1 Eidgenössische Technische Hochschule Zürich Swiss Federal Institute of Technology Der Hitzesommer 2003: Meteorologischer und klimatologischer Kontext Forum und Workshop “Hitzesommer 2003” 7. Juli 2005, Bern Christoph Schär Institut für Atmosphäre und Klima, ETH Zürich [email protected] Dank an: Erich Fischer, Martin Hirschi, Daniel Lüthi, Sonia Seneviratne, Reto Stöckli Reto Stöckli (ETH Zürich, NASA Modis) Schär, ETH Zürich 2 Inhalt Hitzesommer 2003 1. Charakteristiken 2. Meteorologische Faktoren 3. Klimatologischer Kontext 4. Nachspiel Schär, ETH Zürich 1 Räumliche Ausdehnung 3 Sommer 2003 Abweichung vom 1961-1990 Mittel Farbe: Temperatur Kontouren: normiert mit StandardAbweichung ºC Daten: ECMWF / ERA-40 Schär, ETH Zürich Zeitlicher Verlauf (Schär et al. 2004, Nature, 427, 332-336) 4 ZentralEuropa (Black et al. 2004) Zürich (Bader 2004) Schär, ETH Zürich 2 5 Niederschläge Sommer 2003 Abweichung von 1961-1990 Mittel % Daten: GPCC Schär, ETH Zürich 6 Auswirkungen des Sommers 2003 in Europa • Ernteverluste: 12.3 Milliarden US$ (SwissRe) Reto Stöckli (ETH Zürich, NASA Modis) • Stromverknappung, Spitzenpreise am Spotmarkt (EEX, Leipzig) • Teilweise ernsthafte Problem mit Frischwasserversorgung (Italien), Fischsterben (Schweiz), Waldbränden (Portugal) • Hitzetote: zwischen 22’000 und 35’000 vorzeitige Todesfälle (sogenannte “excess mortality”) Temperaturen August 2003, relativ zum Mittel 2000-2004 Schär, ETH Zürich 3 7 Inhalt Hitzesommer 2003 1. Charakteristiken 2. Meteorologische Faktoren • Hochdruckeinfluss (=> Vortrag Cornelia Schwierz) • Strahlungsantrieb (=> Vortrag Rolf Philippona) • Austrocknung des Bodens • Anomale Ozean-Temperaturen 3. Klimatologischer Kontext 4. Nachspiel Schär, ETH Zürich 8 Geopotential 500 hPa Summer 2003 Abweichung vom 1961-1990 Mittel m Schär, ETH Zürich Mark Liniger 4 9 Strahlungsbilanz Sonneneinstrahlung (Netto) an der Erdoberfläche: 250 Frankreich: 200 W/m 2 2003 150 100 Durchschnitt 50 Jan Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Sep Oct Nov Dez Simulation, Erich Fischer, ETH Zürich Im globalen Mittel wird mehr als 80% der verfügbaren Strahlungsenergie für Verdunstung (und nicht Erwärmung!) aufgewendet. Entscheidend für Entstehung einer Hitzewelle ist der Mangel an Wasser an der Erdoberfläche (Sommertrockenheit). Schär, ETH Zürich 10 Rolle des Bodenwassers Sensitivitätsexperimente mit regionalem Klimamodell. Modifikation des Bodenwassers am 1. April 2003: CTRL – Klimatologie DRY – CTRL WET – CTRL Trockene Böden => reduzierte Verdunstung => reduzierte “latente” Abkühlung Schär, ETH Zürich Erich Fischer, ETH Zürich 5 11 Inhalt Hitzesommer 2003 1. Charakteristiken 2. Meteorologische Faktoren 3. Klimatologischer Kontext 4. Nachspiel Schär, ETH Zürich Häufigkeit von Hitzetagen: Trend 1958-2000 12 Zunahme Abnahme um 5 Tage Sommer 1958-2000 An extremen Standorten: Zunahme von 7 auf 13 Hitzetage Schär, ETH Zürich Anzahl Hitzetage basierend auf 90% Perzentil (txhw90) (Malcolm Haylock, UEA, STARDEX) 6 13 Schweizer Sommertemperaturen 1864-2003 Durchschnitt der Stationen Zürich, Basel, Berne, Geneva (Schär et al. 2004, Nature, 427, 332-336) Schär, ETH Zürich 14 Schätzung der Rückkehrperiode Durchschnitt der