Elektrischer Strom

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Teil I
Elektrischer Strom
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Kapitel 1
Der einfache Stromkreis
– eine Einführung
Elektrischer Strom ist ein ungeheuer alltägliches Phänomen. Sie benutzen im Laufe eines
Tages mit Sicherheit mindestens zehn verschiedene elektrische Geräte, ohne sich allzusehr
darüber zu wundern, dass das alles so gut funktioniert. Stecker rein und es läuft!
Wie aber funktioniert “Strom”? Was ist Strom genau? Wie und wann entsteht er? Wie
kann er genau genutzt werden? Was hat er mit Energie zu tun? Welche Gefahren birgt er?
Was ist Stromverbrauch? Wie funktionieren diese elektrischen und elektronischen Geräte
(vom Stabmixer über den Fernseher und den Computer bis zum Händy)? Diesen und weiteren
Fragen werden wir im ersten Teil der Elektrizitätslehre nachgehen.
In diesem einführenden Kapitel starten wir mit einem einfachen praktischen Beispiel, wie
es in einer normalen Taschenlampe realisiert ist: Eine Batterie betreibt ein Glühlämpchen –
oder allgemeiner formuliert: eine Spannungsquelle versorgt einen einzelnenVerbraucher. Wir
legen also direkt mit der Anwendung los und werden zentrale Begriffe, wie z.B. Spannung,
Stromstärke oder Widerstand, verwenden, ohne die präzisen, aber teilweise eben etwas abstrakten physikalischen Definitionen dazu bereits kennengelernt zu haben. Selbstverständlich
werden wir dieses Versäumnis in den folgenden Kapiteln nachholen, denn für ein tiefer gehendes
physikalisches Verständnis sind diese Begriffsdefinitionen wichtig.
Von Beginn weg sollen Sie elektrische Stromkreise als etwas Greifbares und Praktisches
verstehen. Dabei werden wir bereits viele Aspekte anscheiden, z.B.:
• Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit ein permanenter elektrischer Strom
fliesst?
• Woran sieht man, dass das Fliessen eines elektrischen Stromes mit einem Energieumsatz
resp. einem Energietransport verbunden ist?
• Wie stellt man einen Stromkreis in einem Schaltschema dar?
• An welchen Wirkungen erkennt man eigentlich das Fliessen eines elektrischen Stromes?
• Wie kann man sich den elektrischen Strom auf atomarer Grössenordnung vorstellen?
Wie müssen demnach elektrisch leitende Materialien (= Leiter) beschaffen sein und
wodurch zeichnen sich im Gegensatz dazu Isolatoren aus?
• Was ist der Unterschied zwischen Gleichstrom und Wechselstrom?
2
1.1
Lernziele zum Kapitel 1
• Ich kenne die Bedingungen für das Fliessen eines elektrischen Stromes: Erstens muss
eine Spannungsquelle (z.B. Netzgerät, Steckdose, Batterie, Solarzelle, . . . ) vorhanden
sein, zweitens braucht es einen durch leitende Materialien geschlossenen Stromkreis.
• Unter dem Begriff Spannungsquelle verstehe ich eine “Strompumpe”, also den “Antrieb” eines elektrischen Stromes. Elektrische Spannungen und somit auch die “Stärke”
von Spannungsquellen werden in der SI-Grundeinheit Volt V angegeben.
• Ich kann einfache Schaltschemata interpretieren und kenne die Symbole für die wichtigsten Schaltelemente.
• Auf einem Steckbrett kann ich einfache Stromkreise zusammenbauen. Insbesondere
weiss ich, welche Steckplätze innerhalb des Bretts miteinander verbunden sind.
• Ich weiss, dass Atome aus Protonen p, Neutronen n und Elektronen e− aufgebaut
sind und wo diese Teilchen im Atom zu finden sind.
