasser Oktober 2000 • riesiges Projekt mit einem Investitionsbedarf von ~1 Mia Fr. Renaturierungsprojekte • umfangreiche Projekte zur Renaturierung (Bsp. Thur, Aare) • Primäres Ziel ist die Erhaltung von Auenlandschaften und Oekosystemen • potentieller Konflikt zwischen Sicherheit (Hochwasser) und Naturschutz Schär, ETH Zürich 3 Thur, Mai 1999 7 Thurüberschwemmung 1999 Ellikon am Rhein Schär, ETH Zürich 8 Leer Schär, ETH Zürich 4 9 TEIL 5: Anthropogene Effekte Kapitel 18. Hochwasserschutz (Schweiz) Kapitel 19. Bewässerung (Aral-See) Kapitel 20. Klimaänderung (Global) Schär, ETH Zürich 11 Umweltkrise in instabilem politischem Umfeld UZBEKISTAN Schär, ETH Zürich 5 13 Source Region of Major River Basins Chinaz Tian Shan Syrdarya Dupuli Zaravshan Pamir Kerki Amudarya Hindukush Schär, ETH Zürich (courtesy Ruslan Batirov) 14 Syrdarya (Chinaz) Schär, ETH Zürich 6 15 Jahresgang Niederschlag Abfluss [mm/d] Syrdarya 166,400 km 2 Chinaz Zeravshan 10,200 km 2 Dupuli [mm/d] Amudarya 320,500 km 2 Kerki Sommerabfluss wird durch Winterniederschläge und Schneeschmelze bestimmt (Schär et al. 2004, J. Hydrometeorol.) Schär, ETH Zürich 16 Korrelation Winterniederschlag – Sommerabfluss Statistisches Modell für Syrdarya Juni-Abfluss verwendet vorangehender Gebiets- Niederschläge (December-May, Reanalyse ERA-15) June Runoff [mm/d] 1.4 Correlation: R2=0.86 1.2 1.0 0.8 0.6 0.4 1980 1985 1990 Hohe Korrelation lässt sich für Vorhersage nutzen Schär, ETH Zürich (Schär et al. 2004, J. Hydrometeorol.) 7 17 Bewässerung in Zentralasien • Sommerabflüsse von Amudarya, Syrdarya und Zeravshan wurden seit Jahrtausenden zur Bewässerung und Wasserversorgung verwendet (Kultur der Seidenstrasse) • Seit 1960 massiver Ausbau der Baumwollproduktion, um das “Textilproblem” der Sowjetunion zu mindern. Anbau auch in ungeeigneten Regionen. • Aufbau eines gigantischen Netzwerkes von Kanälen und Bewässerungssystemen (Grösster Kanal: Karakum-Kanal vom Amudarya nach Turkmenistan, mit einer Kapazität von 600m3/s) • Wassserentnahme hat sich bis 1980 von 45 auf 90 km3/Jahr verdoppelt • Seit dem Zerfall der Sowjetunion (1991) sind Zentralasiatische Republiken unabhängig, zentrale Wasserkoordination wurde geschwächt. • Politische Probleme: Flüsse haben zahlreiche Grenzquerungen (Stalins Grenzziehung) Gebirgige Regionen (z.B. Tajikistan) wollen Wasser im Winter nutzen (Wasserkraft), semi-aride Regionen (z.B. Uzbekistan) im Sommer (Bewässerung) Umweltrelevanz wird angesichts anderer Probleme ignoriert (pro Kopf Bruttosozialprodukt ~20$, Zerfall des Bildungs- und Gesundheitswesens) Schär, ETH Zürich 18 Wüste in der Nähe von Bukhara Schär, ETH Zürich 8 19 Bewässertes Feld Schär, ETH Zürich 20 Bewässerungsanlagen Schär, ETH Zürich 9 21 Michael Baumgartner, www.mfb-geo.ch (Spot-Vegetation, 2000) Falschfarbenbild Spot: Vegetation ist rot dargestellt Schär, ETH Zürich 22 Austrocknung des Aral Sees 1964 Pegel: Fläche: Salzgehalt: Zufluss: 2001 ~1960 2002 +53.4 m 66’900 km2 ~10 g/l ~45 km3/y +31.2 20’800 km2 68 g/l ~1–4 km3/y Schär, ETH Zürich 10 26 TEIL 5: Anthropogene