Stationen Zürich, Basel, Berne, Geneva 10 Jahre 10 Jahre 100 Jahre 1000 Jahre Schär, ETH Zürich 100 Jahre Mittel extrem selten 1000 Jahre (Schär et al. 2004, Nature, 427, 332-336) 7 15 Veränderung der Variabilität Veränderung des Mittels Frequency Temperature cold warm cold Zunahme von extrem warmen Bedingungen warm Zunahme von extrem warmen/kalten Bedingungen Für Extreme weit weg vom Mittel: Variabilität ist wichtiger als Mittelwert Katz and Brown 1992 Folland et al, IPCC, 2001 Schär, ETH Zürich Regionale Klimaszenarien 16 Treibhausgas-Szenario (IPCC SRES A2) Gekoppeltes GCM (HadCM3, ~300 km) Atmosphärisches GCM (ECHAM5 | HadAM3, ~120 km) Regionales Klimamodell (RCM) (CHRM / ETH, 56 km) Zeitscheiben Experimente CTRL (1961-1990) SCEN (2071-2100) Schär, ETH Zürich ( NCCR Climate P2.1 und P2.2, EU-Projekt PRUDENCE) 8 17 Szenarien Alpenraum 2071-2100 versus 1961-1990 Änderungen im Jahresgang (2 AGCMs, 9 RCMs) Temperatur [ºC] Niederschlag [%] 7 +60 +40 6 HadAM3 5 +20 -20 3 -40 ETH Jan Mar Schär, ETH Zürich May Jul Sep Nov Jan Mar May Jul Sep Nov Modelle stimmen in wichtigsten Aussagen überein. Aber: Unsicherheiten unvollständig repräsentiert. Änderung der Temperatur ΔT [ºC] Schär, ETH Zürich ETH -60 2 Änderung der Variabilität Δσ/σ Sommer (JJA) (Jacob et al. 2005, PRUDENCE) 0 4 18 [%] (Schär et al. 2004, Nature, 427, 332-336) 9 19 Zunahme der Variabilität Vergleich mit Beobachtungen Europas Beobachtungen seit 1961: 1974-2003 • deutliche Erwärmung (statistisch signifikant) • leichte Zunahme der Variabilität (nicht statistisch signifikant) 1961-1990 Erwärmung (Scherrer et al. 2005) Schär, ETH Zürich 20 Inhalt Hitzesommer 2003 1. Charakteristiken 2. Meteorologische Faktoren 3. Klimatologischer Kontext 4. Nachspiel Schär, ETH Zürich 10 21 FRAGE: Welches ist der unrealistischste Aspekt des Films ANTWORT: Es hatte keine Juristen! Schär, ETH Zürich (Myles Allen) Extremereignisse und Klimaänderung 22 VORSICHT: Ein Einzelereignis kann aus prinzipiellen Gründen nicht direkt auf Klimaänderung zurückgeführt werden. ABER: Die Wahrscheinlichkeit eines Einzelereignisses unter • natürlichen Bedingungen und • anthropogen beeinflussten Bedingungen (CO2) kann geschätzt werden. MÖGLICHES JURISTISCHES NACHSPIEL: Im Anglo-Amerikanischen Rechtssystem ist es in Haftungsklagen ausreichend, zu zeigen dass die Wahrscheinlichkeit des Schadensfalles mindestens verdoppelt wurde. Schär, ETH Zürich 11 Rolle der Klimaänderung für den Sommer 2003? 23 Wahrscheinlichkeit Wahrscheinlichkeit eines 2003-ähnlichen Sommers Schär, ETH Zürich Etwa 75% der Wahrscheinlichkeit eines 2003ähnlichen Ereignisses ist durch menschgemachte Treibhausgase verursacht natürliches Klima beeinflusstes Klima der Gegenwart Könnte letztendlich zu Haftungsklagen führen Gegenwärtige Studie hat (noch) gewisse Mängel. Betrachtet wird: • zu grossräumiges Ereignis • zu langer Zeitraum (Stott et al. 2004; siehe auch: Schär and Jendritzky 2004; Allen and Lord 2004) Hitzesommer 2003 …. 24 … hatte gewaltige Konsequenzen. … ist in der Gegenwart auch aus heutiger Sicht sehr selten. … ist spätestens ab Mitte des Jahrhunderts vermehrt zu erwarten. … hatte wahrscheinlich eine anthropogene Komponente. Schär, ETH Zürich 12