Weiterlesen

Werbung
Laichverhalten von Cyprichromis sp. „Jumbo Tricolor“ Aufzeichnungen aus dem Tanganjikasee
Heinz H. Büscher
Cyprichromis sp. „Jumbo Tricolor“. Dieses Männchen gehört wie das beim Laichen gefilmte Tier zur Variante mit blauer Schwanzflosse.
Die im Tanganjikasee endemische
Gattung Cyprichromis umfasst derzeit fünf wissenschaftlich beschriebene Arten: C. leptosoma (BOULENGER,
1898), C. microlepidotus (BOULENGER, 1901), C. pavo BÜSCHER, 1994,
C. zonatus TAKAHASHI, HORI & NAKAYA, 2002 und C. coloratus TAKAHASHI
& HORI, 2006. Eine
taxonomisch noch unbearbeitete
Gruppe dieser Gattung wird als Cyprichromis sp. „Jumbo“ (idealerweise mit entsprechendem Fundort)
bezeichnet. Zusammen mit der nahe
verwandten Gattung Paracyprichromis mit den beiden Arten P. nigripinnis (BOULENGER, 1901) und P. brieni
(POLL, 1981) bilden sie die monophyletische Tribus Cyprichromini.
Sämtliche Arten sind wie die meisten
afrikanischen Cichliden materne Maulbrüter, die jedoch zwei unterschiedliche
Laich-Strategien entwickelten. Einerseits findet das Laichen auf einem Substrat statt (meist abfallende Felsflächen
mit unterschiedlicher Neigung; Paracyprichromis spp. und C. pavo), andererseits sind bis auf die erwähnte
Ausnahme sämtliche CyprichromisArten Freilaicher. Dieses Laichverhalten ist bei Cichliden, nach bisherigem
Wissen, einzigartig; es tritt nur innerhalb der Gattung Cyprichromis auf.
Cyprichromis-Arten werden seit Jahrzehnten als Aquarienfische gehalten
und über ihr ungewöhnliches Laichverhalten im Freiwasser wurde mehrmals
DCG-Informationen 47 (12): 281-289
berichtet. Die Abläufe von Eiaufnahme
des Weibchens und Besamung durch
das Männchen werden allerdings je
nach Autor unterschiedlich beschrieben.
Im Tanganjikasee bilden CyprichromisArten teils riesige Ansammlungen aus
gemischten Schulen. Obwohl sie sich
überwiegend in der Nähe von Felsen
aufhalten, kommen sie recht häufig
auch in Höhlen vor. Die Männchen
werden allgemein als nichtterritorial
betrachtet. Das ist nur insofern richtig,
weil weder Nahrungs- noch Laichterritorien an ein Substrat aus Felsen, Sand
oder Pflanzen gebunden sind. Vielmehr
tragen sie ihr dreidimensionales Territorium mit sich herum und bilden so
281
Die Mwuna-Insel gehört zur Inselgruppe vor der Ortschaft Kipili in Tansania.
mit zahlreichen um Weibchen konkurrierenden Artgenossen eine besondere
Form einer Balzarena (Lek). Das für
den
Beobachter
eindrückliche
schwungvolle Imponieren gegenüber
anderen Männchen (oder artfremden)
ist die Antwort auf eine Verletzung
ihres körperbezogenen Territoriums.
Als Dauerfresser von Plankton folgen
sie ihrer Nahrung, deren Standort und
Menge unter anderem von lokalen
Strömungen abhängt, in unterschiedliche Wassertiefen. Nähert man sich als
Taucher im Freiwasser einer Gruppe
weichen die Tiere im Allgemeinen aus.
Sie kehren aber nach einer Störung
nach kurzer Zeit an ihren zuvor eingenommenen Standort zurück.
Stürmisches Balzverhalten
Imponier- und Balzverhalten lassen
sich vor allem wegen der auffälligen
Bewegungsmuster auch aus einer ge-
wissen Entfernung noch recht gut beobachten; Laichverhalten und Einzelheiten von dessen Ablauf sind jedoch
extrem selten zu sehen.
Im August 2015 hatte ich das Glück an
der Mwuna-Insel, einer der Inseln des
Archipels vor Kipili in Tansania, während 40 Minuten ein CyprichromisPaar beim Laichen beobachten und
filmen zu können.