• Ich habe verstanden, dass die elektrische Ladung eine Materieeigenschaft ist, die
man Protonen und Elektronen zuschreibt, um die Phänomene der Elektrizitätslehre zu
erklären. Jedes Elektron ist einfach negativ und jedes Proton einfach positiv geladen.
D.h., jedes Elektron trägt eine negative und jede Proton eine positive Elementarladung:
qe = −e und qp = +e. Neutronen sind elektrisch neutral: qn = 0. Da sich die Welt
aus lauter p+ , n und e− zusammensetzt, ist die Elementarladung e die kleinstmögliche
Ladungsmenge. Ihren Wert, nämlich e = 1.602 · 10−19 C, kenne ich auswendig.
• Ich weiss, dass die elektrische Ladung eines Gegenstandes auf ein Ungleichgewicht
zwischen Protonen und Elektronen zurückzuführen ist. Einen Ort mit einem Elektronenüberschuss bezeichnet man als negativen Pol und umgekehrt ist ein Ort mit einem
Elektronenmangel ein positiver Pol (z.B. bei den Polen einer Spannungsquelle).
• Die elektrische Ladung eines Gegenstandes kürze ich mit dem Symbol Q ab, für
Ladungen einzelner Teilchen verwende ich hingegen das kleine q.
• Ich kenne das Coulomb C als SI-Grundeinheit der elektrischen Ladung.
• Ich kenne die qualitativen Eigenschaften der Coulombkraft zwischen zwei elektrischen
Ladungen (Anziehung/Abstossung, Abnahme mit zunehmender Distanz).
• Ich weiss, dass der Ausdruck elektrischer Strom für die kollektive Bewegung elektrisch geladener Teilchen steht. Daraus leite ich ab, dass elektrisch leitende Stoffe
frei bewegliche Ladungsträger enthalten müssen: in Metallen handelt es sich um Leitungselektronen, in Lösungen um Ionen. Umgekehrt kann es in elektrischen Isolatoren keine frei beweglichen Ladungsträger geben.
• Ich weiss, dass die Leitfähigkeit von Metallen auf frei bewegliche Elektronen zurückzuführen ist (ca. 1 Leitungselektron pro Atom). In Flüssigkeiten und Gasen müssen
Ionen vorhanden sein, damit sie den Strom leiten.
• Ich kenne drei Wirkungen des elektrischen Stromes: die elektromagnetische (em-), die
Wärmewirkung (Joule’sche Wärme) und die chemische Wirkung. Ich kann spontan
einige Beispiele und Anwendungen dieser Wirkungen beschreiben.
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1.2
Der Taschenlampen-Stromkreis – ein Einstiegsbeispiel
Ein Steckbrett ist so aufgebaut, dass sich darauf in einfacher Weise elektrische und elektronische Schaltungen stecken lassen. Innerhalb des Steckbrettes sind im Innenbereich jeweils 5, in
den Aussenleisten jeweils 25 Steckpositionen miteinander verbunden (vgl. Abb. 1.1).
Abbildung 1.1: Beispiele von Verbindungen innerhalb eines Steckbrettes.
Auf einem solchen Steckbrett stecken wir uns mit einem Batterieblock, einem Knipschalter und einem Glühlämpchen einen einfachen Stromkreis zusammen (Abb. 1.2). Mit dem
Schalter lässt sich das Lämpchen ein- und ausschalten.
Abbildung 1.2: Der Taschenlampen-Stromkreis und das zugehörige Schaltschema.
Bereits anhand dieses einfachen Beispiels lässt sich eine Vielzahl teilweise sehr grundlegender und allgemeiner Aussagen zum elektrischen Strom machen:
Der geschlossene Stromkreis: Nur solange ein Stromkreis geschlossen ist, fliesst Strom.
D.h., die beiden Anschlüsse des Batterieblocks müssen durch elektrisch leitende Elemente (Kabel, Lämpchen, etc.) miteinander verbunden sein. Sobald der Stromkreis unterbrochen ist, fliesst kein Strom mehr.
