Herausforderungen und Lösungsansätze zur Mobilisierung personeller und finanzieller Ressourcen für Umwelt- und Naturschutzverbände Prof. Dr. Rolf Kreibich Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung Fachtagung „Umweltengagement im Aufbruch – Mit Erfahrung und neuen Impulsen in die Zukunft“ IZT BMU UBA 4. März 2005 Umweltforum Berlin Umweltengagement im Aufbruch Folie 1 Kernprobleme des Globalen Wandels in der Biosphäre • • • • • • • • • • • • • Klimawandel Verlust biologischer Vielfalt Bodendegradation Süßwasserverknappung und –verschmutzung Verschmutzung der Weltmeere in der Anthroposphäre Bevölkerungsentwicklung und grenzüberschreitende Migration Gesundheitsgefährdung Demografischer Wandel Globalisierung von Wirtschaft, Handel und Beschäftigung Wachsende soziale Entwicklungsdisparitäten (global und national) Ausbreitung nicht-nachhaltiger Lebensstile Erhöhung der Mobilität und der Personen- und Güterströme Verringerung der Lebensqualität (nach UN- und Weltbank-Indizes) Umweltengagement im Aufbruch Folie 2 Süßwasserverknappung und -verschmutzung Millenniumsbericht der UN: Zentrales Problem des 21. Jahrhunderts 2,4 Milliarden Menschen haben kein sauberes Trinkwasser (vor allem in Asien, Afrika und Lateinamerika) Umweltengagement im Aufbruch Folie 3 Klimawandel Ergebnisse der Klimakonferenz in Peking, Oktober 2004 1 Grad Erwärmung: Ökosysteme in Afrika, Australien und Regenwald Amazoniens stark gefährdet 2 bis 2,5 Grad Erwärmung: Landwirtschaft in Südasien wird weitgehend zerstört. Polare Ozeane (7% des Wassers der Weltmeere) schmelzen in 100 Jahren vollständig 3 Grad Erwärmung: Anstieg der Meeresspiegel global 3 – 5 Meter Allgemein – weltweit: Extreme Wetterwechsel; Anstieg der Wind-, Hurrikan – und Flutkatastrophen Quelle: FTD 2.11.2004 Umweltengagement im Aufbruch Folie 4 PERSONEN- UND GÜTERSTRÖME Auf 1000 Menschen kommen in: • Deutschland 560 • USA insgesamt 780 Kalifornien 1.130 • China 9 • Indien 7 Pkw Pkw Pkw Pkw Pkw 81 282 Mio Einwohner Mio Einwohner 1.300 1.100 Mio Einwohner Mio Einwohner Umweltengagement im Aufbruch Folie 5 Mobilität/Verkehr Gründe für die Zunahme des Verkehrs: Global • Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen / Welthandelsorganisation (WTO) (GATT = General Agreement on Tarifs and Trade/World Trade Organization) Zölle bis 2010 von 35% 5% • Entwicklung des Welthandels Wachstumsraten: 1997 - 2002: 6% 2002 - 2010: ≅ 5 bis 6% Verdopplung nach 13 Jahren, also bis 2015 • Globalisierung von Wirtschaft, Handel, Beschäftigung und Politik Umweltengagement im Aufbruch Folie 6 Mobilität/Verkehr Zuwachs von Verkehrsleistungen bis 2020 Prognosen für Deutschland (Basisjahr 2000) • • STRASSENVERKEHR - Personenverkehr (PV) 10 bis 20% - Güterverkehr (GV) 60 bis 90% LUFTVERKEHR 100 bis 110% Umweltengagement im Aufbruch Folie 7 Verkehr Negative Folgen von Verkehr/Erzeugung externer Kosten • Rohstoffverbrauch • Energieverbrauch • Schadstoffemissionen • Lärmemissionen • Flächenverbrauch • Zerschneidung von Landschaften • Versiegelung von Flächen • Gesundheitsschäden • Unfälle/Unfallfolgen • Staukosten • Verlust an städtischer Urbanität • Abfälle • Umweltbelastungen (Ökosysteme, Luft, Wasser, Boden) Umweltengagement im Aufbruch Folie 8 Verkehr Entwicklung