Strassenränder – Biodiversität zum Spartarif Orchideen, Glockenblumen, Eidechsen, Bienen – im Sommer blüht und summt es an Strassenböschungen um die Wette. Bis die Mulchmaschine dem lebendigen Treiben ein Ende setzt. Dann liegen zerquetschte Heuschrecken, tote Käfer und abgemähte Blumen am Strassenrand. Doch es geht auch anders. Um die Akteure zu sensibilisieren, hat die Regionalsektion Pro Natura Oberaargau zusammen mit der Kantonalsektion ein Strassenrandprojekt gestartet. Im Frühling 2015 erscheint ein Flyer zum Thema Waldstrassenränder und im Sommer 2015 werden an der Kantonsstrasse Thörigen–Stauffenbach–Linde–Thörigen als Pilotprojekt die artenreichen Böschungen kartiert. Waldstrassenränder – reicher Lebensraum Der Übergang von den Kiesstrassen zum bestockten Bereich weist neben den Waldrändern wohl die höchste Artenvielfalt im Waldareal auf. Diese Streifen sind vielfach mager, hell und kalkhaltig, und bieten einen Ersatzlebensraum für viele Arten, die aus dem Landwirtschaftsgebiet verschwunden sind. So liegen im Berner Mittelland 80% der verbliebenen Orchideenstandorte an Waldstrassen. Das Strassenbankett ist ein Pionierstandort, vergleichbar mit Schutthalden und Kiesgruben. Im Böschungsbereich wurde beim Strassenbau der nährstoffreiche Oberboden entfernt. Da Strassen zudem Lichtschneisen sind im Wald, finden hier Bewohner der selten gewordenen Magerwiesen neuen Lebensraum. Die von den Rädern weggespickten Kalksteinchen kalken den Boden auf. Dort, wo die Böden sauer sind, wie vielerorts im Berner Mittelland, sind die Randstreifen dadurch basische Inseln im Säuremeer. Kalkliebende Pflanzen, zu denen z. B. die meisten Orchideen gehören, wachsen nur auf solchen Böden. Einige Beispiele a ) Fuchs' Knabenkraut Diese herrliche Orchidee blüht im Juni. Lila bis violett leuchten die Blüten im Halbschatten. Sie kommt im Landwirtschaftsgebiet des Berner Mittellands kaum noch vor. Feuchte Böschungen an Waldstrassenrändern sind zum Ersatzlebensraum geworden. Ihre Samen werden durch den Wind verbreitet, wenn sich gegen September die Kapseln öffnen. Das können sie aber nur, wenn erst im Spätherbst gemäht wird. b) Waldeidechse Die Waldeidechse ist lebend gebärend und kommt deshalb bis in höhere Lagen des Alpenraums vor. Sonnige Stellen an Strassenrändern sind nebst Waldrändern und Lichtungen ein bevorzugter Lebensraum im Wald. Kann sie nicht rechtzeitig fliehen, hat sie bei Mäharbeiten keine Überlebenschance. c) Waldbrettspiel Dieser lustige Name gehört einem 3–4 cm grossen Tagfalter, der an warmen, sonnigen Stellen im Wald unterwegs ist. Wegen den gelbumrandeten schwarzen Flecken wird er zu den Augenfaltern gerechnet. Beim Mulchen im Sommer werden seine Raupen zerquetscht, die sich von Waldgräsern an den Strassenrändern ernähren. d) Nesselblättrige Glockenblume In zartem Blauviolett grüssen die leicht behaarten Glöckchen im Juli und August von hellen Waldstrassenrändern. Die stattliche Pflanze kann bis zu einem Meter gross werden. Bienen und Hummeln bietet sie Pollen und Nektar. Während Bienen in unserer Landschaft verhungern können, weil sie zu wenige Nahrungspflanzen finden, bieten die Strassenränder ein durchgehendes Angebot, wenn sie erst im Herbst gemäht werden. Die späte Mahd erlaubt den mehrjährigen Blumen zudem, Reserven fürs nächste Jahr zu bilden. Tod vermeiden, Biodiversität fördern Werden Strassenränder bereits im Mai oder Juni gemulcht, auf dem Höhepunkt der Blütezeit, ist das der Tod für den Sommerflor und mit ihm für viele Kleintiere. Pflanzen können nicht absamen und mehrjährige Arten kaum Nährstoffe in die Speicherorgane einlagern. Viele Tiere verlieren ihre Nahrungsgrundlage, wenn nicht gar ihr Leben. Deshalb: – erst ab Oktober mähen und mindestens 10% Altgras belassen – wertvolle Gebüschgruppen nicht entfernen – Neophyten bekämpfen – Strukturen wie Stein- und Asthaufen oder Baumstrünke nicht wegräumen – Reichhaltige Böschungen mähen statt mulchen. Dies ist viel schonender für Kleintiere. Schonender Unterhalt spart Aufwand Mähen im Herbst spart oft eine Mährunde. An vielen Waldstandorten kann auch nur jedes zweite Jahr gemäht werden, ohne die Sicht und die Sicherheit zu beeinträchtigen. Am besten erfolgt die Mahd im Wald räumlich alternierend, einmal hier und einmal dort. Nur soviel wie wirklich nötig sollte die Devise sein – und das ist weniger als man denkt. An Strassenrändern kann man also beim Unterhalt sparen und zugleich die Biodiversität fördern. Und wichtig für den Waldbesitzer: Blumige Waldstrassenränder sind ein begehrtes Wildfutter und vermindern so den Verbiss durch Rehe an Jungbäumen. Weitere Informationen, Kontakte Weitere Informationen zu Strassenrändern: www.pronatura-be.ch, Rubrik Projekte (ab März 2015) Beratung zur Pflege der Waldstrassenränder: – Revierförster – Pro Natura Bern, Tel. 031 352 66 00, [email protected]