Dabei kam mir vor allem die Topographie der Unterwasserlandschaft mit
ihren großen Felsblöcken entgegen. Einerseits war die Tiefe von 15 Metern
von der Tauchphysiologie her ideal; andererseits bestanden zwischen den Felsen Spalten, in die ich mich mit den
Tauchflossen verankern konnte. Mit
dem Körper war ich trotz der Schmerzen in den eingeklemmten Füßen aber
frei beweglich und konnte mit der Kamera den Aktivitäten der Tiere folgen.
Das Weibchen schwimmt ins engere Territorium des Männchens und wird mit
raschem Umkreisen angebalzt.
282
Im Unterwasser-Bereich dieser mächtigen Felsen konnte ich das Laichen von
Cyprichromis sp. „Jumbo Tricolor“ filmen.
Vor diesen Felsen stand eine große
Gruppe von Cyprichromis sp. „Jumbo
Tricolor“, gemischt mit C. leptosoma
und P. brieni. Ein Weibchen, das deutlich sichtbar bereits Eier im Maul trug
näherte sich einem territorialen blauschwänzigen Männchen in etwa drei
Metern Entfernung von mir.
Das Männchen, das die für die Balzstimmung charakteristische schwarze Kehle
zeigte, begann mit rasantem Umkreisen
des Weibchens. Dorsale, Anale und Ventralen waren weit gespreizt. Trotz des
extrem schnellen Ablaufs im freien Wasserraum hielt es mehr oder weniger die
gleiche Distanz zum Felsen ein. Das
Weibchen reagierte zunächst abweisend
(spröde) mit kurzen Andeutungen von
Fluchtverhalten; es floh aber nicht aus
dem unmittelbaren Territorialbereich des
Männchens. Ins Territorium eindringende Artgenossen wurden vom Männchen ungestüm verjagt.
Bereits beim Einschwimmen in das Territorium des Männchens hatte das
Weibchen Eier im Maul.
DCG-Informationen 47 (12): 281-289
Das Männchen steht schräg über dem Weibchen und führt rasche Schnappbewegungen mit dem Maul aus.
Im Wechsel mit den Umkreisungen
nahm das Männchen eine Position
oberhalb des Weibchens in dessen hinterem Körperbereich ein. Die Längsachse des Männchens bildete mit der
Längsachse des Weibchens meist einen
spitzen Winkel. Dabei waren Dorsale,
Anale und Ventralen zum Körper hin
weitgehend angelegt; nur die hinteren
teils entfalteten Bereiche von Dorsale
und Anale flatterten mit raschen Bewegungen. Zugleich machte das Männchen jeweils ausgehend vom leicht oder
halb geöffneten Maul rasch vorschnellende Bewegungen mit dem Oberkiefer
(Prämaxillare) bis zur vollen Maulöffnung (im Folgenden als Maulschnappen bezeichnet).
Die spätere Auswertung von Einzelbildern ergab für dieses Verhaltenselement eine Frequenz von etwa zehn
Bewegungen pro Sekunde (Hertz). Ein
Bei frontaler Betrachtung ist kurzzeitig das röhrenförmig geöffnete Maul des
Männchens gut sichtbar.
zeitweiliges Fächern mit den Brustflossen hatte eine Frequenz von ungefähr
15 Hertz. Die raschen Bewegungen von
Maul und Brustflossen traten nicht
immer gemeinsam auf; sie schienen
durch ihre unterschiedlichen Frequenzen auch nicht miteinander gekoppelt
zu sein. Kurzzeitig machte auch das
Weibchen ähnlich rasche Kieferbewegungen (Maulschnappen). Die beiden
Balzphasen des Umkreisens mit gespreizten oder angelegten Flossen
wechselten in rascher Folge.
Wenn sich das Männchen mit der seitlich leicht U-förmig abgewinkelten
Ventrale präsentierte, war das Maulschnappen deutlich abgeschwächt. Abwechselnd streckte es dem Weibchen
die rechte oder linke ungefähr halb entfaltete Ventrale entgegen. Mit der gegenüberliegenden Bauchflosse führte
es dabei rasche Wedelbewegungen aus.
