Physikalisches Praktikum für Naturwissenschaftler Teil I PMC Hauptversuche, Zug A Wintersemester 2009/2010 Inhaltsverzeichnis Versuch 1A: Freie und erzwungene Drehschwingungen (Pohlsches Rad) ...............................1 Versuch 2AB: Wellenlehre, Schallwellen ............................................................................. 11 Versuch 3A: Gasgesetze, Dampfdruckkurve .........................................................................23 Versuch 4AB: Elektromagnetische Induktion .......................................................................38 Versuch 5A: Ablenkung elektrischer Ladungen in elektrischen und magnetischen Feldern ...48 Versuch 6AB: Geometrische Optik ....................................................................................... 69 Versuch 7A: Beugung und Interferenz am Spalt ................................................................... 85 1 Versuch 1A: Freie und erzwungene Drehschwingungen (Pohlsches Rad) Lernziele Drehbewegung; Drehpendel; freie ungedämpfte Schwingung: Bewegungsgleichung und Lösung, Eigenfrequenz, Phasenkonstante; freie gedämpfte Schwingung: Bewegungsgleichung und Lösung, Reibungskoeffizient, Dämpfungsfaktor, Dämpfungsverhältnis, logarithmisches Dekrement; erzwungene Schwingung: Bewegungsgleichung und Lösung für den stationären Fall; Resonanz, Resonanzfrequenz, Phasenverschiebung. Grundlagen 1 Die freie, ungedämpfte Schwingung Jede mechanische Schwingung eines Systems hat drei Voraussetzungen: (a) es muss ein Gleichgewichtszustand (Zustand minimaler potentieller Energie) vorhanden sein; (b) es muss eine rücktreibende Kraft vorhanden sein, sobald das System aus seinem Gleichgewichtszustand ausgelenkt wird; (c) das System muss eine Trägheit aufweisen. Ein Drehpendel, das um einen Winkel aus seiner Ruhelage ausgelenkt wird, führt nach dem Loslassen eine Schwingung aus. Für nicht zu große Auslenkungen gilt, dass das rücktreibende Drehmoment M der Winkelauslenkung proportional ist: M (1) D Die Proportionalitätskonstante D* heißt Winkelrichtgröße oder Torsionskonstante. Das Drehmoment M beschleunigt die Drehbewegung. Bei Drehungen um eine feste Achse gilt der d2 folgende grundlegende Zusammenhang zwischen M und der Winkelbeschleunigung 2 dt M d2 dt 2 (2) Der Proportionalitätsfaktor ist das Trägheitsmoment des sich drehenden (starren) Körpers um die Drehachse (Siehe auch VV1). d 2x sehen wir, dass in der dt 2 d2 die (träge) Masse m und die dt 2 Durch Vergleich mit dem Newtonschen Kraftgesetz F = m Grundgleichung der Drehbewegung (2) M die Kraft, 2 d 2x vertritt. Das Trägheitsmoment hängt von der Masse des Körpers dt 2 und ihrer Verteilung um die Drehachse ab. Es ist durch das Volumenintegral der Dichte multipliziert mit dem Abstandsquadrat r2 von der Drehachse gegeben: r 2 dV lineare Beschleunigung Volumen (siehe Ableitung in Vorversuch 1 und in Versuch 1B). Einsetzen von Gl. (2) in Gl. (1) liefert nach Umstellen: d2 dt 2 D* 0 (3) Dies ist eine Bewegungsgleichung, in der die zweite Ableitung der Auslenkung nach der Zeit durch einen konstanten Proportionalitätsfaktor mit der Auslenkung selbst verknüpft ist. Diese Differentialgleichung hat eine Lösungsfunktion, die die Auslenkung als Funktion der Zeit beschreibt. Die Lösung von Gl. (3) lautet (Beweis durch Einsetzen und zweimaliges Differenzieren): t cos 0 D* t (4) (t) die Winkelauslenkung des Drehpendels zum Zeitpunkt t, ist die ist die Phasenkonstante; sie beschreibt die Amplitude, d.h. die größte Auslenkung. D* Auslenkung zum Zeitpunkt t = 0. Der Ausdruck legt fest, wie oft pro Zeiteinheit ein In Gl. (4) ist sich selbst überlassenes, ungedämpft schwingendes System eine volle Periode von 2 durchläuft. Er wird als Eigenkreisfrequenz 0 bezeichnet: D* (5a) 0 Die Kreisfrequenz hängt allgemein mit der Frequenz v folgendermaßen zusammen: =2 v und Schwingungsperiode T besteht der Zusammenhang: Zwischen Frequenz T (5b) 1 2 (5c) Mit diesen Definitionen schreibt sich die freie, ungedämpfte Schwingung: (t) = 2 0 cos 0 t (6) Die freie gedämpfte Schwingung Aufgrund von Reibungsvorgängen im schwingenden System sinkt die Amplitude einer Schwingung mit der Zeit und verschwindet schließlich ganz. Reibungskräfte sind in erster 3 Näherung der Geschwindigkeit v des bewegten Objekts entgegengesetzt proportional. Im d Falle einer Drehbewegung tritt hier die Winkelgeschwindigkeit ein und statt der dt Reibungskraft ein Reibungsmoment: NR k d dt (7) Hier ist k die Proportionalitätskonstante. Sie wird meist als Reibungskoeffizient bezeichnet. Die Bewegungsgleichung der gedämpften Schwingung ergibt sich aus Gl. (3) durch Hinzufügen des Reibungsmoments (7): d2 dt 2 k d dt D* 0 (8) Folgende Fälle sind hinsichtlich der Lösung von Gl. (8) zu unterscheiden: 2 (a) k > 4D* . Dieser Fall entspricht einer aperiodischen Bewegung; der Massenpunkt kehrt allmählich in seine Ruhelage zurück, die für t erreicht wird. Sind beide Terme gleich, so wird dies als aperiodischer Grenzfall bezeichnet. 2 k < 4D* . In diesem Fall ergibt sich eine periodische Bewegung. Die Lösung der Differentialgleichung lautet dann (Beweis durch Einsetzen und Differenzieren): (b) t 0 e k t 2 D* cos k2 t 4 2 (9) Ein wichtiger Unterschied zur ungedämpften Schwingung betrifft die Eigenkreisfrequenz D des gedämpften Systems. Diese ist nicht mehr durch Gl. (5) gegeben, sondern durch den Ausdruck D* D Man erkennt, dass D k2 4 2 (9a) vom Reibungskoeffizienten k abhängt und umso kleiner wird, je größer k wird. Gl. (9) unterscheidet sich von Gl. (4) außerdem um das Exponentialglied e k t 2 . k bezeichnet man auch als Dämpfungsfaktor oder als 2 Abklingkonstante. Man hat also eine harmonische Schwingung, deren Amplitude nach einer Exponentialfunktion abnimmt. Je größer die Abklingkonstante ist, umso schneller nähern 1 sich die Amplituden der Schwingung dem Wert Null. Jedes Mal nach Ablauf einer Zeit Den darin auftretenden Ausdruck sinkt der Amplitudenfaktor e = t auf 1 e Phänomen wird als Dämpfung bezeichnet. 0,37 seiner ursprünglichen Größe ab. Dieses 4 t + , Bildet man das Verhältnis zweier aufeinander folgender Amplituden (t) und deren zeitlicher Abstand gleich der Schwingungsdauer der gedämpften Schwingung ist, so erhält man das Dämpfungsverhältnis: (t ) (t T ) t e e e t T (10) T Dieses Amplitudenverhältnis ist also konstant. Der natürliche Logarithmus dieses Verhältnisses heißt das logarithmische Dekrement ln (t ) (t T ) ln e T T kT 2 (11) Da man Amplituden und Periodendauern gut messen kann, ist die Bestimmung von großer Genauigkeit möglich; daraus erhält man die Abklingkonstante . 3 mit Erzwungene Schwingung, Resonanz Den bei einer Drehschwingung wirksamen Momenten nach Gl. (1), (2), und (7) tritt bei einer erzwungenen Schwingung ein äußeres Drehmoment M mit der Periode hinzu: M M 0 cos t (13) Man regt also das Drehpendel von außen zum Schwingen an. Die Bewegungsgleichung lautet für diesen Fall (vgl. mit Gl. (3) und (8)): d2 dt 2 k d dt D* M 0 cos t (14) Die stationäre Lösung dieser Differentialgleichung lautet nach dem Ende so genannter 1 Einschwingvorgänge, d. h. nach Zeiten t » : M0 ,t 2 2 2 2 0 cos t k 2 2 1 (15) Das System schwingt also nach dem Ende der Einschwingvorgänge mit der Kreisfrequenz des Erregersystems (Cosinus-Term der Gl. (15)). Der Ausdruck M0 ( ) 2 2 0 2 2 k2 2 in Gl. (15) charakterisiert die Amplitude des schwingenden Systems (s. Abb. 1). Sie ist eine der Erregerschwingung. Funktion der Periode sei die Erregerfrequenz max (Resonanzfrequenz), mit der man die maximale Amplitude erhält; sie liegt beim Minimum des Nenners von (15), das man durch Nullsetzen der Ableitung des Radikanden erhält: 5 d ( d ²( 0²- ²)² + k² ²) = 2 0 1 k2 2 2 ²2( 0²- ²) (-2 ) + k² 2 = 0 Es folgt max (16) Schwingungsamplitude 0 für positiven Radikanden in (16), d. h. bei nicht zu starker Dämpfung. (Andernfalls fällt die Amplitude monoton mit ab). Beispiel 1: schwache Dämpfung 1 Beispiel 2: starke Dämpfung 0,max,2 2 max,2 max,1 ~ 0 Kreisfrequenz Abb. 1: Stationäre Amplitude einer erzwungenen Schwingung als Funktion der Erregerfrequenz beim Resonanzdurchgang bei schwächerer (1) und stärkerer (2) Dämpfung. hängt daher von der Reibungskonstante k bzw. dem Dämpfungsfaktor des Drehpendels ab, dessen Schwingung erzwungen wird. Für ein völlig ungedämpftes System (k = 0 bzw. = 0) ergibt sich die Resonanzfrequenz durch Einsetzen von k = 0 in Gl. (16) zu: max max (16a) 0 Andererseits wächst dann die Amplitude über alle Grenzen (Resonanzkatastrophe). Die Phasenkonstante gegenüber dem Erreger. tan Bei in Gl. (15) beschreibt eine Phasenverzögerung des Schwingers ist gegeben durch (s. Abb. 2): k 1 2 0 (17) 2 = 0, d. h. bei einer statischen Auslenkung sind beide in Phase ( = 0), wie nicht anders nach (tg = - ). 2 Weit jenseits der Resonanz ( » 0) ist der Phasenverzug des Schwingers auf angewachsen. Er schwingt gegensinnig zum Erreger. Die Dämpfung macht sich nicht nur in möglich. Am Resonanzpunkt = 0 hinkt der Schwinger um = 6 der Höhe der Resonanzamplitude bemerkbar, sie bestimmt auch die Breite der Resonanzkurve. Als solche bezeichnet man allgemein das Frequenzintervall zwischen den 1 (s. Abb. 1) der beiden Punkten, an denen die Amplitude auf den Bruchteil 2 Resonanzamplitude Amax abgesunken ist. Bei schwacher Dämpfung liegen diese Punkte näherungsweise bei 1 0 (18) 2 Abb. 2: Phasenverschiebung eines Schwingers gegenüber dem Erreger beim Resonanzdurchgang, die Dämpfung ist wie im Fall (2) in Abb. 1. gewählt, d. h. relativ groß. Das zugehörige Intervall, die sogenannte Linienbreite, ist also 2 Auch der Phasensprung von 0 nach wird um so schärfer, je kleiner bzw. k ist (vgl. Abb. 2). Im Versuch II.5, Elektrischer Schwingkreis, wird die Schwingungslehre weiter vertieft. 4 Aufbau des Drehpendels im Praktikum Das im Praktikum verwendete so genannte Pohlsche Rad (vgl. R. W. Pohl, Einführung in die Physik, Erster Band "Mechanik Akustik Wärmelehre", Springer-Verlag, Berlin 1962) ist ein senkrecht stehendes Drehpendel bestehend aus einem Schwungrad, an dessen Drehachse eine Spiralfeder angreift. Es ist in Abb. 3 dargestellt. 7 Abb. 3: Prinzipskizze des Pohlschen Rades. Das obere Federende ist an einem drehbaren Hebel befestigt. Dieser Hebel kann mit einer Schubstange, einem Exzenter und einem langsam laufenden Motor in jeder gewünschten Frequenz cosinusförmig hin und her bewegt werden. Auf diese Weise kann man an der Achse des Drehpendels cosinusförmig verlaufende Drehmomente von konstantem Höchstwert, aber einstellbarer Frequenz angreifen lassen. Die Ausschläge des Drehpendels werden an einer Winkelskala abgelesen. Unten befindet sich eine Hilfseinrichtung, mit der man die Dämpfung des Drehpendels nach Belieben einstellen kann. Es handelt sich um eine Wirbelstrombremse, bei der ein kleiner Elektromagnet mit seinen beiden Polen den Radkranz umfasst. Das schwingende Rad kann sich ohne Berührung der Pole durch das Magnetfeld zwischen ihnen bewegen. Je größer die Radgeschwindigkeit ist, umso größer sind auch der induzierte Wirbelstrom und die Dämpfung. Da die Masse m des Schwungrades auf einen relativ schmalen Ring mit Radius r konzentriert ist, kann man sein Trägheitsmoment durch = m r2 approximieren. 8 Aufgaben zur Vorbereitung 1. Der vorliegende Praktikumsversuch zeigt die Charakteristika von Schwingungen am Beispiel von Drehschwingungen. Analoge Gesetze gelten aber auch für lineare Schwingungen, etwa für eine Kugel, die mit einer Spiralfeder an der Decke befestigt ist. Dabei gelten folgende Analogien: Drehschwingung Lineare Schwingung Drehmoment M Kraft F Winkelauslenkung Lineare Auslenkung x Trägheitsmoment Masse m Winkelrichtgröße D* Federkonstante D Formulieren Sie bitte die Bewegungsgleichungen (3), (8) und (14) für die lineare Schwingung! 2. Skizzieren Sie graphisch die Funktion für eine gedämpfte Schwingung (Gl. (9)) für drei verschiedene Dämpfungen = 0, = 1/10 0, = 1/20 0. Skizzieren Sie die Funktionen jeweils im Zeitintervall zwischen t = 0 und t = 4T0. Das Pohlsche Rad habe dabei folgende Parameter: Masse m = 0,5 kg, Radius r = 0,15 m, Federkonstante D = 0,1 Nm/Grad. (Hinweis: Skizzieren bedeutet, pro Funktion nur wenige wichtige Punkte aufzutragen!!!) 3. Das Verhältnis aus der Resonanzamplitude eines Schwingers Amax und seiner statischen Auslenkung A0( = 0) (s. Abb.1) bezeichnet man allgemein als Resonanzüberhöhung q. Zeigen Sie, dass sie für schwache Dämpfung ( « 0) näherungsweise durch q 0 2 gegeben ist. 9 Aufgabe 1: Freie ungedämpfte Schwingung Bestimmen Sie die Eigenfrequenz bzw. 0 des ungedämpften Pendels. Die Frequenz kann durch Bestimmung der Schwingungsperiode T ermittelt werden. Man stoße das Pendel bei ruhender Schubstange an, beobachte seine Nulldurchgänge. Überlegen Sie sich, wie viele Schwingungsperioden sie zählen, um eine möglichst gute Genauigkeit zu erreichen, und begründen Sie ihre Wahl. 0 Aufgabe 2: Freie gedämpfte Schwingung Bestimmen Sie die Schwingungsdauer des Pendels und das logarithmische Dekrement für zwei verschiedene Dämpfungen durch die Wirbelstrombremse. Wählen Sie zur Einstellung der Dämpfung zwei verschiedenen Stromstärken für die Wirbelstrombremse. Bestimmen Sie für jede gewählte Dämpfung zunächst die Eigenfrequenz D des Pendels wie in Aufgabe 1. Lenken Sie dann das Pendel um einen Startwinkel Endausschlagswinkel n (Amplitudenfolge). 0 aus und bestimmen Sie die Abfolge der Hinweis zur Auswertung: (a) Vergleichen Sie die Frequenzen bei unterschiedlicher Dämpfung. Welche Änderung erwartet man? (b) Tragen Sie ln über der Anzahl der Perioden auf und bestimmen Sie daraus das logarithmische Dekrement sowie die Dämpfungskonstante . Aufgabe 3: Erzwungene Schwingung Wählen Sie die stärkere der in Aufgabe 2 gewählten Dämpfungen aus. Mit Hilfe des Elektromotors wird eine Schwingung des Drehpendels erzwungen. Die Erregerfrequenz kann stufenlos eingestellt werden. Sie wird mit einer Stoppuhr bestimmt. Für ca. 10 Erregerfrequenzen über den gesamten möglichen Bereich des Schrittmotors wird der Endausschlagswinkel des Pendels gemessen. Versuchen Sie dabei insbesondere den Resonanzpunkt max (s. Gl. 16) zu treffen. Es gilt dabei 0 > D > max. Nach jedem Frequenzwechsel muss dabei vor der Aufnahme eines weiteren Messwertes das Ende der Einschwingvorgänge abgewartet werden, das sich genügend genau nach einer Wartezeit von 4 einstellt. Beobachten Sie auch qualitativ den Phasengang und vergleichen ihn mit etwa t Abb. 2 bei den Frequenzen 0 und 2 0. gegen die Hinweis zur Auswertung: Tragen Sie den Endausschlagswinkel Erregerfrequenz auf. Bestimmen Sie die Resonanzfrequenz. Vergleichen Sie sie mit der in 10 Aufgabe 2 gefundenen Frequenz D. ( ( Bestimmen Sie die Resonanzüberhöhung q und vergleichen Sie sie mit dem erwarteten Wert q 0 2 . Zusammenstellung der verwendeten Größen Formelzeichen Bedeutung Einheit Logarithmisches Dekrement Winkelrichtgröße kg m 2 s 2 Grad Winkelauslenkung Grad, rad Trägheitsmoment kg m2 = N m s2 Phasenkonstante Grad, rad Dämpfungsfaktor 1 s k Reibungskoeffizient beim Drehpendel kg m 2 s M Drehmoment kg m 2 s2 Frequenz 1 = Hz s Periodendauer s Kreisfrequenz 1 rad ; s s D* T Nm Grad Nm ) 0) max 11 Versuch 2AB: Wellenlehre, Schallwellen Lernziele Schwingungen, ebene Wellen, Kugelwellen, Wellenlänge, Phase, longitudinale und transversale Wellen, Ausbreitungsgeschwindigkeit, Interferenz, stehende Wellen, Resonanz, Schallgeschwindigkeit in Gasen, piezoelektrischer Effekt. Grundlagen 1 Eigenschaften von Wellenerscheinungen Eine Welle ist eine zeitlich und räumlich periodische Erscheinung. Ebene Wellen können durch die folgende Gleichung beschrieben werden, wenn sich die Welle in x-Richtung ausbreitet: ( x, t ) 0 cos 2 t T x . (1) In Gl. (1) ist (x, t) die räumlich und zeitlich oszillierende Größe; ist der Maximalausschlag (Amplitude) von , t ist die Zeit, T die zeitliche Periodendauer zwischen zwei Vollausschlägen, x die Ausbreitungsrichtung der Welle und die Wellenlänge, der räumliche Abstand zwischen zwei Maxima. Die Phasenkonstante legt die Größe von für t = 0 und x = 0 fest. Räumliche Periodizität bei konstanter Zeit t: Der am Ort x = 0 vorhandene Momentanwert x ganzzahlig wird, d.h. wenn x von kehrt bei festgehaltener Zeit t wieder, wenn die Größe ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge ist ( , 2 , 3 usw.) Zeitliche Periodizität bei festgehaltenem Ort x: Der zur Zeit t = 0 vorhandene Momentanwert t von kehrt wieder, wenn die Größe ganzzahlig wird, d.h. wenn t ein ganzzahliges T Vielfaches der Periodendauer ist (T, 2T, 3T usw.). Der Quotient aus der Wellenlänge und der Periodendauer entspricht der Ausbreitungsgeschwindigkeit c der Welle: c T . (2a) Der Kehrwert der Periodendauer wird als Frequenz v bezeichnet, so dass Gl. (2a) auch geschrieben werden kann als: 12 c . (2b) Neben ebenen Wellen kennt man auch Kugelwellen, bei denen die räumliche Abhängigkeit nur vom Abstand r zum Zentrum der Kugelwelle besteht. Die Wellengleichung lautet für diesen Fall: 0 (r , t ) r cos 2 t T r . (3) Die Flächen gleicher Phase sind durch r = const. gegeben, es handelt sich also um Kugelschalen. Die der Wellengleichung (1) genügende Größe kann vektorieller Natur sein . Man spricht von Longitudinalwellen, wenn die Auslenkung in Ausbreitungsrichtung erfolgt. Ist die Auslenkung senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der Welle, so spricht man von Transversalwellen. Abbildung tr ( x, t0 ) 1a 0 und 1b geben Beispiele für eine transversale ebene Welle t x zˆ cos 2 0 deren Auslenkung in z-Richtung geschieht 0 T ( ẑ =Einheitsvektor long ( x, t0 ) 0 in xˆ cos 2 z-Richtung) und für eine longitudinale Welle t0 x bei der die Auslenkung der schwingenden Teilchen 0 T in Ausbreitungsrichtung erfolgt. z x Abb. 1a: Momentanbild einer transversalen Welle zur Zeit t = t0; die Pfeile geben d die Geschwindigkeit Z(x, t) an. Z ( x, t ) der Auslenkung dt 13 x a) v<0 v=0 v>0 v=0 v<0 p<0 p=0 p>0 p=0 p<0 b) x v p x c) d) Abb. 1b: Verteilung von Bewegungsdruck ( p) und Geschwindigkeitsamplitude (v) entlang einer fortschreitenden Longitudinalwelle. Eine Möglichkeit zur Erzeugung longitudinaler und transversaler Wellen bei einer Feder zeigt die Abb. 2. Abb. 2: (a) Ausbreitung einer longitudinalen Welle entlang einer Feder. Die Auslenkung erfolgt parallel zur Bewegungsrichtung. (b) Transversalwellen auf derselben Feder. Hier ist die Auslenkung senkrecht zur Bewegungsrichtung der Welle. 