Der Knipschalter unterbricht den Stromkreis (“Lämpchen aus”) oder er schliesst ihn
(“Lämpchen an”). Dabei spielt es keine Rolle, an welcher Stelle der Schalter in den
Stromkreis eingebaut wird (“vor” oder “hinter” dem Glühlämpchen). Im Schaltschema
dürfte man die Positionen von Lämpchen und Schalter vertauschen, ohne dass sich an
der Funktionsweise der Schaltung irgendetwas verändern würde.
4
Die Spannungsquelle: Neben dem geschlossenen Stromkreis braucht es für das Fliessen eines
elektrischen Stromes einen “Antrieb”. In unserem Beispiel ist dies die Batterie.
Allgemeiner spricht man bei solchen den Strom antreibenden Elementen von Spannungsquellen. Dabei gibt es einen Unterschied zwischen Gleichstrom- und WechselstromSpannungsquellen. Unsere Batterie ist eine Gleichstrom-Spannungsquelle, weil die Polung an ihren Enden ständig gleich bleibt: Es gibt einen positiven Pol (+) und einen
negativen Pol (–). Auch Plus- und Minuspol sind erlaubte Namen.1
Bei den Wechselstrom-Spannungsquellen verändert sich die Polung ihrer Anschlüsse andauernd. Dies ist z.B. bei Steckdosen der Fall. Kapitel 2 widmet sich dem Spannungsbegriff ausführlicher.
Im Moment merken wir uns:
Bedingungen für das Fliessen eines elektrischen Stromes
Ein elektrischer Strom fliesst genau dann, wenn. . .
1.
ein geschlossener Stromkreis besteht, und. . .
2.
in diesem Stromkreis eine Spannungsquelle vorhanden ist.
Das Schaltschema: Den logischen Aufbau eines Stromkreises stellt man in einem Schaltschema dar. Dabei besitzt jedes Schaltelement ein ganz bestimmtes Symbol. In Abb.
1.7 auf Seite 14 sehen Sie eine Auswahl solcher Symbole. Abb. 1.3 zeigt, wie ein komplizierteres Schaltschema aussehen kann. Diese Schaltung lässt abwechslungsweise zwei
Leuchtdioden (LEDs) aufleuchten (Blinker).2
Abbildung 1.3: Eine Blinkschaltung: Die beiden LEDs D1 und D2 leuchten abwechslungsweise
auf. Zur Steuerung bedarf es weiterer Schaltelemente wie Kondensatoren (C1 und C2) und
Transistoren (T1 und T2). In vielen Schaltschemata sind die Schaltelemente direkt mit näheren
Spezifikationen angeschrieben. Hier handelt es sich z.B. um Transistoren des Typs BC548C.
1
Auf einer Batterie sind die Pole in der Regel angeschrieben. Bei einem Gleichstrom-Netzgerät ebenfalls, wobei
zusätzlich Farben verwendet werden. Rot kennzeichnet den positiven Pol, Blau oder Schwarz den negativen.
2
In der Blinkschaltung (Abb. 1.3) entdecken Sie zwei für die Elektronik enorm wichtige Schaltelemente: den
Kondensator (z.B. C1) und den Transistor (z.B. T1). Insbesondere die Transistoren sind von grosser Bedeutung.
Auf ihnen basiert die gesamte moderne Prozessoren-Elektronik (Rechner, Computer-Chip, Händy, etc.)!
5
Die Stromrichtung im Gleichstromkreis: Die Polung unserer Batterien bleibt stets dieselbe
(Gleichstrom-Spannungsquelle). Als Folge davon fliesst auch der Strom im Stromkreis
immer in dieselbe Richtung, weshalb wir von Gleichstrom sprechen.