Der Kopf des Männchens nähert sich dem Weibchen auf kurze Distanz. Zu
einem direkten Kontakt der Schnauze mit dem Körper des Weibchens kommt
es aber nicht.
DCG-Informationen 47 (12): 281-289
Ablaichen vor meinen Augen
Vom Balzbeginn bis zur ersten Eiabgabe vergingen 13,5 Minuten. Innerhalb dieses Zeitraumes präsentierte das
Männchen 38-mal eine der beiden Ventralen. Die Häufigkeit war auf beide
Flossen deutlich unterschiedlich verteilt; das Verhältnis zwischen rechts
und links betrug 25 zu 13.
Etwa zwei Minuten nach Balzbeginn
näherte sich das Weibchen erstmals
dem Männchen und schnappte mit weit
geöffnetem Maul in Richtung Spitze
der Ventrale. Gelegentlich nahm es
dabei eine leicht gekrümmte Körperhaltung ein. Auf die 38 Präsentationen
reagierte das Weibchen insgesamt nur
siebenmal; interessanterweise ausschließlich auf die rechte Bauchflosse.
Das Schnappen endete viermal einige
Millimeter vor der Flossenspitze; drei-
Das Ei ist weitgehend aus der Genitalpapille ausgetreten. Dieses Bild zeigt
den Moment unmittelbar vor dem Lösen vom Körper und dem Absinken ins
freie Wasser.
283
mal gab es einen kurzen Maulkontakt
mit der Flosse.
Über einen Zeitraum von etwas mehr
als fünf Minuten wurden sechs Eier abgesetzt. Während die ersten fünf Eier
innerhalb von etwa 90 Sekunden freigelassen wurden, dauerte es bis zur Ablage des letzten Eies weitere vier
Minuten. Das Männchen stand bei allen
Eiablagen leicht schräg und teils auch
seitlich etwas versetzt über dem hinteren Körperbereich des Weibchens.
Innehalten (etwa 20 Millisekunden) beschleunigte das Weibchen, um dem Ei
Kopf voran zu folgen. Das zunächst geschlossene Maul wurde erst unmittelbar
vor dem Ei bis zur maximalen Weite
geöffnet.
Keines der Eier wurde eingesaugt, vielmehr geschah die Aufnahme durch das
wesentlich behutsamere Überstülpen
mit dem Maul. Während der Sinkdauer
von 0,46 bis 1 Sekunde bis in Höhe der
Spitze des geöffneten Mauls rotierten
Aufnahme (Maul vollständig geschlossen) dauerte meist zwischen 1,0 und 1,7
Sekunden. Bei einem Ei war dieser Ablauf mit 3,8 Sekunden deutlich verlangsamt. Die Aufnahme des sechsten Eies
wurde zunächst verfehlt. Es befand sich
zwar schon im vorderen Bereich der
Mundhöhle, fiel dann aber wieder heraus und wurde nach kurzer Verzögerung erneut aufgenommen. Trotzdem
dauerte die Eiaufnahme auch hier nur
1,74 Sekunden.
Unmittelbar vor diesem Bild erreichte das Ei die Höhe der Schnauzenspitze.
In diesem Moment beschleunigt das Weibchen und schwimmt dem sinkenden
Ei nach.
Das Maul des Weibchens ist weit geöffnet und überstülpt das sinkende Ei.
Das Ei ist durch die Schwimmbewegung des Weibchens im hinteren Bereich
des Mauls verschwunden. Sofort nach diesem Bild wird das hier noch röhrenförmig gestreckte Maul geschlossen.
Das Männchen spreizt die Bauchflosse seitlich ab. Auf diesem Bild ist der
maximale Winkel der Flossenstellung ersichtlich.
Verhaltensanalyse in Zeitlupe
Gleichzeitig mit dem Ablösen eines
Eies und dessen Absinken begann das
Weibchen mit einer kurzen Rückwärtsbewegung, bis die Schnauzenspitze das
langsam fallende Ei erreichte (Dauer
0,24 bis 0,46 Sekunden). Nach kurzem
284
die leicht ovalen Eier um Längs- oder
Querachse; ihre Aufnahme erfolgte unabhängig von deren Ausrichtung. Von
der ersten Phase der Aufnahme ins Maul
bis zum vollständigen Schließen vergingen weitere 0,2 bis 0,44 Sekunden.