14 2 Schallwellen und ihre Ausbreitung Schall wird durch periodische Luftbewegungen infolge regelmäßiger Schwingungen von Körpern erzeugt. Der Schall in Gasen ist eine Longitudinalwelle, die mit einer periodischen Verdichtung und Verdünnung des gasförmigen Mediums einhergeht (Abb. 1b und Abb. 2a). Dieser Prozess führt zu einer räumlich und zeitlich periodischen Druckschwankung, die sich mit dem atmosphärischen Druck überlagert. Die Wellengleichung für ebene Schallausbreitung in Richtung x lautet: p( x, t ) p0 p cos 2 t T x . (4) Hier ist p der Druck, der am Ort x zur Zeit t herrscht, p0 ist der stationäre (z.B. atmosphärische) Druck, p wird als Druckamplitude bezeichnet. Alternativ kann die Schallwelle auch durch die Verrückung der einzelnen Teilchen beschrieben werden: ( x, t ) 0 cos 2 t T x . (5) In Gl. (5) ist die Bewegungsamplitude (maximale Verrückung in Vorwärts- oder Rückwärtsrichtung). Druckamplitude und Bewegungsamplitude können durch geeignete Schallempfänger gemessen werden. 3 Bestimmung von thermodynamischen Schallgeschwindigkeit Größen mit Hilfe der Die Ausbreitung des Schalls in Gasen wird durch Stöße zwischen den Gasteilchen (Atome bzw. Moleküle) vermittelt. Die kinetische Gastheorie, die sich mit der Bewegung der Gasteilchen in einem großen Ensemble von Teilchen befasst, liefert die Formeln zur Berechnung von Schallgeschwindigkeiten. Es ergibt sich dabei: c C pm RT CVm M K . (6) In dieser Gleichung ist c die Schallgeschwindigkeit, R ist die universelle Gaskonstante (8,314J/K mol), T ist die absolute Temperatur, M ist die Molmasse, V das Molvolumen, K der Kompressionsmodul und die Dichte. 1) Die Schallgeschwindigkeit ist unabhängig vom Druck, 2) sie steigt mit der Wurzel der 1 Temperatur und 3) sie fällt mit . Eine Herleitung von Gl. (6) findet sich u. a. in Gerthsen M Physik 18. Auflage, Kapitel 4.2.3. Elastische Wellen. Die molare Wärmekapazität ist definiert als diejenige Wärmemenge dQ, die aufgewendet werden muss, um pro Mol eines Stoffes die Temperatur um dT zu erhöhen: 15 C pm Das Verhältnis Cpm CVm 1 n dQ dT ;CVm p const 1 n dQ dT . (7) V const in Gl. (6) hängt selbst von der Temperatur ab und strebt für hohe Temperaturen einem Grenzwert zu. In der Tabelle 1 sind Werte von Cpm CVm für Gase unterschiedlicher Struktur bei Zimmertemperatur eingetragen. Schallgeschwindigkeiten verschiedener Gase bei 273,16 K sind in Tabelle 2 eingetragen. Tabelle 1: Spezifische Wärmekapazitäten (bei 20°C ˆ 293,16K) CP CV Cp / CV / kJ/kg K kJ/kg K Helium (He): atomares Gas 5,238 3,161 1,66 Stickstoff (N2): zweiatomiges Molekül 1,038 0,745 1,401 Wasserstoff (H2): zweiatomiges Molekül 14,269 10,132 1,41 Sauerstoff (O2): zweiatomiges Molekül 0,917 0,653 1,398 Kohlendioxid (CO2): dreiatomig, linear 0,846 0,653 1,294 Gas 4 Hörgrenzen und Referenzwerte für Schallgeschwindigkeiten Als untere Hörgrenze gelten 16 Schwingungen pro Sekunde (16Hz). Die obere Hörgrenze liegt bei etwa 20kHz. Schallartige Schwingungsvorgänge unterhalb 16Hz werden als Infraschall, solche oberhalb ca. 20kHz als Ultraschall bezeichnet. 16 Tabelle 2: Schallgeschwindigkeit c verschiedener Gase bei verschiedenen Temperaturen (Werte aus: Kuchling ”Taschenbuch der Physik”, 13. Auflage, 1991) cLuft 344 m s (20°C ˆ 293,16 K) 332 m s (0°C ˆ 273,16 K) 258 m s (0°C ˆ 273,16 K) 971 m s (0°C ˆ 273,16 K) c(H2) 1286 m s (0°C ˆ 273,16 K) c(O2) 315 m s (0°C ˆ 273,16 K) cLuft c(CO2) c(He) 5 Erzeugung von Schall mit piezoelektrischen Elementen Die Erzeugung von Schall kann bekanntlich mit sehr unterschiedlichen Mitteln erfolgen. Mit piezoelektrischen Schallgebern lassen sich wohldefinierte Frequenzen bis zu mehreren hundert Millionen Hz erzeugen. In manchen polaren Kristallen kann eine elektrische Polarisation auch durch mechanischen Druck erzeugt werden. Dies geht sofern die Kristalle kein Symmetriezentrum aufweisen, wie z.B. im Fall von Quarz. Dabei werden die positiven und negativen Ionen so gegeneinander verschoben, dass ein elektrisches Dipolmoment entsteht. Diese Erscheinung wird als piezoelektrischer Effekt bezeichnet. Umgekehrt erfährt ein derartiger Kristall in einem elektrischen Feld, dessen Richtung mit der polaren Achse zusammenfällt, mechanische Deformationen (reziproker piezoelektrischer Effekt). Man schneidet zur Herstellung piezoelektrischer Elemente aus einem Quarzkristall Stäbe oder Platten geeigneter Orientierung so heraus, dass ein Flächenpaar senkrecht zu einer polaren Achse liegt. Versieht man dieses Flächenpaar mit einer Metallbelegung und legt man diese an eine elektrische Wechselspannung, so wird das Kristallstück zu elastischen Schwingungen angeregt, deren Amplitude ein Maximum erreicht, wenn die elektrische Frequenz mit einer der mechanischen Eigenfrequenzen des Kristallstückes übereinstimmt. Es ergeben sich so zwei Schwingungsformen, die als Dickenschwingung und als Längsschwingung bezeichnet werden und die sich in der Frequenz unterscheiden. Wird ein piezoelektrisches Element 17 umgekehrt durch Schall zu mechanischen Schwingungen angeregt, so kann man an den Metallbelegungen eine elektrische Wechselspannung messen, so dass sich piezoelektrische Elemente sowohl als Schallgeber als auch als Empfänger eignen. Hiervon wird im Praktikumsversuch Gebrauch gemacht. Aufgaben zur Vorbereitung 1. Eine Schallwelle pflanze sich bei 0°C (T = 273,16 K) durch ein gasförmiges Medium fort und werde durch die folgende Gleichung beschrieben: p (x, t) = 1 bar + 10-6 bar cos 2 t 0, 00225 s x 2,84015 m (a) (b) (c) (d) 2. Wie hoch ist die Frequenz des Schalls? Wie hoch ist die Schallgeschwindigkeit? Um welches Gas handelt es sich und welche Molmasse hat das Gas? Wie viele Wellenlängen liegen auf einer Strecke von 100 m? Wie lautet die Wellengleichung (Differentialgleichung!)? 3. Was ist ihr Unterschied zur Differentialgleichung der harmonischen Schwingung und welche anschauliche Bedeutung hat sie? 4. In welchem Zusammenhang steht Gl. (1) zur Differentialgleichung für Wellen? Wie kommen Kompressibilität und Dichte in die Beziehung? Für Physiker: 5. Begründen Sie, warum die Amplitude einer Kugelwelle sich mit 1 ändert? r Versuchsaufbauten Die Messungen werden mit Ultraschallsignalen durchgeführt, die mit Hilfe von piezoelektrischen Schallgebern erzeugt werden. Der Sender wird durch einen Frequenzgenerator direkt angesteuert. Die Sinusspannung beträgt: US = 8 V, die Frequenz liegt zwischen 30 und 50 kHz. Das Steuersignal des Frequenzgenerators wird gleichzeitig auf den Y1-Eingang eines Oszilloskops gegeben. Das Signal des Empfängers wird auf dem CH 2(Y)-Eingang sichtbar gemacht. Sender und Empfänger werden auf zwei Stativhaltern montiert und zueinander ausgerichtet. 18 Aufgabe 1: Bestimmung der Resonanzfrequenzen von Ultraschallgebern Stellen Sie mindestens zwei Resonanzfrequenzen fest. Verwenden Sie dazu den Aufbau aus Abb. 3 und beobachten Sie das Empfängersignal, während Sie die Frequenz des Frequenzgenerators (Sinussignal) durchstimmen. Stellen Sie den Frequenzgenerator auf diejenige Frequenz ein, bei der sie die höchsten Amplituden des Empfängers messen. Die Frequenz wird am Generator abgelesen. Geben Sie im Protokoll zwei Frequenzen des Generators an, bei der Sie die maximale Ultraschallamplitude messen. Optimieren Sie die Signalintensität durch eine Verbesserung der Ausrichtung von Sender und Empfänger! Ermitteln Sie in diesem Zusammenhang auch Ihre oberen Hörgrenzen! Hinweise: Es ist schwierig, die in Aufgabe 1 ermittelten Resonanzfrequenzen wieder auf denselben Wert einzustellen. Notieren Sie deshalb bei den folgenden Versuchsteilen die Frequenzen bei denen Sie tatsächlich arbeiten. Schallgeber (Transducer) Schallempfänger (Receiver) CH2 30...50kHz 0...8V Funktionsgenerator Koax CH1 U(t) Oszillograph Abb. 3: Prinzipskizze des Aufbaus zur Messung von Ultraschallsignalen. Aufgabe 2: Verifikation des 1 -Gesetzes für Kugelwellen r Bei genügend großer Entfernung kann der Sender als punktförmig angesehen werden. Der 1 Empfänger wird daher –so die Theorie– ein Signal erhalten, das mit seinem Abstand wie r geht. Hierbei ist zu beachten, dass Sie die exakte Lage der Piezoelemente in der Kunststofffassung nicht kennen und die Abstandsmessungen daher mit einem konstanten, unbekannten Offset r versehen sind! 1 gegen r auf. Welchen A Graphen erwarten Sie? Ab welchem Abstand liefert die beschriebene Methode die 1 gewünschte Abhängigkeit? Bestimmen Sie r aus dem Graphen. r Wählen Sie mindestens 10 geeignete (!) Messpunkte und tragen Sie 19 Hinweise: Je nach Bauart der verwendeten Sender/Empfänger kann es zu mehr oder weniger stark ausgeprägten stehenden Wellen kommen. Diese beeinflussen besonders bei kleinen Abständen stark die Amplitude A, was es schwierig macht, hier die 1 / r -Abhängigkeit sauber zu untersuchen. Es hat sich als günstig erwiesen den Anfangsabstand genügend groß zu wählen. Des Weiteren muss man beim Auftragen darauf achten, sein Koordinatenkreuz so zu legen, dass man die Gerade auch zu negativen r hin verlängern kann (Bestimmung von r). Auch sollten keine zu großen Abstände gewählt werden, da hierdurch die Auflösung auf der 1 / A-Achse zu stark abnimmt und man die Abweichungen von der Geraden nicht mehr gut erkennen kann. Aufgabe 3: Bestimmung der Schallgeschwindigkeit in Luft Verwenden Sie den Aufbau in Abb. 3 und messen Sie den Abstand zwischen Sender und Empfänger. Ändert man nun den Abstand, kann am Oszilloskop die Änderung der Phasenbeziehung beobachtet werden. Variieren Sie den Abstand so, dass 20 Wellenlängen durchlaufen werden und bestimmen Sie daraus die Schallgeschwindigkeit in Luft. Führen Sie je fünf Messungen bei den beiden Resonanzfrequenzen aus Aufgabe 1 durch, um einen Mittelwert zu erhalten. Achten Sie darauf, dass Sie das Stativ nicht nach jeder Messung wieder in dieselbe Ausgangsstellung "fahren". Zur Vermeidung systematischer Fehler benutzen Sie 5 verschiedene Ausgangsstellungen. Auswertung: Messen Sie die Raumtemperatur. Bestimmen Sie für jede Resonanzfrequenz die Wellenlänge und daraus die Schallgeschwindigkeit. Aufgabe 4: Bestimmung der Schallgeschwindigkeit in Helium und Kohlendioxid Verwenden Sie den Aufbau entsprechend Abb. 4. Benutzen Sie die abgeschlossenen Rohre mit Helium- und Kohlendioxid-Füllung zur Bestimmung der Schallgeschwindigkeit in diesen Gasen. Messen Sie jeweils für Helium und Kohlendioxid eine Phasenverschiebung von 3 Wellenlängen durch die Verschiebung des Empfängers bei zwei Frequenzen. Messen Sie dazu auch die Raumtemperatur. Bestimmen Sie aus dem Verhältnis der Schallgeschwindigkeiten das Verhältnis der Molmassen von Kohlendioxid und Helium. Auswertung: Bestimmen Sie für jede Resonanzfrequenz die Wellenlänge und daraus die Schallgeschwindigkeit. Hinweis: a.) Das abgeschlossene Rohr bildet einen Hohlraumresonator. Neben der wie in Aufgabe 2 zu messenden Phasenverschiebung treten zusätzliche Schwankungen in den Amplituden auf. Diese sollen im Versuch nicht weiter beachtet werden. b.) Die Rohre werden nur vom Assistenten mit den Gasen befüllt!!! 20 c.) Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, die Rohre nach ausführlichem Spülen auf einen hohen Druck einzustellen. (Beim Öffnen des Rohres sollte es “zischen”.) Versuchen Sie ferner, die Versuche so schnell wie möglich durchzuführen. 30...50kHz 0...8V Schallgeber (Transducer) Funktionsgenerator CH1 U(t) CH2 Schallempfänger (Receiver) Oszillograph Abb.4: Aufbauskizze zur Messung der Schallgeschwindigkeit in verschiedenen Gasen. 21 Zusammenstellung der verwendeten Größen Formelzeichen Bedeutung c Phasengeschwindigkeit einer Welle m s Cpm Molwärme bei konstantem Druck J K mol Cvm Molwärme bei konstantem Volumen J K mol Phasenkonstante — Wellenlänge M Molmasse kg mol Frequenz 1 s n Stoffmenge Mol P Druckamplitude N = Pa m2 p Druck N = Pa m2 R universelle Gaskonstante J K mol T Absolute Temperatur K T Periodendauer S t Zeit S Kreisfrequenz Grad s Ort M Verrückung eines Teilchen in einer longitudinalen Schallwelle M Symbol für die in einer Wellengleichung räumlich und zeitlich oszillierende Größe verschieden je nach der physikalischen Natur der Welle M x Einheit 22 23 Versuch 3A: Isothermen realer Gase Lernziele Zustandsgrößen, Aggregatzustand, ideales Gas, Isobaren, 1. Gay-Lussacsches Gesetz, Isothermen, Isochoren, Boyle-Mariottesches Gesetz, Avogadrosches Prinzip, allgemeine Gasgleichung, Zustandsänderungen, reale Gase, van-der-Waals-Wechselwirkung, Phasendiagramm, Gleichgewichtsdampfdruck, kritischer Punkt, Clausius-Clapeyronsche Gleichung. Grundlagen 1 Ideale Gase Die Eigenschaften von Gasen lassen sich vielfach mit Hilfe von einfachen Zusammenhängen beschreiben, die in den auszuführenden Versuchen experimentell verifiziert werden. Für genügend verdünnte Gase findet man experimentell, dass ein linearer Zusammenhang zwischen dem Volumen und der Temperatur des Gases besteht, sofern der Druck des Gases konstant gehalten wird (isobare Versuchsbedingungen, d.h. p = const.). Dabei wird das Gas durch physikalische Messgrößen (Zustandsgrößen) beschrieben, die den Zustand des Gases charakterisieren. Dies sind im vorliegenden Fall das Volumen des Gases V und die Temperatur , die in °C gemessen wird. Die experimentellen Beobachtungen lassen sich durch das 1. Gay-Lussacsche Gesetz folgendermaßen zusammenfassen: V = V0 (1 + ) In Gl. (1) bedeuten: V0: Volumen des Gases bei (1) = 0°C V: Endvolumen des Gases nach der Temperaturveränderung; : Endtemperatur gemessen in °C; : Thermischer Ausdehnungskoeffizient. 24 Der thermische Ausdehnungskoeffizient wird durch Differenzieren von Gl. (1) nach der Celsius-Temperatur und nachfolgendem Umformen erhalten: 1 V0 V (2) p const Er gibt die relative Volumenänderung pro 1K an und ist für ideale Gase gleich dem Kehrwert 1 der Ausgangstemperatur, d.h. . 273,15K In diesem Zusammenhang wird das Modell des idealen Gases folgendermaßen definiert: (a) Das Gas besteht aus individuellen Atomen oder Molekülen. (b) Die Abstände der Atome und Moleküle sind groß gegenüber ihrer Ausdehnung. (c) Die Teilchen üben keinerlei Kräfte aufeinander aus, d.h. die Teilchen stoßen vollständig elastisch. (d) Für Stöße zwischen den Gasteilchen und mit der Wand gelten der Energie- und Impulserhaltungssatz. (e) Die Teilchen befinden sich in einer ständigen, ungeordneten Bewegung (Brownsche Molekularbewegung). Wird das Volumen eines idealen Gases als Funktion der Temperatur graphisch dargestellt, so ergibt sich eine Gerade, deren Extrapolation die Temperaturachse bei V = 0 immer bei demselben Wert schneidet, nämlich bei -273.15°C (s. Abb. 1). Da es prinzipiell keine negativen Volumina gibt, stellt der zugehörige Temperaturwert den Nullpunkt für die absolute bzw. thermodynamische Temperaturskala dar. Die absolute Temperatur T wird in der Einheit Kelvin [K] gemessen, obgleich die Einheit genauso groß gewählt ist wie die Einheit der Celsius-Skala. 