Effekte Kapitel 18. Hochwasserschutz (Schweiz) Kapitel 19. Bewässerung (Aral-See) Kapitel 20. Klimaänderung (Global) Schär, ETH Zürich 27 Erwärmung von 1860 bis 2004 Jahresmitteltemperatur [ºC] Schweizerisches Mittelland Globales Mittel (Durchschnitt der Stationen Zürich, Basel, Bern, Genève) (Abweichung vom Mittel der Periode 1961-1990) jährliche Daten gleitendes Mittel Jahr Schär, ETH Zürich Jahr (Daten: MeteoSchweiz, Zürich; Climate Research Unit, Norwich) 11 28 Rhonegletscher 1990 1940 1856 1601 Schär, ETH Zürich 29 Globale Temperaturkurve des letzten Jahrtausends 2004 Temperatur [ºC] Abweichung vom Mittel 1900-2000 Mittelalterliches Klimaoptimum Kleine Eiszeit Klimarekonstruktion (Nordhemisphäre) mit natürlichen Klimaarchiven Schär, ETH Zürich Jones et al. (1998) Mann et al. (1999) Crowley and Lovery (2000) Briffa et al. (2001) Esper et al. (2002) Mann et al. (2003) Jones and Mann (2004) Huang (2004) Moberg et al. (2005) instrumentelle Beobachtungen (Baumringe, Eisbohrkerne, Sedimente, etc) 12 30 Erwärmung erfasst zunehmend ganzes Klimasystem Mittlerer Meeresspiegel Anstieg: ca 15 cm seit 1900 (March / April) Reduktion Schneebedeckung: ca 7% seit 1920-1980 (IPCC AR4) Schär, ETH Zürich Globale Niederschlagstrends (1901-1999) 31 Winter (DJF 1900-1999) [% pro 100 Jahre] Schär, ETH Zürich (IPCC TAR 2001, Chapter 2) 13 32 Alpine Niederschlagstrends (1901-1990) Frühjahr Sommer Herbst % / 100 Jahre % / 100 Jahre Winter (Schmidli, Schmutz et al. 2001) Schär, ETH Zürich 33 Trend intensiver Winterniederschläge in der Schweiz Winterliche Starkniederschlagsereignisse Schweiz, Alpennordseite (35 Stationen) Anzahl Ereignisse pro Jahr Zunahme: 75% in 100 Jahren Jahr Schär, ETH Zürich (Schmidli und Frei, 2005) 14 35 Treibhausgas Kohlendioxyd (CO2) 2100: Szenarien bis 900 ppm Atmosphärischer CO2-Gehalt (ppm) 400 2006: Heute, 380 ppm 360 320 1800: Präindustriell, 280 ppm 280 240 200 400’000 300’000 200’000 100’000 heute Anthropogene Treibhausgase Jahre vor heute Bereits heute ist die Konzentration von CO2 höher als je zuvor in den vergangenen 400’000 Jahren CO2 CH4 N2O CF4, C2F6,SF6 HFCs CFCs others (Petit et al. 1999, Siegenthaler et al. 2005) Schär, ETH Zürich 36 Fossile CO2-Emissionen 8000 Millionen C pro Jahr MillionTonnen t C / Year 7000 Trend 1981-2000 [% / y] Fossil CO2Ausstoss Emissions Jährlicher von CO2 durch Verbrennung der fossilen Energieträger (Öl, Kohle, Gas) 6000 Rest Oceania 5000 South America +4.5 4000 +3.0 3000 -2.2 Africa Middle East Far East Centrally Planned Asia Eastern Europe Western Europe 2000 +0.1 North America 1000 +1.6 0 1750 1775 1800 1825 1850 1875 Year Jahr Schär, ETH Zürich 1900 1925 1950 1975 2000 (CDIAC, Oak Ridge National Laboratory ) 15 37 Globaler Kohlenstoff-Kreislauf (1980-1990) natürlich anthropogen Speicher in Pg Flüsse in Pg/Jahr 1 Pg (Petagramm) = 10 15 g = 109 t Der globale C-Kreislauf bestimmt, wie sich die anthropogenen Emissionen im Klimasystem verteilen. Direkt klimaaktiv ist nur atmosphärisches CO 2. Schär, ETH Zürich (Sarmiento und Gruber, 2002) 38 Modelle mit und ohne anthropogene Effekte Schär, ETH Zürich (IPCC AR4) 16 Konsens in den Wissenschaften 39 Zitate aus den UNO-Klimaberichten (IPCC, UNEP) 1990 Die beobachtete Erwärmung ist konsistent mit den Vorhersagen von Klimamodellen, aber es könnte sich auch um eine natürliche Schwankung handeln. 