Der gesamte Vorgang vom Beginn des
Austritts eines Eis bis zur vollendeten
Zwischen den Abgaben der Eier drei
bis fünf, die mit jeweils nur sechs Sekunden Abstand freigelassen wurden,
präsentierte das Männchen seine Ventralen nicht. Bei den übrigen Eiern erfolgte das erste Flossenschnappen 12
bis 46 Sekunden nach Aufnahme (gemessen ab Schließen des Mauls). Im
Unterschied zum Zeitraum vor dem
DCG-Informationen 47 (12): 281-289
Laichen (Balzphase) war in der etwa
fünf Minuten dauernden Laichphase
das Verhältnis zwischen rechter und
linker Bauchflosse mit sechs zu vier
praktisch ausgeglichen.
In dieser Phase war der Kontakt des
Mauls mit der Flossenspitze teils flüchtig; ein paarmal wurde auch der äußere
Flossenbereich kurz ins Maul genommen. Während der Präsentation der
einen Ventrale fächelte die zweite mit
einer Frequenz von etwa 15 Hertz in
Richtung der dem Weibchen zugewandten Flosse. Anzeichen von
Sperma, über dessen Sichtbarkeit nach
Ablaichen im Aquarium berichtet
wurde, sah ich weder bei direkter Beobachtung noch auf dem später analysierten Videomaterial. Einen direkten
Kontakt zur Genitalregion des Männchens gab es nie.
Nach Abgabe des letzten Eies umkreiste das Männchen das Weibchen
weiterhin entweder mit gespreizter Rücken- und Afterflosse sowie voll entfalteten Bauchflossen oder stimulierte es
vom Rücken her mit angelegten Flossen und Maulschnappen.
Über die folgenden 16 Minuten präsentierte das Männchen insgesamt 20-mal
eine Ventrale. Wie in der Balzphase vor
dem Laichen wurde wiederum die
rechte Ventrale mit 14-mal deutlich
häufiger präsentiert als die linke (sechs-
Das Weibchen nähert sich der präsentierten, abgewinkelten Bauchflosse des Männchens.
mal). Das Weibchen reagierte darauf
13-mal mit Flossenschnappen (rechts
10, links 3). Während in den ersten
zehn Minuten die Ventralspitze berührt
oder die Flosse teils ins Maul genommen wurde, erfolgte in den letzten
sechs Minuten nur noch eine Intentionsbewegung zur Flosse hin. Am Ende
dieser Periode drangen mehrere Artgenossen in das Territorium des Männchens ein; bei deren heftigem Verjagen
entfernte sich das Weibchen.
Während der 40-minütigen Beobachtungszeit präsentierte das Männchen
68-mal eine Ventrale. Dabei war die
rechte Bauchflosse mit 45-mal deutlich
übervertreten. Ob sich darin eine Indi-
Das Weibchen schwimmt bis auf wenige Zentimeter an die Bauchflosse des Männchens heran. In
dieser Phase ist sein Maul noch geschlossen.
DCG-Informationen 47 (12): 281-289
vidualität des Tieres äußerst, bleibt allerdings spekulativ.
Laichverhalten in der Literatur
Über den Ablauf des Laichverhaltens
von C. leptosoma und C. sp. „Jumbo“
berichteten im Laufe der Jahre mehrere
Autoren. Allerdings gibt es in der Darstellung einzelner Phasen auffällige
Unterschiede.
Erstmals beschreibt STAECK (1977,
1979) das „Laichverhalten von C. leptosoma“ im Aquarium. In den zitierten
Arbeiten wird zwar von C. leptosoma
gesprochen, das Bildmaterial zeigt jedoch (bedingt durch damalige Unsicherheiten in der Zuordnung der Arten)
C. sp. „Jumbo“. Gemäß STAECKs Beschreibung dreht sich das Weibchen
nach Abgabe eines Eies blitzschnell um
und nimmt es während des Absinkens
ins Maul auf. Einzelheiten zum Ablauf
des Besamens werden nicht mitgeteilt.