25 T/K 0 100 200 300 400 500 600 700 800 V / dm³ = 0.5 bar 80 60 = 1.0 bar 40 = 2.0 bar 20 --273.15-200 -100 0 100 200 300 400 500 600 700 T / °C Abb. 1: Isobaren eines idealen Gases (bezogen auf 1mol). Daher gilt: T = 273,15 + (3) Mit Gl. (1) und (2) lässt sich das 1. Gay-Lussacsche Gesetz unter Verwendung der absoluten Temperatur formulieren: V V0 p const T T0 (d.h. V ist direkt proportional zu T). (4) Der Zusammenhang zwischen Druck p und Volumen V eines idealen Gases bei konstanter Temperatur wird durch die Isotherme des Gases beschrieben. Der Zusammenhang ist auch als Boyle-Mariottesches Gesetz bekannt (vgl. Abb. 2): p V = const. = c bei T = const. (5) 26 5 P / bar 4 3 2 1 1365 K 1092 K 819 K 546 K 273 K 0 0 22.4 44.8 67.2 89.6 V / dm³ Abb. 2: Isothermen eines idealen Gases (bezogen auf 1mol). Dies bedeutet, dass bei konstanter Temperatur Druck und Volumen eines Gases zueinander umgekehrt proportional sind. Zusammen mit (4) ergibt sich p V = c´ T. Da bei konstantem p und T das Volumen des Gases proportional zur Stoffmenge n ist, gilt damit der Zusammenhang: p V = n c´´ T (5d) Wird die Gaskonstante R als const.´´ identifiziert, so folgt das ideale Gasgesetz: pV=nRT (6) Für den Zusammenhang zwischen der Stoffmenge und der Teilchenzahl eines idealen Gases gilt das Prinzip von Avogadro: Gleiche Volumina unterschiedlicher idealer Gase enthalten beim gleichen Druck und der gleichen Temperatur die gleiche Anzahl von Teilchen. Bei 0°C und 1 Atmosphäre Druck nimmt ein mol eines idealen Gases ein Volumen von 0,0224m3 ein und enthält eine Anzahl von 6,02205 1023 Teilchen (Avogadrosche Zahl NA). Gase, die in der Natur vorkommen, genügen nur in hoher Verdünnung, d.h. bei niedrigem Druck, dem Modell eines idealen Gases. Daher unterscheidet sich ein reales Gas in seinen Eigenschaften von denen eines idealen Gases. 27 2 Van der Waals Gas Im Gegensatz zum Modell des idealen Gases geht das van-der-Waals Modell davon aus, dass die Gasteilchen, im Gegensatz zum idealen Gas, eine räumliche Ausdehnung besitzen, sowie einer gegenseitigen Anziehung unterliegen. Daraus resultieren für n Mol die Zusammenhänge: Vreal Videal n·b p real p ideal - p 0 b steht hierbei für das Eigenvolumen der Teilchen, das sog. Kovolumen, welches genau NA•4•VAtom entspricht (Die Avogadrozahl ist notwendig, da wir hier in molaren Einheiten rechnen). Durch die attraktiven Kräfte der induzierten van-der-Waals-Wechselwirkung verringert sich der Druck des realen Gases um den Binnendruck p0. Der Binnendruck lässt 2 n p0 a V ausdrücken. Durch Umstellen und Einsetzen in die ideale sich durch Gasgleichung erhalten wir die van-der-Waals-Gleichung (p a n V 2 ) (V n b) n R T. Aus dieser Gleichung lassen sich für gegebene Werte von a, b, n und T Isothermen berechnen, also jeweils der Druck eines Gases in Abhängigkeit des Volumens bei einer konstanten Temperatur. Wie Abbildung 3 zu entnehmen ist, teilen sich die Isothermen aufgrund ihres Verhaltens in zwei Bereiche. Im oberen Bereich hoher Temperaturen ähnelt der Verlauf der Isothermen denen des idealen Gases, während sich im unteren Bereich niedriger Temperaturen mehr und mehr die Tendenz zu einem lokalen Minimum ausprägt, was der Verflüssigung entspricht. Die Kurve, Abb. 3: Isothermen eines realen Gases nach bei der sich gerade noch kein Minimum zeigt, van der Waals ist die kritische Isotherme, auf der auch der kritische Druck und das kritische Volumen liegen. Diese kritische Isotherme besitzt einen Sattelpunkt, den kritischen Punkt mit den Zustandsgrößen pkrit, Tkrit und Vkrit. Unterhalb der kritischen Isotherme wird vom van-der-Waals Modell (für die niedrigste hier dargestellte Isotherme explizit gezeigt) ein Verlauf von D über C, E und B nach A erwarten. 28 In der Realität verläuft die Kurve i.A. direkt von D nach A in Form einer horizontalen Geraden. Der Verlauf über C nach E und D würde bedeuten, dass sich bei Volumenverkleinerung der Druck vermindern würde. Das System wäre in diesem Bereich instabil und damit physikalisch nicht sinnvoll. Die Erklärung liegt darin, dass das van-derWaals Modell den Phasenübergang nicht korrekt berücksichtigt. Sobald sich das Gas verflüssigt bleibt der Druck konstant, die Kurve verläuft horizontal. Nach J. C. Maxwell kann diese Gerade grafisch bestimmt werden, indem man sie so einzeichnet, dass die Flächen DCE und ABE gleich groß sind. Dieses Verfahren wird daher Maxwell- Konstruktion genannt. Auf der Geraden der Maxwell-Konstruktion hat man dann ein System in dem zwei Phasen koeexistieren. Jede Phase für sich hat eine Dichte die ihrem reinen Zustand entspricht (Punkte A und D in Abbildung 3), wobei die Position auf der Gerade dem (Volumen-)Mischungsverhältnis der beiden Phasen entspricht. Damit der Phasenübergang stattfinden kann muss der entsprechende Anteil des Systems in die andere Phase übergehen. Ist z.B. beim Übergang von der flüssigen Phase in die Gasphase die Flüssigkeit extrem homogen und ungestört, so kann das System auch auf den „physikalischen“ Teil (A-B) der Isotherme gebracht werden. Man spricht hier von Siedeverzug. Aus der van-der-Waals-Gleichung kann man leicht eine Beziehung zwischen a und b einerseits und dem kritischen Punkt andererseits erhalten. Die Ableitung ist eine leichte Übung (siehe Aufgaben zur Vorbereitung), wir begnügen uns hier mit dem Ergebnis: a 3 9 V R Tkrit krit 8 n und b Vkrit . 3 n (7) Phasendiagramme Das van-der-Waals Gas erlaubt die qualitative Betrachtung eines Phasen-übergangs in einem „realen“ Gas. Das Modell stößt jedoch bei der exakten Beschreibung schnell an seine Grenzen, da die Annahmen und Vereinfachung dieses Modell die Wirklichkeit nur bedingt beschreiben. Betrachtet man sich das komplette Phasendiagramm eines realen Gases, wie in Abbildung 4 für CO2 dargestellt, so ergibt sich wesentlich komplexeres System an Phasen und Abb. 4: Phasendiagramm von CO2 29 Phasenübergängen. Das Phasendiagramm verdankt seinen Namen der Existenz verschiedener Aggregatzuständen oder Phasen derselben Substanz. Für atomare oder Molekülsystem sind diese im Wesentlichen die feste, flüssige und gasförmige Phase; weitere Phasen, wie z.B. feste Phasen mit unterschiedlicher Kristallstruktur, sind möglich. An den Abgrenzungen zwischen den Phasen, der Schmelzdruckkurve zwischen fest und flüssig, der Sublimationskurve zwischen fest und gasförmig, und der Dampfdruckkurve zwischen flüssig und gasförmig liegen jeweils zwei Phasen gleichzeitig vor, wobei sich bei den beiden letzteren im Gas jeweils der entsprechende Druck zur Temperatur einstellt. Der Tripelpunkt ist dadurch ausgezeichnet, dass in seiner Nähe alle drei Phasen gleichzeitig existieren. Von besonderem Interesse ist zusätzlich der kritische Punkt. Für Temperaturen und Drücke oberhalb des kritischen Punktes sind Gas und Flüssigkeit nicht mehr unterscheidbar, man spricht von einem überkritischen Fluid, das sich näherungsweise ideal verhält. Eine animierte 3D- Ansicht des Zusammenhangs von p, T und V beim realen Gas finden Sie unter www.chemgapedia.de unter dem Stichwort „pVT Zustandsdiagramme“; der Besuch dieser Site wird wärmstens empfohlen. Insbesondere wird dort interaktiv veranschaulicht, wie man aus nebenstehendem Diagramm Isochoren und Isothermen ableitet. 4 Dampfdruck von Flüssigkeiten, Clausius Clapeyronsche Gleichung Der Dampfdruck ist derjenige Partialdruck des Gases, der mit einer kondensierten Phase (Flüssigkeit oder Festkörper) im Gleichgewicht steht. Das Gleichgewicht zwischen einer Flüssigkeit und der darüber liegenden Gasphase kann sich z.B. in einem geschlossenen Behälter einstellen. Bei einer gegebenen Temperatur weist der Druck des Dampfes über einer Flüssigkeit einen gegebenen Wert auf, den man als Sättigungsdampfdruck oder Gleichgewichtsdampfdruck pD(T) bezeichnet. Die Dampfdruckkurve, siehe Phasendiagramm in Abbildung 4, wird durch die Clausius-Clapeyronsche Gleichung (Gl. 8) beschrieben, deren Ableitung tiefere Kenntnisse der Thermodynamik voraussetzt, so dass darauf verzichtet wird. p T Hv T V n T hv V (8) hv ist die Verdampfungswärme, die sog. Verdampfungsenthalpie, sie ist gleich der Wärmemenge, die notwendig ist, um 1 mol einer Flüssigkeit zu verdampfen. Bei n mol ist die gesamte notwendige Verdampfungsenergie durch Hv gegeben. Beim Übergang von der flüssigen Phase in die gasförmige Phase nimmt dabei das Volumen um V zu. V gas V flüssig 30 Aufgaben zur Vorbereitung 1. Informieren Sie sich (z.B. im Internet) etwas über die Eigenschaften des überkritischen Fluids. Welche chemischen und physikalischen Eigenschaften weist es auf? Nennen Sie ein paar Beispiele für Anwendungsfälle dieser Eigenschaften in der Industrie. 2. Leiten Sie die Gleichungen für die Parameter a und b (Gl. 7) aus der Zustandsgleichung für das van der Waals-Gas her. (Als Tipp: die kritische Isotherme weist nach der Definition am kritischen Punkt einen Sattelpunkt auf) Beschreibungen der Gerätschaft im Versuch Der wichtigste Teil der Apparatur ist die Messzelle. Wie Sie sehen, ist diese vom Temperiermantel umgeben, in dem sich das geheizte Wasser (Wärmebad) befindet. In der Messzelle erkennen Sie die dunkle Hutdichtung. Diese ragt je nach Stellung des Handrads mehr oder weniger in die Messzelle hinein und ändert somit deren Volumen. Die Druckmessung erfolgt innerhalb des großen metallgrauen Quaders über ein Ölbad, welches von der Messzelle durch die Hutdichtung getrennt ist. Die Druckdifferenz auf beiden Seiten der Hutdichtung ist vernachlässigbar klein. Die Temperaturmessung wird mittels eines durch eine Bohrung gesteckten stabförmigen Temperaturfühlers nahe an der Messzelle durchgeführt. 31 An der Skala am Handrand kann das Volumen nicht direkt abgelesen werden. Wichtigster Grund dafür ist, dass das Volumen der Messzelle neben dem an der Skala ablesbaren Kolbenhub auch von der Temperatur und dem Druck abhängt. Das Volumen wird durch die Formel (9) beschrieben. Das Volumen des Gases berechnet sich durch A s mit 2 A s 3 ,14 cm se s0 s0 0 ,19 mm p V p p (9) 0 , 023 mm / bar 0 , 034 mm / K se abgelesene Stellung des Handrades in mm !!!!!!!!!!!!!!!! ACHTUNG: !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Die Apparatur ist nur zu betreiben, wenn über den gesamten Bereich wenigstes 8 bar angezeigt werden. Sollte der Druck geringer sein, sofort den Assistenten rufen. Die maximalen Betriebsparameter für die Apparatur betragen 50 bar, 48 mm und 60° Celsius. Diese Werte dürfen unter keinen Umständen überschritten werden, da ansonsten die Gefahr einer Beschädigung der Apparatur besteht. 32 Aufgabe 1: Aufnahme einiger Isothermen – Die Maxwell- Konstruktion Nehmen Sie 5 Isothermen zwischen 20°C und 55°C auf. Stellen Sie die das Heizbad an und stellen Sie den Temperaturregler auf eine Temperatur kleiner 20°C. Damit beginnen Sie Ihre Messungen bei Raumtemperatur, da das Wasser nun einfach umgewälzt aber nicht geheizt wird. Beginnen Sie nun bei dem maximalen Volumen d.h. bei Stellung des Handrads auf 48mm und verkleinern Sie das Volumen durch drehen des Handrades in Richtung kleinerer Handradstellungen. Notieren Sie für etwa 15 Stellungen des Handrades den Druck, die Temperatur und die Handradstellung. Ab dem Punkt A steigt die Kurve steil an, hier sollte man sich für eine sinnvolle Wahl der Messpunkte nach dem Druck richten. Achten Sie in jedem Fall darauf dass der Druck nicht über 50 bar steigt, da dies die Messapparatur schädigen kann. Für den flachen Teil der Kurve ist eine Einteilung anhand des Volumens sinnvoller. Im Bereich hoher Drücke (oberhalb von A) reagiert das System bei Änderungen sehr träge. Warten Sie hier jeweils ca. eine Minute, bis sich das System auf den neuen Wert eingependelt hat. Bei großen Volumina können Sie dagegen zügig messen. Fahren Sie vor der Messung die Kurve einmal grob ab, um die Lage des Punktes A abzuschätzen. Nehmen Sie ca. 5 Messpunkte für hohe Drücke, ca. 10 Messpunkte für große Volumina auf. Wiederholen Sie diese Messung für 4 weitere Temperaturen, indem Sie die Heizung des Heizbades nutzen. Arbeiten Sie von kleinen Temperaturen zu höheren Temperaturen, da sich so das Gleichgewicht schneller einstellt. Warten Sie nach jedem Heizvorgang eine genügende lange Zeit ab, so dass sich die Temperatur vor Beginn jeder Messung auf einen nahezu festen Wert eingependelt hat. Zur Auswertung Ermitteln Sie den Wert des kritischen Punktes ( p krit , Tkrit ,Vkrit ) . Das Manometer ist in bar geeicht. Die Umrechnung in die SI- Einheit Pascal erfolgt über 1bar 1000hPa . Beachten Sie zudem, dass ein Manometer für gewöhnlich nur Überdruck anzeigt. Zur Ermittlung des Volumens anhand des Kolbenhubs verwenden Sie die Formel (9). 33 Bestimmen Sie die Parameter a und b. Überlegen sie hierzu wie groß die Menge (in mol) des eingebrachten Stoffes ist. Welchen Wert erhalten Sie für das Volumen der SF6- Moleküle? Vergleichen Sie mit dem Bohr’schen Radius a0 5,29 10 11 m , einem Faustwert für den Durchmesser des Wasserstoff- Atoms. Aufgabe 2: Bestimmung der Verdampfungswärme Lassen Sie die Apparatur nun abkühlen, indem Sie den Temperaturregler auf 20°C herunter drehen, das Heizbad selbst aber angeschaltet lassen (dient der Umwälzung). Drehen Sie zusätzlich das Kaltwasser- Zulaufventil auf. Bestimmen Sie alle 5-10 Minuten den Sättigungsdruck (natürlich erst unterhalb der kritischen Temperatur) und die Temperatur. Den Sättigungsdampfdruck erhalten Sie indem Sie das Handrad derart einstellen, dass die gasförmige und die flüssige Phase koexistieren; der gemeinsame Druck innerhalb der Phasenkoexistenz ist der gesuchte Sättigungsdruck. Um die langen Wartephasen sinnvoll zu überbrücken, können Sie diese Messung parallel zur Auswertung der vorigen Aufgabe durchführen. Zur Auswertung Tragen Sie die gemessenen Werte in ein p-T-Diagramm ein. Tragen Sie zusätzlich auch die in Aufgabe 1 bestimmten Sättigungsdrücke in dieses Diagramm ein. Bestimmen Sie nun für eine Temperatur aus Aufgabe 1 die Steigung der Dampfdruckkurve. Zusätzlich können Sie aus dem Graph von Aufgabe 1 die Volumina für die Gasphase sowie für die Flüssigkeitsphase bestimmen (dies entspricht jeweils dem Anfangs- bzw. Endpunkt des Plateaus). Mit diesen Informationen können Sie nun aus der Clausius-Clayperon-Gleichung (8) die notwendige Verdampfungsenergie Hv von SF6 bei der von Ihnen gewählten Temperatur bestimmen. Mit der Stoffmenge in mol können Sie daraus die universelle molare Verdampfungswärme berechnen. 34 Anhang A Ausgewählte Gasmodelle Reale Teilchen wechselwirken untereinander und sind ausgedehnt, was letztlich auch auf eine Wechselwirkung auf mirkrospopischer Ebene hinausläuft. Um das Verhalten der Zustandsgrößen eines makroskopischen Ensembles von wechselwirkenden Teilchen zu beschreiben, sind Modifikationen der idealen Gasgleichung nötig. Das van-der-Waals Gas stellt eine solche erweiterte Zustandsgleichung da, die qualitativ in der Lage ist den Übergang zwischen zwei Phasen zu beschreiben. Jedoch ist auch die van-der Waals-Gleichung nur eine Näherung und versagt bei hohen Drücken und tiefen Temperaturen (insbesondre wird der Übergang in eine dritte Phase, z.B. die feste Phase nicht erfasst). Um korrektere Aussagen treffen zu können muss man die weitere Korrekturen berücksichtigen. Im folgenden sind einige ausgewählte Zustandsgleichungen aufgeführt. ideal p van der Waals p Berthelot p RT VM RT VM RT VM a b Vm2 a b TVm2 a RTVM Dieterici p Redlich- Kwong p Kammerlingh- Onnes p RT e VM b RT VM b a T VM (VM RT B (T ) (1 VM VM C (T ) VM2 b) D(T ) VM3 ) 35 Zusammenstellung der verwendeten Größen Formelzeichen Bedeutung Einheit Thermischer Ausdehnungskoeffizient K Temperatur in °Celsius, °C –1 T = 273.15 + n Stoffmenge mol NA Avogadrosche Konstante 1 mol p Druck 1 Pa = 1 N m2 1 atm = 101 325Pa 1 bar = 100 000Pa pD Gleichgewichtsdampfdruck Pa, atm, bar k Boltzmann-Konstante 1.381 10 R Gaskonstante J mol K T Absolute Temperatur K V Volumen m Molare Verdampfungswärme J mol hv (Molare Verdampfungsenthalpie) -23 3 J K Manometer (immer nach oben halten!!!) 