ORGANISCHE PV MADE IN GERMANY DER DEUTSCHE PAVILLON AUF DER EXPO 2015 IN MAILAND: NACHHALTIGE FLURLANDSCHAFT UND ORGANISCHE PHOTOVOLTAIK Copyright: Schmidhuber, Milla & Partner EXPO-Pavillon präsentiert Potentiale der OPV-Technologie Bild 1: Seitenansicht Deutscher Pavillon: Oberdeck, Solar Trees und Membrandächer F eeding the Planet, Energy for Life“ lautet das Thema der EXPO 2015, die von Mai bis Oktober 2015 in Mailand stattfindet. Unter dem Motto „Fields of Ideas“ präsentiert sich Deutschland dort als modern interpretierte, lebendige „Flurlandschaft“, voller Ideen für die nachhaltige Ernährung und Energieproduktion Heute und in der Zukunft. Das zentrale Gestaltungselement des Pavillons sind stilisierte Pflanzen, die als „Ideen-Keimlinge“ aus dem Gebäude auf die offene Oberflächenlandschaft empor wachsen und sich zum futuristischen Schatten- und Energie spendenden Blätterdach entfalten. Die organisch fließende Formensprache der Architektur, der wirtschaftliche Umgang mit Raum und Materialien, sowie die schlanke und vor allem intelligent verwendete Technologie, fließen als architektonischkonstruktives Gesamtkonzept ganzheitlich zusammen und bilden auch inhaltlich eine Einheit mit der im Erdgeschoss des Pavillons gezeigten Ausstellung und Show. Bessere Integration der OPV in das architektonische Konzept Organische Photovoltaik (OPV) eignet sich bereits heute für funktional-ästhetische Anwendungen an Gebäude- oder Skulpturenflächen, die bisher nicht aktiv 44 2|2015 April-Mai genutzt werden. Die Produktion sauberer Energie erzeugt Mehrwert, der sich – genau betrachtet – bereits heute wirtschaftlich rechnen kann. Mit der in Italien präsentierten neuen Möglichkeit der Integration der Zellen in die Formensprache der Architektur erweitern sich die Vorteile der OPV im Vergleich mit klassischen PV-Modulen auch in gestalterischer Hinsicht: OPV kann auf Flächen und geometrischen Strukturen verbaut werden, die bisher nicht aktiv genutzt werden. Die Oberflächen sind wetterbeständig und nicht hitze- oder kälteempfindlich. Die Installationen neigen nicht zu Kurzschlüssen. Die Energieproduktion ist bei Dämmerlicht oder schlechtem Wetter höher als bei Dünnschicht- oder Siliziummodulen (ca. 30 % in der Optimalposition und bei voller Sonne im Vergleich zu den klassischen Technologien). Farbliche Vielfalt eröffnet ästhetische Gestaltungsmöglichkeiten. Neue, individuell formbare bzw. flexible Stahl-Netz-Tragestrukturen eröffnen Formenvielfalt in der Anwendung. „Die filigran-ästhetisch-integrierte OPV-Technologie im Deutschen Pavillon, bzw. in den daraus hervorsprießenden Keimlingen, ist neben dem architektonischen und inhaltlichen Konzept ein regenerativ-energetisches Highlight des deutschen Auftritts auf der EXPO in Mailand 2015“, sagt Hermann Issa von Belectric. Damit präsentiert sich die noch junge Technologie in all ihrer Flexibilität und Ästhetik. Der Pavillon ist das erste große internationale Architekturprojekt, in dem die Technologie auf neue Weise zum Einsatz kommt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Solarmodulen werden die flexiblen, folienintegrierten OPV-Module (Solarte) kreativ in den innovativen Entwurf der sich an der Oberfläche, bzw. auf dem Oberdeck entfaltenden baumartigen Strukturen integriert. Diese Produktlinie der Belectric OPV eröffnet ästhetisch, ökologisch sowie ökonomisch neue Möglichkeiten für die Integration energetisch aktiver Komponenten in der Architektur, die von der neuen Entwicklung leichter Seil-Netztragwerke gefördert werden. Ein Dach eines Keimlings mit der Fläche von 25 x 11 Metern wiegt gerade einmal 70 bis 90 Kilogramm (Netz und Module). Der produzierte Strom der Keimlinge wird an einer Stelle zusammengeführt und in einem Lithiumionen Akku gespeichert. Abends