Auch KRÜGER (1980), dessen Beschreibung sich den Bildern entsprechend
ebenfalls auf C. sp. „Jumbo“ bezieht,
erwähnt das „blitzschnelle Umdrehen“
des Weibchens. Laut seinem Bericht
schwimmt es ein Stück rückwärts, um
das fallende Ei im Freiwasser aufzunehmen. Danach befindet es sich an der
Afterflosse des Männchens, das „ihm
eine Sperma-Wolke vor das Maul
setzt“.
285
EySEL (1982) beschreibt die Laichphasen von C. leptosoma, C. microlepidotus und einem gemischten Paar aus C.
leptosoma und C. microlepidotus, die
praktisch alle identisch verlaufen. Nach
seinen Beobachtungen werden bis zu
25 Eier einzeln abgesetzt; gemäß einer
Bildbeschreibung wird ein Ei „eingesaugt“. Das Sperma sei als kleine weißliche Schliere gut zu erkennen.
HERRMANN (1987) schreibt verallgemeinernd über das Ablaichen von „Cyprichromis-Arten“ (unter Einschluss
von Paracyprichromis; die Gattung
wurde kurz vorher, 1986, von Cyprichromis getrennt). Demnach steht das
Weibchen in einem Winkel von 45
Grad mit dem Kopf nach unten. Nach
Ausstoßen und Absinken des Eies
schwimmt es blitzschnell zurück und
nimmt es unbefruchtet ins Maul. Danach legt sich das Männchen auf die
Seite und präsentiert seine Genitalpapille. Die ausgestoßenen Spermien
seien dann im Wasser sichtbar und würden vom Weibchen mit seinem vorstülpbaren Maul aufgenommen.
FLINDT (1989) erwähnt, dass bei der
Laichabgabe 8 bis 20 Eier in kurzer
Zeit einzeln abgesetzt werden, die während des Absinkens nach Rückwärtsschwimmen des Weibchens aufgenommen werden. Das Weibchen schnappt
nach der seitlich abgeknickten und teils
zusammengefalteten Ventrale des
Männchens in der Nähe des Afters. „In
diesem Moment werden die Spermien
abgegeben“.
SCHNEIDEWIND & BRENNIG (1990) beschreiben die Phasen des Laichverhaltens von C. leptosoma und deuten sie
mit extensivem Bezug auf Aussagen
der allgemeinen Verhaltensforschung.
Nach ihrer Beobachtung ist die Dauer
von Balz und Ablaichvorgang mit etwa
zwei Minuten sehr kurz. Sie erwähnen,
wie vereinzelt auch EySEL (1982), ein
Rückwärtsschwimmen des Weibchens
am sinkenden Ei vorbei vor allem dann,
wenn mehrere Eier auf einmal abgegeben werden. In einer früheren Arbeit
schreiben sie noch, dass das Ei „nach
einer gekonnten Drehung mit dem
Maul aufgefangen wird“ (BRENNIG &
SCHNEIDEWIND 1988). Die Befruchtung
geschieht nach ihrer Meinung durch
Schnappen des Weibchens in Richtung
Ventral-Anal-Gegend zum Zeitpunkt
der Sperma-Abgabe des Männchens.
Sie erwähnen, dass das Weibchen
„während des Ablaichens die Männchen wechseln kann“ ohne anzugeben,
ob es dabei zu Eiablagen kommt oder
lediglich zu Besamungen durch ein
weiteres aktiv aufgesuchtes Männchen
oder zu Sneaking-Verhalten durch
einen Einschleicher.
Bei LUDWIG (2001) dreht sich das
Weibchen von C. leptosoma nach Abgabe eines Eies blitzschnell um und
nimmt es ins Maul.
KONINGS (1999, 2015) beschreibt erstmals Laichen von Cyprichromis im
Freiland. Demnach schwimmen laichbereite Weibchen von C. sp. „Jumbo
Kekese“ in das dreidimensionale Terri-
Erst unmittelbar vor dem Kontakt der Schnauze mit der Bauchflosse öffnet
das Weibchen sein Maul.
