LIVING Gesundheit Gesundheit Stress macht krank Wenn der Körper zwischen Kampf und Flucht entscheiden muss Viele Menschen halten Stress noch immer für ein rein psychisches Problem. Doch heute weiss man, dass Stress viele Ursachen haben und auch den Körper angreifen kann. Denn Stress ist nicht gleich Stress: Man unterscheidet zwischen gesundem Eu-Stress und krankmachendem Dis-Stress. | von Daniel Thür die letzten Kräfte des Körpers mobilisiert sind, werden Funktionen die gerade nicht gebraucht werden, beispielsweise die Verdauung oder der Sexualtrieb, vollständig herunter gefahren. Hält dieser «Notzustand» länger an, kommen wir nicht mehr zur Ruhe und Erholung. Der Motor, vor allem unser Herz, ist überhitzt und überlastet, kommt im schlimmsten Fall gar zum Stillstand (Herzinfarkt)», erklärt Christoph Bader die Köperreaktion. «Heute machen uns vor allem anhaltende psychische Belastungen wie Termin- oder Leistungsdruck bei der Arbeit das Leben schwer. «Wir sollten uns bewusst werden, dass Stress früher oder später auch eine Gefahr für die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit unseres Körpers darstellt», so Bader weiter. Viele Menschen merken gar nicht, dass Stress die Ursache für ihre körperlichen Beschwerden ist. Doch heute weiss man, dass anhal- Christoph Bader Geschäftsinhaber ZSB, Zentrum für Stressregulation Dipl. Stressregulations-Trainer und Coach SZS (Schweiz. Zentrum für Stressforschung) W ann fühlten Sie sich das letzte mal gestresst? Vielleicht am letzen Wochenende, als Sie die Einkäufe erledigen mussten oder als Sie das letzte mal auf der Waage gestanden haben? Was löst Stress überhaupt aus? Und wie gehe ich damit um? Einer der sich damit auskennt ist Christoph Bader, Stresscoach und Inhaber des Zentrums für Stressregulation in Basel. «Belastender Stress kann viele Ursachen haben. Gesunder Stress muss motivierend sein, kann aber bei anhaltender Überforderung als Dis-Stress auch krank machen. Gerade Arbeitslosigkeit, negative Denkmuster, Sinnsuche im Leben, aber auch mangelhafte Ernährung, Übergewicht, zuwenig Bewegung, Ängste oder Mobbing sind sehr ungesunde und typische Stressfaktoren unserer Zeit.» Bevor es unsere zivilisierte Gesellschaft gab, lebten die Ur-Menschen mit vielen verschiedenen Bedrohungen wie Raubtieren, Räubern, feindlichen Volksstämmen und vielem mehr zusammen. Eine sofortige «Stressreaktion des Körpers» – Kampf oder Fluch um auch die letzten Kräfte des Körpers zu mobilisieren – war in solch plötzlich auftretenden und bedrohlichen Situationen überlebensentscheidend. Stress macht Krank Doch was passiert wenn jemand dauerhaft Stress ausgesetzt ist? «Das Herz schlägt schneller und der Blutdruck steigt. Die Muskeln werden mit mehr Blut versorgt und spannen sich teilweise an. Damit auch 12 | jetzt-online.ch Typische Stress-Reaktionen des Körpers • Herz-Kreislauf-Probleme Bei Stress schüttet der Körper vermehrt die Hormone Adrenalin und Cortisol aus. Der Herzschlag erhöht sich und an den Wänden der Blutgefässe setzen sich körpereigene Fette ab. Dies erhöht das Risiko für Arterienverkalkung, Herzinfarkt oder Schlaganfall. • Erkältungsanfälligkeit Stress greift auch die Abwehrfähigkeit des Körpers an. Dafür verwantwortlich ist das im vorherigen Punkt genannte Cortisol. Dieses Hormon fängt an, Entzündungen aber auch Fieber im Körper zu unterdrücken. So haben Viren leichtes Spiel und Krankheiten werden verschleppt. Das fatale daran: Sobald der Mensch wieder stressfrei ist, brechen Krankheiten umso heftiger aus. Typisches Beispiel ist die Situation, in der Menschen während den Ferien erkranken. • Verdauungsstörungen Da Stress die Durchblutung von Verdauungsorganen herunterfährt, wird die Magen- und Darmtätigkeit ebenfalls auf Sparflamme gehalten. Das hat zur Folge, dass Lebensmittel zu