36 Thermometer, Gastemperatur Kanüle Thermometer, Wassertemperatur Manometer Zylinder Wasserstrahlpumpe Thermometer Wasserbad Ventil Auffangbehälter Schraubglas mit Silikonöl Wasserbad Heizplatte 37 38 Versuch 4AB: Elektromagnetische Induktion Lernziele Magnetfeld elektrischer Ströme in Spulen, magnetische Flussdichte, magnetischer Fluss, magnetische Feldstärke, elektromagnetische Induktion, Induktionsgesetz, Gesetz von Biot-Savart, Ampères Durchflutungsgesetz, Lenzsche Regel, Selbstinduktion, Induktivität, Lorenzkraft, Erzeugung von Wechselspannung, Generator, Dynamo, Transformator. Grundlagen 1 Magnetfeld stromdurchflossener Spulen Legt man an einen elektrischen Leiter eine zeitlich konstante elektrische Spannung an, so dass ein Gleichstrom fließt, so baut sich ein zeitlich konstantes Magnetfeld auf. Zur Kennzeichnung des Magnetfeldes wird die magnetische Flussdichte B verwendet. Sie kann als Maß für die relative Anzahl von Feldlinien aufgefasst werden, die eine senkrecht zum Feld stehende Fläche A durchdringen (vgl. Abb. 1). Durch das erzeugte magnetische Feld wird auf eine mit der Geschwindigkeit v bewegte Ladung Q eine Kraft FL ausgeübt, wobei FL als Lorentz-Kraft bezeichnet wird: FL Q v B F = Q v B sin (Vektorgleichung) (1a) (Betragsgleichung) (1b) den eingeschlossenen Winkel zwischen den Vektoren v und B . Man bezeichnet das Produkt zweier Vektoren als Vektorprodukt (z.B. v B ), das auch ein Vektor ist. Für die Lorentz-Kraft FL , die auf eine bewegte Ladung wirkt, gilt dann, dass Dabei beschreibt in Gl. (1b) sie senkrecht zu der Richtung der von der magnetischen Flussdichte B und der Geschwindigkeitsrichtung v aufgespannten Ebene liegt. Daraus folgt für den Fall, dass sich eine Ladung parallel zu B bewegt, die Lorentz-Kraft gleich Null wird. Bewegt sich die Ladung dagegen senkrecht zu B , so ist die Lorentz-Kraft maximal. Der Betrag des Vektors ist gemäß Gl. (1b) durch das Produkt v B sin gegeben. 39 Aus dem Betrag der magnetischen Flussdichte B und der durchdrungenen Fläche A ergibt sich der magnetische Fluss . =B A (2) Wickelt man einen isolierten Leitungsdraht in engen Schraubenwindungen auf einen Zylinder auf, so erhält man eine Spule (s. Abb. 1). Abb. 1: Das Magnetfeld einer langen stromdurchflossenen Spule (nach: C. Gerthsen, H. O. Vogel, Physik, Springer, Berlin 1966). Im Inneren einer langen stromdurchflossenen Spule verlaufen die Feldlinien parallel und liegen überall gleichmäßig dicht. Das Magnetfeld bezeichnet man in diesem Fall als homogen. Die magnetische Flussdichte B im Inneren einer langen, vom Strom I durchflossenen Spule der Länge und der Windungszahl N beträgt: B I N 0 (3) 40 Gl. (3) gilt in dieser Form speziell für eine Spule. Sie lässt sich aus dem Durchflutungsgesetz (2. Maxwellsche Gleichung) herleiten. Die Konstante bezeichnet man als magnetische Feldkonstante oder auch als Permeabilitätskonstante des Vakuums. In Gl. (3) nennt man den Teil I N , der aus denjenigen Größen besteht, die sich nur auf den das Feld erregenden Strom beziehen, die magnetische Feldstärke H. Allgemein definiert man: H 1 B (4) 0 Gl. (4) gilt streng nur im Vakuum. Ändert man die Stromstärke I der Spule periodisch mit der Zeit, so erhält man ein zeitlich veränderliches Magnetfeld. Durch diese Konvention sind jetzt B- und H-Feld nicht nur um den im Prinzip belanglosen Dimensionsfaktor 0 (4 10-7H/m) verschieden, sondern haben in Materie auch eine unterschiedliche physikalische Bedeutung gewonnen: Aufgrund des ursprünglichen, magnetisierenden Feldes H resultiert im Innern des Stoffs die Kraftflussdichte B mit: B 0 H ( = 1 im Vakuum). (4a) Mit anderen Worten zählt H innerhalb der Materie nur die Feldlinien, die aus äußeren Quellen stammen (z. B. Magnetfeld einer stromdurchflossenen Spule), während zu B auch die Feldlinien der Magnetisierung zählen, d. h. das in Materie hervorgerufene magnetische Moment pro Volumeneinheit. 2 Induktion durch zeitveränderliche Magnetfelder Die elektromagnetische Induktion ist das Arbeitsprinzip von z.B. dem Transformator oder dem Elektromotor sowie vieler anderer Einrichtungen in den Bereichen der Elektrotechnik wie Nachrichtentechnik. Sie beruht auf dem Faradayschen Induktionsgesetz: Ändert sich der magnetische Fluss , der eine Spule von N Windungen durchsetzt, in der Zeitspanne t um , so wird in dieser Spule die mittlere Spannung U=-N / t induziert. Befindet sich im Inneren einer ersten Stromspule (Feldspule), durch die ein sich zeitlich ändernder Strom If fließt, eine zweite Spule (Induktionsspule), so beobachtet man in der Induktionsspule die Ausbildung einer elektrische Spannung (vgl. Abb. 2). Diese wird als Induktionsspannung Uind bezeichnet. 41 Eine konstante Induktionsspannung erhält man, wenn der Strom in der Feldspule If linear zunimmt. Man findet auch, dass die induzierte Spannung umso größer ist, je schneller sich der Strom If in der Feldspule ändert. Nach dem Induktionsgesetz ist: Uind Nind Aind B U ind t Nind Aind B t (5) und somit: (6) Aus Gl. (3) folgt dann für 0 B f If Nf (7) Die Induktionsspannung lässt sich mit Hilfe von Gl. (5) und (7) bestimmen zu: Uind 3 Nind Aind 0 Nf If f t (8) Lenzsche Regel Für die Polung der Induktionsspannung gilt die Lenzsche Regel: Der durch die induzierte Spannung hervorgerufene induzierte Strom ist stets so gerichtet, dass er der Ursache seiner Entstehung entgegenwirkt. Darin liegt auch die Bedeutung des negativen Vorzeichens im Induktionsgesetz (s. Gl. (5) und (8)). Wird eine Feldspule eingeschaltet, so wird das Anwachsen des Magnetfeldes durch den in der Induktionsspule induzierten Stromfluss verzögert. Wird die Feldspule ausgeschaltet, so wird das Feld durch den Induktionsstrom verstärkt, d.h. das Magnetfeld der Feldspule wird verzögert abgebaut. 4 Selbstinduktion Die Änderung des magnetischen Feldes einer Spule bewirkt nicht nur in einer anderen Spule eine Induktionserscheinung. Auch in den Windungen der felderregenden Spule wird die Änderung des von ihr selbst erregten Feldes wirksam. Dies ist so zu verstehen, dass eine Leiterschleife der Spule auf alle anderen Leiterschleifen wirkt und umgekehrt. Die 42 Induktionswirkung eines sich ändernden Magnetfeldes im eigenen Leiterkreis bezeichnet man als Selbstinduktion. Die im felderregenden Leiter induzierte Spannung Uind ist proportional der zeitlichen Änderung seiner Stromstärke: Uind L I t (9) Die Spulendaten werden zu einer Spuleneigenschaft, der Selbstinduktivität, oder kurz Induktivität zusammengefasst, mit L= 0 N2 A / . Aufgaben zur Vorbereitung 1. Berechnen Sie die magnetische Feldstärke sowie die magnetische Flussdichte im Inneren einer luftdurchsetzten Spule mit der Windungszahl N = 400 und der Länge = 0,45 m, in der ein Strom I = 10 mA fließt. 2. Gegeben sei eine Induktionsspule mit Windungszahl Nind = 2000, Fläche Aind = 4 10-4 m2, die sich im Inneren einer Feldspule mit NF = 350, F =0,35 m befindet; in der Feldspule ändere sich der Strom mit I F / t = 6A/s. Berechnen Sie die in der Induktionsspule induzierte Spannung Uind. 3. Berechnen Sie die Induktivität einer Spule mit der der Windungszahl N = 3000, der umschlossenen Fläche A = 6 10-4 m2 und einer Länge von = 0,02 m. 4. Wie kann man B im Inneren einer Spule herleiten? 5. Leiten Sie die Zeitabhängigkeit der induzierten Spannung Uind her, wenn eine Spule gleichförmig um eine zu B senkrechte Achse rotiert. Inwiefern ist die Amplitude der induzierten Spannung von der Periodendauer T abhängig? 6. Berechnen Sie B im Abstand r zu einem vom Strom I durchflossenen Leiter (Ampères Gesetz). 43 Aufgaben Das Ziel des Praktikumstages ist die Charakterisierung der elektromagnetischen Induktion mittels vorgegebener Spulen, die als Feldspulen und Induktionsspulen verwendet werden. Ferner ist eine experimentelle Bestimmung der magnetischen Feldkonstante 0 durchzuführen. Dazu dient der Versuchsaufbau, der in Abb. 2 gezeigt ist. T 100Hz 10kHz Funktionsgenerator Feldspule Induktionsspule Oszilloskop Abb. 2: Versuchsaufbau. Im Praktikum steht ein Wechselspannungsgenerator zur Verfügung, mit dessen Hilfe ein zeitlich veränderlicher Strom an die Feldspule angelegt wird. Bei einer angelegten Dreieckspannung UDreieck mit der Periodendauer T gilt für die zeitliche Änderung des Stroms IF in der Feldspule (siehe Abb. 2): IF t konst . 0 konst . T 2 t T 2 t T (8a) und somit nach Gl. 8: UIND UIND 0 UIND T 2 t T 2 t T (8b) Als Induktionsspannungssignal erwartet man ein Rechtecksignal, das jedoch an den Spitzen der Feldspannung nicht sofort in den neuen Spannungszustand übergeht (warum?). Das Experiment wird bei kleiner Frequenz durchgeführt, damit dieser Effekt das Ablesen der Induktionsspannung nicht beeinträchtigt. Die Induktionsspannung sollte während einer halben Dreiecksperiode der Feldspannung den maximalen Spannungswert Uind erreicht haben. Für 44 alle Teilaufgaben müssen immer alle Parameter (Nind, NF, F, UF, Uind, Aind, f, R) notiert werden, damit eine Auswertung möglich ist! Aufgabe 1: Verlauf von Feldlinien in einer Spule Legen Sie eine Gleichspannung von U = 3,8 V an die Feldspule mit 380 Windungen und untersuchen Sie mit Hilfe des Probemagneten den Verlauf der Feldlinien im Innern und in der Umgebung der Feldspule. Skizzieren Sie den Magnetfeldverlauf der Spule. Achten Sie darauf, dass sich die Spule nicht zu stark erwärmt. Aufgabe 2: Bestimmung der magnetischen Flussdichte einer Stromspule in Abhängigkeit vom Ort Regen Sie die Feldspule mit einer Dreieckspannung (größte Amplitude einstellen) geeigneter Frequenz an und messen Sie das Innere und die Umgebung mit einer Induktionsspule –4 2 (Nind = 2500; Aind = 5.10 m ) aus. Messen Sie die Amplitude der Induktionsspannung gemäß folgender Skizze (Abb. 3) und fertigen Sie Diagramme an, die den gemessenen Magnetfeldverlauf darstellen. Gehen Sie in Schritten von 5cm vor. r r Induktionsspule Induktionsspule Z Feldspule Z Feldspule Abb. 3: Messung senkrecht zur Spulenachse (links) und auf der Spulenachse (rechts). Aufgabe 3: Bestimmung der magnetischen Flussdichte einer Induktionsspule in Abhängigkeit von anderen Parametern Regen Sie die Feldspule mit einer Dreieckspannung ausreichend kleiner Frequenz an. Messen Sie nun die Amplitude der Induktionsspannung im Inneren der Feldspule in Abhängigkeit von der Frequenz des Dreiecksignals, f (drei Werte); der Wicklungszahl der Induktionsspule, Nind (drei Induktionsspulen); der durchsetzten Fläche der Induktionsspule, Aind (drei Induktionsspulen). Die jeweils übrigen Größen werden konstant gehalten. Tragen Sie die Werte sinnvoll graphisch auf (siehe Gleichung (8)). 45 Beachten Sie: Bei den Induktionsspulen mit 1000 und 1500 Windungen muss zusätzlich ein Vorwiderstand vor die Induktionsspule eingebaut werden, um die Form des Induktionssignals zu verbessern! Aufgabe 4: Bestimmung der Permeabilität des Vakuums Sie regen die Feldspule mit einer Dreieckspannung geeigneter Frequenz an und messen im Spuleninneren die induzierte Spannung für sechs verschiedene Feldspulenströme IF. Mit den angegeben Gleichungen (6) und (7) können Sie die Permeabilität des Vakuums graphisch bestimmen; vergleichen Sie den Mittelwert mit dem angegebenen Literaturwert. Physiker nehmen eine Fehlerrechnung, Biologen eine Fehlerabschätzung vor. Überlegen Sie sich, wie I gegeben ist! bei einer Dreieckspannung die Größe t Aufgabe 5: Abhängigkeit der induzierten Spannung von der Flussänderung Legen Sie eine Gleichspannung von U = 13,8 V an die Feldspule mit 750 Windungen. Positionieren Sie die motorgetriebene Induktionsspule im zentralen Bereich der Feldspule (warum?) und messen Sie mit dem Oszilloskop die Amplitude der induzierten Spannung für verschiedene Drehzahlen der Induktionsspule. Die Drehzahl bzw. Winkelgeschwindigkeit der Induktionsspule variieren Sie, indem Sie die Versorgungsspannung des Elektromotors verändern. Die Maximalspannung am Elektromotor darf 7 V nicht überschreiten. Können Sie den in der Aufgabe zur Vorbereitung hergeleiteten funktionalen Zusammenhang auf dem Oszilloskop verifizieren? Tragen Sie die Amplitude der induzierten Spannung gegen die Drehfrequenz der Induktionsspule auf. Welchen Zusammenhang erwarten Sie? 46 Zusammenstellung der verwendeten Größen Formelzeichen Bedeutung Einheit A Fläche m2 Aind Fläche der Induktionsspule m2 B magnetische Flussdichte, "Magnetfeld" Vs m2 magnetischer Fluss 1 Vs = 1 Weber (Wb) FL Lorentz-Kraft N H Magnetische Feldstärke A m I Stromstärke A If Feldspulenstrom A lf Länge der Feldspule m lind Länge der Induktionsspule m L Induktivität Vs = 1H (Henry) A Permeabilität des Vakuums H m Nf Windungszahl der Feldspule — Nind Windungszahl der Induktionsspule — Q elektrische Ladung C = As t Zeit s Uind Induzierte Spannung in Induktionsspule V v Geschwindigkeit m s 0 47 48 Versuch 5A: Ablenkung elektrischer Ladungen in elektrischen und magnetischen Feldern Lernziele Elektrisches Feld, Feldstärke, Potential, Feldlinien, homogene Felder, Feldstärke im Plattenkondensator, Bewegung von Elektronen in der Braunschen Röhre, Erfassung periodischer Signale mit dem Oszilloskop, magnetisches Feld, Lorentz-Kraft, Bewegung geladener Teilchen im homogenen Magnetfeld, Lissajous-Figuren. Grundlagen 1 Elektrische Ladung Elektrisch geladene Körper üben aufeinander Kräfte aus, die bei ungeladenen Körpern nicht vorkommen. Elektrisch geladene Körper stoßen einander ab oder ziehen einander an, je nachdem, ob sie gleichnamig oder ungleichnamig geladen sind. Man unterscheidet daher zwischen positiven und negativen Ladungen. Die kleinste in der Natur vorkommende elektrische Ladung ist die positive oder negative elektrische Elementarladung e0. Elektronen und Protonen, die in der Hülle bzw. im Kern von Atomen vorkommen, tragen jeweils eine negative bzw. eine positive Elementarladung. Die elektrische Ladung von Körpern ist stets ein ganzzahliges Vielfaches der Elementarladung. Befinden sich in einem Körper gleich viele positive wie negative Elementarladungen, so erscheint er nach außen elektrisch ungeladen (neutral). 2 Elektrische Feldstärke Ein elektrisches Feld ist dadurch charakterisiert, dass in jedem Punkt des Raums, in dem das Feld existiert, eine Kraft F auf eine an diese Stelle gebrachte Ladung Q wirkt. Die Feldstärke ist definiert als Quotient aus der wirkenden Kraft F und der Ladung Q: E F Q (1) Schreitet man in einem elektrischen Feld von Punkt zu Punkt stets in Richtung der wirkenden Kraft fort und verbindet die Punkte durch eine Linie, so erhält man eine Feldlinie. Die 49 Feldlinien des elektrischen Feldes verlaufen nach Konvention stets von den positiven zu den negativen Ladungen. Sie zeigen die Richtung der Kraft an, die eine positive Probeladung im Feld erfährt. Die Dichte der gezeichneten der Feldlinien repräsentiert den Betrag der Feldstärke; zur Angabe der Richtung der Feldstärke versieht man die Feldlinien mit Pfeilen. Einen besonders wichtigen Spezialfall stellt das Feld zweier paralleler, entgegengesetzt geladener Platten (Plattenkondensator) dar. Die Feldlinien verlaufen parallel und liegen überall gleichmäßig dicht. Felder mit dieser Eigenschaft bezeichnet man als homogen. In Abb. 1 ist das Feld im Inneren eines Plattenkondensators dargestellt. Abb. 1: Elektrisches Feld eines Plattenkondensators Der Betrag der Feldstärke E in einem Plattenkondensator ergibt sich aus der Spannung (Potentialdifferenz) U zwischen den Platten und dem Abstand der Platten d wie folgt: E U d (2) Durch das elektrische Feld erfährt ein Ladungsträger Q zwischen den Platten des Plattenkondensators eine Kraft, deren Betrag nach Gl. (2) und Gl. (1) wie folgt gegeben ist: F U Q d (3) Gemäß Gl. (3) bewirkt die Kraft F an der Probeladung Q eine konstante Beschleunigung a in Feldrichtung (positive Ladung Q) bzw. entgegen der Feldrichtung (negative Ladung Q). Einer ursprünglich ruhenden Probeladung wird durch die Beschleunigung im homogenen Feld E Bewegungsenergie (kinetische Energie) Ekin zugefügt. Die kinetische Energie Ekin von Körpern ist nach den Gesetzen der Mechanik durch Gl. (4) gegeben: Ekin m v² 2 (4) 50 Die kinetische Energie Ekin, die ein Teilchen der Ladung Q beim Durchlaufen einer Potentialdifferenz U (Spannung) im Feld des Plattenkondensators gewinnt, entnimmt man Gl.5: Ekin = Q U (5) Zusammen mit Gl. (4) ergibt sich die folgende Beziehung: m v² 2 Q U (6) Aufgelöst nach der Geschwindigkeit v des Ladungsträgers nach Durchlaufen der Potentialdifferenz U ergibt sich aus Gl. (6): v 3 2 Q U m (7) Braunsche Röhre Die Braunsche Röhre ist ein wichtiges Arbeitsinstrument in Naturwissenschaft und Technik. In der Literatur werden Kathodenstrahlröhren mit der Konfiguration: Kathode – Wehnelt Zylinder – Anode – x, y Ablenkplatten beschrieben. Bei dieser Anordnung werden die Elektronen bis zur Anode beschleunigt, weswegen die Anodenspannung in diesem Fall als Beschleunigungsspannung zu verstehen ist. In unserem Experiment liegt die Beschleunigungsspannung an den Ablenkplatten. Die Hilfsanode und die Anode dienen neben der Vorbeschleunigung hauptsächlich der Fokussierung des Elektronenstrahls, und übernehmen damit die Funktion des sonst in der Literatur beschriebenen Wehnelt-Zylinders. Aus der glühenden Kathode treten freie Elektronen aus. Dieser Vorgang wird als Glühemission bezeichnet. Unter dem Einfluss der Beschleunigungsspannung Ua (die zwischen Kathode und Ablenkplatten anliegt) bewegen sich die Elektronen vom Glühdraht durch die Hilfsanode, die Anode und die Ablenkplatten hindurch auf den Leuchtschirm. Die Hilfsanode und die Anode sind jeweils eine Metallscheibe mit einem Loch in der Mitte, durch die die Elektronen hindurchtreten können. Die Elektronen durchlaufen auf ihrem Weg von der Glühkathode bis hin zum Leuchtschirm eine Kaskade von Beschleunigungsspannungen, wobei sie letztendlich zu einer Geschwindigkeit gemäß Gl. (7) beschleunigt werden. Wobei die Spannung U in der Gleichung unserer Beschleunigungsspannung Ua entspricht. 