286
torium eines Männchens und werden
von ihm angebalzt. Dabei krümmt das
Männchen mit angelegter Dorsale und
Anale seinen Körper vom Weibchen
weg. Die Bauchflossen des vor dem
Weibchen stehenden Männchens vibrieren und sind dem Weibchen zugewandt. Hierauf reagiert das Weibchen
mit mehrmaligem Schnappen zu den
Flossen hin. Dieses Verhaltenselement
des Männchens könnte nach KONINGS’s
Auffassung dem Weibchen signalisieren, „wo es im Wasserraum seine Eier
freisetzen soll“. Da die Farbe der
Bauchflossenspitzen nicht genau der
Eifarbe entspricht, sind nach seiner
Auffassung die Vibrationen Auslöser
für das Schnappen. KONINGS (1999)
spekuliert, dass das Männchen bereits
vor dem Freisetzen der Eier Samen ausstößt; in der neuen Auflage (2015) hält
er das Schnappen nach den vibrierenden Flossenspitzen für einen Stimulus
für die Sperma-Abgabe. Als nächstes
Verhaltenselement stelle sich das
Männchen mit gespreizten Flossen
oberhalb des Weibchens auf und
„stupst es mit voll geöffnetem Maul
leicht auf den Kopf“. Das sei Auslöser
für das Ausstoßen eines Eies (oder
mehrerer Eier). Unmittelbar danach
schwimme das Weibchen rückwärts,
um das Ei (oder die Eier) mit dem Maul
aufzufangen. Bevor das Weibchen weitere Eier freisetzt, schnappt es mehrmals nach der „zitternden“ Ventrale.
Im Folgenden vergleiche ich einige dieser Beobachtungen mit den Ergebnissen meines teils in Zeitlupe
Gelegentlich nimmt das Weibchen das Ende der Bauchflosse in den vorderen
Bereich des Mauls.
DCG-Informationen 47 (12): 281-289
analysierten Videomaterials aus dem
Freiland.
Eine Brut, mehrere Väter
Ein Cyprichromis-Weibchen, das wie
mein gefilmtes Tier mit Eiern im Maul
ein weiteres Männchen zum Laichen
aufsucht wurde bisher nie beobachtet.
Während der intensiven Balz bis zum
Laichbeginn nahm das Weibchen mehrmals durch Schnappen nach einer präsentierten Ventrale Kontakt zum
Männchen auf. Möglicherweise bekommt das Weibchen hierbei durch
Pheromone (Botenstoffe) aus freigesetztem Urin Informationen über Eigenschaften oder Qualität des
Männchens (BARATA et al. 2007). Ich
halte es für unwahrscheinlich, dass zu
diesem Zeitpunkt bereits Sperma abgegeben wird.
Nach dem erneuten Laichen dürfte das
Weibchen demnach ein von (mindestens) zwei Männchen befruchtetes Gelege bebrüten. Solch eine mehrfache
Vaterschaft (engl. multiple paternity)
einer Brut wurde bisher bei einigen
Cichlidenarten aus dem Tanganjikasee
(auch aus dem Malawisee) durch genetische Analysen nachgewiesen. Meist
handelte es sich dabei um Substratbrüter (Lamprologini), deren Gelege teilweise durch parasitierende Männchen
(sogenannte Einschleicher, engl. sneaker) befruchtet wurden (SEFC et al.
2007).
Bei Maulbrütern des Tanganjikasees
wurde Mehrvaterschaft durch zeitlich
gestaffeltes Ablaichen mit mehreren
Männchen bei Ophthalmotilapia ventralis (BOULENGER, 1898), (Freiland)
und Astatotilapia burtoni (GÜNTHER,
1894), (Aquarium) beobachtet und molekulargenetisch bestätigt (HAESLER
2007; HAESLER et al. 2009; EGGER, Uni
Basel, pers. Mitteilung). Andererseits
wurde für O. ventralis auch das Einschleichen nichtterritorialer Männchen
während eines Laichvorgangs beobachtet und eine Befruchtung nachgewiesen
(HAESLER et al. 2009; HAESLER et al.
2011). ANDERSON et al. (2016) bewiesen Mehrvaterschaft bei der Brut von
Am Ende des Laichvorgangs erbrütet das Weibchen ein Gelege, das von zwei Männchen besamt
wurde.
