05-Schulgenese

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Manfred Eckert
Geschichte der Berufserziehung und
der Berufspädagogik
Fünfte Vorlesung:
Theorien zur Entstehung von Schule
• Theorien zur Entstehung von Schulen:
Qualifikationsdefizite, Integrations- und
Sozialisationsdefizite/soziale Selektion und
Differenzierung/
• Schule als Schließung einer
„Sozialisationslücke“
• Die Bedeutung politischer
Interessengruppen bei der Definition von
Sozialisationslücken.
• Fortbildungsschule und der Berufsschule.
Theorien zur Genese von Schule
• Entstehung von Schule aufgrund von:
– Qualifikationsdefiziten
• Beispiel: der Schriftspracherwerb/die Volksschule
• Beispiel: die frühen Realschulen und Gewerbeschulen
– Integrationsdefiziten
• Beispiel: die Fortbildungsschulen
• Beispiel: Die Maßnahmen zur Förderung Jugendlicher beim
Übergang von der Schule in Ausbildung
– Selektionsinteressen
• Beispiel: die Steigerschulen des Bergbaus
(allg.: viele private Schulen – diskutieren!)
Vorsicht mit den Beispielen: es könnte auch anders interpretiert werden. Wichtig:
Schulen haben fast nie ausschließlich Qualifizierungsfunktionen!
Entstehung von Schule aufgrund einer
„Sozialsationslücke“
Der biographische Verlauf
1
3
6
9
12
16
19
21
24
Herkunftsfamilie
Kindergarten
Schule
Arbeitswelt
Bundeswehr/Zivildienst
Eigene Familie
Sozialisationslücke:
Im Hinblick auf die Anforderungen anderer sozialer Systeme
Im Hinblick auf die biographischen Übergänge
Die politischen Interessenlagen bei der
Definition von „Sozialisationslücken“
• Staatliche Interessen (z. B. das militärische
Rekrutierungsinteresse und die Volksschulen
• Interessen gesellschaftlicher Gruppen (z. B. die Kirchen
und die Schulaufsicht/der Religionsunterricht)
• Interessen von Institutionenvertretern (die Lehrer und ihre
Schule)
• Interessen politischer Gruppen (z. B. die Tradition der
Arbeiterbildungsvereine)
(Interessant: es gibt auch politische Interessenlagen, die auf die Abwehr von
Schule und Verschulung zielen, z.. B. kritische Einstellungen von Seiten des
Handwerks und der Industrie gegenüber der Berufsschule)
Die pädagogische Perspektive bei der
Definition von „Sozialisationslücken“
Bildungstheorie:
- jungen Menschen optimale
Entwicklungsbedingungen bieten
- jungen Menschen Autonomie und Integration (in
Gesellschaft) ermöglichen
- junge Menschen befähigen, ihr Leben im Sinne
eines „gelingenden Lebens“ führen zu können
Die „Fortbildungsschule“
• Die Fortbildungsschule als Vorläufer der
Berufsschule
• Die Fortbildungsschule als Fortsetzung der
Volksschule (letztes Drittel des 19. Jahrhunderts)
• Die Diskussion über den Bedarf einer
„Fortbildungsschule“
• Beispiel: nächste Folie
• Beispiel: „Der Gemeinderath würdigt in vollem Maaße das
Bestreben der hohen Behörde, durch Errichtung ländlicher
Fortbildungsschulen der überall bemerkbaren
Zuchtlosigkeit der Jugend entgegen zu treten, glaubt
indessen für die hiesige Gemeinde ländliche
Fortbildungsschulen für die Erreichung dieses Zweckes
wirkungslos. Einzig und alleine kann diesem Uebelstande
wirksam nur durch religiöse Erziehung entgegen getreten
werden. Ueberdies sind die Kosten des
Gemeindeschulwesens in den letzten Jahren in
außergewöhnlicher Weise gewachsen, so daß der
Gemeinderath glaubt, nicht in der Lage zu sein, neue
Kosten für eine Anstalt bewilligen zu dürfen, welche den
beabsichtigten Zweck nur seht theilweise erfüllen würde“
•
Weeze 1876. In: Ruhland, H. J.: Standort im Wandel der Zeit. Anlauf zu einer Geschichte der berufsbildenden
Schulen des Kreises Kleve in Geldern. o.O. 1983
Die Didaktik der Fortbildungsschule
• Allgemeinbildende Inhalte
– Deutsch
– Religion
• Berufliche Inhalte
– Rechnen und darstellende Geometrie
– Zeichnen
Jugendtheorie und Berufsschulgenese
• Verschulung des biographischen Lebensabschnitts
von ca. 15 – 18 Jahren: Unterstellung einer
„Erziehungsbedürftigkeit“
• „Erziehungsbedürftigkeit“ heißt auch: Hier geht es
nicht um junge Erwachsene, sondern um
Jugendliche (denen ein Entwicklungsraum
zugestanden werden muss)
Kerschensteiners Begründung der
Berufsschule
Die Preisfrage der Erfurter Akademie der
gemeinnützigen Wissenschaften:
„Wie ist unsere männliche Jugend von der
Entlassung aus der Volksschule bis zum Eintritt in
den Heeresdienst am zweckmäßigsten für die
staatsbürgerliche Gesellschaft zu erziehen?“
(1901) (u ist die Beschreibung einer Sozialisationslücke!!)
Kerschensteiners Antwort: durch Erziehung zu
beruflicher Tüchtigkeit. Umwandlung der
Münchner Fortbildungsschulen zu
Berufsschulen
Kerschensteiners Sythese
Der Beruf als Medium der gesellschaftlichen
Integration und der persönlichen Entwicklung
(genauer: achte Vorlesung)
Nachbetrachtung: Schule als Ort
pädagogischen Handelns oder
gesellschaftliche Institution?
Pädagogische Intention:
„Bildung“
„Förderung“
„Chancengleichheit“
Gesellschaftl. Institution:
Sozialisationsfunktion
–
–
–
–
Qualifikationsfunktion
Integrationsfunktion
Selektionsfunktion
Allokationsfunktion
P. Bourdieu/J.-C. Passeron:
„Die Illusion der Chancengleichheit
(Stuttgart 1971)
Widerspruch zwischen:
Pädagogischer Intention:
Förderung der Chancengleichheit
Realität der Institution:
Selektion durch selektiv
wirkende Bewertung des
„sozialen Habitus“
bildungsbürgerlicher
Schichten.
Differenz „kulturelles
Kapital“ – ökonomisches
Kapital
(siehe: P. Bourdieu)
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