wird der gesamte Pavillon damit beleuchtet. Teilweise wird OPV auch auf den Fassadenelementen des Pavillons verwendet und in der VIP-Lounge als Laminat in der Fensterscheibe sichtbar. „Organische Photovoltaik, als innovative und flexibel integrierbare Technologie, bietet im Zusammenspiel mit dem vielfältig einsetzbaren und eleganten Baustoff Glas ein enormes Spektrum an kreativen architektonischen Einsatzmöglichkeiten. Im Rahmen der Energiewende und der Nachhaltigkeitsstrategie wird die architektonische, bauphysikalische und konstruktive Einbindung von PV- OPV-Highlight entstand in Schritten Dass die Vorteile der jungen OPVTechnologie mit dem Deutschen Pavillon in Mailand so deutlich und mit neuer Konstruktionsanwendung dem internationalen Publikum präsentiert werden, stellt eine Chance für die Marktbekanntheit der gedruckten Photovoltaik dar und inspiriert neue Anwendungsfelder. Der Deutsche Pavillon zeigt deutlich, dass die OPV-Technologie ein großes Potential hat, saubere Energie integriert in architektonischen Konzepten und vor allem mit ästhetischer Optik und vom Materialaufwand her ressourcenschonend zu produzieren. Dass das so umfangreich in Mailand gezeigt werden kann, beruht auf einer Entwicklung, die Schritt für Schritt vor sich ging. Wesentlich moderiert hat dies Hermann Issa von Belectric OPV aus Nürnberg, dem weltweit größten Hersteller von organischer Photovoltaik-Technologie. Alle beteiligten Experten, vor allem der ausführende Architekt Lennart Wiechell, Schmidhuber München und die Firmen Carl-Stahl Lapp Kabel Merck und auch das Bundeswirtschaftsministerium und Bundesforschungsministerium, wurden dabei interaktiv einbezogen. Der Entstehungsprozess Zunächst wollte man lediglich eine Beispielanwendung der OPV zeigen. In Interaktion mit dem Architekt Wiechell entwickelte Issa dann jedoch die Idee, die gedruckten Zellen auf eine neue, flexible und vor allem leichte Art und Weise in die Pavillonstruktur, konkret in Bilder BIPV copyright: Belectric opv Gmbh die prägende Baum- und Schirmstruktur, einzubeziehen. Bei der Suche nach Umsetzungsmöglichkeiten trafen die beiden Experten schließlich auf die Carl Stahl GmbH aus Süßen in Baden Württemberg, die mit parametrischer Software und viel Ideenreichtum eine leichte und auf die Anforderungen der OPV-Technologie zugeschnittene, sechseckige Edelstahlseilnetz-Struktur entwickelte, welche als Tragwerk für die Zellen dient. Die Carl Stahl GmbH ist ein weltweit tätiger, renommierter Hersteller von membranartigen Edelstahlseilnetz-Tragwerken. Farblich entschied sich der Architekt für blaue Zellen, wobei auch rote oder grüne möglich gewesen wären. Die Tragstruktur integriert die Zellen wie eine Membran in die Struktur der Keimlinge. Damit wird OPV nicht lediglich appliziert. Diese neue Form, der auf eine dreieckige Grundstruktur zurückgehenden Module (Trigon), wie auch die neuartige mechanische Befestigung mit dem präzise gefertigten Gitternetz, macht OPV zu einem konstruktiven Bestandteil der Keimlinge (Solarbäume). Das funktionale OPV-Gewerk, ist als Impuls und Prototyp für Folgeanwendungen zu verstehen. Nach der EXPO sollen die Keimlinge in Deutschland reinstalliert werden. „Ein Folgeprojekt für eine ähnliche Anwendung ist bereits im Gespräch“, sagt Hermann Issa. Sie bilden ein futuristisch-markantes, energieerzeugendes Merkmal des Pavillons, das gleichzeitig den Besuchern und Mitarbeitern Schatten während der heißen EXPO-Monate im sommerlichen Italien spendet. Die Technologie dient sozusagen der gestalterischen Form und der Nutzung. „Wir haben hier die Möglichkeit nicht nur eine existierende Technologie „aufzusetzen“, sondern bis hin zum optischen Erscheinungsbild der Module alles zu gestalten und in das Gesamtdesign einzugliedern.