Trends in der Biotechnologie Patente und regenerative Medizin: Licht am Ende des Tunnels? Den Ausschluss von stammzellbasierten Therapien vom Patentschutz überwinden Illustration: © psdesign1 – Fotolia.com In der regenerativen Medizin ruhen große Erwartungen auf stammzellbasierten Therapien. Die Fähigkeit dieser Zellen, sich in unterschiedliche Gewebe zu differenzieren, soll bei der Heilung von schweren Erkrankungen helfen. Weite Bereiche dieser Technologie waren jedoch durch höchstrichterliche Entscheidungen vom Patentschutz ausgeschlossen. Im Lichte neuer Entwicklungen keimt nun die Hoffnung, dass in Zukunft auch diesem technischen Gebiet der Patentschutz wieder offen steht. Von Dr. Andreas Stefferl E rfindungen in jedem Bereich der Technik können patentiert werden, soweit sie nicht aufgrund moralischer Bedenken vom Patentschutz ausgenommen sind. Für viele Jahre lag diese Ausnahme von der Patentierbarkeit im Dornröschenschlaf und hatte kaum eine praktische Bedeutung. Mit einem Schlag wurden moralische Bedenken jedoch hoch relevant, als Patente zum Schutz von menschlichen embryonalen Stammzellen (ES-Zellen) zur Prüfung kamen. Humane ESZellen lassen sich in Kultur vermehren und gezielt in bestimmte Zelltypen ausdifferenzieren. Diese faszinierenden Eigenschaften begründen ihr Potenzial in der regenerativen Medizin: Hat z.B. ein Herzinfarkt einen Teil des Herzmuskels geschädigt, so könnten Stammzellen dabei helfen, das geschädigte Organ zu regenerieren. 58 ls 03-2015 „Biotechnologie“ diese Entscheidung pragmatisch umgesetzt: Erfindungen, die sich auf bereits etablierte ES-Zelllinien stützen, waren nicht ausgeschlossen, da es keiner (erneuten) Zerstörung von Embryonen bedurfte. Der Ausschluss betraf also nur Erfindungen, die vor dem entsprechenden Stichtag, ab dem ES-Zelllinien erhältlich waren, angemeldet worden waren. Bald gab jedoch der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine deutlich strengere Handhabung vor. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich zuvor mit dem Rechtsbestand des sogenannten Brüstle-Patents befasst, welches die therapeutische Ver- Keine Patentfähigkeit bei Zerstörung menschlicher Embryonen Humane ES-Zellen sind jedoch mit einem Manko behaftet: Nur durch Zerstörung eines frühen menschlichen Embryos gelangt man an die sogenannte innere Zellmasse, aus der sich ES Zelllinien gewinnen lassen. Können Patente für einen Gegenstand erteilt werden, der die Zerstörung eines menschlichen Embryos voraussetzt? Diese hoch kontroverse Frage war Gegenstand von mehreren wegweisenden Gerichtsentscheidungen. Zunächst schloss das Europäische Patentamt (EPA) in der Entscheidung G2/06 humane ES-Zellen von der Patentfähigkeit aus und stützte sich in seiner Begründung auf die notwendige Zerstörung eines menschlichen Embryos bei der Herstellung solcher Zellen. In der Prüfungspraxis des EPA wurde ZUM AUTOR Dr. Andreas Stefferl ist deutscher und europäischer Patentanwalt und Partner in der Biotechnologie-Praxisgruppe von Hoffmann · Eitle in München. Er ist promovierter Biologe und berät Mandaten in Verfahren vor dem Europäischen Patentamt und deutschen Gerichten, u.a. bezüglich der iPS-Technologie von Prof. Yamanaka. Trends in der Biotechnologie wendung von humanen ES-Zellen betraf. Da die Entscheidung die Auslegung der Biopatentrichtlinie (98/44/EG) berührte, legte der BGH die Rechtsfrage dem EuGH vor. In der Entscheidung C-34/10 befand der EuGH, dass eine Patentierung von Erfindungen, die die Zerstörung menschlicher Embryonen voraussetzen, nicht infrage kommt, und zwar unabhängig davon, ob eine solche Zerstörung bereits in der Vergangenheit liegt. Mit dieser Entscheidung war die Stichtagsregelung des EPA obsolet, und alle Bereiche der regenerativen Medizin, die humane ES-Zellen voraussetzten, vom Patentschutz ausgeschlossen. d iwade dus. Regenerative Medizin ohne Zerstörung von Embryos Zwei technische Entwicklungen fördern die Wiederbelebung des Patentschutzes in der regenerativen Medizin. Zum einen gelang es Forschern Anfang 2010, humane ES-Zelllinien zu erzeugen, ohne dabei einen Embryo zu zerstören („single blastomere biopsy“). Damit entfällt das zentrale Argument für einen Ausschluss von der Patentfähigkeit: Wo keine Zerstörung eines Embryos erfolgt, greift die Begründung von G2/06 bzw. C-34/10 nicht mehr. In der Praxis hat dies zu einer neuen Stichtagsregelung geführt: Anmeldungen, die nach der Entdeckung der „single blastomere biopsy“ erfolgen, haben wieder eine Chance auf Erteilung. Die zweite technologische Neuerung betrifft die „induzierten pluripotenten Stammzellen“ (iPS Zellen), für deren Entdeckung der japanische Forscher Prof. Yamanaka den Nobelpreis erhielt. Diese Zellen beruhen auf der Reprogrammierung von „normalen“ Gewebezellen und machen damit die Zerstörung von Embryonen ebenfalls obsolet. Erfindungen, die solche Zellen verwenden, können also wieder zur Anmeldung gebracht werden, ohne grundsätzlich vom Patentschutz ausgeschlossen zu sein. Möglicherweise werden im Lichte der neuen Technologien die moralischen Bedenken gegen den Patentschutz von regenerativer Medizin nun wieder in einen Dornröschenschlaf verfallen. Dies wäre zweifellos vorteilhaft für die Weiterentwicklung von stammzellbasierter regenerativer Medizin. Fazit Die Entscheidungen G2/06 und C-34/10, die menschliche embryonale Stammzellen von der Patentierbarkeit ausschließen, verlieren zunehmend an praktischer Bedeutung. Neuere Erfindungen im Bereich der regenerativen Medizin, die auf menschlichen Stammzellen beruhen, bei deren Erzeugung keine Embryonen zerstört werden, können grundsätzlich wieder patentiert werden. ■ 03-2015 „Biotechnologie“ ls 59 IN KLEINEM STECKT OFT GROSSES Wir zünden Ideen und Innovationen aus Düsseldorf Die DIWA GmbH ist die gemeinsame Innovations- und Wissenschaftsagentur der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Landeshauptstadt Düsseldorf. Wir intensivieren Kooperationen zwischen Wissenund Wirtschaft, unterstützen Existenzgründungen aus der Wissenschaft und stärken so den Forschungsund Technologiestandort Düsseldorf. Sprechen Sie uns an: Düsseldorfer Innovations- und Wissenschaftsagentur GmbH Merowingerplatz 1a, 40225 Düsseldorf Telefon: 0211.7792 8200, [email protected]