51 Beim Eintritt in das Ablenkplattenpaar haben die Elektronen weitgehend ihre Endgeschwindigkeit vz erreicht. Das Ablenkplattenpaar (oft auch als Ablenkkondensator bezeichnet) hat nun die zusätzliche Aufgabe, durch ein angelegtes Feld (Ablenkspannung Ux) den Elektronenstrahl abzulenken und so den Auftreffpunkt auf dem Schirm zu variieren. Beim Eintritt in den Kondensator werden die Elektronen einer konstanten Beschleunigung durch das elektrische Feld Ex ausgesetzt. Dadurch erhalten die Elektronen eine Geschwindigkeitskomponente vx in x-Richtung und ihre Bahnkurve wird durch eine Parabel beschrieben. Beim Austritt aus dem Ablenkkondensator fliegen die Elektronen kräftefrei und geradlinig weiter, bis sie auf dem Schirm auftreffen (Abb. 2). L l Leuchtschirm Hilfsanode Kathode Ablenkkondensator Anode x Heizung Ux Ua Abb. 2: Elektronenstrahl in der Braunschen Röhre Die von uns verwendete Röhre ist mit Argon gefüllt, so dass man den Elektronenstrahl bei Dunkelheit sehen kann. Warum kann man Elektronen in Argon sehen? 52 Die gesamte Ablenkung x des Strahls setzt sich also zusammen aus dem Anteil x1, der innerhalb des Kondensators auftritt, und einem Anteil x2, der während der geradlinigen Bewegung der Elektronen hinter dem Ablenkkondensator durch die Geschwindigkeitskomponente vx zustande kommt: x= x1 + x2 (8) Die Ablenkung des Elektronenstrahls Spannung Ux proportional: x ist für eine Braunsche Röhre der angelegten x = K Ux (9) Bei Kenntnis der Konstante K, die auch als Ablenkempfindlichkeit bezeichnet wird, können mit der Braunschen Röhre Spannungen gemessen werden (vgl. Oszilloskop Volt/Div). Unter idealisierten Annahmen (Vernachlässigung von Inhomogenitäten in den elektrischen Feldern, besonders bei Vernachlässigung der Tatsache, dass im Fall unserer Röhre die Elektronen noch bis in die Ablenkplatten hinein beschleunigt werden!) kann die Ablenkempfindlichkeit K aus den Größen Ua (effektive Beschleunigungsspannung zwischen Kathode und Ablenkplatten), d (Plattenabstand), (Länge der Ablenkplatten) und L (Abstand Ende der Ablenkplatten – Leuchtschirm) gemäß der folgenden Gleichung bestimmt werden: K 1 2U a L 2 d (10) Die Herleitung der Formel findet sich im Anhang. Dabei wird K gemäß der Formel für unseren Fall zu klein berechnet, weil die Elektronen hier noch nicht ihre Endgeschwindigkeit besitzen, wenn sie den Ablenkkondensator erreicht haben. Durch ihre folglich geringere Geschwindigkeit (d.h. längere Verweildauer im Kondensator) ist die Ablenkung größer als mit der Formel berechnet, d.h. K ist in Wirklichkeit größer als mit der Formel berechnet. 3.1 Beobachtung periodischer Signale mit der Braunschen Röhre Die Braunsche Röhre wird unter anderem in Oszilloskopen verwendet, um den zeitlichen Verlauf elektrischer Signale sichtbar zu machen. Man benutzt eine horizontale Ablenkspannung mit einer definierten Zeitstruktur, eine so genannte Sägezahnspannung: 53 U 0t0 t Abb.3: Sägezahnspannung zur periodischen, horizontalen Ablenkung von Elektronen in einer Braunschen Röhre. In Abb. 3 ist t0 die Periodendauer der Sägezahnspannung Ux. Man wählt Ux am Ablenkkondensator so, dass der Bildpunkt des Elektronenstrahls vom linken Rand des Schirms zum rechten Rand wandert. Ist er am rechten Ende angekommen, springt der Bildpunkt wieder zum Anfang zurück. Wählt man die Zeitperiode t0 eines Spannungsdurchlaufs genügend kurz, dann erscheint der wandernde Bildpunkt dem Auge als einheitlicher heller Strich. Die Bedeutung dieser Anordnung zeigt sich dann, wenn man an ein zweites Ablenkplattenpaar (in y-Richtung, also senkrecht zum ersten Ablenkplattenpaar) eine periodisch veränderliche Spannung anlegt, welche eine Wanderung des Bildpunktes von unten nach oben und umgekehrt zur Folge, während das erste Ablenkplattenpaar den Strahl von links nach rechts führt. Legt man z.B. als periodisches Signal eine Sägezahn-Spannung an beide Ablenkplatten, und synchronisiert diese, so dass sie beide die gleiche Periodendauer (und auch die gleiche Phase, d.h. die gleiche Periode am Startzeitpunkt besitzen), so wandert der Leuchtpunkt auf dem Schirm diagonal von links unten nach rechts oben und erscheint bei genügend hoher Frequenz als Strich. Die Braunsche Röhre erlaubt es daher, periodische Signale darzustellen und ihre Periodizität zu messen. Dieser Effekt wird in Oszilloskopen ausgenutzt. Legt man nun sowohl an das x- als auch an das y-Ablenkplattenpaar jeweils eine sinusförmige Wechselspannung, Ux = U1 sin(2 f1 t + 1) und Uy = U2 sin(2 f2 t + 2), so lassen sich bei bestimmten Verhältnissen von f1 und f2 (z.B. ganzzahligen Verhältnissen) die sog. LissajousFiguren als stehende Bilder beobachten, deren Form auch noch von der relativen Phase 2- 1 abhängt. 54 f1:f2 1:1 0°;360° 45° 90° 135° 180° 225° 270° 315° = 0°;360° 45° 90° 135° 180° 225° 270° 315° = 0°;360° 45° 90° 135° 180° 225° 270° 315° = 22,5° 45° 67,5° 90° 112,5° 135° 157,5° = 1:2 1:3 2:3 0°;180° Abb. 4: Lissajous-Figuren (aus Kuchling, Taschenbuch der Physik) Da in der von uns verwendeten Röhre nur ein Ablenkplattenpaar vorhanden ist, wird dieses für die x-Ablenkung genutzt. Die y-Ablenkung wird durch das Magnetfeld stromdurchflossener Spulen realisiert. 4 Magnetische Kräfte und Felder Um einen stromdurchflossenen Leiter bildet sich infolge der Bewegung der Ladungsträger ein Magnetfeld B aus. Für die Richtung der Feldlinien gilt die "Korkenzieher-Regel": die Richtung der magnetischen Feldlinien zeigt im Sinne der Rechtsdrehung eines Korkenziehers, wenn die Vorwärtsbewegung des Korkenziehers mit der Stromrichtung übereinstimmt. Auf Ladungsträger, wie z.B. freie Elektronen, die sich im Magnetfeld bewegen, wird eine Kraft ausgeübt. Die auf eine mit der Geschwindigkeit v in einem Magnetfeld B bewegte Ladung Q wirkende Kraft wird als Lorentz-Kraft FL bezeichnet: FL Q v B v (11) B aus Gl. (11) ist ein Vektorprodukt aus den beiden Vektoren v und B . Die Betragsgleichung sieht dann folgendermaßen aus: FL = Q v B sin (12a) 55 Dabei ist gleich dem Winkel zwischen den beiden Vektoren v und B . Stehen die beiden Vektoren senkrecht aufeinander, so ergibt sich der Betrag der Lorentz-Kraft gemäß Gl. (12b): FL = Q v B (12b) Die Richtung der Lorentz-Kraft (Gl. (11)) ergibt sich aus der "Rechten-Hand-Regel": Weist der Daumen der rechten Hand in Richtung des fließenden Stroms in einem Draht, der Zeigefinger in Richtung der magnetischen Feldlinien, dann zeigt der Mittelfinger die Richtung der Lorentz-Kraft auf eine bewegte Ladung. Wickelt man einen isolierten Leitungsdraht in engen Schraubenwindungen auf einen Zylinder auf, so erhält man eine Spule. Lässt man durch die Spule einen Strom fließen, so baut sich ein Magnetfeld auf. Einer besonderen Bedeutung zur Erzeugung homogener Magnetfelder kommen Helmholtz-Spulen zu. Dabei handelt es sich um zwei gleich große, parallel angeordnete Ringspulen mit dem Radius R, die in gleicher Richtung stromdurchflossen sind. Der Abstand zwischen den beiden Spulen soll ebenfalls R betragen, so dass sich damit ein weitgehend homogenes Magnetfeld aufbaut. Für das Feld im Raum zwischen den beiden Spulen gilt eine Proportionalität zwischen der Magnetfeldstärke B und dem Strom Im, der die Helmholtzspulen durchfließt: B = const1. Im + const2 (13) wobei const2 hier vernachlässigt wird. 5 Bestimmung der spezifischen Ladung des Elektrons Unter der spezifischen Ladung des Elektrons versteht man das Verhältnis aus seiner elektrischen Ladung e0 und seiner Masse me. Der im Praktikum verwendete experimentelle Aufbau zur Bestimmung der spezifischen Ladung des Elektrons ist schematisch in Abb. 5 gezeigt. Durch zwei Helmholtz-Spulen wird ein homogenes Magnetfeld erzeugt. Zwischen den Helmholtz-Spulen befindet sich ein Glaskolben, der mit Gas unter niedrigem Druck gefüllt ist. Innerhalb des Kolbens wird durch eine Glühkathode ein Elektronenstrahl erzeugt und durch die Beschleunigungsspannung Ua auf eine mit einem Loch versehene Anode beschleunigt. Hinter der Anode befindet sich der Elektronenstrahl im Magnetfeld B der Helmholtz-Spulen. 56 Lineal Helmholtz-Spule d oben Glaskolben Elektronenbahn Beschleunigungsspannung Anode Wehnelt Kathode Wehneltspannung FLorentz Heizung e - Fzentrifugal Heizspannung d unten Abb. 5: Versuchsanordnung zur Bestimmung der spezifischen Elektronenladung. Der Elektronenstrahl fliegt senkrecht zum Magnetfeld B . Da die Lorentz-Kraft stets senkrecht zur Bewegungsrichtung der Elektronen steht, werden die Elektronen auf eine Kreisbahn innerhalb des Kolbens gezwungen. Stöße der Elektronen mit den RestgasMolekülen erzeugen Leuchterscheinungen, die den Elektronenstrahl sichtbar machen. Nach den Gesetzen der Mechanik muss bei einer Kreisbewegung der Betrag der nach außen treibenden Zentrifugalkraft und der auf den Kreismittelpunkt gerichteten Lorentzkraft stets gleich groß sein. FF = FLorentz (14) Der Betrag der Zentrifugalkraft ist durch Gl. (15) gegeben: FF mev ² r (15) Für die Beträge gilt nach Gl. (14), wobei die Ladung Q durch die Elementarladung e ersetzt wurde: mev ² r e v B (16) Wichtig ist bei dieser Ableitung, dass die Lorentzkraft nur die Richtung, nicht aber den Betrag der Geschwindigkeit ändert, weil sie stets senkrecht auf ihr steht. Deswegen ist im 1 homogenen B-Feld laut (16) auch die Bahnkrümmung überall gleich. Eine Kurve r 57 konstanter Krümmung ist aber ein Kreis (oder allgemeiner eine Kreisspirale, falls noch eine v -Komponente parallel zu B vorhanden ist). Aus Gl. (16) erhält man nach Umstellung: e me v r B Zur Bestimmung von (17) e müssen nach Gl. (17) die Größen v, r und B bestimmt werden. m Die Geschwindigkeit des Elektrons ist durch die Beschleunigung vor der Anode gegeben. Daher kann Gl. (6) herangezogen werden. Man erhält durch Vergleich von Gl. (7) mit Gl. (17) nach Umstellen: e me 2 U r B2 2 (18) Aufgelöst nach r2 erhält man aus Gl. (18): r² Trägt man r2 über 2 me U e B² (19) U e auf, so erhält man eine Gerade, aus deren Steigung b man 2 B me bestimmen kann: 2 b e me (20) 58 Aufgaben zur Vorbereitung 1. Auf ein Elektron der Geschwindigkeit v = 3 107 m/s wirke ein homogenes magnetisches Feld so, dass sich eine Kreisbahn mit dem Radius R = 0.15m ergibt. Bestimmen Sie die Größe des Magnetfeldes B! 2. Zur Bestimmung von e/me mit dem Fadenstrahlrohr werden die Größen r2 gegen U/(c2 I2) aufgetragen. Dabei wird im späteren Versuch der Radius r der Kreisbahn aus der mit dem Lineal gemessenen oberen und unteren Grenze der Kreisbahn do und du (d o d u ) gemäß r bestimmt. Bestimmen Sie mittels Gauß'scher Fehlerfort2 pflanzung die Fehler der Größen r2 und U C 2 I m2 unter der Annahme, dass alle Werte (U, C, Im, du, do) fehlerbehaftet sind und dass gilt du = do. 3. 4. Geben sie den Literaturwert von e/me an! Bestimmen Sie zur Versuchsvorbereitung den Fehler von K Aufgabe 2. 1 2U a L 2 d für 59 Aufgabe 1: Bestimmung der spezifischen Ladung des Elektrons Bauen Sie die in Abb. 5 angegebene Schaltung auf. Achtung: Bevor die Spannungen angelegt werden, muss der Aufbau vom Assistenten überprüft werden!!! Messen Sie für zwei Anodenspannungen Ua zwischen 150 V und 200 V den Radius R der Kreisbahn der Elektronen im Magnetfeld in Abhängigkeit vom Magnetstrom Im. Variieren Sie dazu Im zwischen Imin (Strom ab dem eine Kreisbahn zu sehen ist) und Imax (Maximalstrom des Netzteils) in 5 geeigneten Schritten. Das Magnetfeld B ergibt sich aus Gl. (13), die Konstante U const. ist am Versuch angegeben. Tragen Sie entsprechend Gl.(19) r² über 2 graphisch auf B As und bestimmen Sie die spezifische Ladung des Elektrons in der Einheit . kg Achten sie darauf, dass die Kreisbahn nicht zu nah an den Glaswänden der Röhre verläuft. Nennen Sie die möglicherweise auftretenden Fehler bei ihrer Messung und schätzen Sie diese ab. Vergleichen Sie ihr Resultat für e/m und diskutieren Sie dies kritisch mit dem Assistenten. Aufgabe 2: Bestimmung der Ablenkempfindlichkeit einer Kathodenstrahlröhre Bauen Sie die in Abb. 2 skizzierte Schaltung auf. Achtung: Bevor die Spannungen angelegt werden, lassen sie den Aufbau vom Assistenten kontrollieren. Stellen Sie die Spannungen so ein, dass ein gut fokussierter Punkt auf dem Schirm zu sehen ist. Anhaltswerte: Heizspannung: UHeiz ~ 6,0 V Spannung an der Hilfsanode: UHilfsanode ~ 11 V Spannung an der Anode: UAnode ~ 15 V Beschleunigungsspannung: UB ~ 260 V Warum sind kommerzielle Röhren (z.B. Fernseher, Monitore) im hinteren Teil häufig durch Blei abgeschirmt? Messen Sie die elektrische Ablenkung x in x-Richtung bei verschiedenen Ablenkspannungen Ux und fester Beschleunigungsspannung. Ihr Assistent wird Ihnen dazu eine transparente Millimetereinteilung geben, auf der Sie die Auslenkung vorsichtig markieren. 60 Tragen Sie graphisch die gemessene Ablenkung x über der Ablenkspannung Ux auf und bestimmen Sie daraus die Ablenkempfindlichkeit K mittels einer linearen Regression. Vergleichen Sie mit dem Wert, der sich aus Gl. (10) ergibt (Werte mit Lineal an der Röhre nachmessen). Diskutieren Sie kritisch (mit dem Assistenten) sich eventuell ergebende Abweichungen. Können systematische Fehler die Ursache sein? Aufgabe 3: Röhre im Oszilloskopbetrieb In diesem Versuch soll die Röhre aus Aufgabe 2 als Oszilloskop betrieben werden. Das heißt, dass auf die x-Ablenkplatten eine Sägezahnspannung angelegt werden muss (Zeitablenkung). Die Sägezahnspannung wird vom Funktionsgenerator (Voltcraft MXG-9802) generiert. Dieser muss auf das Dreieckssignal mit ganz nach rechts verschobener Symmetrie eingestellt werden (beim Assistenten Nachfragen!). Nun soll ein zeitlich veränderliches Signal auf der y-Achse dargestellt werden. Da kein yAblenkplattenpaar vorhanden ist, wird die y-Ablenkung durch ein Magnetfeld realisiert, welches man durch zwei stromdurchflossene Spulen erzeugt. Das darzustellende Signal wird von dem 2. Funktionsgenerator erzeugt. Nutzen Sie die Gelegenheit, um stehende Bilder von Sinus-, Dreiecks- und Rechtecksignalen zu erzeugen. Um stehende Bilder zu erzeugen, muss die Frequenz der Sägezahnspannung an den x-Ablenkplatten geeignet variiert werden. 1.) Überlegen Sie sich, in welcher Anordnung die Magnetspulen aufgebaut werden müssen, um eine y-Ablenkung des Elektronenstrahls zu erreichen (parallel oder senkrecht zu den Ablenkplatten)! 