C. coloratus und C. leptosoma. Ihrer
Meinung nach sei eine Mehrvaterschaft
bei Cyprichromis höchstwahrscheinlich
auf Einschleichverhalten zurückzuführen.
Gegenüber Substratbrütern besteht bei
Maulbrütern im Falle einer Mehrvaterschaft (die nicht auf Einschleichen beruht) ein grundsätzlicher Unterschied
darin, dass Weibchen von sich aus mit
ihrem „beweglichen“ Gelege die
Männchen besuchen müssen. Hier lassen sich zwei Strategien unterscheiden.
Einerseits können Weibchen nach dem
Ablaichen ihres gesamten Eivorrates
mit hierbei aufgenommenem Sperma
ein weiteres Männchen für zusätzliche
Besamungen aufsuchen. Die Eier eines
Geleges können somit im Maul nacheinander von verschiedenen Vätern befruchtet werden (HAESLER 2007;
HAESLER et al. 2009; IMMLER & TABORSKy
2009). Ob das von besonderen Eigenschaften der Spermien (oder ihrer Umhüllung) abhängt, und ob das vom
Weibchen beeinflusst werden kann, ist
noch weitgehend unverstanden.
Der zweite Fall, dass ein Weibchen,
wie bei meinen Cyprichromis, seinen
Eivorrat auf zwei Männchen verteilt,
wurde wesentlich seltener beobachtet.
SCHNEIDEWIND & BRENNIG (1990) erwähnen zwar einen Wechsel des Weibchens zu anderen Männchen während
des Laichens; leider geht aus ihrem Be-
DCG-Informationen 47 (12): 281-289
richt aber nicht hervor, ob es dabei zu
Eiabgaben kommt.
Eine Angabe zu Dauer von Balz und
Laichen von C. leptosoma im Aquarium machen FLINDT (1989) und
SCHNEIDEWIND & BRENNIG (1990).
FLINDT spricht von „kurzer Zeit“,
SCHNEIDEWIND & BRENNIG geben „etwa
zwei Minuten“ an. Diese Dauer unterscheidet sich wesentlich von meinen
Beobachtungen über 40 Minuten im
natürlichen Lebensraum. Ob der Zeitverlauf meines Paares arttypisch in der
Natur ist kann ich nicht sagen. Möglicherweise ist die ausgedehnte Synchronisationszeit beider Partner vor Beginn
der Eiabgabe durch ein bereits vorher
erfolgtes Laichen mit einem anderen
Männchen beeinflusst. Ich kann natürlich auch nicht ausschließen, dass zwischen C. leptosoma und meinen C. sp.
„Jumbo Tricolor“ der Ablauf zwar
grundsätzlich gleich ist, sich aber in der
Dauer unterscheidet.
KONINGS (1999, 2015) schreibt, dass
sich das Männchen über dem Weibchen
positioniert und „es mit weit geöffnetem Maul am Kopf stupst“. Auf dem in
beiden Veröffentlichungen identischen
Blitzlichtfoto ist zwar das geöffnete
Maul sichtbar, tatsächlich ist es aber
eine Momentaufnahme des hochfrequenten Maulschnappens ohne physischen Kontakt zum Kopf des
Weibchens.
287
Hier noch einmal ein Bild der Variante mit blauer Schwanzflosse.
Wie läuft das Besamen ab?
Mehrere Autoren beschrieben ein blitzschnelles Umdrehen zwischen Eiabgabe und -aufnahme. Dieses Verhalten
trat bei meiner Beobachtung im Tanganjikasee nicht auf. Hier stellt sich die
Frage, ob dieses Verhalten nicht (auch)
von den räumlichen Verhältnissen
(Höhe?) des Aquariums abhängt.
