Lernen = Aufbau von Neuronenpopulationen

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Lernen und Neurodidaktik
Plenarvortrag
Lernen und Neurodidaktik
Folie Nr.
09.02.2015
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PD Dr. phil. habil. Marion Grein
Lernen und Neurodidaktik
Wie funktioniert lernen? Lernen = Aufbau von Neuronenpopulationen
100 Milliarden
Neuronen; 1 Neuron bis
zu 10.000 synaptische
Verbindungen
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PD Dr. phil. habil. Marion Grein
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Noch im Mutterleib entwickeln sich die 100 Milliarden Neuronen
Ersten Hälfte der Schwangerschaft: pro Minute etwa 500.000 Neuronen
Sprachrezeption beginnt im letzten Drittel der Schwangerschaft
Babys im Alter zwischen 2 und 9 Monaten: Können alle
Laute (Phoneme) der Sprachen der Welt hören und
unterscheiden – eine Fähigkeit, die sie bald schon wieder
sukzessive verlieren.
Gehirn von 250g auf 750g im ersten Lebensjahr (1400g
Erwachsener)
-> Geschlecht
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Reiz kommt,
limbisches System
prüft ob relevant
Cortex
Subkortikaler Bereich
Limbisches System
Wenn relevant, erste
schwache neuronale
Verknüpfung
Nicht andockbare
Vokabel: 20x
wahrnehmen, 80mal
anwenden
Andere Wissensbestände
abhängig von Interesse
Festigung durch
Wiederholung,
Mehrkanaligkeit,
Emotionen
Neuronaler Umbauprozess im
Schlaf, 24 Stunden, weitere
Wiederholungen
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Synapse: Bedeutende Rolle der Neuronen(größe) und der Neurotransmitter
Lernen wird durch den „richtigen“, individuumsabhängigen
Neurotransmitter-Cocktail unterstützt -> Empathie des Lehrers
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Acetylcholin: Aufmerksamkeit, bessere Speicherung
Dopamin: (Motivation, Neugierde, Konzentration): -> ausgewogen Dopamin (durch Lob z.B.):
bessere Speicherleistung – Motivation;
Noradrenalin: (Wachheit, Aufmerksamkeit, Reaktionsbereitschaft): richtige Menge -> gutes
Lernen (Eustress), zu viel -> kein Lernen
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Limbisches System (Amygdala und Hippocampus)
Neuigkeits- und Emotionsdetektor:
Information andockbar an vorhandenes Wissen? JA/NEIN
Information relevant/spannend/gewinnbringend/positive Emotionen des
Lehrers? JA/NEIN
Bekannt?
Spannend?
Lehrende motiviert?
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Das limbische System (mit Amygdala,
Hippocampus, Hypothalamus, Gyrus
cinguli) filtert Informationen und
belegt sie mit Gefühlen, bevor sie in
verschiedenen Gedächtnissystemen
abgespeichert werden.
Bei Angst und Stress aktiviert die
Amygdala über den Hypothalamus
eine Ausschüttung von
Neurotransmittern/Hormonen
Stress -> Acetylcholin -> Noradrenalin/Adrenalin + Cortisol -> Lernblockade
Was jedoch als Stress empfunden wird, ist individuumsspezifisch
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„Stress“empfinden Beispiel „Ball“
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Forschung
1) Neurotransmitter müssen „ausgeglichen“ sein, also weder zu hoch, noch zu
niedrig (Dopaminmangel -> Depression; Dopaminüberschuss -> Schizophrenie)
2) Unterschiedliche Aktionen rufen bei Menschen unterschiedliche Reaktionen
hervor
3) Grundprinzip: „Akzeptanz“ -> Motivation -> Lernerfolg vs. „Ablehnen“ -> Distress
-> Lernblockade
4) Messungen der Regionen die „aktiv“ sind -> EEG
Wo findet Aktivität statt?
„Freude“ -> u.a. präfrontaler Cortex
Verarbeitung des Belohnungsreizes
und Aktivierungsbereiche bekannt
Bsp. Musik
Meine Mitarbeiterin … EEG in Kombination mit Eyetracker
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Weitere Messungen durch Mediziner
Messungen der Neurotransmitter sind möglich mit verschiedenen Verfahren (neben
PET und fMRT)
Je nach Neurotransmitter: Blut, Speicher, Urin oder z.B. Adrenalin: Anstieg der
Pulsfrequenz, des Blutdrucks und Herzminutenvolumens (HMV)
Lumineszenz Methode zur Bestimmung der Neurotransmitterausschüttung von
neuronalen Zellen
Messungen mit Nanoelektrode
Regulations-Diagnostik: Resonanztest
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Was heißt „passender Neurotransmitter-Cocktail“?
Anknüpfend an das Beispiel mit dem Ball:
Jedes Gehirn ist anders aufgebaut und für jedes Gehirn ist eine andere
Neurotransmitter-Mischung ideal, d.h. dass es gibt kein Patentrezept
Neuronale Verknüpfungen + Neurotransmitter -> unterschiedliche Lernstile
Faktor 1: Lernbiografie -> wie hat der Lernende bisher gelernt? GrammatikÜbersetzungs-Methode? -> passt entweder auch zum Faktor 2: Lernstil oder ist
diesem entgegensetzt
Lehrende müssen sowohl über die Auswirkungen der Lernbiografie als auch der
Lernstile Bescheid wissen.
