GOLF & BUSINESS W Online- mit der Offline-Welt verbinden Als Unternehmen im Einzelhandelsverband der Documenta-Stadt sind dem Unternehmen Starke und Reichert die Anliegen der dort vertretenen Firmen vertraut. Zu den Problemen zählen stagnierende Umsätze und Kunden, die ins Internet abwandern. Amazon, Ebay, Zalando und Co. lassen grüßen... Erstaunlich mutet in dem Kontext eine aktuelle Studie an. Sie ergibt, dass die Anzahl der Menschen, die in der Kasseler Innenstadt unterwegs sind, wächst. Allein am Königsplatz sind es 18.000 Personen, die dort täglich im Rahmen des öffentlichen Nahverkehrs umsteigen. Offenbar sorgen sie keineswegs für zusätzliche Nachfrage. Doch Jammern hilft nicht weiter. Gleichwohl stellt sich die Frage: Welcher Weg könnte aus der Sackgasse herausführen? Die Idee: so genannte Location Based Services als App. Das bedeutet, dass ein bestimmter Dienst erbracht wird, wenn jemand an einem definierten Ort ist. Die Location wiederum verrät das Handy, das nahezu jeder heute bei sich hat. „Als IT-Systemhaus sind wir Händler wie auch Software-Hersteller“, so Dr. Felix Reichert. Seine Recherchen ergaben in dem Zusammenhang wenig Brauchbares am Markt. Da beschlossen er und sein Team, selbst eine entsprechende App zu entwickeln. Zentrale Fragestellungen lauteten: Wo ist der Kunde gerade? Wie lässt sich der Händler vor Ort dafür gewinnen, der selbst keinen eigenen Amazon-Shop aufbauen möchte? Wie ist zu erreichen, dass sich der potentielle Kunde die App herunter lädt? Foto: nh Push-Nachricht auf dem Handy Vor knapp einem Jahr begannen Reicherts Spezialisten, die App „KS shoppt“ zu kreieren. „Es ging darum, heute etwas auf die Beine zu stellen, was morgen angesagt ist“, blickt der Manager auf seine kühne Vision. Diese muss einen gewissen Charme gehabt haben. Ansonsten wäre es kaum gelungen, Kassel Marketing als Partner zu gewinnen. Das Szenario könnte so aussehen: Ein Ehepaar schlendert durch die Kasseler Innenstadt. Beide haben kein spezielles Ziel, wollen sich einfach umgucken und sich in den Schaufenstern Anregungen holen. Das Kalkül des Händlers: Bei Interesse lockt ein attraktives Schaufenster den Passanten ins Geschäft. Dagegen spricht mittlerweile, dass viele Menschen kaum mehr hinschauen, da sie vor allem ihr Handy im Blick haben. „Deshalb holen wir die Leute dort ab, wo sie sind“, erklärt Reichert und verweist auf die Gretchenfrage: Wie lässt sich die Online- mit Offline-Welt verbinden, also die des HandyNutzers mit der des Einzelhändlers? Hat der Passant die Blue-ToothFunktion eingeschaltet, die beispielsweise für die Freisprechanlage im Auto erforderlich ist, so bringt die App „KS shoppt“ die Lösung. Denn dann, wenn der Nutzer etwa in der Wilhelmsstraße unterwegs ist und am Geschäft eines Projektpartners vorbeigeht, erscheint eine Push-Nachricht, wie er sie von What’s App kennt, auf seinem mobilen Telefon, die ihm etwas Wissenswertes aus oder zu dem Geschäft mitteilt. Die Projektpartner kommen aus den unterschiedlichsten Branchen. Kinos und Hotels zählen ebenso dazu wie die KVG. „Von Glinicke und Ochmann Schlafkultur über den Ökostrom-Verein Lichtblick, den Fan-Point der MT Melsungen bis zu Heini Weber sowie Wimkes Reisewelt spannt sich der Bogen“, berichtet Reichert. Ist die Nachricht für den Nutzer uninteressant, löscht er sie. Möchte er mehr wissen, klickt er darauf, erhält die eigentliche Werbebotschaft des Händlers und kann sich informieren. Der Händler gestaltet seine Nachrichten selbst und in eigener Verantwortung. Der technische Hintergrund: Ein eingeschaltetes Mobiltelefon sucht stets nach so genannten Beacons. Diese sind im Eingangsbereich des Einzelhändlers installiert und senden Signale aus. Bei der App handelt es sich um eine Art Portal-App. Sie wird jedem Händler zur Verfügung gestellt, der gegen Dr. Felix Reichert: „Wir holen die Menschen dort ab, wo sie sind!“ einen monatlichen Beitrag mitmacht. Ein Clou an der Sache ist der Multiplikationseffekt. Bewirbt der Händler „KS shoppt“ auf seiner Homepage oder Facebook-Seite, so erhöhen sich die Nutzerzahlen exponential. Weihnachtsmarkt als Katalysator Nachdem der Prototyp entwickelt worden war, fiel der Startschuss im März mit dem Pilotprojekt „Frühlingserwachen“. Es zeigte sich, dass die Sache technisch funktioniert. Nun wird die App inhaltlich weiter entwickelt. Eventuell sollen Rubriken nach Produktgruppen eingerichtet und der Standort teilnehmender Händler auf Google Maps gezeigt werden. Mit Blick auf Touristen könnte das für die documenta oder das Jubiläum des Herkules’ interessant werden. „Wir als Unternehmen werden mit dem Projekt auf absehbare Zeit kein Geld verdienen“, gibt sich Reichert keiner Illusion hin. Er setzt darauf, wertvolle Erfahrungen zu sammeln und perspektivisch ein attraktives Produkt zu entwickeln, das eines Tages auch woanders für Furore sorgen könnte. Aktuell widmet er sich der Aufgabe, weitere Partner in Kassel und Umgebung für die App zu gewinnen, Händler wie Nutzer. Der Weihnachtsmarkt in der Kasseler City dürfte dabei wie ein Katalysator wirken. Rainer Lomen www.golfnordhessen.de 27