“, sagt Lennart Wiechell, leitender Architekt und Managing Partner bei Schmidhuber. Die Technologie tritt damit hinter die gestalterische Erscheinung des Pavillons. Ein Aspekt, den Architekten seit Jahren von der Anwendbarkeit der PV-Technologie fordern. Neben der inspirierenden Demonstration für das internationale Publikum auf der Weltausstellung tragen die SolarKeimlinge auch während des Betriebs des Pavillons zur Senkung des externen Energiebezugs bei und schonen somit den Ressourcenverbrauch. Insgesamt werden auf der Flurlandschaft durch die OPV-Bäume 6.000 kWh Strom/Jahr produziert, also im sechsmonatigen Ausstellungszeitraum in der italienischen Sommerzeit, gut 3.000 kWh. Bild 2: Blaue Solarzellen in Gitternetzstruktur rUBriK SOlArES BAUEN Elementen in die Gebäudehülle unter Berücksichtigung der multifunktionalen Eigenschaften des PV-Moduls immer wichtiger“ betont Belectric. „Diese Technologie bietet in der Architektur die Chance bestehende Flächen mit neuen oder zusätzlichen Funktionen zu nutzen“, davon ist Architekt Lennart Wiechell überzeugt. Die Energieproduktion von OPV liegt bei ca. einem Drittel herkömmlicher Siliziumpaneele, eröffnet jedoch eine neue gestalterische Vielfalt und die Nutzung von Gebäudeflächen, die bisher passiv sind. Der Ertrag kann allerdings in bestimmten Einsatzbereichen die Produktionskraft von herkömmlichen Modulen erreichen oder übersteigen. „Ein Vorteil ist der, dass die organische PV auf 100 Volt laufen kann (unterhalb der 120 Volt Gleichstrommarke, unter der eine Installation als ungefährlich gilt) und unanfällig für Kurzschlüsse und Hitze ist, weil OPVTechnologie verschattungsresistent ist. Auch die Entsorgung ist unkompliziert“, kommentiert Hermann Issa. OPV-Marktpotentiale „Die Wirtschaftlichkeit muss dreidimensional betrachtet werden“, sagt Hermann Issa. „Der Wirkungsgrad und Preis/ m² berechnet sich anhand verschiedener Faktoren und Einflüsse: Zum Benefit auf der Fläche (Flächennutzungsgrad), der auf den ersten Blick bei klassischen Solartechnologien höher ist, gesellt sich durch die Verwendbarkeit der Technologie in allen Geometrien und somit auf mehr, also größeren und bisher ungenutzten Flächen, ein höherer Flächenwirkungsgrad, als bei klassischen Materialien oder Technologien. On Top ergeben sich dadurch in akribischen Situationen heute schon höhere Erträge als bei klassischen Technologieanwendungen“ betont Issa. BIPV im Energiemix Am Pavillon Projekt in Mailand illustriert sich das große und vor allem kreative Potential der organischen Photovoltaik-Technologie im Bereich der Gebäudeintegration. Sowohl in der Ästhetik als auch in wirtschaftlichen Vorteilen. Die bauwerksintegrierte Photovoltaik (BIPV) ist einer der größten potentiellen Wachstumsmärkte der Photovoltaik. Im Positionspapier „Gebäudeintegrierte Photovoltaiksysteme“ (04.03.2010) des Bundesverband Bausysteme e.V. heißt es: „Die gebäudeintegrierte Photovoltaik übernimmt als multifunktionales Bauteil neben der Stromerzeugung auch architektonische und/oder bauphysikalische Aufgaben. Diese Multifunktionalität muss mit höheren Investitionskosten und aufgrund des Wirkungsgrades, mit einer geringeren Förderung bezahlt werden. Aufgrund dessen wurde von unserer Fachgruppe Photovoltaik in Gebäuden ein Positionspapier veröffentlicht, dass auf diese Problematik hinweist und eine eigenständige Kategorie mit spezifischen Vergütungssätzen von der Politik fordert. Für die Anwendung solcher gebäudeintegrierten Multifunktionslösungen stehen in Deutschland rund 3.000 km2 Gebäudeflächen zur Verfügung. Dies entspricht einer installierbaren Leistung von gut 300 Gigawatt und präsentiert ein Umsatzpotential von ca. 900 Milliarden EURO“ 1) 45 2|2015 April-MAi interesse an pv 2014 2005 2000 1990 Start eeG