des Pkw- und Kombikraftwagenbestandes (nach sechs Höchstgeschwindigkeitsklassen) Umweltengagement im Aufbruch Folie 9 Verkehr Neue Autos 2003 Mercedes-Benz SLR McLaren 629 PS 334 km/h Mercedes-Benz CLS-Coupé 195 kW 250 km/h 485 PS 250 km/h € 400.000 € 1,5 Mio. Maybach € 345.000 6,4 sec Bugatti (VW) Veyron 1001 PS 403 km/h VW Phaeton V12 420 PS 250 km/h VW ConceptR 260 PS Audi Le Mans 449 PS 345 km/h Lamborghini (Audi) Gallardo 500 PS 320 km/h Porsche Carrera GT 612 PS Maserati Quattroporte 400 PS € 115.000 Rolls-Royce (BMW) Phantom 512 PS € 375.000 4,4 sec 5,2 sec Umweltengagement im Aufbruch 4,3 sec € 175.000 Folie 10 Mobilität / Verkehr 1645 Autofahrer wurden gefragt, was ihnen beim Autokauf besonders wichtig ist 95 Zuverlässigkeit Kraftstoffverbrauch 92 89 Sicherheitsausstattung Unmweltverträglichkeit 83 saubere Abgase 80 Anschaffungspreis 63 Ausstattung 61 58 Aussehen/ Design Fahrspaß 51 Wiederverkaufswert Motorleistung Automarke 46 43 42 Angaben in Prozent Umweltengagement im Aufbruch Quelle: Forsa, im Auftrag des BMU Folie 11 Soziale Disparitäten Jahresbericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vom Dezember 2004 50% aller Beschäftigten in der Welt leben unterhalb der UNArmutsgrenze von 1,50 € pro Tag 550 Mio Arbeitnehmer leben mit weniger als 1$ pro Tag 186 Mio arbeitsbereite Menschen waren 2003 arbeitslos Umweltengagement im Aufbruch Folie 12 Leitziele für eine nachhaltige Entwicklung y y y y y y y y Niedrige Stoff- und Energieströme und Wertstoffrückführung Geringstmögliche Schadstoffströme und Schadstoffrisiken Nutzung regenerativer Energien und Rohstoffe Vermeidung von irreversiblen und quasi irreversiblen Folgen durch Produktion und Konsumtion Vermeidung technischer Großrisiken Förderung einer umwelt- und sozialverträglichen Mobilität Erhaltung intakter und Wiederherstellung geschädigter Naturräume Verminderung ökonomischer und sozialer Disparitäten als Quellen von Gewalt (global, national, regional) Umweltengagement im Aufbruch Folie 13 Nachhaltige Entwicklung LEITPERSPEKTIVEN • Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und der Biosphäre; Schonung der Naturressourcen • Förderung von wirtschaftlicher Entwicklung und Beschäftigung • Sicherung von sozialer Gerechtigkeit und Chancengleichheit • Erhaltung und Förderung einer differenzierten Kultur (global, national, regional) Umweltengagement im Aufbruch Folie 14 Nachhaltige Entwicklung STRATEGIEN DER NACHHALTIGKEIT 1. Effizienzstrategie 2. Konsistenzstrategie 3. Suffizienzstrategie 4. Selbstorganisation/Selbstverantwortung Umweltengagement im Aufbruch Folie 15 Zukunft der Arbeit Zukunftsträchtige Arbeitsfelder/Zukunftstechnologien I • Kreislaufwirtschaft in Produktion und Distribution: Produktkreisläufe, Material- und Wasserkreisläufe, Wieder- und Weiterverwertung, Hilfsstoffkreisläufe, neue Logistik-Systeme • Energieeffizienz-Systeme und regenerative Energien: Energieeffizienz in Produktion, Verkehr, Wohn-, Gewerbe- und Bürobauten, Infrastruktur, Fahrzeugbau; Nutzung regenerativer Energien in allen Verbrauchssektoren; Energiespeichertechniken für Wärme und Strom • Innovatives, ökologisches und solares Bauen: Baukonstruktion, Bauorganisation, Baustoffe, Infrastruktur, Umfeldgestaltung, Energie- und