1995 Nach Abwägung aller Faktoren kommen wir zum Schluss, dass ein merkbarer menschlicher Einfluss vorliegt. 2001 Es gibt neue und stärkere Hinweise darauf, dass die Erwärmung der letzten 50 Jahren durch menschliche Aktivitäten verursacht wurde. 2007 Die Erwärmung seit der Mitte des letzten Jahrhunderts ist sehr wahrscheinlich auf menschgemachte Treibhausgase zurückzuführen. Schär, ETH Zürich 41 Globale Erwärmung – Zeitraum 1000-2200 “Business as usual” Szenario Anstieg der CO2 Konzentration von 380 ppm (heute) auf 830 ppm (im Jahr 2100) Temperatur (Abweichung vom Mittel 1900-2000) 4 3 Zusätzliche erwartete globale Erwärmung bis ins Jahr 2100: ca 3.4ºC 2 0 -1 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 Jahr Schär, ETH Zürich Rekonstruktion (Nordhemisphäre) Szenario (Global) (IPCC SRES A2, IPCC AR4) 1 17 42 Globale Erwärmung – Zeitraum 1000-2200 Stabilisierung des CO2-Gehalts auf 450 ppm (Verlangt eine Reduktion der globalen Emissionen um ca 50% bis 2050) Temperatur (Abweichung vom Mittel 1900-2000) 4 3 2 Zusätzliche erwartete globale Erwärmung bis ins Jahr 2100: ca 1.5ºC 1 Unsicherheit Rekonstruktion (Vergangenheit) Unsicherheit Szenario (Zukunft) 0 -1 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 Jahr Rekonstruktion (Nordhemisphäre) Schär, ETH Zürich Szenario (Global) Selbst bei einer Stabilisierung auf 450 ppm ist eine deutliche Erwärmung vorgezeichnet 43 Temperatur-Szenarien 2020-2029 2090-2099 SRES B1 SRES A2 Schär, ETH Zürich (IPCC, AR4) 18 46 Arktisches Polareis Minimale Ausdehnung Arktisches Meereis (September) Beobachtung 1980-2006 2000 Simulation 1900-2100 2040 (Holland et al. 2006, GRL) Schär, ETH Zürich 47 Szenarien des globalen Wasserkreislaufs Erwartete Änderungen bis zum Ende des Jahrhunderts Niederschlagsintensität Trockenperioden [normalisiert mit Standardabweichung] [normalisiert mit Standardabweichung] Zunahme kräftiger Niederschläge, selbst in Regionen mit Niederschlagsreduktion Zunahme von Trockenphasen, selbst in vielen Regionen mit Niederschlagszunahme Zunahme von (trockenen und feuchten) Extremen Schär, ETH Zürich (IPCC AR4, Chapter 10, SRES A1B) 19 51 Swiss Temperature Series 1864-2003: Return Periods 10 y 10 y 100 y 1000 y 100 y mean 1000 y (Schär et al. 2004, Nature, 427, 332-336) Schär, ETH Zürich 57 Klimaszenarien Treibhausgas-Szenario (IPCC SRES A2) Gekoppeltes GCM (HadCM3, ~300 km) Atmosphärisches GCM (HadAM3, ~120 km) Regionales Klimamodell (RCM) (CHRM / ETH, 56 km) Zeitscheiben CTRL (1961-1990) SCEN (2071-2100) Schär, ETH Zürich (EU-Project PRUDENCE, NCCR Climate) 20 58 Summer Temperatures: Presence versus Future Gridpoint near Zurich Simulated: T = 16.1 ºC σ = 0.97 ºC CTRL 1961-1990 Observed: Τ = 16.9 ºC σ = 0.94 ºC SCEN 2071-2100 ΔT=4.6 ºC warming increase in variability