2) Für welche Frequenzverhältnisse der angelegten Wechselspannungen ergibt sich ein stehendes Bild? 3) Wie lässt sich die Anzahl der auf dem Schirm sichtbaren Perioden einstellen? Stellen Sie 1, 2 und 3 Perioden dar! 4) Wie wird auf einem kommerziellen Oszilloskop ein stehendes Bild einer periodischen Spannung bei beliebiger Ablenkgeschwindigkeit des Elektronenstrahls erzwungen? Aufgabe 4: Lissajous-Figuren Benutzen Sie den gleichen Versuchsaufbau wie in Aufgabe 3. Das Oszilloskop soll nun im x-y Betrieb arbeiten. Stellen Sie dazu an beiden Funktionsgeneratoren eine reine SinusSpannung ein. Wählen Sie am Funktionsgenerator für die Spulen eine Frequenz von mindestens 50 Hz. Stellen Sie am 2. Funktionsgenerator (x-Ablenkplatten) ganzzahlige Vielfache der Frequenz des 1. Funktionsgenerators ein (Frequenzverhältnisse 1:1, 1:2, 1:3, 2:3,...). Mit etwas 61 Fingerspitzengefühl und Geduld können die Frequenzverhältnisse ziemlich genau getroffen werden, so dass ein fast stehendes Bild zustande kommt. Skizzieren Sie einige der auf dem Schirm sichtbaren Figuren. Zusammenstellung der verwendeten Formelzeichen Formelzeichen Bedeutung Einheit / Größe a Beschleunigung m s2 B magnetische Flussdichte, "Magnetfeld" Vs m2 d Abstand der Ablenkkondensatorplatten m E Elektrische Feldstärke N C e0 Ladung des Elektrons 1,6022 10–19 C Elektrische Feldkonstante 8,8542.10–12 AsV–1 m–1 FF Betrag der Zentrifugalkraft N FL Betrag der Lorentz-Kraft N Im Stromstärke in den Helmholtzspulen A K Ablenkempfindlichkeit Röhre 0 der V m Braunschen m V l Länge des Ablenkkondensators L Strecke zwischen Ablenkkondensator und m Leuchtschirm m Masse kg me Ruhemasse des Elektrons 9,109390 10-31 kg Q elektrische Ladung C = As r Ortsvektor m R Kreisradius m U Potentialdifferenz, Spannung V m J C 62 Ux Spannung (Potentialdifferenz) des Ablenk- V kondensators v Geschwindigkeit m s v Betrag der Geschwindigkeit m s vx Geschwindigkeitskomponente in x-Richtung m s vz Geschwindigkeitskomponente in z-Richtung m s Ekin kinetische Energie kg m 2 s2 x Ablenkung des Elektronenstrahls m x1 x-Auslenkung des Elektrons im Ablenk- m kondensator x2 x-Auslenkung des Elektronenstrahl hinter m dem Ablenkkondensator J 63 Anhang Abb. 3 zeigt, dass sich die gesamte Ablenkung x auf dem Leuchtschirm zusammensetzt aus einem Anteil x1, der im Ablenkkondensator unter dem Einfluss von Ux auftritt, sowie einem Anteil x2, der durch die geradlinige Bewegung über die Strecke L zwischen dem Ende des Ablenkkondensators und dem Leuchtschirm mit der Geschwindigkeitskomponente vx zustande kommt: x = xl + x2 (21) Zur Bestimmung der Ablenkung werden die Größen xl und x2 aus der Geometrie der Anordnung und den angelegten Spannungen Ua und Ux ermittelt. A1 Bestimmung von x1 Das Elektron tritt mit der Geschwindigkeit vx in den Ablenkkondensator ein. Die zwischen den Ablenkplatten wirkende Kraft Fx ergibt sich aus Gl. (3): Fx e Ux d (22) Fx ist während der Bewegung des Elektrons im Kondensator konstant. Daher liegt eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung in x-Richtung mit der Beschleunigung ax vor, die sich der unbeschleunigten Bewegung mit der Geschwindigkeit vz in z-Richtung überlagert. Die Verhältnisse sind analog denen beim waagerechten Wurf. Das Elektron bewegt sich somit auf einer Parabelbahn, solange es sich im Ablenkkondensator befindet. Nach Newton gilt: Fx = m e a x (23) Die Beschleunigung ax erhält man durch Einsetzen von Gl. (22) in Gl. (23) und Auflösen nach ax: ax e Ux me d (24) Die Auslenkung x1, die das Elektron innerhalb des Kondensators erfährt, ergibt sich bei Wirken der konstanten Kraft Fx (vgl. Gl. (22)) in Analogie zum Gesetz des freien Falls: 64 x1 ax t2 2 e Ux t 2 me d 2 (25) Zur Bestimmung von x1 muss noch die Zeit ermittelt werden, während derer sich das Elektron im Kondensator aufhält. Sie ist durch die Länge l des Kondensators und die während des Flugs durch den Kondensator konstante Geschwindigkeitskomponente vz gegeben: t (26) vz Einsetzen von Gl. (26) in Gl. (25) liefert für x1: x1 1 e Ux 2 2 me d v z2 (27) Durch Einsetzen des Ausdrucks für vz entsprechend Gl. (7) erhält man schließlich: x1 1 Ux 2 4 d U (28) In Gl. (28) wird die Ablenkung des Elektrons im Inneren des Ablenkkondensators x1 ausschließlich aus experimentell zugänglichen Größen abgeleitet. A2 Bestimmung von x2 Zur Bestimmung von x2 ist zunächst die Ermittlung der Geschwindigkeitskomponente vx erforderlich, mit der die Elektronen den Ablenkkondensator verlassen. Da die Beschleunigung ax im Inneren des Ablenkkondensators konstant ist, ergibt sich vx zu: vx = ax t (29) Durch Benutzung von Gl. (23) erhält man daraus: vx Fx t me (30) Aus Gl. (30) folgt zusammen mit Gl. (26) und Gl. (22): vx e Ux me d v z (31) 65 Nachdem die Elektronen im Ablenkkondensator um die in Gl. (28) bestimmte Strecke in x-Richtung ausgelenkt worden sind, fliegen sie mit der in Gl. (31) bestimmten Geschwindigkeitskomponente vx in x-Richtung weiter. Die Geschwindigkeitskomponente vz behalten sie weiterhin bei. Die Bahn der Elektronen ist nach Verlassen des Ablenkkondensators zwar geradlinig, weist aber eine durch vx gegebene Geschwindigkeitskomponente in x-Richtung auf. Befindet sich der Leuchtschirm im Abstand L L vom Ende der Ablenkplatten, so fliegen sie die Zeit t L mit der konstanten vz Geschwindigkeitskomponente vx in x-Richtung und legen daher in x-Richtung die Strecke x2 zurück, die sich wie folgt bestimmt: x2 v x tL L vz vx (32) vx ist durch Gl. (31), vz durch Gl. (7) bestimmt, so dass sich aus Gl. (32), Gl. (31) und Gl. (7) x2 ergibt zu: x2 Ux L d 2U (33) Damit ist die Auslenkung der Elektronen, die sich aus dem Vorhandensein der Geschwindigkeitskomponente vx ergibt, aus rein experimentellen Größen zugänglich. Die Bestimmungsgleichungen für x1 und x2 (Gl. (28) und Gl. (33)) ergeben die Gesamtablenkung x. Zusammen mit Gl. (21) folgt: x 1 e Ux 2m 2 m d 2eU eU x Lm md 2eU (34) Dies ergibt nach Umstellen und Kürzen schließlich den Ausdruck: 1 x Ux 2U L 2 (35) d 1 In Gl. (35) ist der Ausdruck 2U L d 2 eine Konstante, die nur Geräteparameter enthält. Daher lässt sich Gl. (35) auch schreiben als: x = K Ux (36) 66 Dies bedeutet: Die Auslenkung x auf dem Leuchtschirm einer Braunschen Röhre ist der angelegten Ablenkspannung direkt proportional. Die Ablenkung x des Elektronenstrahls und des Bildpunkts ist der Ablenkspannung proportional: x = K Ux. Die Proportionalitätskonstante K wird als Ablenkempfindlichkeit der Braunschen Röhre bezeichnet. Sie ergibt sich aus den in Abb. 2 eingetragenen Größen Ua, d, l, L zu: K 1 2U a L d 2 (37) 67 69 Versuch 6AB: Geometrische Optik Lernziele Brechungsindex, Brechungsgesetz, Fermatsches Prinzip, dünne und dicke Linsen, Abbildungsgleichung, Brechkraft, Hauptebene, chromatische und sphärische Aberration, Lupe, astronomisches Fernrohr, Galilei-Fernrohr, Mikroskop, Auflösungsvermögen des Mikroskops, Einführung in die Strahlenoptik, Grundlagen und Funktion optischer Abbildungssysteme, physikalische Grenzen der Abbildung verursacht durch Wellencharakter der Strahlung. Grundlagen Zweck der geometrischen Optik ist es, den Gang des Lichts in optischen Instrumenten zu berechnen. 1 Reflexion und Brechung des Lichts Der Brechungsindex n eines optisch transparenten (lichtdurchlässigen) Mediums ist definiert als das Verhältnis der Lichtgeschwindigkeit c im Vakuum zur Lichtgeschwindigkeit u im Medium: c u n (1) Trifft ein Lichtstrahl auf die Grenzfläche zweier unterschiedlicher Medien mit unterschiedlichem Brechungsindex n1 und n2 unter dem Winkel bezüglich des Einfallslots, so ergibt sich für das reflektierte Licht aufgrund des Reflexionsgesetzes: = ' (2) 70 Für die Brechung des Lichts gilt entsprechend Abb. 1 das Snellius’sche Brechungsgesetz: sin sin n2 n1 const. bzw. einfallender Strahl n1 sin n2 sin (3) reflektierter Strahl n1 n2 >n1 Einfallslot gebrochener Strahl Abb. 1: Reflexion und Brechung von Licht an einer Grenzfläche. 2 Linsen, schematische Bildkonstruktion mithilfe ausgezeichneter Strahlen Optische Linsen sind lichtdurchlässige Körper aus einer brechenden Substanz, wie z.B. Glas oder Kunststoff, die von gekrümmten Flächen begrenzt werden. Die Flächen können nach außen (konvex) oder innen (konkav) gewölbt sein. Lichtstrahlen, die parallel zur optischen Achse einer konvexen Linse (Sammellinse) einfallen, gehen nach der Brechung durch den Brennpunkt der Linse. Nur der Strahl, der durch die Linsenmitte tritt (Mittelpunktsstrahl), behält seine ursprüngliche Richtung, unabhängig vom Einfallswinkel. Für die konvexe Linse (Sammellinse) gilt daher (vgl. Abb. 2): Parallelstrahlen werden zu Brennstrahlen Brennstrahlen werden zu Parallelstrahlen Mittelpunktsstrahlen bleiben unverändert 71 Hauptebene Parallelstrahlen Brennstrahlen F O Sammellinse Brennpunkt Abb. 2: Strahlengang durch eine Bikonvexlinse (Sammellinse). Der Punkt, in dem sich die Brennstrahlen vereinigen, wird Brennpunkt der Linse (Fokus) F genannt. Die Vereinigung von Brennstrahlen im Brennpunkt wird auch als Fokussierung bezeichnet. In einen Brennpunkt oder Bildpunkt zusammenlaufendes Licht heißt konvergent, auseinanderlaufendes Licht wird dagegen als divergent bezeichnet. Der Abstand des Brennpunkts vom optischen Mittelpunkt O der Linse wird Brennweite f genannt. Die reziproke Brennweite f -1 ist die Brechkraft der Linse. Sie wird in Dioptrien (dp) gemessen. Eine Linse von 1m Brennweite hat eine Brechkraft von einer Dioptrie, also 1dp = 1m-1. In Projektoren werden z.B. Sammellinsen als Kondensor verwendet, wobei die Sammellinse zwischen der Lichtquelle und dem zu projizierenden Gegenstand eingesetzt wird. Damit lässt sich u.a. der ausgenutzte Raumwinkel des Lichts vergrößern. Liegt die Lichtquelle im Brennpunkt der Sammellinse, so können in Verbindung mit einer Streifenblende parallele Lichtbündel erzeugt werden. Ähnlich dieser Anordnung werden im Praktikumsversuch (Aufgabe 2) Strahlenbündel in der Lampe über Spiegel ausgekoppelt (vgl. Abb. 3). Streifenblende Lampe Kondensor H Abb. 3: Optische Anordnung in Projektoren Zylinderlinsen sind Linsen, deren brechende Flächen Teile von Zylinderflächen sind. In Ebenen, die senkrecht auf die Zylinderachse stehen, weisen sie fokussierende Eigenschaften auf, sie fokussieren jedoch nicht in Ebenen, die die Zylinderachse enthalten. Parallelstrahlen werden durch eine Zylinderlinse in eine Linie fokussiert. 72 Aus dem Strahlengang durch eine Linse folgt die Möglichkeit, Gegenstände abzubilden. (vgl. Abb. 4). Das Bild L' eines Punktes L kann man durch drei Strahlen konstruieren. Der Hauptstrahl LO durchsetzt die Linse unverändert. Der achsenparallele Strahl wird an der Hauptebene H gebrochen und geht hinter der Linse durch den Brennpunkt F2. Der Brennstrahl durch GF1 geht hinter der Linse achsenparallel weiter. Alle drei Strahlen schneiden sich im Bildpunkt L', ebenso alle anderen Strahlen, die von L ausgehen. g L G b O F2 F1 B L' H Abb. 4: Konstruktion eines Bildes L´ eines Punktes L. Die Lage des Bildes kann man mit der Linsengleichung (Abbildungsgleichung) berechnen, wobei f die Brennweite (Abstand OF1 bzw. OF2) bedeutet: 1 g 1 b 1 f (4) Die Bildgröße B verhält sich zur Größe G des Gegenstandes wie die Bildweite b zur Gegenstandsweite g: B G b g (5) Ein vergrößertes Bild entsteht, wenn g zwischen der einfachen und der doppelten Brennweite liegt, ein verkleinertes für g > 2 f. Das Bild sehr weit entfernter Objekte (Sternenhimmel) entsteht in der Brennebene. 73 Bezüglich optischer Eigenschaften müssen „dicke“ und „dünne“ Linsen unterschieden werden. Für dicke Linsen gelten besondere Abbildungsgesetze. Die Abb. 5 zeigt die entsprechende Konstruktionsvorschrift. H1 L H2 O2 F1 O1 F2 L' Abb. 5:Konstruktion eines Bildes L´ eines Punkts L für eine dicke Linse. Man führt zwei Hauptebenen H1 und H2 ein. Die Schnittpunkte O1 und O2 sind die Hauptpunkte der Linse. Ihre Abstände von den Brennpunkten F1 bzw. F2 sind gleich der Brennweite. Den achsenparallelen Strahl zieht man bis zur bildseitigen Hauptebene H2 und von dort zum Brennpunkt F2. Den Brennstrahl LF1 zieht man zur gegenstandsseitigen Hauptebene H1 und von dort achsenparallel weiter. Den Hauptstrahl LO1 zieht man weiter nach O2 und von dort parallel zu LO1. Abb. 6 zeigt die Lage der Hauptebenen für eine bikonvexe, eine bikonkave und eine konkavkonvexe Linse. H1 H 2 H1 H2 H1 H2 Abb. 6: Lage der Hauptebenen für eine bikonvexe, bikonkave bzw. konkavkonvexe dicke Linse. 74 2.1 Abbildungsfehler von Linsen Sphärische Linsen erzeugen nur näherungsweise fehlerfreie Abbildungen, in denen jedem Bildpunkt eindeutig ein Gegenstandspunkt zugeordnet ist. Es existieren eine Reihe von Abbildungsfehlern, von denen hier nur die chromatische und sphärische Aberration behandelt werden. Die chromatische Aberration (Farbfehler) ist ein Abbildungsfehler, der aus dem unterschiedlichen Brechungsindex einer Linse für Licht unterschiedlicher Wellenlänge stammt. Die Brennweite ist für blaues Licht kleiner als für rotes. Sendet eine Lichtquelle weißes Licht aus, fängt man ein Bild auf, das von Farbsäumen umgeben ist (vgl. Abb. 7a). Die sphärische Aberration (Öffnungsfehler) rührt daher, dass die Strahlen vom Rand einer Linse stärker gebrochen werden, als es die einfache Bildkonstruktion der Abb. 4 nahe legt. Abb. 7b zeigt den Strahlengang durch eine Sammellinse unter Berücksichtigung der sphärischen Aberration. (a) (b) b2 weiss weiss b1 rot blau f (blau) f (rot) Abb. 7: (a) Chromatische Aberration, 2.2 (b) sphärische Aberration. Systeme aus zwei Linsen Für ein System aus zwei dünnen Linsen lässt sich die Gesamtbrennweite wie folgt bestimmen (für eine detaillierte Herleitung siehe Bergmann-Schäfer Bd. 3): 1 f ges 1 f1 1 f2 a f1 f 2 (5b) Dabei sind f1 und f2 die Brennweiten (Vorzeichen beachten!) und a der Abstand der beiden Linsen. Die Hauptebene eines Linsensystems ist die Ebene, die durch den Schnittpunkt der in das System einfallenden Strahlen mit den entsprechenden ausfallenden Strahlen verläuft. 75 3 Optische Instrumente 3.1 Lupe Die Lupe ist eine Sammellinse, bei der man den Gegenstand zwischen optischen Mittelpunkt O und Brennpunkt bringt. Das austretende Lichtbündel ist dann auf jeden Fall divergent. Es erscheint vielmehr hinter dem Gegenstand G ein aufrechtes, vergrößertes, virtuelles Bild B, das man mit dem Auge betrachtet (vgl. Abb. 8). Das Auge unmittelbar hinter der Lupe sieht das Bild unter dem Sehwinkel . Für kleines gilt: tan = G 1 B =G = f b g 1 1 =G b f 1 b Das „unbewaffnete“ Auge würde den Gegenstand im Abstand der so genannten minimalen G deutlichen Sehweite d = 25cm unter dem Winkel sehen. Entscheidend für das Auge d ist die Vergrößerung des Sehwinkels Vs durch die Lupe: G VS 1 1 f b G d d f d b (6) Nun muss noch festgelegt werden, in welcher Entfernung das entstehende Bild betrachtet werden soll. Bringt man es möglichst nah an das Auge heran, so beträgt der Bildabstand d d = 25 cm und (6) wird zu VS 1. Da es wesentlich angenehmer ist, das Bild mit f entspanntem Auge zu betrachten, rücken wir jedoch G in die Brennebene, d. h. b (entspanntes Auge) und VS verringert sich um 1 auf VS = 25 cm f (6a) B B Auge G G d = 25cm F F' g b Abb. 8: Strahlengang und Bildkonstruktion bei einer Lupe. (Mit: G: Gegenstandsgröße, B: Bildgröße, F und F’: Brennpunkte der Lupe, : Sehwinkel ohne Lupe mit Gegenstand in deutlicher Sehweite d, : Sehwinkel mit der Lupe). 76 Man kann gut erkennen, wie der Sehwinkel des „unbewaffneten“ Auges durch die Lupe zu dem größeren Winkel aufgeweitet wird. Man spricht von der subjektiven Vergrößerung. Warum? 3.2 Mikroskop Der Strahlengang im Mikroskop ist in Abb. 9 dargestellt. Das Mikroskop besteht aus zwei Sammellinsen kleiner Brennweite mit gemeinsamer optischer Achse. Das Objektiv bringt man so nahe an den Gegenstand G heran, dass sein Brennpunkt nur wenig vor ihm liegt. Es entwirft dann ein stark vergrößertes Zwischenbild Z, dessen Abstand vom Objektiv mit z bezeichnet wird. fObjektiv steht für die Brennweite des Objektivs, fOkular für die des Okulars. Den Abstand t der Brennpunkte F1’ und F2 der beiden Linsen nennt man Tubuslänge F1' G t F2 F1 F2' Z Objektiv Okular B Abb. 9: Bildkonstruktion beim Mikroskop. Mit dem Strahlensatz (siehe schraffierte Fläche) folgt: Z G t (10) f Objektiv Da das Okular als das Zwischenbild Z vergrößernde Lupe fungiert, gilt (bei entspanntem Auge): VOkular d (11) fOkular Für die Gesamtvergrößerung VMikroskop des Mikroskops folgt nun: B G VMikroskop VObjektiv VOkular td fObjektiv fOkular (12) Die Vergrößerung kann durch Verlängerung von t und durch Verkleinerung der Brennweiten erhöht werden. Es ist jedoch zwecklos, sie beliebig zu erhöhen, da die Wellennatur des Lichts 77 dem Auflösungsvermögen eine Schranke setzt. Unter dem Auflösungsvermögen A eines zweier Objektpunkte, die optischen Instruments versteht man den Kehrwert des Winkels man gerade noch unterscheiden kann (vgl. Abb. 10): A 1 (13) Ist d der Durchmesser einer Linse, so ergibt sich aus der Wellentheorie des Lichts die Bedingung: d (14) Beim Mikroskop liegt der Gegenstand mit der Ausdehnung x praktisch in der Brennebene x des Objektivs, so dass für den Winkel zu setzen ist. f1 Abb. 10: Auflösungsvermögen optischer Instrumente. Die Punkte P1 und P2 können auf dem Schirm gerade noch aufgelöst werden (weitere Erklärungen s. Text). Für den Abstand zweier gerade noch zu trennender Punkte gilt damit: x f1 d (15) Der Quotient d / f wird auch als numerische Apertur bezeichnet. 3.3 Fernrohr Das Fernrohr vergrößert den Sehwinkel, unter dem ein entferntes Objekt dem Auge erscheint. Es besteht im einfachsten Fall aus zwei Linsen: dem Objektiv (dem betrachteten Objekt zugewandt) und dem Okular (dem Auge (lat. oculus) zugewandt). Das Objekt mit der Brennweite f1 entwirft zunächst ein Zwischenbild Z in seiner Brennebene (siehe Abb. 11), das auf dem Kopf steht. Für das Okular gibt es dann 2 Alternativen: 78 3.3.1 Astronomisches Fernrohr Das Zwischenbild wird mit einer Lupe der Brennweite f2 angeschaut. Fallen beide Brennebenen wie gezeichnet zusammen, so ergibt sich die Vergrößerung V des Sehwinkels zu V tan tan Z f1 f2 Z f1 f2 (16) ist der Sehwinkel des Gegenstandes mit freiem Auge, der Sehwinkel durch das Fernrohr. BN F Z Objektiv f1 f2 Auge Okular Abb. 11: Strahlengang und Bildkonstruktion im astronomischen Fernrohr. Links: Objektiv, rechts: Okular (BN: Bild auf der Netzhaut, Z: Zwischenbild, F1: Brennweite Objektiv, F2: Brennweite Okular, und : Sehwinkel ohne bzw. mit Fernrohr) Zur Konstruktion des Strahlengangs werden die Mittelpunktstrahlen verwendet. Zusätzlich wird beachtet, dass zueinander parallele Strahlen sich in der Brennebene schneiden. Da Strahlengänge immer umkehrbar sind, müssen demnach Strahlen die einem Punkt in der Brennebene entstammen, hinter der Linse zueinander parallel weiter verlaufen. 