N ATU R Grösster heimischer Wasservogel Höckerschwäne Seit Jahrhunderten erfreuen sich die Menschen am majestätischen Anblick des Höckerschwans. Er ist nicht nur der häufigste und am weitesten verbreitete Schwan, sondern auch der grösste und schwerste flugfähige heimische Wasservogel. Schwäne spielen in vielen Mythen und Märchen eine wichtige Rolle. (rr) Der Höckerschwan war ursprünglich im nördlichen Europa, um das Schwarze Meer und in der Gegend zwischen Kleinasien und Nordchina beheimatet. Bereits im Mittelalter waren die majestätischen Schwäne beliebte Ziervögel, die man in Seen, Teichen und Parkanlagen aussetzte. So siedelte Louis XIV., König von Frankreich und Navarra, besser bekannt als «der Sonnenkönig», Schwäne auf der Seine an, und auch Napoleon erliess Weisungen zu ihrem Schutz. Von den Schlossund Parkweihern breiteten sich die Höckerschwäne dann vor allem im 20. Jahrhundert rasch aus. Grösster heimischer Wasservogel Dem höckerartigen Wulst über dem orangen Schnabel verdanken die Höckerschwäne ihren Namen. Beim Männchen ist der Höcker deutlich ausgeprägter als beim Weibchen, und während der Paarungszeit legt der Höcker noch an Grösse zu. Ansonsten haben beide Geschlechter 58 Juni 2015 das gleiche Aussehen und können höchstens aufgrund der Grösse unterschieden werden. Der Höckerschwan gehört zur Familie der Entenvögel. Vom Schnabel bis zum Schwanzende erreichen Schwäne eine Grösse von 125 bis 160 Zentimetern. Ihre Flügel haben eine Spannweite von rund 240 Zentimetern. Mit einem Gewicht von bis zu 15 Kilo und mehr gehören sie zu den schwersten flugfähigen Vögeln. Um aus dem Wasser zu kommen, ist ein grosser Kraftakt nötig. Über eine Distanz von rund 100 Metern gewinnen sie mit kräftigen Flügelschlägen und gleichzeitigem Laufen über dem Wasser langsam Auftrieb. Sind sie in der Luft, ist eine Art singendes Fluggeräusch zu hören. Es scheint, als gleiten sie schwerelos durch die Lüfte, das Schwingen der Flügel in vollendeter Harmonie. Schwäne sind in der Lage grosse Flugdistanzen zurückzulegen. Sie können ein Alter von 20 Jahren oder mehr erreichen. Symbol für eheliche Treue In vielen Kulturen sind Schwäne ein Symbol für Reinheit und Treue. Etwa im Alter von drei Jahren findet die Partnerwahl statt. Hat sich das Paar gefunden, dauert ihre Verbindung ein Leben lang und NAT UR «Schwanengesang» Als Schwanengesang wird das letzte Werk eines Musikers oder Dichters bezeichnet. Der Ausdruck geht auf einen alten griechischen Volksglauben zurück. Dieser besagt, dass Schwäne vor ihrem Tod noch einmal mit trauriger, jedoch wunderschöner Stimme ein letztes Lied anstimmen. Ein berühmtes Beispiel für diese Namensgebung ist der letzte Liederzyklus von Franz Schubert. Nach seinem Tod veröffentlichte sein Verleger wird erst mit dem Tod eines Partners beendet. Inzwischen weiss man, dass Schwäne zwar lebenslang zusammenbleiben, deshalb aber noch lange nicht treu sind. Paarung und Nachwuchs Die Balzzeit beginnt im März. Dieses Schauspiel ist gut zu beobachten. Männchen und Weibchen schwimmen dann dicht zusammen auf dem Wasser und beginnen ihr eindrückliches Balzspiel. Elegant umschlingen sie ihre Hälse, verbeugen sich voreinander, tauchen oft den Schnabel über den Hals des Partners hinweg ins Wasser und zeigen wunderschöne synchrone Figuren auf dem Wasser. Nach der Paarung wird gemeinsam das Nest gebaut. Verwendet werden unterschiedlichstes Pflanzenmaterial und eigene Daunen. Gebaut wird es in Flachwasserzonen, auf einer gut geschützten Kiesbank oder im Schilfdickicht. Das Weibchen legt fünf bis acht Eier und brütet sie während rund 36 Tagen aus. Das Männchen bleibt in der Brutzeit in unmittelbarer Nähe und verteidigt sein Revier mit Zischlauten und hochgestellten Flügeln. Frisch geschlüpfte Höckerschwäne haben ein silbergraues Gefieder mit einer weissen Unterseite. Als sogenannte Nestflüchter können die Jungen vom ersten Tag an schwimmen und sich auch selber ernähren. Bereits wenige Stunden nach dem Schlüpfen machen sie mit den Altvögeln eine erste Tour auf dem Wasser. Beide Eltern kümmern sich fürsorglich um ihren Nachwuchs. Nach rund 18 Wochen sind die Jungtiere flugfähig. Noch für lange Zeit ist ihr Gefieder graubraun und der Schnabel grau. Bis zur nächsten Balz bleiben die jungen Höckerschwäne im Familienverbund. Ein vollständig weisses Gefieder besitzen die Jungschwäne erst nach der Vollmauser im zweiten Lebensjahr. Höckerschwäne mausern einmal im Jahr ihr Gefieder. Sie sind dann für einige Wochen flugunfähig. 13 Lieder, die Schubert in seinem Todesjahr 1828 nach den Gedichten von Heinrich Heine und Ludwig Rellstab komponiert hatte, als Liederzyklus mit dem Titel «Schwanengesang». Nahrung Höckerschwäne ernähren sich grundsätzlich rein vegetarisch. Zur Nahrungsaufnahme benötigen sie flache und pflanzenreiche Gewässer. Ihre Nahrung finden sie auf dem Seegrund. Dazu stecken die imposanten Wasservögel ihren langen, wendigen Hals bis zu einen Meter tief ins Wasser und reissen mit dem Schnabel die Grünteile, Samen und Rhizome vieler Wasserpflanzen ab. «Gründeln» wird diese Art der Nahrungsaufnahme bezeichnet, zu beobachten ist sie hauptsächlich bei Wasservögeln. Höckerschwäne weiden auch Uferpflanzen und Gras ab. Juni 2015 59