Zum Vorgang des Besamens gibt es
eine Reihe unterschiedlicher Deutungen. Nach den Beobachtungen von
KRÜGER (1980) befindet sich das Weibchen an der Afterflosse des Männchens,
das „ihm eine Sperma-Wolke vor das
Maul setzt“. Bei HERRMANN (1987) legt
sich das Männchen auf die Seite und
präsentiert die Genitalpapille. SCHNEIDEWIND & BRENNIG (1990) schreiben
vom „Schnappen des Weibchens in
Richtung Ventral-Anal-Gegend“. KONINGS (1989, 2015) spekuliert, dass das
Männchen bereits vor dem Freisetzen
der Eier Samen ausstößt; das Schnappen nach den „zitternden“ Flossenspitzen betrachtet er als einen Stimulus für
die Sperma-Abgabe. Diese „zitternden“
Flossenspitzen gibt es aber nicht; die
abgewinkelte und dem Weibchen zugewandte Ventrale ist vielmehr ausgesprochen ruhig. Sie bewegt sich
allenfalls geringfügig durch die Bewegung des Tieres im Wasserraum. Die
gegenüberliegende Ventrale fächelt dagegen mit einer Frequenz von 12 bis 14
Hertz unter dem Bauch zur abgewinkelten Flosse.
288
An der Mwuna-Insel kommen aber auch Männchen mit gelber Schwanzflosse
vor.
Wegen der Entfernung zum Paar und
der leichten Wassertrübung sah ich
keine Anzeichen von Sperma. Anhand
der Einzelbilder meiner Videoaufnahmen vermute ich jedoch folgenden Ablauf: Da das Weibchen nie Kontakt zur
Genitalregion des Männchens hatte, erfolgt die Besamung zweifellos im Zusammenhang mit der Präsentation der
abgewinkelten Ventrale. Wie aber
kommt das Sperma dorthin? Eine Erklärung ist, dass durch das Fächeln der
gegenüber liegenden Ventrale gleichzeitig abgegebenes Sperma zur abgewinkelten Ventrale gewedelt und beim
Schnappen des Weibchens nach dieser
Flosse in den Mundraum aufgenommen wird. Dort findet dann die Befruchtung der Eier statt.
Obwohl die Auffassung besteht, dass
Spermien im Vergleich zu Eiern wegen
ihrer Kleinheit und der enormen Überzahl leicht zu produzieren sind, gibt es
trotzdem Mechanismen, sie für den
größtmöglichen Erfolg effizient einzusetzen. Von verschiedenen Maulbrütern
ist bekannt, dass Spermien zur Verlängerung ihrer Überlebensdauer in wässriger Umgebung in eine Matrix aus
Mucus eingelagert werden (GRIER &
FISHELSON 1995). Als Nebeneffekt ist
dadurch auch eine gewisse Formstabilität des Ejakulates gewährleistet. Das
erleichtert je nach Laichverlauf einer
Art die Aufnahme durch das Weibchen
und macht es sogar wie bei dem auf
Leks laichenden O. ventralis unabhängig von einem direkten Kontakt zum
Männchen (HAESLER 2007).
Für einen biologisch sinnvollen sparsamen Einsatz vermute ich, dass auch bei
Cyprichromis, ebenfalls einem Arenabalzer, die Spermien nicht einfach formlos ins freie Wasser abgegeben werden.
Wegen der Turbulenzen im offenen
Wasserraum und der nicht-substratgebundenen Abgabe der Spermien würde
auch hier eine „Spermien-Verpackung“
zur Verminderung von Verlusten und
einer Erhöhung ihrer Konzentration
nahe liegen. Dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass Cyprichromis-Weibchen ja keinen direkten Kontakt zur
Genitalregion des Männchens haben
und die Besamung über den Umweg
einer abgespreizten Flosse stattfindet.
Maulbrütende Cyprichromis-Weibchen
schließen sich zu Gruppen zusammen,
die mehrere Hundert Individuen umfassen können. Offensichtlich besteht eine
Synchronisation der Laichzeit (TAKAHASHI & HORI 2006). Vor allem in den
späteren Phasen des Brütens ist bei Unterwasserbeobachtungen eine nahezu
einheitliche Größe der Jungtiere im
Maul der Weibchen zu sehen.
Während die Synchronisierung meist
aus dem einheitlichen Entwicklungsstand der Bruten abgeleitet wird, zeigte
WATANABE (2000) bei C. leptosoma
über vier Mondphasen, dass das Ablaichen stets am Tag des ersten Viertels erfolgt. Meine Beobachtungen können
das nicht bestätigen; die Tiere laichten
spätnachmittags am 18.8.2015 bereits
vier Tage vor Beginn des ersten Tages
der Mondphase.
DCG-Informationen 47 (12): 281-289
Herunterladen