UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Multiple Sklerose Prof. Dr. med. Klaus-Peter Wandinger Institut für Klinische Chemie und Klinik für Neurologie [email protected] UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein MS: Fallbeispiel Lidwina von Schiedam (1380 -1433) mit 16 Jahren: Sturz beim Schlittschuhlauf mit 19 Jahren : Beinlähmung, Sehstörungen binnen 34 Jahren: zunehmende Verschlechterung Tod mit 53 Jahren UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Was ist die Multiple Sklerose? Chronisch entzündliche, demyelinisierende Erkrankung des Zentralnervensystems (ZNS) Kennzeichen: Örtliche und zeitliche Dissemination Entzündungsherde können zu verschiedenen Zeitpunkten an verschiedenen Stellen im Gehirn und Rückenmark auftreten (Encephalomyelitis disseminata) Unterschiedliche Symptome zu verschiedenen Zeitpunkten typischerweise Beginn im Alter von 20 - 40 Jahren, häufig mit Sehnerven-Entzündung (=Opticusneuritis) Frauen häufiger betroffen als Männer (2:1) UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein MS-Herde und Symptome Großhirn Sehnerv Unscharf-/ Verschwommensehen Hirnstamm Sprechstörung Doppelbilder ·· ·· · Müdigkeit (Fatigue) verminderte Denk- und Konzentrationsfähigkeit Kleinhirn Sprechstörung, Schwindel Koordinationsstörung (Ataxie) Zittern (Tremor) Rückenmark Sensibilitätsstörung Spastik, Lähmung Störung der Blasen-, Darmund Sexualfunktion UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Symptome im Krankheitsverlauf Symptommuster Augenbewegung zu Beginn chronisch Denken-/Konzentration Sehnerv Kleinhirn Spastik Lähmungen Sensibilität 0 20 40 60 80 100 Prozent der Patienten Poser et al, 1982 UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Sehnerven-Entzündung : Opticusneuritis • Sehschärfe↓ • Nebelsehen • Farbentsättigung • Schmerzen • Häufig erstes Zeichen einer MS • Aber: Nicht jede Opticunsneuritis mündet in eine MS! UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Wie entstehen die Symptome? © www.welt.de UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Wie entstehen die Symptome? © www.ms-life.de UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Wie entstehen die Symptome? © www.welt.de UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Wie entstehen die Symptome? © www.ms-life.de UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Welche Veränderungen findet man im Gehirn? Plaques UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Jean Cruveilhier (1791 – 1873) UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Rückenmark: Jean Cruveilhier (1791 – 1873) UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Was verbirgt sich hinter diesen Veränderungen? UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Verschiedene Stadien von MS-Läsionen Entmarkung Entzündung Entzündung Normal Zerstörung MS Axonal loss Vernarbung © Prof. Brück, Göttingen UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Verschiedene Stadien von MS-Läsionen Entmarkung Entzündung Entzündung Normal Zerstörung MS Axonal loss Vernarbung © Prof. Brück, Göttingen UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Verschiedene Stadien von MS-Läsionen Entmarkung Entzündung Entzündung Normal Zerstörung MS Axonal loss Vernarbung © Prof. Brück, Göttingen UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Verschiedene Stadien von MS-Läsionen Entmarkung Entzündung Entzündung Normal Zerstörung MS Axonal loss Vernarbung © Prof. Brück, Göttingen UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Pathogenese der MS Immuntherapie = Schubprävention Entzündung Regeneration Destruktion Zeit UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Pathogenese der MS UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Ursachen der MS UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Genetik Quelle: www.dmsg.de UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Wie häufig ist die Multiple Sklerose? Weltweit: ca. 2,5 Millionen Patienten Europa: ca. 630 000 Patienten Deutschland: ca. 120 000 Patienten Neuerkrankungen pro Jahr: 3,5 - 5 pro 100 000 Einwohner JM Charcot 1825 - 1893 UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Geographische Verteilung der MS UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Verlaufsformen der Multiplen Sklerose (Lublin & Reingold, 1997) UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Was ist ein Schub? C Auftreten neuer Symptome oder signifikante Verschlechterung bekannter Symptome CC Dauer mindestens 24 Stunden Entwicklung über mehrere Stunden bis Tage Abstand zu vorausgegangenem Schub > 30 Tage Eugène Devic (18581936) Nicht im Zusammenhang mit einer Erhöhung der Körpertemperatur oder Infektion (Uhthoff-Phänomen) UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Verlaufsformen der Multiplen Sklerose (Lublin & Reingold, 1997) UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Verlaufsformen der Multiplen Sklerose (Lublin & Reingold, 1997) UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Nachweis der Krankheitsaktivität ohne Schübe: Kernspintomographie (MRT) Monat 0 