Im Prinzip ganz willkürlich wurde festgelegt, dass die Stromrichtung vom positiven
zum negativen Pol der Spannungsquelle führt. Dies ist die Richtung des sogenannten
technischen Stromes. Wir zeichnen diese Richtung nicht immer ein, weil sie meistens
gar nicht so wichtig ist. Gegebenenfalls beschriften wir den Stromrichtungspfeil mit einem
I, dem Symbol für die Stromstärke (vgl. Kap. 2).
Achtung! Diese technische Stromrichtung bedeutet nicht, dass in der Realität immer
eine Ladungsbewegung vom Plus- zum Minuspol der Spannungsquelle stattfindet – im
Gegenteil! In den meisten Stromkreisen werden metallene Leiter verwendet und in diesen
sind es die Leitungselektronen, die vom Minus- zum Pluspol der Spannungsquelle fliessen. Unser Taschenlampen-Stromkreis ist das beste Beispiel dafür. Dort besteht nämlich
die gesamte Leitung aus Metall, inkl. dem Glühdraht des Lämpchens! Mehr zu den verschiedenen Arten der elektrischen Leitung erfahren Sie im Abschnitt 1.5.
Also nochmals: Der technische Strom ist einfach ein theoretisches Konstrukt, er
fliesst per Definition vom Plus- zum Minuspol der Spannungsquelle.3
Elektrische Energie – eine wichtige Überlegung: Betrachten wir zwei kugelförmige Körper.
Der eine trage eine positive Ladung, der andere eine negative (vgl. Abb. 1.4). Aufgrund
der Coulombkraft4 ziehen sich diese beiden Körper an. Somit muss man Arbeit verrichten resp. Energie aufwenden, um den Abstand zwischen ihnen zu vergrössern. Wir sagen:
“Jede Ladungstrennung ist mit einem Energieaufwand verbunden.”
Diese Arbeit ist als sogenannte elektrische Energie Eel im Zustand der voneinander
getrennten Ladungen enthalten. Wir bekommen diese Energie zurück, wenn sich die
beiden Körper wieder annähern. Diesen Vorgang bezeichnen wir als Ladungsausgleich:
“Bei jedem Ladungsausgleich wird elektrische Energie freigesetzt.”
Anmerkung: Elektrische Energie ist also eine Energie der Lage – genauer: es kommt auf
die relative Lage elektrischer Ladungen an. Eine solche Energie der Lage bezeichnet man
in der Physik allgemein als potentielle Energie. Aus der Mechanik kennen sie bereits
die potentielle gravitative Energie Epot , bei der es auf die relative Lage von Massen
ankommt, nun haben sie mit der potentiellen elektrischen Energie Eel gesehen, dass man
auch bei elektrischen Ladungen von einer Energie der relativen Lage sprechen kann.
Abbildung 1.4: Ladungstrennung und -ausgleich – das Verständnis der elektrischen Energie.
3
Für die “Gmerkigen”: Innerhalb der Batterie ist es gerade umgekehrt. Dort fliesst der technische Strom vom
Minus- zum Pluspol.
4
Coulombkraft: Elektrische Ladungen mit gleichem Vorzeichen stossen sich gegenseitig ab, Ladungen verschiedenen Vorzeichens ziehen sich gegenseitig an.
6
Energietransport von der Spannungsquelle zum Verbraucher: Jede Spannungsquelle besitzt elektrische Pole, also voneinander getrennte positive und negative Ladungen. D.h.,
jede Spannungsquelle beinhaltet elektrische Energie. Lässt man den Ladungsausgleich
zwischen ihren Polen über einen Stromkreis ablaufen, so kann die dabei freigesetzte
elektrische Energie für den Betrieb von Geräten (Verbraucher) genutzt werden:
Ein Stromkreis befördert Energie von der Spannungsquelle zum Verbraucher!