copyright: Belectric opv Gmbh Solarsiedlung freiburg Architektonisches Konzept des EXPO-Pavillons Bild 3: Interesse von Architekten an PV Demnach reicht die in Deutschland vorhandene Gebäudehülle theoretisch aus, um die im Energiemix vorgesehene Strommenge mit BIPV zu produzieren. Bewertung des Marktpotentials der BIPV allgemein Bauwerkintegrierte PV (BIPV) ist mit Zusatzkosten verbunden, die in Relation zu den alternativ verwendeten Materialien und Technologien zu sehen sind. Glasfassaden wie z.B. Structural Glasing haben die höchsten Preise und stellen die BIPV-Anwendung daher als am wirtschaftlichsten dar. Dies ergab eine Untersuchung am IWES in Kassel im Rahmen des 2008 gestarteten Projektes „Multielement“, die auf Daten einer Studienarbeit aus dem Jahr 1998 von Bendel, Menges und Weißner zurückgreift. 2) Kriterien für die Wirtschaftlichkeitsbewertung Die tatsächliche Wirtschaftlichkeitsberechnung solcher Systeme ist deshalb komplex, weil nicht nur Nutzungseffekte wie sinkende Klimatisierungskosten und sinkende Beleuchtungskosten durch höhere Tageslichtgewinne berücksichtigt werden müssen, sondern auch sich verändernde Energie- und Systempreise und der sich reduzierende Strombezug eine Rolle spielen. Der Stromertrag hängt dabei von Faktoren, wie dem Standort, der Modulposition und -neigung sowohl der Größe der installierten Fläche ab. Ersetzen die BIPV-Module andere Gebäudeteile, berechnet sich der Wert je nach Art des Materials und den dafür klassisch anfallenden Material- und Montagekosten. Dass die Kommunikation dieser komplexen Wirtschaftlichkeitsberechnung wichtig ist, unterstreichen Ergebnisse einer Marktforschungsstudie von EuPD Research (2009). Demzufolge erwarten Kunden von BIPV-Garantiebedingungen, eine hohe Effizienz und vergleichsweise günstige Preise. „Die Befragten gingen mehrheitlich davon aus, dass Module, Montagesysteme und Montagekosten von BIPV-Systemen teurer seien als nicht-integrierte Systeme. Immerhin äußerten aber auch bereits acht bzw. 18% die Erwartung, dass Montagesysteme und Montagekosten niedriger ausfallen könnten“. 3) copyright: Schmidhuber, Milla & partner Stellt man die Investitionskosten für ein BIPV-System, die aktuell und in naher Zukunft wesentlich durch den Marktdurchdringungseffekt sinken werden, den laufenden Kosten des Betriebs einer OPV- bzw. BIPV-Anlage, abzüglich den Einnahmen über die Zeit der Lebensdauer, gegenüber, so erhält man den Flächennutzwert einer solchen gebäudeintegrierten Installation pro Quadratmeter. Bild 4: Deutscher Pavillon in der Bauphase Herbst 2014 46 2|2015 April-MAi Alle Modultechnologie wie auch die OPV-Module sind in der Gebäudeintegration aktuell in aller Regel teurer als herkömmliche Aufdachmodule. Die Kosten für OPV-Installationen bewegen sich aktuell je nach Zelltyp und Montagesystem zwischen 500 und 2.000 € pro m2. Sie werden jedoch maßgeblich auch durch die Gebäudeelemente selbst mitbestimmt. Ästhetische Gewinne von OPV-Anwendungen übersteigen dabei deutlich die Ästhetik klassischer Systeme. Städtebaulich basiert der Masterplan des Expo-Geländes in Mailand, angefertigt von Jacques Herzog, Mark Rylander, Ricky Burdett, Stefano Boeri und William McDonough, auf traditionellen Wurzeln Italiens, dem „Cardo und Decumanus“, nach dem schon die Römer ihre Städte anlegten. Resultat ist, dass 140 Nationen am Decumanus Platz finden müssen, 70 rechts und 70 links, woraus handtuchförmige Grundstücke resultieren, auf denen die Nationen sich bemerkbar machen und die Besucher vorne abholen und auf das Grundstück führen müssen. Deshalb wurde der Deutsche Pavillon, zu dem eine eingeschossig ansteigende Rampe führt, zweigeschossig, an manchen Stellen dreigeschossig angehoben. Die Stahlkonstruktion wird nach Brandschutzrichtlinien F 60 sowie nach italienischen Normen von Theaterbauten ertüchtigt. „In Deutschland hätte man den Entwurf eleganter in Stahlbaubauweise mit FO realisieren können,“ sagt der Architekt Lennart Wiechell. August Keller merkt zu den baulichen Brandschutzvorschriften in der EU und speziell in Italien an: „Ich kenne das sehr gut aus der Schweiz, da brennt es auch in jedem Kanton anders.