Monat 2 Monat 4 Monat 6 Monat 8 Monat 10 © Prof. Sailer, Magdeburg UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Natürlicher Verlauf der Erkrankung RIS CIS rrMS spMS UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Diagnosestellung • Nachweis einer örtlichen und zeitlichen Dissemination des Krankheitsprozesses (Klinik, MRT, VEP) • Nachweis eines entzündlichen Liquorsyndroms • Ausschluß anderer Erkrankungen (Labor): rheumatologisch, granulomatös, infektiös UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Kernspintomographie (MRT) FLAIR T2 T1 + Gd UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Kernspintomographie (cerebrales MRT) UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Kernspintomographie (spinales MRT) UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Diagnosekriterien Diagnosestellung nach McDonald 2010 Diagnosestellung nach McDonald 2005 Diagnosestellung nach Poser: 2. Schub UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Visuell evozierte Potenziale (VEP) UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Liquoruntersuchung (Lumbalpunktion) UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Entzündliches Liquorsyndrom Immunzellen: Leukozyten: bis 50/µl (150/3 Zellen) Oligoklonale Banden: UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Labordiagnostik: Ausschluß anderer Erkrankungen Rheumatologische Erkrankungen: Kollagenosen (Lupus,….) Vaskulitiden (Entzündungen der Blutgefäße) Antinukleäre Antikörper Borreliose Viruserkrankungen Sarkoidose Hautveränderungen UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Wie wird die MS behandelt? 1. Schubtherapie 2. Langzeittherapie 3. Symptomatische Therapie UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Therapie des akuten Schubes Wann: - immer bei funktionell relevante Ausfällen (Lähmungen, Doppelbilder, Sehstörung etc.) - schnellstmöglich nach Symptombeginn - nach Infektausschluß Ziel: - Dauer des Schubes verkürzen - Entzündung zurückdrängen UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Therapie des akuten Schubes 1g Methylprednisolon/d i.v. (3-5 Tage) UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Therapie des akuten Schubes 1g Methylprednisolon/d i.v. (3-5 Tage) 2 Wochen 2g Methylprednisolon/d i.v. (3-5 Tage) UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Therapie des akuten Schubes 1g Methylprednisolon/d i.v. (3-5 Tage) Fortschreiten 2 Wochen 2g Methylprednisolon/d i.v. (3-5 Tage) 2 Wochen Plasmapherese UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Langzeit-Therapie: Wer muß behandelt werden? Fragen: - Verlaufsform der MS - Krankheitsaktivität - Ausheilung der Schübe Ziel: - neue Entzündungsherde verhindern - weniger Schübe UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Wie wird die Erkrankung ohne Therapie verlaufen? Günstig Ungünstig Beginn schubförmig-remittierend Optikusneuritis, sensorisch keine Behinderung Beginn mehrere Ausfälle gleichzeitig motorisch schlechtes Abheilen Niedrige Schubrate zu Beginn der MS Hohe Schubrate zu Beginn der MS Wenige MRT-Herde Viele MRT-Herde UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Angriffspunkt der Medikamente: Immunzellen Einwanderung: • • • • Cortison Interferon Fingolimod Natalizumab Eigenschaften (Modulation): • Interferon • Glatirameracetat • Dimethylfumarat Aktivierung/Vermehrung (Suppression): Entzündung • • • • Interferon Mitoxantron Alemtuzumab Teriflunomid UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Welches Medikament? Wirksamkeit Stärke gemeinsame Entscheidung! Verträglichkeit Lebensqualität Komplikationen Risiken Je nach Krankheitsaktivität (Schübe; MRT; Fortschreiten): - Basistherapie - Eskalationstherapie UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Basistherapie: schubförmige MS • Interferon-ß Betaferon, Extavia, Rebif, Avonex • Glatirameracetat Copaxone Reservemedikament: • Azathioprin Imurek UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Basistherapie: schubförmige MS Neue Medikamente: • Teriflunomid Aubagio • Dimethylfumarat Tecfidera Weiterentwicklungen von Leflunomid (Rheumatoide Arthritis) Fumaderm (Schuppenflechte) UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Eskalationstherapie Schubförmige MS: • Fingolimod Gilenya • Natalizumab Tysabri „bei unzureichendem Ansprechen auf Basis-Immuntherapeutika“ „hochaktive Patienten“ Sekundär progrediente MS: • Mitoxantron Ralenova UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Eskalationstherapie Neues Medikament: • Alemtuzumab Lemtrada UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Alemtuzumab - Wirkmechanismus Humanisierter monoklonaler Antikörper gegen CD52-Antigen: Zell-Depletion IgG1 T-Lymphozyten B-Lymphozyten NK-Zellen Monozyten Dendritische Zellen Hämatopoetische Stammzellen bleiben erhalten (CD52 negativ) UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Neue Immuntherapien: Chancen und Risiken stärker gezielter Infektionen Autoimmunerkrankungen „Januskopf“ UNIVERSITÄTSKLINIKUM Schleswig-Holstein Vielen Dank! 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