3.3.2 Galilei Fernrohr Das Okular besteht hier aus einer kurzbrennweitigen Zerstreuungs- statt Sammellinse und ist ebenfalls konfokal mir der langbrennweitigen, ersten Sammellinse aufgebaut, jedoch wegen seiner negativen Brennweite in vertauschter Position. Das reelle Zwischenbild in der Brennebene der ersten Linse kommt also gar nicht mehr zustande, sondern wird schon vorher vom Okular in ein virtuelles Bild im Unendlichen verwandelt. Dabei erhöht sich der Sehwinkel des Objekts ebenfalls um das Verhältnis der Brennweiten f1 / f2 (siehe Abb. 12). 79 f1 f2 Z Objektiv Okular Abb. 12: Strahlengang und Bildkonstruktion beim Galilei-Fernrohr. (Das Zwischenbild Z entstünde aber nur, wenn das Okular nicht vorhanden wäre!) Aufgaben zur Vorbereitung 1. Um welchen Faktor verbessert sich das Auflösungsvermögen eines Mikroskops, wenn man das Objekt mit blauem Licht ( 400 nm) statt mit rotem Licht ( 800 nm) betrachtet? 2. Man berechne die laterale Vergrößerung Vl = 3. Ein kreisförmiges paralleles Strahlenbündel mit einer Fläche von 25 cm2 soll durch eine Anordnung aus zwei Sammellinsen so verkleinert werden, dass die Fläche nur noch 16 cm2 beträgt. Eine zur Verfügung stehende Sammellinse hat eine Brennweite von 20 cm. (a) Welche Brennweite muss die zweite Sammellinse haben? (b) In welchem Abstand müssen die Linsen aufgestellt werden, damit das Lichtbündel parallel bleibt? (c) Wie heißt ein solcher optischer Aufbau? 4. a.) Skizzieren Sie die Abbildung durch eine dünne Streulinse (bikonkav), wobei der Gegenstand außerhalb der Brennweite liegt. B einer Sammellinse als Funktion von g G und skizziere grafisch den Verlauf von Vl gegen g im Bereich (0, ). b.) Welches Vorzeichen hat die Brennweite einer Streulinse und warum? 80 Aufgabe 1: Linseneigenschaften Mit Hilfe der Laser-Ray-Box erhält man wahlweise ein bis fünf parallele Lichtbündel, deren Verlauf sich auf dem Whiteboard verfolgen lässt. Durch einfaches Drücken wählt man die unterschiedlichen Konfigurationen; längeres Drücken schaltet den Laser aus. Markieren Sie den zentralen Lichtstrahl als optische Achse. Kontrollieren Sie unbedingt die Parallelität der Strahlenbündel zur optischen Achse. Haften Sie die entsprechenden Zylinderlinsen so in den Strahlengang, dass der Lichtstrahl auf der optischen Achse unverändert bleibt. Markieren Sie den Strahlenverlauf vor und hinter jeder Linse. a) Nachweis der sphärischen Abberation Betrachten Sie die Strahlenverläufe der drei bikonvexen Linsen unter Nutzung aller fünf Strahlen beziehungsweise der Randstrahlen der Laser-Ray-Box. Skizzieren und bestimmen sie den innersten und äußersten Schnittpunkt mit der optischen Achse wie in Abbildung (7b) dargestellt. b) Bestimmung der Brennweite einer Linse Bestimmen Sie Brennweite einer bikonvexen und bikonkaven Linse. Sie können beide Linsen als dünne Linsen betrachten. Versuchen Sie dabei den Effekt der sphärischen Aberration zu vermeiden. c) Bestimmung der Brennweite eines Linsensystems Bauen Sie verschiedene Linsensysteme aus den beiden Linsen aus Aufgabenteil b) auf. Variieren Sie dabei sowohl die Reihenfolge als auch den Abstand der beiden Linsen Der Abstand der beiden Linsen darf nicht größer als die Brennweiten sein. Bestimmen Sie jeweils eine der Hauptebenen und die Brennweite der verschiedenen Konfigurationen. Blenden Sie dazu wieder die beiden äußersten Strahlen aus. Bestimmen Sie außerdem den Abstand der beiden Hauptebenen für einen Linsenabstand d. Vergleichen Sie die ermittelten Brennweiten mit den theoretischen Werten, die Sie mit Gl. (5b) errechnen. Aufgabe 2: Chromatische Abberation Mit Hilfe einer Halogenlampe, eines Kondensors und einer Streifenblende erhält man nach Abb. 3 parallele Lichtbündel, deren Verlauf sich auf dem Papier des dahinter angeordneten Tisches verfolgen lässt. Kontrollieren Sie unbedingt die Parallelität der Strahlenbündel. Markieren Sie anschließend einen zentralen Lichtstrahl als optische Achse. Stellen Sie die entsprechenden Zylinderlinsen so in den Strahlengang, dass der Lichtstrahl auf der optischen Achse unverändert bleibt. Markieren Sie den Strahlenverlauf vor und hinter der Linse. 81 Man stelle die konkavkonvexe Linse in den Strahlengang, blende alle Strahlen bis auf zwei Randstrahlen aus und setze nacheinander eine Rot- und eine Blaufilterscheibe zwischen Lichtquelle und Kondensor. Aus den Brennweiten frot und fblau ergibt sich die Differenz fchrom. Aufgabe 3: Optische Instrumente a) Mikroskop Die Mikroskope bestehen aus optischen Präzisionsbauteilen, die auf einer Mikrobank befestigt sind. Bestimmen Sie die Vergrößerung eines Modellmikroskops (Gl. 11). Verschieben Sie dazu die Objektivlinse so, dass sie die Objektstrichplatte scharf mit der Okularstrichplatte zur Deckung bringen. Überlegen und kommentieren Sie wie die Strichplatten montiert sind. Messen Sie die Zahl der überlappenden Teilstriche der Maßstäbe, um die Vergrößerung zu bestimmen. Berechnen Sie auch aus den, auf dem Mikroskop stehenden, optischen und geometrischen Daten die Vergrößerung und vergleichen Sie diese mit dem Messwert. Abb. 13: Vergrößerung aus Skalenvergleich b) Fernrohr Die im Praktikum verwendeten sind astronomische Fernrohre. Vergegenwärtigen sie sich den Strahlengang an Haftfolie D unter Zuhilfenahme der Laser-Ray-Box. Ein an der Wand befestigter Maßstab dient im Versuch als Objekt. Bestimmen Sie zuerst die theoretische Vergrößerung des Gerätes mit: V tg tg f1 f2 Sie können mit den drei vorhandenen Linsen insgesamt drei Vergrößerungen realisieren. Setzen Sie dazu eine Linse fest als Okular, und setzen Sie eine mit größerer Brennweite als verschiebbares Objektiv ein. Verschieben Sie das Objektiv bis Sie ein scharfes Bild sehen. 82 Messen Sie jeweils den Abstand der Linsen a, und errechnen Sie daraus die Brennweite des Objektivs mit Hilfe der als bekannt vorausgesetzten Brennweite des Okulars mit der Gleichung a f1 f2 Bestimmen sie anschließend die Vergrößerung, und vergleichen Sie diese mit dem theoretisch berechneten Wert. 83 Zusammenstellung der verwendeten Größen Formelzeichen n Bedeutung Einheit / Größe Brechungsindex - Einfallswinkel zum Lot der brechenden Fläche Grad, rad c Lichtgeschwindigkeit im Vakuum 299792458 m/s u Lichtgeschwindigkeit in einem Medium m s f Brennweite m 1/f Brechkraft Dioptrie (m–1) F Brennpunkt, Fokus - H1, H2 Hauptebenen - O1, O2 optische Mittelpunkte von dicken Linsen - g Gegenstandsweite m b Bildweite m G Gegenstandshöhe m B Bildhöhe m V Vergrößerung - t Tubuslänge im Mikroskop m Z Zwischenbildhöhe m A Auflösungsvermögen 1 Grad Auflösbarer Winkel zweier Objektpunkte Grad, rad 85 Versuch 7A: Beugung und Interferenz am Spalt Lernziele Wellencharakter des Lichts, Zusammenhang zwischen Lichtstrahlen und Lichtwellen, konstruktive und destruktive Interferenz, optische Weglänge, Gangunterschied, HuygensFresnelsches Prinzip, Sekundärwellen, kohärentes und inkohärentes Licht, Beugung am Doppel- und am Einzelspalt, Beugung am Gitter, Beugungsmuster, Lage und Intensität der Minima und Maxima bei Spalt und Gitter, Fraunhofer- und Fresnelbeugung, Prinzip und Funktion des Lasers. Grundlagen 1 Allgemeines Unter der Beugung des Lichts versteht man Abweichungen von der geradlinigen Lichtausbreitung, die durch die Wellennatur des Lichts bedingt sind. Licht dringt durch Beugung auch in Schattenräume ein, in denen nach der geometrischen Optik keine Helligkeit zu erwarten wäre, und erzeugt dort charakteristische Muster, die als Beugungsmuster bezeichnet werden. Beugung tritt dann auf, wenn die freie Ausbreitung des Lichts durch Hindernisse geändert wird. Dies ist besonders dann gut zu beobachten, wenn das Hindernis ungefähr in der Größenordnung der Wellenlänge des Lichts liegt. Beugungseffekte sind von der Wellenlänge des Lichts abhängig, sie lassen sich daher unter anderem ausnutzen, um Spektralapparate zu bauen, mit denen sich Licht verschiedener Wellenlänge in die einzelnen Komponenten zerlegen lässt. 86 2 Licht als Wellenerscheinung 2.1 Wellennatur des Lichts Das Verständnis von Licht als transversale elektromagnetische Welle geht auf Maxwell zurück. Die Welle wird durch die räumlich und zeitlich periodisch veränderlichen Größen der elektrischen Feldstärke E und der magnetischen Feldstärke B und durch ihre Ausbreitungsrichtung beschrieben. Die Größen sind gekoppelt und stehen immer senkrecht aufeinander; aus Konvention bezieht man sich auf die elektrische Feldstärke. Von den Vektoreigenschaften der elektrischen Feldstärke wird im Folgenden kein Gebrauch gemacht, so dass hier die Größe als Skalar verwendet wird. Die Wellengleichung lautet: E E0 cos 2 t T r (1) Hierin ist E die elektrische Feldstärke; E0 ist die maximale Größe von E (Amplitude); t ist die Zeit, r ist die optische Wegstrecke vom Ursprung der Welle, T ist die Periodendauer (zeitlicher Abstand zwischen zwei Amplituden bei festgehaltenem Ort), ist die Wellenlänge (räumlicher Abstand zwischen zwei Amplituden bei festgehaltener Zeit) und ist die Anfangsphase, die die Größe von E für t = 0 und r = 0 festlegt. Sie kann o.B.d.A. zu null gesetzt werden. Die optische Wegstrecke r ist das Produkt aus der geometrischen Wegstrecke und dem Brechungsindex des Mediums, in dem sich die Lichtwelle fortpflanzt. In vielen Fällen kann der Brechungsindex näherungsweise gleich Eins gesetzt werden, so dass r näherungsweise gleich der geometrischen Wegstrecke ist. 2.2 Wellenoptik und Strahlenoptik Abb. 1 zeigt die Momentaufnahme einer Lichtwelle, die sich, von einer punktförmigen Lichtquelle ausgehend, in einer Ebene ausbreitet. Die Abfolge der Wellenberge ist als Folge äquidistanter Kreise dargestellt. Der Abstand zweier aufeinander folgender Kreise entspricht daher der Wellenlänge. Eine solche Verbindung der Punkte mit gleicher Phase (in Abb. 1 der Amplituden) heißt Wellenfläche. 87 In der Strahlenoptik (geometrische Optik) wird die Lichtwellenausbreitung nicht wie in Abb. 1 durch Wellenflächen dargestellt. Man benutzt stattdessen die Normalen der Wellenflächen (senkrecht zu den Wellenflächen stehende Linien) und nennt sie Lichtstrahlen. Sie sind in Abb. 1 eingezeichnet. Die Darstellung von Wellenzügen durch zugeordnete Lichtstrahlen wird zur graphischen Darstellung optischer Phänomene häufig verwendet. Abb. 1: Zusammenhang zwischen Wellenausbreitung des Lichts und Lichtstrahlen. 2.3 Interferenz von Wellen Treffen zwei oder mehr Lichtwellen am gleichen Ort zusammen (vgl. Abb. 2), so gilt dort das Prinzip der ungestörten Überlagerung: Das durch ungestörte Überlagerung zweier Lichtwellenfelder resultierende Wellenfeld EP an einem Ort P wird dadurch erhalten, dass man die einzelnen Felder E1(P) und E2(P) am Ort P addiert: EP = E1(P) + E2(P) Abb. 2: Interferenz zweier Wellen in einem Punkt P. (2) 88 Die beobachtete Helligkeit (Intensität) des Lichts ist nach der elektromagnetischen Lichttheorie proportional dem Zeitmittelwert des Quadrats der elektrischen Feldstärke E : I = k· E 2 (3) Hier ist k eine nicht weiter interessierende Proportionalitätskonstante. Setzt man Gl. (2) in Gl. (3) ein, so erhält man: I k E1 E2 2 (4) Ersetzt man in Gl. (4) die Ausdrücke E1 und E2 jeweils durch Gl. (1), so erhält man nach einigen Umrechnungen für die Intensität am Ort P: I k 2 E10 2 E 20 2 2 E10 E20 cos 2 Dabei wurde die Beziehung E (r , t ) 1 2 r1 r2 2 (5) 1 E0 (r ) verwendet. Die Intensitäten I1 und I2 der Einzelwellen sind gegeben durch: I1 k 2 E10 2 bzw. I2 k 2 E20 2 (6) Damit wird aus Gl. (5): I I1 I2 2 I 1 I 2 cos 2 r1 r2 2 (7) 1 Die Intensität ist nach Gl. (7) im Allgemeinen nicht gleich der Summe der Einzelintensitäten I1 + I2, sondern es taucht noch ein so genanntes Interferenzglied auf, das ortsabhängig die Intensität verstärkt oder abschwächt. Dieses Verhalten, bei dem durch Überlagerung von Wellen ortsabhängige Intensitätsschwankungen auftreten, nennt man Interferenz. Im Folgenden werden zwei Spezialfälle betrachtet. Wenn die Phasenkonstanten der in P zusammentreffenden Wellen und gleich sind, vereinfacht sich Gl. (7) zu: I I1 I2 2 I 1 I 2 cos 2 r1 r2 (8) 89 Der Ausdruck r1 - r2 in Gl. (7) bzw. Gl. (8) ist die Differenz der optischen Weglängen beider Wellen von ihrem Ursprung zum Ort P und wird als Gangunterschied d bezeichnet: d = r1 – r2 (9) Setzt man in Gl. (8) den Gangunterschied d gleich einem ganzzahligen Vielfachen n· (n = 1, 2, 3,…) der Wellenlänge , so ergibt sich: I I1 I I1 I2 I2 2 2 I 1 I 2 cos 2 n bzw. I1 I2 (Pluszeichen beachten!). (10) Dieser Fall wird als konstruktive Interferenz bezeichnet, da der Interferenzterm zu einer zusätzlichen Intensität von 2 I1 I 2 führt. 2n 1 mit n = 0, 1, 2, …, so dass d die 2 Werte 0.5 , 1.5 , 2.5 , … annimmt, dann beträgt die Intensität: Setzt man dagegen den Gangunterschied d gleich I I1 I2 I I1 I2 2 I 1 I 2 cos 2 2 I1 I2 2n 1 2 bzw. (Minuszeichen beachten!). (11) Diesen Fall einer um 2 I1 I 2 verminderten Intensität bezeichnet man als destruktive Interferenz. Sind die Intensitäten I1 und I2 gleich, so ergibt sich eine Auslöschung. 2.4 Huygenssche Prinzip und Interferenz zweier Wellen; idealer Einzel- und Doppelspalt Das Huygenssche Prinzip von Elementarwellen besagt: "Jeder Punkt einer Wellenfläche (Orte gleicher Phase) kann als Ausgangspunkt von Elementarwellen angesehen werden, die sich mit gleicher Geschwindigkeit und Wellenlänge wie die ursprüngliche Welle ausbreiten. Die Elementarwellen sind untereinander interferenzfähig." Elementarwellen werden auch als Kugelwellen oder Sekundärwellen bezeichnet. Abb. 1 zeigt eine solche Kugelwelle. Von einem idealen Einzelspalt würde daher eine Kugelwelle ausgehen (siehe Abb. 3). Dies aber nur korrekt, sofern die Breite dieses idealen Spaltes nicht größer als die halbe Wellenlänge ist. Ansonsten können Teilstrahlen konstruktiv bzw. destruktiv interferieren und es entsteht ein Beugungsbild. Von einem idealen Doppelspalt gingen nach dieser Theorie 90 entsprechend zwei Elementarwellen aus, die sich hinter dem Spalt überlagern. Dies entspricht dem Falle zweier Punktlichtquellen im Abstand der Spaltbreite. Die Theorie der Interferenz zweier Wellen ist somit direkt auf das Verhalten von Licht an diesem idealen Doppelspalt zu übertragen – also unter der Annahme, dass die einzelnen Spalte keine Ausdehnung haben. Das Interferenzmuster eines idealen Doppelspalts ist somit nach Gleichung (7) im Wesentlichen eine Cosinusfunktion. Abb.3 : Darstellung einer Kugelwelle mit eingezeichneter einzelner Lichtwelle 2.5 Kohärentes und inkohärentes Licht Im Allgemeinen beobachtet man in der Optik, dass Intensitäten im Gegensatz zu Gl. (7) additiv sind, d. h. dass keine Interferenz zwischen zwei Lichtwellen, die von verschiedenen Quellen stammen, stattfindet. Dies wird darauf zurückgeführt, dass die Differenz der Phasenkonstanten – der Lichtwellen im Allgemeinen zeitlich nicht konstant ist, sondern während der Beobachtungsdauer beliebige positive oder negative Werte annehmen kann. Deshalb muss in Gl. (7) noch über die Differenz der Phasenkonstanten gemittelt werden, wodurch das Interferenzglied herausfällt und die Gesamtintensität gleich der Summe der Einzelintensitäten wird. In sich interferenzfähiges Licht, das eine definierte Phasenkonstante besitzt, wird als kohärent bezeichnet; Licht, das keine definierte Phasenkonstante besitzt, als inkohärent. Im allgemeinen kann man Interferenzeffekte nur beobachten, wenn das verwendete Licht aus einer Quelle stammt und nachträglich durch eine geeignete Anordnung von Spiegeln in verschiedene Lichtquellen zerlegt wird, weil unter diesen Umständen die beiden Lichtquellen eine definierte Phasenbeziehung haben. Zwei inkohärente Lichtquellen, die nicht aus derselben Quelle stammen, können nicht zu einem zeitlich stationären Interferenzbild führen. 