“ Die gestaltprägende Haut des Bauwerks ist eine Holzkonstruktion, die auf der Stahl-/Betonverbundkonstruktion aufsitzt und sich über das gesamte Oberdeck zieht. Aus dem UG sprießen die futuristischen Ideenkeimlinge empor. Das frei zugängliche Oberdeck ist in Form einer geschwungenen Picknicklandschaft mit ansteigenden Grünterrassen und Blick über das Ausstellungsgelände gestaltet, die von diesen durchwirkt werden. Besucher werden dort zum Ausruhen und Verweilen eingeladen. „Expobesuche sind eine anstrengende Angelegenheit“, betont Lennart Wiechell. Dabei können die Gäste entlang der Stämme der Keimlinge in das Innere des Pavillons schauen, was die Neugier auf die Ausstellung wecken soll. Zum Gebäudeentwurf sagt der Architekt, „Die Idee, Architektur als gebaute Landschaft zu bauen, die licht und luf- Nachhaltigkeit setzt der Architekt auch baulich um, in dem er die Stahlkonstruktion innen nicht mit weiteren Materialien verkleidet. Der Sichtbeton steht für eine eigene Qualität, die es als anerkannte Qualität zu etablieren gilt. „Wir gehen mit diesem Gebäude von vielen Standards weg: Wir nutzen keine Glasfassade, dadurch nehmen wir Beeinträchtigungen des Schalls und von Wind und Wetter in Kauf. Wir halten das für temporäre Bauten für akzeptabel, weil sich dadurch das Bauvolumen und die Baukosten senken. Einfachheit ist aber auch ein Aspekt, der wieder sehr viel stärker in die Alltagsbauten einziehen sollte, meint Wiechell. „Das bedeutet, wir gehen im temporären Bauen weg von perfekten Bauten, von „high glossy“-Fassaden und Innenflächen und wollen damit nicht mindere Qualität präsentieren, sondern dazu anregen, über Standards und Vereinfachungen nachzudenken, die eine gewisse Lebenshaltung ausdrücken und Ressourcen schonen“. Auch dabei gewinnt der Mensch, der Einzelne an Bedeutung, weil er nicht mehr „klinisch-klimatisierten Bedingungen“ ausgesetzt wird, sondern natürlichen, mit denen es umzugehen gilt. Das Gebäude ist natürlich belüftet. Die vorgehängte Lamelle aus Faserbeton hält den Wärmeeintrag durch die Sonne ab. Dahinter befindet sich eine offene Membran, die man sich wie ein Fliegenschutzgitter vorstellen kann. Die Luft ventiliert frei, als hätte man keine Fenster. Bei Spitzenbesuchszeiten und Spitzenaußentemperaturen wirkt die natürliche Kühlung des Bauwerks, indem die gekühlte Luft bodennah in das Gebäude einströmt und eine Art kühlen Luftsee bildet, der nach oben durch die offenporige Fassade abzieht. Auf die Nutzung der Wärmerückgewinnung wurde verzichtet, weil die baulichen und technologischen Kosten den Nutzen in dem temporären Gebäude weit übersteigen würden. Das Gebäude ist gut rückbaubar konzipiert. Inhaltliches Konzept: Ausstellung und Show Im Inneren des Pavillons werden die Besucher auf einer Fläche von 2.680 m² durch die „deutsche Welt der Ernährung“ geführt. Um die Stämme der „Ideenkeimlinge“ herum gruppieren sich thematisch die Quellen nachhaltiger Ernährung – Boden, Wasser, Klima und Artenvielfalt. Die Besucher können interaktiv erfahren, auf welche Weise diese Kräfte der Natur in Zukunft besser geschützt und intelli- Weiterführende Informationen Die Belectric OPV GmbH mit Sitz in Nürnberg entwickelt und produziert organische Solarzellen und arbeitet schwerpunktmäßig an deren Kommerzialisierung. Belectric OPV forscht und entwickelt darüber hinaus im Bereich der Zellentwicklung, der drucktechnischen