Materialeffizienz, solare und ökologische Systemlösungen Umweltengagement im Aufbruch Folie 16 Zukunft der Arbeit Zukunftsträchtige Arbeitsfelder/Zukunftstechnologien II • Logistik – Neue Logistik-Systeme und Telematik: Produktions-, Organisations-, Marketing-, Verteil- und Verkehrslogistik • Miniaturisierung und Digitalisierung in Produktion und Alltag (Pervasive Computing): Mikro- und Nanotechnik, Mikrocomputerisierung, Steuer- und Regelungstechnik, Smart-home-Technik, Diagnostik- und Therapie durch Miniaturisierung in der Medizintechnik • Ökoeffiziente Mobilität: 2-Liter-Auto; 5-Liter-Fahrzeugflotte; Fahrradfreundliche Städte und Gemeinden (Münster, Erlangen, Detmold); ÖPNV-Ausbau (Freiburg, Karlsruhe, Zürich); Schnittstellen zwischen den Verkehrssystemen; Brennstoffzellen; Güter auf die Schiene Umweltengagement im Aufbruch Folie 17 Entwicklung der lokalen Agenda 21: international Untersuchung durch ICLEI (International Council of Local Environment Initiatives) und UN-Secretariat for the World Summit on Sustainable Development (Nov. 2000 bis Dez. 2001) • • • • • • 6.414 formelle Lokale Agenda 21-Prozesse in 113 Ländern 18 Länder führen nationale Agenda 21-Kampagnen durch 73% der Kommunen mit LA 21-Prozessen arbeiten mit StakeholderGruppen 59% der LA 21-Prozesse sind in das kommunale System integriert Wasser-Management ist das wichtigste Problem Schlüsselprobleme für den Erfolg sind in allen Regionen: finanzielle Unterstützung und verläßliche politische Rahmenbedingungen Quelle: Local Agenda 21 Survey Report 2002 Umweltengagement im Aufbruch Folie 18 Entwicklung der lokalen Agenda 21: national Agenda-Transferstelle (Bonn): Bundesweite Servicestelle Lokale Agenda 21 Stand: Juli 2004 2.471 (19%) der Kommunen in Deutschland haben einen formellen Beschluß zur Agendaarbeit und Durchführung eines Agendaprozesses gefaßt Umweltengagement im Aufbruch Folie 19 Bekanntheit der Lokalen Agenda 21 90 nein 82 84 Ost West Gesamt 10 ja 18 16 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Angaben in Prozent Frage: Haben Sie schon einmal davon gehört, dass es in Ihrer Stadt/ in Ihrer Gemeinde eine so genannte Lokale Agenda 21-Initiative gibt? Quelle: BMU, Umweltbewußtsein in Deutschland 2004 Umweltengagement im Aufbruch Folie 20 Bekanntheit des Leitbilds Nachhaltige Entwicklung (Zeitreihe) 2004 2002 2000 1998 Angaben in % Ges. West Ost Ges. West Ost Ges. West Ost Ges. West Ost Ja, schon davon gehört 22 24 12 28 29 23 13 14 10 15 15 11 Nein, noch nichts davon gehört 60 58 69 57 56 61 63 62 68 72 72 76 Weiß nicht 18 18 19 15 15 16 24 24 22 13 13 13 Frage: Als Leitbild für den Umweltschutz taucht gelegentlich der Begriff der Nachhaltigen Entwicklung auf. Haben Sie von dem Begriff der Nachhaltigen Entwicklung schon gehört oder haben Sie davon noch nichts gehört? Quelle: BMU, Umweltbewußtsein in Deutschland 2004 Umweltengagement im Aufbruch Folie 21 Die wichtigsten Probleme in Deutschland Erhebung 2004 (in Klammern: Rang Ost-West) Die Top Ten der häufigsten Nennungen in % 1. Arbeitsmarkt Gesamt West 55 53 (1) 64 (1) 2. Wirtschaftliche Lage 20 22 (2) 16 (3) 3.* Umweltschutz 18 19 (3) 15 (4) 3.* Soziale Aspekte/Gerechtigkeit 18 18 (4) 20 (2) 5. Rentenpolitik 12 13 (5) 10 (5*) 6. 