Δσ/σ=100% (Schär et al. 2004, Nature, 427, 332-336) Schär, ETH Zürich 59 Szenarien für den Europäischen Sommer (2070-2100) Erwärmung [ºC] Schär, ETH Zürich Zunahme der Jahr-zu-Jahr Variabilität Temperatur Zürich 1961-1990 2071-2100 Jahr Jahr [%] (Schär et al. 2004, Nature, 427, 332-336) 21 60 Globale CO2 Emissionen Kanada Australien Durchschnitt 1.1 t C / Kopf USA China Süd Asien Latein-Amerika Japan Indonesien Südost-Asien Rest Europas Afrika EU Russische Föderation Zentral und West-Asien Pro Kopf Emissionen [t Kohlenstoff] Jahr 2000 Bevölkerung [Millionen] (Schär, ETH Zürich, based on CDIAC data for 2000) Schär, ETH Zürich Die 3 Säulen der internationalen Klimapolitik Wissenschaft Wirtschaft / Gesetz Politik IPCC Rio Protokoll Intergov. Panel on Climate Change Klimakonvention der UNO Kyoto Protokoll Rechtlich verbindliches Vertragswerk Gegründet 1988 durch UNO / UNEP / WMO Konferenz von Rio de Janeiro, Juni 1992 Klimaverhandlungen von Kyoto, Berlin, Marakesch Konsensfindung in den Wissenschaften Zielformulierung: Protokoll zur Reduktion der Treibhausgase: Wissenschaftliche Grundlage der internationalen Klimaverhandlungen “Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration der Atmosphäre auf einem Niveau, welches eine gefährliche menschgemachte Störung des Klimasystem verhindert” 62 • Reduktion um 8% bis 2010 • Protokoll tritt im Februar 2005 in Kraft • USA stehen abseits Schär, ETH Zürich 22 63 Treibhausgas-Emissionen der Schweiz, 1990-2005 2005 Ziel 2010 Mio. t CO2 Total Brennstoffe (Haushalt, Industrie) Treibstoffe (Verkehr) Kyoto-Zielpfad Jahr Schär, ETH Zürich (BAFU) Wirtschafts-Wachstum in Westeuropa [%] EU inklusive Schweiz 64 Pro Kopf Bruttosozialprodukt (inflationsbereinigt) Pro Kopf CO 2-Emissionen 1961=100% Wirtschaftswachstum und CO2-Emissionen sind seit 1974 entkoppelt! Schär, ETH Zürich (Schär, based on IPCC TAR III Data) 23 66 2000-Watt Gesellschaft (Projekt ETH-Rat) Energiebedarf / Kopf Watt pro Person Weltdurchschnitt: USA: Europa: Dritte Welt: Schweiz: Schweiz 1950: Schweiz 1910: 2000 W 12000 W 6000 W 500-1000 W 5000 W 1280 W 900 W Vision der 2000-Watt Gesellschaft (“zurück” zu 2000 Watt / Kopf) • Vision ist machbar • Nutzung von unausgeschöpften Potentialen des Infrastrukturparks • Natürliche Erneuerungsrhythmen nutzen => Zeithorizont von 50-100 Jahren (Novatlantis) Schär, ETH Zürich 68 Fazit Weitere Erwärmung kann nicht mehr vollständig verhindert werden: • Globale Erwärmung bis heute: cirka 0.7ºC • sofortige Reduktion aller Emissionen auf Null => weitere Erwärmung ca 0.5ºC • ohne Reduktion der Emissionen => Erwärmung um cirka 3ºC bis 2100 Ziel: Beschränkung der globalen Erwärmung auf <2ºC. Dies verlangt: => Stabilisierung der atmosphärischen CO2-Konzentration auf <450 ppm. => Reduktion der globalen Emissionen um ca. 50% bis 2050. => Die Industrienationen müssen einen ersten Schritt zur Reduktion der Emissionen leisten (Kyoto-Protokoll, Emissions-Handel der EU, CO2-Gesetz der Schweiz). Schär, ETH Zürich 24 70 Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Schär, ETH Zürich 25