In unserem Beispiel dient die Batterie als Spannungs- resp. Energiequelle, währenddem
das Lämpchen die Rolle des Verbrauchers übernimmt. Dort wird die elektrische Energie
in innere Energie (Wärme) umgesetzt. Der extrem dünne Glühdraht wird dadurch so
heiss, dass er weiss glüht (ca. 3000 ◦ C!) und deshalb Licht aussendet.
“Reibungsverluste”: Idealerweise sollte die von der Spannungsquelle abgegebene Energie
komplett im Verbraucher umgesetzt werden. Verluste im restlichen Stromkreis sind unerwünscht, aber leider auch unvermeidbar!
Glücklicherweise sind Metalle sehr gute Leiter, sodass in ihnen über kurze Strecken
hinweg und bei geringen Stromstärken kein grosser Energieverlust entsteht. In unserem
Taschenlampenstromkreis geht in der Leitung durch Kabel, Schalter und Steckbrett praktisch keine Energie verloren.
Wie auch immer, auch metallene Leiter sind nicht komplett widerstandsfrei. Im Metall
drin “reibt der Strom” – die Leitungselektronen “stossen an die Atomrümpfe”. Wie stark
diese Reibung ist, hängt einerseits von der Metallsorte ab, andererseits davon, wie dünn
und wie lange das betreffende Metallkabel ist. Z.B. ist der Glühdraht im Glühlämpchen
so dünn, dass er einen erheblichen Engpass für den elektrischen Strom darstellt. Nur
deswegen wird dort so viel Energie freigesetzt.
In nicht-metallenen Leitern ist der Leitungswiderstand deutlich grösser und es geht unterwegs mehr Energie verloren.
“Stromverbrauch” – definitiv der falsche Ausdruck! Als elektrischen Strom bezeichnen wir
die kollektive Bewegung elektrisch geladener Teilchen. In den Metalldrähten unseres
Taschenlampen-Stromkreises wird der Strom durch die Bewegung der Leitungselektronen
ausgemacht. Diese Bewegung startet aber nicht bei der Batterie und endet auch nicht
beim Lämpchen. Im ganzen Stromkreis fliesst überall ein gleich starker Strom. Nirgendwo
wird in diesem Sinne “Strom verbraucht”.
Der Alltagsbegriff “Stromverbrauch” ist also missverständlich. Für den Physikunterricht sollten wir ihn streichen resp. konsequent durch den treffenderen Ausdruck
Verbrauch von elektrischer Energie ersetzen.
Verdeutlichung: Am negativen Pol der Batterie besitzen die Leitungselektronen mehr
elektrische Energie als am positiven. Die Batterie selber (resp. der chemische Prozess in
ihrem Innern) hat sie mit dieser Energie versorgt. Auf ihrem Weg durch den Stromkreis
geben die Elektronen diese elektrische Energie ab – hauptsächlich beim Lämpchen.
Bei seriell geschalteten Spannungsquellen addieren sich die Spannungen: So nebenbei
wollen wir mitnehmen, dass sich die Spannungen zweier hintereinander geschalteter Spannungsquellen zu einer Gesamtspannung aufaddieren. Am Batterieblock wird insgesamt
eine Spannung von 3 V gemessen, wenn die beiden darin enthaltenen Batterien je eine
Spannung von 1.5 V erzeugen.
Dem hintereinander Legen zweier Schaltelemente sagt man Reihen- oder Serieschaltung. Bei der Serieschaltung mehrerer Spannungsquellen ist die Gesamtspannung also
die Summe der Einzelspannungen.
7
1.3
Elektrische Ladung – ein Ausflug in die Welt der Teilchen
Alle Materie, mit der wir es zu tun haben, ist aus Atomen aufgebaut. Diese wiederum enthalten
lediglich drei Sorten von Teilchen: das Elektron e− , das Proton p und das Neutron n.5
Protonen und Neutronen bilden gemeinsam die Atomkerne, währenddem die Elektronen die
um einen Faktor 10 000 bis 100 000 grösseren Atomhüllen ausmachen.