8 8 (6) 10 (5*) 7. Vertrauensverlust in Politik 7 7 (7) 7 (7) 8. Ausländer, Asylanten 5 5 (8) 4 (9) 9. Kriminalität 5 4 (9) 6 (8) 10. Verkehr 4 4 (10) 3 (10) Gesundheitspolitik/ -reform Ost •Geteilter Rangplatz auf Grund gleicher Anzahl der Nennungen.Frage: Was, glauben Sie, ist das wichtigste Problem, dem sich unser Land heute gegenübersieht? (Offene Frage mit max. zwei möglichen Nennungen) Quelle: UBA 2004 – Studie Umweltbewusstsein in Deutschland 2004 Umweltengagement im Aufbruch Folie 22 Umweltschutz als eines der wichtigsten Probleme 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1988 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2002 Quelle: 1988-1999 Emnid; 2000-2004 UBA Umweltengagement im Aufbruch Folie 23 2004 Bereitschaft zum Engagement im Umwelt- und Naturschutz 68 Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. 63 63 29 Ja, das kann ich mir vorstellen. 33 33 3 Mache ich bereits. Ost West Gesamt 4 4 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% Frage: Können Sie sich vorstellen, sich aktiv für den Umwelt- und Naturschutz zu engagieren, z.B. als ehrenamtlich Tätige(r) in einer Umwelt- oder Naturschutzgruppe oder auch durch Beteiligung an einzelnen Aktivitäten und Projekten? Quelle: UBA 2004 Umweltengagement im Aufbruch Folie 24 80% Handlungsempfehlungen für Umweltorganisationen I + Stärkere spezifische Mobilisierung und Förderung des ehrenamtlichen Engagements insbesondere: Jüngere (bis 30) und Ältere (über 50) + Tendenz: weg von staatlicher Förderung – hin zu Selbstorganisation und alternativen Finanzierungsinstrumenten + Stärkere Konzentration der Organisationsarbeit auf Mitgliederwerbung und Mitarbeitsförderung: Auf Motivation potentiell Interessierter eingehen: gesellschaftliches Engagement, soziale Kontakte, Erfüllung in der Mitarbeit, Bildung und Qualifikation, Spaß und Vergnügen, Lebensqualität, Gesundheit etc. +Entwicklung einer Anerkennungskultur für Haupt- und Ehrenamtliche +Bildung und Ausbildung fördern; Einbindung in das UN-Programm für Nachhaltige Entwicklung Umweltengagement im Aufbruch Folie 25 Handlungsempfehlungen für Umweltorganisationen II + Stärkere Einbindung in das BBE „Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement“ + Schließen der Lücke zwischen großer potentieller Bereitschaft zum Umweltengagement und tatsächlicher Mitarbeit in Verbänden + Zusammenarbeit mit Unternehmen verstärken + Ehrenamtliches Engagement muß von Unternehmen stärker anerkannt werden + Schaffung von Stellen für Freiwilligenkoordination auf allen Ebenen + Aufbau eines gemeinsamen, für alle Umweltorganisationen nutzbares Internet-Portal (DNR) + Stärkere Professionalisierung der Freiwilligen-Agenturen Umweltengagement im Aufbruch Folie 26 Man kann die Zukunft nicht vorhersagen. Man kann allerdings das vorhandene Wissen nutzen, um Zukünfte zu erfassen (mögliche, wahrscheinliche, wünschbare) und in einem partizipativ-demokratischen Prozeß gemeinsam darauf hinarbeiten, daß Katastrophen verhütet und das Beste realisiert wird. Hierzu gehört vor allem auch die Entwicklung von realen Visionen, um das kreative Potential, die Innovationskraft und die Motivation der vielen Menschen zu nutzen, um das Beste zu gestalten. Umweltengagement im Aufbruch Folie 27