91 3 3.1 Beugung Beobachtung der Beugung am Spalt Beleuchtet man einen engen Spalt (Spaltbreite größenordnungsmäßig 0.1mm) mit parallelem Licht, dann sieht man auf einem Schirm, der hinter dem Spalt aufgestellt ist, ein Muster aus hellen und dunklen Streifen, wie es in der Abb. 4 dargestellt ist. Abb. 4: Beugungsbild von monochromatischem Licht an einem Spalt. Dabei weist der zentrale Streifen die größte Helligkeit auf. Nach der geometrischen Optik würde man jedoch lediglich einen hellen Streifen erwarten, der durch den Durchtritt des parallelen Lichts durch den Spalt zustande kommt. Im Schattenraum hinter dem Spalt erwartet man nach der geometrischen Optik Dunkelheit. Das tatsächlich beobachtete Muster wird als Beugungsbild bezeichnet, das Licht wird am Spalt gebeugt. Beugungseffekte treten nicht nur bei Licht auf, sondern beispielsweise auch bei Schallwellen. Es handelt sich damit um ein allgemeines Charakteristikum von Wellenerscheinungen. Wie bereits diskutiert, erhielte man nach dem Huygensschen Prinzip hinter einem idealen Einzelspalt nur eine einzige Elementarwelle (siehe Abb. 3). Durch die endliche Spaltbreite b, die im Allgemeinen größer ist als die Wellenlänge, treten in der Realität jedoch immer mehrere Elementarwellen auf, die miteinander interferieren können. Das Beugungsbild hinter dem Einzelspalt wird als Resultat der Interferenz von Sekundärwellen gedeutet, die beim Durchtritt des Lichts durch den Beugungsspalt entstehen. Die Ausbreitung der Sekundärwellen kann durch Lichtstrahlen ebenso veranschaulicht werden wie die Ausbreitung gewöhnlicher Lichtwellen. Wie man nun leicht nachvollziehen kann, breitet sich das Licht hinter dem Spalt nicht nur geradlinig in der ursprünglichen Einfallsrichtung senkrecht zum Spalt aus, wie man es aus der geometrischen Optik erwartet. Stattdessen findet zusätzlich eine Ausbreitung in allen Richtungen als Folge der Bildung von Sekundärwellen statt. Die Ausbreitungsrichtung wird durch den Winkel charakterisiert, der sich auf die Normale zur Spaltebene bezieht. Für eine willkürlich ausgewählte Richtung, in der sich das gebeugte Licht unter dem Winkel ausbreitet, sind die entsprechenden Lichtstrahlen in Abb. 5 eingezeichnet. Der maximale Gangunterschied d des unter dem Winkel gebeugten Bündels an einem Spalt der Breite b ergibt sich zu 92 d b sin . (12) Abb. 5: Strahlengang am Einzelspalt Die Stellen höchster Helligkeit bzw. Dunkelheit auf dem Schirm sind nun folgendermaßen zu erklären: Treffen in einem Punkt auf dem Schirm Wellenberge (positive Amplitude) von Sekundärwellen auf gleich viele Wellentäler (negative Amplitude) anderer Sekundärwellen, dann ergibt sich insgesamt eine Auslöschung aller Wellen in diesem Punkt (destruktive Interferenz). In diesem Punkt herrscht dann Dunkelheit. Treffen hingegen Sekundärwellen in einem Punkt auf, deren Phasen nicht durch andere Sekundärwellen kompensiert werden, sondern sich auf Grund gleicher Phasen verstärken, so beobachtet man dort Helligkeit (konstruktive Interferenz). Das Beugungsbild des Einzelspalts - wie in Abb. 4 - kommt nach dem Fraunhoferschen Prinzip erst zustande, wenn parallele Lichtstrahlen in unendlich großem Abstand zum Spalt überlagert werden. In der Praxis genügen zur Überlagerung bei einem Spalt in der Größenordnung von mehreren bis vielen µm bereits einige Meter Abstand zwischen Spalt und Schirm. 3.3 Bestimmung der Beugungsmaxima und -minima Der Gangunterschied d der an einem Punkt auf dem Schirm zusammentreffenden Sekundärwellenzüge bestimmt für welche Richtungen bzw. eine erhöhte Helligkeit beobachtet wird (Abb 6.). auf dem Schirm eine Auslöschung 93 Abb. 6: Beugung von Lichtwellen am Einzelspalt Abb. 7 zeigt Licht, das unter unterschiedlichen Beugungswinkeln den Spalt verlässt. Hierbei wird zur Veranschaulichung der unterschiedlichen Maxima der Strahl je nach Beugungswinkel in mehrere Teilstrahlen aufgeteilt. Es werden im folgenden Beugungswinkel diskutiert, die zu Helligkeit bzw. zu Dunkelheit auf dem Schirm führen. Dazu betrachtet man zuerst repräsentative Lichtwellen am Rand der Teilbündel mit Gangunterschieden von d 0, 3 /2, 2 etc. a) b) c) d) Abb. 7: Hilfskonstruktion zur Erklärung von Beugungsordnungen 94 In Abb. 7a wird die Richtung der Lichtwellen des Bündels nicht durch die Beugung am Spalt verändert; sie verlassen den Spalt unter dem Winkel Gangunterschied zueinander auf d 0. Damit weisen sie keinerlei 0) und verstärken sich maximal durch konstruktive Interferenz. In dieser Richtung liegt daher das Hauptmaximum mit der größten Helligkeit. In Abb. 7b ändert sich die Richtung des Lichtbündels um den Winkel durch Beugung am Spalt. Zum leichteren Verständnis wird das Bündel zuerst in zwei Teilbündel aufgespalten. Diese löschen sich nun gegenseitig aus, wenn die beiden Randstrahlen des gesamten Bündels einen Gangunterschied von - also genau einer Wellenlänge - aufweisen. Dies wird deutlich, wenn man sich in beiden Bündeln die Lichtwellen am oberen Rand betrachtet. Sie haben folglich einen Gangunterschied von /2 und löschen sich durch destruktive Interferenz gegenseitig aus. Zu jeder weiteren Lichtwelle aus dem oberen Bündel existiert im unteren Bündel eine um /2 verschobener. So löschen sich die zwei Bündel komplett gegenseitig aus. Dieses Prinzip lässt sich auf ein Bündel, bei dem der Gangunterschied der Randwellen ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge - also d k· ist, verallgemeinern. Teilt man das Lichtbündel in 2k gleich breite Teilbündel auf, so dass zwei benachbarte Teilbündel jeweils einen Gangunterschied von einer halben Wellenlänge besitzen, löschen sich je zwei Bündel gegenseitig aus (Abb. 7b, d). Daher gilt für Beugungsminima k-ter Ordnung nach Gl. (12): sin k k (k = 1, 2, 3, ...). b (13) Die Laufzahl k in dieser Gleichung entspricht der Ordnung des Intensitätsminimums oder Beugungsminimums. Dabei ist k der Winkel, unter dem das Intensitätsminimum k-ter Ordnung beobachtet wird. Umgekehrt wird man besonders in Richtung derjenigen Winkel Helligkeit erwarten dürfen, für die der Gangunterschied der beiden Randstrahlen ein dreifaches, fünffaches, allgemein ein ungerades Vielfaches (2k 1) einer halben Wellenlänge ist. Dann lässt sich das gesamte 2 Bündel in eine ungerade Anzahl von gleich breiten Teilbündeln zerlegen, von denen sich wie oben jeweils zwei gegenseitig auslöschen, aber immer ein Teilbündel übrig bleibt und Helligkeit liefert (Abb. 7c). Daher sollte für Beugungsmaxima k-ter Ordnung nach Gl. (12) gelten: sin k (2k 1) 2 b (k = 1, 2, 3, ...) (14) 95 Für Gangunterschiede von 0, , 3 /2, 2 , etc. haben sich nun die Spezialfälle der konstruktiven und der destruktiven Interferenz ergeben. Die Bereiche zwischen 0 und , etc. werden durch Interferenz unterschiedlich verstärkt bzw. abgeschwächt, so dass ein kontinuierlicher Übergang zwischen den Helligkeitsmaxima und den –minima zu erkennen ist. Die anschaulich hergeleitete Gl. (14) führt zu Beugungsmaxima für sin k = 1,5 b ; 2,5 b usw. Die genaue experimentelle Bestimmung ergibt die Maxima auf einem Schirm jedoch bei 1,430 b ; 2,459 b ; 3,471 b ; ... . Dies zeigt, dass Gl. (14) nur näherungsweise richtig ist und eine genauere Betrachtung der Fraunhofer’schen Beugungstheorie erforderlich macht. 3.4 Bestimmung der Intensitätsverteilung Um die korrekte Lage der Maxima und die Intensität an jedem beliebigen Punkt auf dem Schirm konkret zu bestimmen, benutzt man die Darstellung der Lichtwellen als Vektor. Die Wellen E1 E 0 cos( t ) und E2 E 0 cos( t ) E 0 cos( t ) (15) werden durch einen Vektor der Länge E0 und mit einem Winkel von bzw. zur x-Achse beschrieben. Abb.8 zeigt die Überlagerung der Wellen durch Vektoraddition. Zur Vereinfachung betrachtet man die Wellen zum Zeitpunkt t 0. Für den resultierenden Vektor aus der Vektoraddition soll gelten: Eres cos( t ) E1 E2 , :neuer Winkel Die Länge dieses resultierenden Vektors Eres ist vom Phasenunterschied zwischen 2 E0 für 0 und 0 für (16) abhängig und liegt (das ist analog zur konstruktiven und destruktiven Interferenz). Sie entspricht der Amplitude der resultierenden Lichtwelle Eres. (Es ergibt sich hier eine Analogie zum Zeigerdiagramm in der Elektrotechnik für die Darstellung des komplexen Widerstandes.) 96 Abb. 8: Überlagerung von Wellen mit Vektoraddition Die Interferenz von Wellen in der Vektordarstellung wird nun auf mehrere Wellen erweitert. Abb.9 zeigt n Wellen, die jeweils eine Phasendifferenz von zur vorhergehenden Welle haben. Somit ist Winkel n die Phasendifferenz zwischen erster und ( n 1 )-ter Welle. Der ist in Abb.9 rechts als Addition der Einzelvektoren dargestellt. Abb. 9: Überlagerung mehrerer Wellen (links anschaulich am Einzelspalt, rechts dargestellt durch Vektoraddition) 97 Wenn n sehr groß wird, nähert sich der Streckenzug aus Vektoren einem Kreisbogen an und mit eingetragenem Radius r einem Kreisausschnitt (Abb.10). Durch geometrische Überlegungen zeigt sich in Abb.10, dass der Winkel des Kreisausschnittes ebenfalls ist. Für das rechtwinklige Dreieck gilt somit die Beziehung E res 2 (17) r sin( ) 2 Mit dem Zusammenhang Emax n 1 E0 r (18) für die Länge des Kreisbogens ergibt sich Eres Emax sin( ) 2 (19) 2 Dabei entspricht die Länge des Kreisbogens Emax gerade der maximalen Intensität bei Abb. 7a. Wie bereits diskutiert tritt diese genau dann auf, wenn alle Wellen bei einer Phasenverschiebung von überlagert werden. Abb. 10: Geometrische Konstruktion von Eres Für die Intensität folgt mit Formel (3) I res I max E res 2 E max 2 sin 2 ( ) 2 ( ) 2 (20) 2 Um die resultierende Intensität in Abhängigkeit zum Beugungswinkel zu erhalten, wird die Phasendifferenz durch den Gangunterschied d dargestellt. Der Gangunterschied beträgt 98 d (21) 2 Mit Formel (12) folgt 2 b sin (22) Die Intensitätsverteilung ist damit sin 2 ( I res I max ( b sin b sin ) (23) ) 2 Man kann sich durch Einsetzen davon überzeugen, dass die Bestimmung der Beugungsminima nach Gl. (13) mit Gl. (23) übereinstimmt, während es bei der Bestimmung der Beugungsmaxima zu Abweichungen kommt (vgl. Aufgabe 3 zur Vorbereitung). Abb. 11 zeigt die Helligkeitsverteilung I bei der Beugung monochromatischen Lichts an einem Spalt entsprechend Gl. (12). Diese Helligkeitsverteilung entspricht derjenigen, die man nach Abb. 4 experimentell beobachtet. sin 2 ( I res I max ( b sin b sin ) )2 [] Abb. 11: Intensitätsverteilung bei der Beugung monochromatischen Lichts am Spalt (b= 0,2 mm). 99 3.5 Beugung am Doppelspalt und am Gitter Im Beugungsbild eines Doppelspalts treffen nun zwei schon besprochene Faktoren zusammen. Zum einen tritt das Interferenzmuster zweier Elementarwellen oder Punktlichtquellen – wie in Kapitel 2.3 für einen idealen Doppelspalt hergeleitet – auch bei einem realen Doppelspalt auf. Aus Gleichung (7) folgt dafür eine Cosinusfunktion. Zum anderen sind beide Spalte ausgedehnt und verhalten sich somit gleichzeitig als Einzelspalt. Das dadurch entstehende Beugungsbild wurde im Vorhergehenden ausführlich besprochen und ist in Abb. 11 dargestellt. Die resultierende Intensitätsverteilung setzt sich also aus einer Cosinusfunktion und dem Beugungsbild des Einzelspalts zusammen und ist in Abb. 12 dargestellt. Dabei tritt das Muster des idealen Doppelspalts als Substruktur auf, die des Einzelspalts als einhüllende Funktion. In der Gleichung für die Intensitätsverteilung ist a der Abstand und b die Breite der beiden Spalte des Doppelspalts. I res I max 2 sin 2 ( ( b sin b sin ) (cos ( 2 a sin ) 1) )2 [] Abb. 12: Intensitätsverteilung bei der Beugung monochromatischen Lichts am Doppelspalt. Dass das Beugungsbild des idealen Doppelspalts feiner ist als das des Einzelspalt, wird durch eine kurze Überlegung deutlich: Gleichung (13) gibt für den Abstand zweier Intensitätsminima für den Einzelspalt sin einzel b 100 an. Diese Gleichung lässt sich durch Ersetzen von b durch a auf den Doppelspalt erweitern, so dass man ebenso die Abstände der Minima für den Doppelspalt erhält. Da immer b < a gilt, folgt sofort: sin einzel > sin doppel So tritt das erste Intensitätsminimum des Doppelspalts schon bei kleineren Winkeln auf als das des Einzelspalts. Bei einem Gitter mit n beleuchteten Spalten setzt sich das Beugungsmuster entsprechend aus der Interferenz von n idealen Punktlichtquellen und wiederum des Beugungsbildes der Einzelspalts zusammen. Dies führt zu der in Abb. 13 dargestellten Intensitätsverteilung, die wie oben durch eine einhüllende Funktion und eine Substruktur erzeugt wird. Die resultierende Intensitätsverteilung wurde nach der nebenstehenden Gleichung erzeugt. Dabei steht g für die Gitterkonstante. sin 2 I res I max b sin b sin sin 2 n g sin 2 g 2 sin sin Abb. 13: Intensitätsverteilung bei der Beugung monochromatischen Lichts am Gitter. 3.6 Im Praktikum verwendete Geräte Im Praktikum wird zur Untersuchung der Beugung am Einzelspalt ein Helium-Neon-Laser als Lichtquelle verwendet. Die Wellenlänge des ausgesendeten Lichts beträgt 632,8 nm, die Lichtleistung beträgt ca. 0,5 mW. Die Lichtstrahlen des Lasers sind praktisch parallel. Die 2 Intensität des Laserlichts ist so hoch (ca. 5 mW/cm ), dass man ein besonders deutliches 101 Beugungsbild erhält. Zur Messung der Lichtintensität wird im Praktikum eine Photodiode verwendet. Dabei handelt es sich um ein Halbleiter-Bauelement, das bei Bestrahlung mit Licht einen Photostrom liefert, der anhand einer Kalibrierungskurve mit der Lichtintensität in Beziehung gesetzt werden kann. Je nach verwendeten Materialien sind Photodioden in unterschiedlichen Wellenlängenbereichen empfindlich. 102 Aufgaben zur Vorbereitung 1. In einem Experiment zur Beugung am Einzelspalt wird ein Beugungsmaximum unter einem Beugungswinkel von 1° gefunden. Der Abstand des Spaltes zum Schirm beträgt genau 3 m. Wie groß ist der Abstand des gefundenen Beugungsmaximums zum Beugungsmaximum 0. Ordnung? 2. Der Abstand des Beugungsmaximums 0.Ordnung und des ersten Beugungsmaximums betrage 13 mm auf einem 3 m vom Spalt entfernten Schirm. Wie groß ist der Winkel des ersten Beugungsmaximums? 3. Zeigen Sie bitte unter Benutzung von Gl. (23), dass bei einem Beugungswinkel sin = 4. b mit die Intensität gleich Null ist (Beugungsminimum 1.Ordnung)! Tragen Sie die Intensität des theoretisch (nach Gl. (23)) ermittelten Beugungsbildes gegen den Beugungswinkel für den Bereich –10 mrad bis +40 mrad auf Millimeterpapier auf (1 mrad entspricht 0,5 cm in der Zeichnung). Aufgrund des großen Unterschieds zwischen Intensitätsmaximum der nullten und ersten Ordnung werden im Diagramm zwei unterschiedliche Skalierungen benutzt. Dazu soll von -10 mrad bis +5 mrad im -Bereich die volle Intensität I0 10 cm auf der y-Achse entsprechen, im Bereich von +5 mrad bis +40 mrad soll I0 / 25 10 cm entsprechen. Die Spaltbreite beträgt 0,19 mm, das Laserlicht hat eine Wellenlänge von 632,8 nm. 103 Versuchsaufbau Achtung! Es wird ein Laser der Gefahrenklasse II verwendet. Nicht in den Strahl blicken! Nicht in Reflexionen blicken, die auf Metallflächen entstehen!!! Über die Einteilung von Lasern in Gefahrenklassen informiert Sie der Assistent. Nacheinander werden ein vertikaler Spalt (Breite 0,12mm), ein Doppelspalt und ein Gitter in den Strahl eines Helium-Neon-Lasers gestellt. Die entstehenden Intensitätsverteilungen der jeweiligen Beugungsmuster werden in etwa 3 m Abstand mit einer verschiebbaren Photodiode abgefahren und in einen Computer eingelesen (vgl. Abb. 11). Die Photodiode befindet sich innerhalb eines Kollimators, mit dessen Hilfe der Einfall von Streulicht auf die Photodiode verringert wird. Es muss auf ein horizontales Beugungsmuster geachtet werden, das von der Photodiode in einem möglichst großen Bereich auf beiden Seiten des Hauptmaximums vermessen werden soll. Abb. 11: Versuchsaufbau zur Beugung am Spalt. 104 Aufgabe 1: Kalibrierung der Photodiode Zur Aufnahme der Kalibrierkurve des Detektors und zur Überprüfung seiner Linearität wird der Strahl im Hauptmaximum (Beugungsmaximum 0.Ordnung) durch Neutralglasfilter in bekannten Abstufungen abgeschwächt: 0,7; 0,5; 0,25; 0,025; 0,01; 5·10-3; 10-3; 5·10-4; 10-4; 5·10-5 Tragen Sie die Lichtintensität als Funktion der Spannungsanzeige des Voltmeters auf. Es sollte sich ein weitgehend linearer Zusammenhang zwischen Lichtintensität und der gemessenen Spannung ergeben. Legen Sie eine Ausgleichsgerade durch Ihre Messwerte. Aufgabe 2: Bestimmung des Beugungsbildes Messen Sie das Beugungsbild für Einzelspalt und entweder Doppelspalt oder Gitter mit Hilfe der Photodiode aus. Dabei wird die Intensität im Hauptmaximum als 100% angenommen. Auswertung: Vergleichen Sie die gemessenen Intensitätsverteilungen untereinander und mit dem nach der Theorie erwarteten Ergebnis (Gl. (13), (14) und (23)). Rechnen Sie mit Hilfe trigonometrischer Zusammenhänge die gemessenen Abstände in den Beugungswinkel um. Dies wird in den Aufgaben 1 und 2 zur Vorbereitung geübt. Tragen Sie in einem Diagramm die relative Intensität (I / I0) gegen den Beugungswinkel auf. Bestimmen Sie aus den gemessenen Kurven die Spaltbreite b bzw. die Gitterkonstante g . Hinweis: Alle Winkel sind im Bogenmaß anzugeben! 105 Zusammenstellung der verwendeten Größen Formelzeichen Bedeutung Einheit b Spaltbreite m (beträgt im Versuch 0,12 mm) a Abstand der Spalte des Doppelspalts M g Gitterkonstante M n Anzahl der beleuchteten Spalte beim Gitter — B magnetische Flussdichte Vs m2 d Gangunterschied M E elektrische Feldstärke N V = C m I Intensität W m2 r optische Wegstrecke M t Zeit S T Periodendauer S Beugungswinkel Grad Phasenkonstante Rad Gesamtphasendifferenz Rad Wellenlänge M