Elektrische Ladung ist eine Eigenschaft dieser Materieteilchen selbst: Jedes Proton trägt
eine positive Elementarladung (qp = +e). Man sagt, es ist einfach positiv geladen, während
jedes Elektron einfach negativ geladen ist (qe = −e). Neutronen tragen keine Ladung, sie
sind elektrisch neutral (qn = 0).
Die Elementarladung e
Sämtliche elektrischen Ladungsmengen, die wir antreffen, sind ganzzahlige
Vielfache der Elementarladung e. Diese besitzt einen Wert von:
e = 1.602 · 10−19 C
auswendig lernen!
Anmerkungen zur elektrischen Ladung
• Die elektrische Ladung ist eine physikalische Grösse, genau wie z.B. die Masse m
oder die Geschwindigkeit v. Deshalb erhält sie zur Abkürzung ein eigenes Symbol, Q,
und eine eigene SI-Grundeinheit, das Coulomb C.
Wenn wir von einzelnen Teilchen, z.B. von Elektronen sprechen, wird statt des grossen
Q’s in der Regel das kleine q als Symbol für die elektrische Ladung verwendet.
• Das Auftreten der Elementarladung, also einer kleinsten, nicht weiter teilbaren Ladungsmenge, ist recht erstaunlich und hat fundamentale Bedeutung. Entsprechend wichtig ist
ihr Wert, den Sie stets auswendig präsent haben sollten.
• Zwischen zwei elektrischen Ladungen herrscht stets eine Coulombkraft: zwei Ladungen mit gleichem Ladungsvorzeichen stossen sich gegenseitig ab, zwei Ladungen mit
verschiedenem Ladungsvorzeichen ziehen sich an.
Die Coulombkraft wird mit zunehmendem Ladungsabstand rasch schwächer, besitzt im
Prinzip aber dennoch eine unendliche Reichweite (Coulombgesetz).
Auf dem Phänomen “Coulombkraft” basiert praktisch die gesamte Chemie: Elektronen
werden durch die Coulombkraft an Atomkerne gebunden und mehrere Atome fügen sich
aufgrund der Coulombkraft zu chemischen Verbindungen, also Stoffen mit neuen Eigenschaften zusammen.
Auch der elektrische Strom lässt sich sehr häufig auf die Coulombkraft zurückführen.
Mehr dazu im nächsten Kapitel.
5
Es gibt durchaus noch weitere Teilchen, vielleicht sogar solche, die wir noch gar nicht kennen. Was aber die
Materie angeht, mit der wir es in der Regel so zu tun haben, so besteht sie zu über 99.999 % aus p, n und e− .
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1.4
Elektrisch geladene Körper und elektrische Pole
Die elektrische Ladung von Gegenständen alltäglicher resp. sichtbarer Grössenordnung (= makroskopische Gegenstände) führen wir auf unterschiedliche Anzahlen von Protonen und Elektronen zurück. Dabei muss ein Körper nicht gleichmässig geladen sein, sondern er kann Stellen
unterschiedlicher Ladungsvorzeichen und -konzentrationen aufweisen:
Elektrisch geladene Körper
Ein positiv geladener Körper beinhaltet mehr Protonen als Elektronen.
Man spricht von einem Elektronenmangel.
Ein negativ geladener Körper beinhaltet mehr Elektronen als Protonen.
Man spricht von einem Elektronenüberschuss.
Ein elektrisch neutraler resp. nicht geladener Körper beinhaltet gleich
viele Elektronen wie Protonen.
Elektrische Pole
Eine positiv geladene Stelle an einem Körper, also eine Stelle mit einem
Elektronenmangel, bezeichnen wir als positiven Pol.
Umgekehrt ist ein negativer Pol eine Stelle mit einem Elektronenüberschuss, also mit negativer Ladung.