Umsetzung und der Produktentwicklung, unter anderem auch für die Integration von OPV Zellen in bereits bestehende Produkte. Die Belectric OPV hat zwei Produktlinien, „Solarte“ für Architekten und Designer und „Power Plastic“ für Großindustrieanwendungen. Die Produkte stehen für Innovation, Qualität und Design. Die Firma Carl Stahl GmbH (Carl Stahl) ist seit der Firmengründung im Jahr 1880 unter anderem mit der Herstellung von Produkten für die Industrie- und Bauwirtschaft vertraut. Die zu Beginn noch kleine Seilerei ist bis zum heutigen Tag zu einem weltweit agierenden Unternehmen mit 1.500 Mitarbeitern und 60 weltweit verteilten Standorten herangewachsen. Schon frühzeitig wurde dem Bereich der Architektur großes Potential attestiert, der heute mit seinen Basisprodukten den Edelstahlseilen und den membranartigen Edelstahlseilnetztragwerken einen nicht unerheblichen Anteil am Gesamtgeschäft von Carl Stahl einnimmt. Die grundlegende Firmenphilosophie „Qua- Copyright: Carl Stahl GmbH Ressourcenschonende Bauweise gent genützt werden können. Es werden Lösungsansätze thematisiert, die Besucher inspirieren sollen, selbst aktiv zu werden. Dabei lernen die Besucher sechs Botschafter der deutschen, engagierten Zivilgesellschaft kennen, die sie medial durch die Ausstellung begleiten. Mit dem „SeedBoard“, einem mobilen Interaktionsfeld, mit dem Exponate gesteuert und je nach individuellem Interesse vertiefende Medieninhalte abgerufen werden können, bekommt jeder Besucher einen Ausstellungsbegleiter in die Hand. „Wir wollen die Leute dazu anregen, sich tiefergehend und aktiv damit zu beschäftigen und auch eigene Ideen zu entwickeln“, sagt Peter Redlin, Kreativdirektor der Ausstellung des Deutschen Pavillons. Anschließend tauchen die Besucher in die Welt der Produktion, des Konsums und der Entsorgung ein und erleben dabei auch deren Kehrseiten. Interaktivität zeichnet auch die abschließende Show „Be(e) active“ aus. Die Besucher erleben Deutschland aus den Augen zweier über deren Köpfen schwebender Bienen auf ihrem Flug durch das Land. Eine audiovisuelle und interaktive Darbietung, die den Menschen einen Impuls mitgeben will: be active, mach selber etwas. Bild 5: Schematischer Aufbau eines Solartrees RUBRIK SOLARES BAUEN tig ist, durch die man hindurchwandeln kann, ist eine Vision, ein Wunsch, den wir mit diesem Pavillon realisieren.“ lität, Innovation, Lieferbereitschaft und Kundenservice: Das richtige Programm für kommende Zeiten!“ hat mit zum Erfolg der Edelstahlseilnetzprodukte in der weltweiten Bauindustrie beigetragen. Arbeitsgemeinschaft Deutscher Pavillon EXPO Mailand 2015: Im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie verantwortet die Messe Frankfurt Organisation und Betrieb des Deutschen Pavillons auf der Weltausstellung 2015 in Mailand. Konzept, Planung und Realisierung des Deutschen Pavillons übernimmt die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) der Unternehmen Schmidhuber (München), Milla & Partner (Stuttgart) und Nüssli Deutschland (Roth bei Nürnberg). Dabei zeichnet Schmidhuber für das räumliche Konzept, Architektur und Generalplanung verantwortlich, Milla & Partner für das inhaltliche Konzept, die Ausstellungs- und Mediengestaltung. Nüssli übernimmt Projektmanagement und Bauleistungen. Fußnoten 1)www.bv-bausysteme.de/index.php/ news.52/items/positionspapiergebaeudeintegriertephotovoltaiksysteme.html 2)Quelle: Bendel, ISET/Fraunhofer IWES 2008 3)SONNENENERGIE 3/2013. Martin Frey: Bauwerkintegrierte Photovoltaik. Teil 4: Kosten & Wirtschaftlichkeit. Modul- und Systemkosten). Zur Autorin: Elke Kuehnle Journalistin, Umwelt- und Organisations­ psychologin M.A., Düsseldorf [email protected] [] www.freischreiber/Journalisten/ Profil/elkekuehnle 47 2|2015 April-Mai