"Impfen – weil es wirkt" Prof. Dr. med. Reto Nüesch Chefarzt Innere Medizin Spital Schwyz Den ersten industriellen Impfstoff entwickelte der französische Forscher Louis Pasteur. Nach jahrelangem Experimentieren entdeckte er die Pathogenese der Tollwut und entwickelte einen Impfstoff, der Tiere vor Tollwut schützte. Er hatte jedoch grosse Skrupel, die Impfung an Menschen durchzuführen. 1885 suchte ihn eine verzweifelte Mutter mit ihrem von tollwütigen Hunden mehrfach gebissenen Kind auf. Louis Pasteur liess sich erweichen und der erste Mensch wurde gegen Tollwut geimpft. Der Impfstoff bestand aus Rückenmark von tollwütigen Kaninchen, das in sterilen Gläsern gelagert, so abgeschwächt, und dann in aufsteigender Dosierung verabreicht wurde. Das Kind erkrankte nicht an Tollwut, und die Wirksamkeit der Impfung wurde auch an weiteren Patienten bestätigt. Es war ein unglaublicher Erfolg der Medizin, eine bisher unheilbare Krankheit konnte geheilt werden. Aus der ganzen Welt kamen Menschen zu Louis Pasteur, und mit dem verdienten Geld wurden die Pasteur Institute gegründet, die sich noch heute der Erforschung von Infektionskrankheiten widmen. In der Zwischenzeit hat ein gewaltiger medizinischer Fortschritt stattgefunden. Wir haben immer mehr und besserer Impfstoffe zur Verfügung. Ihr Effekt ist derart gross, dass viele gefürchtet Krankheiten wie Kinderlähmung, Pocken, Diphtherie, Tetanus, Masern, Hirnhautentzündungen bei Kleinkindern und andere mehr in der Schweiz kaum oder gar nicht mehr vorkommen. Die gute Durchimpfung von Kindern hat auch zu weniger schweren Krankheiten bei geschwächten Erwachsenen geführt. So zeigen z.B. Zahlen aus den USA, dass nach dem Einführen der Impfung gegen Pneumokokken, einem gefährlichen Erreger von Lungenentzündung, Hirnhautentzündung und Blutvergiftung, diese schweren Krankheiten auch bei älteren Menschen zurückgingen. Man nennt dies Herdimmunität. Die Impfung einer Personengruppe schützt also nicht nur diese, sondern auch die ganze Umgebung. Um geschwächte Mitmenschen zu schützen, die krankheits- oder altersbedingt schlechter auf Impfungen ansprechen, ist es deshalb wichtig, eine hohe Durchimpfung der Bevölkerung aufrecht zu erhalten. Zum Beispiel gegen Masern. Wie wirken denn Impfungen? Im Prinzip sind sie Krafttraining für das Immunsystem. Durch das verabreichen von winzigen Bestandteilen von Krankheitserreger, oder seltener, von abgeschwächten Krankheitserreger, wird das Immunsystem gegen einen Krankheitserreger trainiert und scharf gemacht. Es bildet Abwehrstoffe und häufig auch Gedächtniszellen. Sollte dann im späteren Verlauf tatsächlich eine Infektion stattfinden, reagiert das durch die Impfung trainierte Immunsystem sofort und hemmt die weitere Ausbreitung des Erregers. Viele schwere Krankheiten sind unterdessen so selten geworden, dass der Nutzen der Impfungen vergessen wird und Angst vor Nebenwirkungen zunehmen. Welches Schulkind in der Schweiz hat einen Freund, eine Freundin an Diphterie verloren? Hört man aber mit dem Impfen auf, nehmen verhinderbare schwere Krankheiten rasch zu, wie Beispiele weltweit belegen, unter anderem das der Masern. Reto Nüesch, 06. Dezember 2013 Dienststelle Gesundheit und Sport, Kanton Luzern, www.gesundheit.lu.ch/schulimpfungen