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Lernbiografie ist oft von der „Kultur“ geprägt ist -> schlechte Erfahrungen müssen
aufgelöst werden, aber die Lernbiografie ist durchaus zu „knacken“
Dies aber langsam und systematisch (wenn Lernen bisher Auswendig lernen
bedeutete, ist Handlungsorientierung und Lernerautonomie zunächst „unangenehm“
-> Noradrenalin
Kultur: beispielsweise melden, Zurückhaltung, Lautstärke des Sprechens, eigene
Meinung verkünden, Ball oder allgemein Spiele / Aktivitäten im Unterricht, etc.
Persönlichkeitsfaktoren -> Lernstil (angeboren vs. frühe Sozialisation;
Zwillingsstudien, Adoptionsstudien)
•
Introvertiert/Extr(a)overtiert
•
Risikobereitschaft/Ambiguitätstoleranz: Wie gut gehe ich Ungewissheit um? Wie
stehe ich zu Fehlern?
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Feld(un)abhängigkeit
Feldunabhängige Lernende konzentrieren sich vorwiegend auf den Lerngegenstand
Feldabhängige Lernende betrachten auch das konkrete Umfeld (Zimmer aufräumen,
Küche ordentlich, besonderer Duft, etc., Lehrender sehr wichtig, Geräusche)
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Grobe Gliederung der Lernstile im Zwiebelmodell nach Curry (1987)
Instruktionale
Präferenz
Präferenz bei der
Informationsverarbeitung
Lernstile (learning styles) werden in
der deutschen Forschung seltener
thematisiert und zuweilen mit
Lerntypen gleichgesetzt.
Grundprinzip:
Wird entgegen dem eigenen Lernstil
„vorgegangen“, steigt der Stresslevel
(-> Noradrenalin)
Persönlichkeitsbezogene
Präferenz
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Auswahl von Lernstil-Typen (als Kontinuum zu verstehen)
z.B. kognitiv (analytisch vs. funktional):
• Regeln (z.B. Grammatik) müssen vorgegeben sein vs. selbst entdeckend
• Mein Satz soll korrekt sein vs. Hauptsache, man versteht, was ich meine
z.B. exekutiv
• Ich möchte jede Aufgabe im KB/AB erarbeiten vs. man kann Aufgaben
weglassen
• Ich möchte jedes Wort verstehen vs. man kann das Meiste aus dem Kontext
erschließen
z.B. sozial
• Ich bevorzuge Einzelarbeit vs. Ich arbeite lieber mit Partner/Gruppe
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• Ich möchte immer korrigiert werden vs. Korrektur „verletzt mein Gesicht“
• Lehrender sollte Autorität haben vs. Lehrender sollte ein guter Freund sein
• Ich möchte viele Tests haben vs. Tests demotivieren mich
• Mit Aktivitäten lernt man am besten vs. Aktivitäten machen mich nervös
• Spiele sind das A und O des Lernens vs. Spiele sind Zeitvergeudung
Obwohl man also weiß, dass das Andocken von „Reizen“ am besten durch
Aktivitäten (Handlungsorientierung, Lernerautonomie -> höherer Sauerstoffgehalt,
in der Regel bessere Speicherleistung) vollzogen wird, kann die „Handlungs- und
Produktionsorientierung“ auch kontraproduktiv sein.
Lückentexte oder Zuordnungsaufgaben beispielsweise führen nicht zu kommunikativer Kompetenz, bieten
aber vielen Lernenden Sicherheit -> sinnvoll erscheint also eine Integration von geschlossenen Übungen
hin zu freien Aufgaben
PD Dr. phil. habil. Marion Grein
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Zwei Konkrete Ergebnisse
1) Man muss das limbische System der Lernenden erreichen / NeurotransmitterCocktail beachten – Wie?
• Motivation durch Relevanz
• Positive Emotionen -> Lob, Feedback, angenehme Atmosphäre
• Motivation & Ausstrahlung des Lehrenden „es lohnt sich, dieses Wissen auch zu
haben“! -> Lehrpersönlichkeit -> möglichst viel Empathie des Lehrenden
• Stimme des Lehrenden -> eine stets gleichbleibende Stimmlage lässt das limbische
System entscheiden abzuschalten -> Stimmtraining
• Übungs-/Aufgabenformenwechsel, Sozialformenwechsel (Lachen, Musik, …) nach
ca. 20 Minuten -> Aufmerksamkeitsspanne von ca. 20 Minuten überlisten
• Anknüpfen an vorhandenem Wissen -> Assoziogramme, Wiederholungen
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2.) Neue bzw. alte Auffassung von Methodenkompetenz
Man sollte als Lehrender nicht nur möglichst viele verschiedene Methoden kennen,
sondern sie zielgerichtet im richtigen Moment einsetzen können.
Hier hilft das bereits ältere Konzept nach David Hunt (1976)
Reading
Flexing
Eine Gruppe oder eine
Situation im Kurs so erfassen
können (verbale und
nonverbale Kommunikation),
dass man auf den momentanen
Zustand und die Bedürfnisse
der KT schließen kann.
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Flexibel auf die signalisierten
Bedürfnisse der Gruppe
reagieren (evtl. auch zu Lasten
des eigenen Konzepts)
EMPATHIE
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Was vermag ein gutes Lehrwerk?
• Es bietet Halt!
• Es bietet unterschiedliche Arbeitsformen und Sozialformen an!
• Es ist bemüht, dass nach ca. 20 Minuten eine andere Aufgabenform beginnt!
• Es spricht die Lernenden emotional an und motiviert damit beim Lernen!
• Es ermöglicht viel Hörübungen, den Einsatz von Musik und/oder Filmen!
• Es ist von der Progression auf die Zielgruppe abgestimmt!
• Es bietet dem Lehrenden zahlreiche Materialien, um den Unterricht gut
vorbereiten zu können
Beispiele dazu folgen in den zahlreichen Workshops!
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