lange nicht verarbeitet werden, was wiederum zu Verstopfung oder Durchfall führen kann. Es entstehen auch Entzündungen und im Extremfall Geschwüre. • Rückenschmerzen In Stress-Situationen spannt der Körper die Muskeln an. Das kann zu einer Verspannung führen, die sogar chronisch wird. Der Mensch bekommt Rücken- oder Nackenschmerzen oder sogar Haltungsschäden. Das wiederum bedeutet, dass Gelenke, Wirbelsäule oder die Bandscheiben beansprucht werden. LIVING tende psychische Belastungen eine grosse Rolle bei der Entstehung von körperlichen Erkrankungen haben können. Deshalb sollte man früh genug präventive Massnahmen gegen zu viel und krankmachenden Stress ergreifen, zum Beispiel mit regelmässiger Bewegung und Pausen an der frischen Luft. Auch Kleinkinder betroffen Eine typisch stressbedingte Krankheit unserer Neuzeit ist das Burnout. Dieser «Totalausfall» wirft den Menschen von einem Moment auf den anderen aus der (Lebens)-Bahn werfen. « Burnout ist nicht nur eine typische Manager-Krankheit, heute sind leider auch Kindergärtler betroffen, die mit zuviel Leistungsdruck nicht klar kommen», sagt Bader und erklärt weiter: «Von Aussen her werden immense Anforderungen schon an Kleinkinder gestellt. Heute fragt man Kinder nicht was sie spielen wollen, sondern (über)-fordert nur noch, nach dem Motto «tu dies und jenes». Stress verhindern und reduzieren Jeder Mensch muss mit seinem Stress persönlich umgehen. Es gibt keine Patentlösungen oder Rezepte. Daher gilt es, eine persönliche Stressbewältigungs-Strategie zu entwickeln, in der Selbstwahrnehmung und Selbstverantwortung übernehmen im Vordergrund stehen müssen. Oft wird jedoch zu Medikamenten, Alkohol, Zigaretten, Kaffee oder Süssem gegriffen, die den Stress nur verdrängen und nicht bekämpfen. «Wir müssen uns Fragen, was wir uns Gesundes tun können» so Bader. «Suchen sie das Gespräch, wenn sie nicht wissen, wie sie aus diesem Teufelskreis ausbrechen können.» Ein Stresscoaching kann helfen, gezielt nach Lösungen zu suchen, besser mit belastendem Stress umzugehen (Stressresistenz), den Stress zu reduzieren oder gar zu verhindern. «Es ist meist einfacher als man glaubt. Ich arbeite mit den drei Säulen: Bewegung, Entspannung und Ernährung. Stimmt das Gleichgewicht zwischen den drei Begriffen? Dazu kommen die Gefühle und Emotionen, die geweckt werden müssen. Denn nur was Freude macht, wird auch Erfolg bringen» erklärt Christoph Bader seine Arbeit. Nicht jeder Mensch braucht also einen Yogakurs, bei einigen kann er aber sehr hilfreich sein. Andere wiederum beginnen damit, im Büro Entspannungsübungen zu machen. Ein weiterer Punkt sind die Essgewohnheiten. «Man sollte sich fragen, wann man isst. Erst wenn der Magen knurrt und der Hunger gross ist? Ernähren wir uns gesund? Schon hier zeigt sich die eigene Wertschätzung für den Körper. Wir fahren ja auch nicht mit leerem Tank durch die Gegend. Aber dem Körper muten wir dies leider jederzeit zu.» Emotionen und Kreativität Wann haben wir uns selber das letzte mal gefragt, wie es uns geht und was uns gut tut? Es ist wichtig, sich selbst wieder mehr in den Vordergrund stellen. Dazu gehört auch lernen NEIN zu sagen», sagt Bader. «Mein Geheimnis in meiner Tätigkeit ist, dass ich den Menschen wieder aufzeige, was Spass machen kann. Damit ergeben sich wieder Perspektiven und Alternativen. Ich fördere damit die Kreativität, denn diese ist dem gestressten Menschen abhanden gekommen. Viele Menschen meinen leider noch immer, dass sie Schwäche zeigen, wenn sie zugeben sie seien gestresst. In Tat und Wahrheit ist es jedoch eine Stärke zu erkennen, dass man unter Stress leidet. Belohnt werden sie mit der Selbsterkenntnis nicht mit Verboten, sondern mit genussvollen und stressverhindernden Lösungsmöglichkeiten.» www.stress-coaching.ch jetzt-online.ch | 13