Gut zu wissen
• Eine Spannungsquelle ist ein gutes Beispiele für einen makroskopischen Körper mit
elektrischen Polen. Sobald irgendwo durch Reibung statische Elektrizität vorhanden ist,
hat man es ebenfalls mit elektrischen Polen zu tun.
• Körper alltäglicher Grössenordnung können nicht beliebig stark geladen sein, denn:
– Erstens wird es mit zunehmender Ladung an einem Ort immer aufwändiger, die
Ladungskonzentration weiter zu erhöhen.
Sitzen beispielsweise viele Elektronen in einem kleinen Volumen, so ist das Hinzugeben weiterer e− in dieses Volumen schwierig, denn diese werden von der grossen
negativen Ladung der bereits vorhandenen e− stark abgestossen (Coulombkraft).
Auf diese Weise wird z.B. bei der Influenzmaschine (vgl. Abb. 1.5) die Erzeugung
beliebig starker Ladungen verhindert.
– Zweitens wird bei hohen Ladungskonzentrationen und nicht zu grossem Abstand
zum nächsten Körper die Luft zwischen diesen Körpern leitend und es findet ein
Ladungsausgleich statt.
Dieses Phänomen kennen Sie bestens unter dem Namen Blitz.
Werden die beiden Pole der Influenzmaschine genügend nahe zueinander gebracht,
so lässt sich dieser Blitz beobachten.
Gegenstände alltäglicher Grössenordnung tragen niemals mehr als 10−6 C (= 1 Millionstel
Coulomb). In Wolken können durch Reibungselektrizität aber durchaus Ladungsmengen
in der Grössenordnungen ganzer Coulombs entstehen.
An diesen Beispielen sehen Sie, dass das Coulomb eine enorm grosse Einheit ist.
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• Einzelne Atome und Moleküle (= Teilchen, die aus ein paar wenigen Atomen bestehen) nehmen je nach Zusammensetzung gerne ein bis drei Elektronen auf oder geben
gerne ein bis drei Elektronen ab. Man spricht dann von einem geladenen Atom resp.
Molekül und verwendet dafür den Oberbegriff Ion. Ein Ion ist also ein Teilchen atomarer
Grössenordnung, das ein bis drei positive oder negative Elementarladungen trägt.
Z.B. haben das Cl− -Ion oder das OH− -Ion je ein zusätzliches Elektron aufgenommen und
sind deshalb einfach negativ geladen. Umgekehrt haben das H3 O+ -Ion oder das Mg2+ -Ion
ein resp. zwei Elektronen abgegeben und sind nun einfach resp. doppelt positiv geladen.
• Die Erde ist insgesamt eine mehr oder weniger elektrisch neutrale und leitende Kugel.
Wegen ihrer Grösse darf man sie als beinahe unendliches Ladungsreservoir ansehen.
Eine Erdung, also ein elektrisch leitender Kontakt mit dem Erdboden, neutralisiert einen
geladenen Körper. Die Erde kann beliebig viele Elektronen aufnehmen oder abgeben.
Da wir Menschen in der Regel ebenfalls elektrisch neutral sind – wofür mitunter ein
praktisch ständiger Kontakt mit der Erde sorgt – herrscht zwischen uns und der Erde
normalerweise keine Spannung. Geerdete Gegenstände sind somit für uns elektrisch gefahrlos und Erdungen sind Schutzvorrichtungen. Das mittlere Steckdosenloch ist eine
solche Erdung.
Über Erdungen lassen sich Stromkreise schliessen, was z.B. beim Morseapparat oder bei
Kuhdrähten ausgenutzt wird.
• Mit einer Glimmlampe (vgl. Abb. 1.5) lassen sich Ladungssorten voneinander unterscheiden. Lässt man den Ladungsausgleich zwischen zwei Körpern über die Glimmlampe
ablaufen, so leuchtet sie auf der Seite auf, welches elektrisch negativer geladen war.
Ist die eine Seite mit einer Erdung, also mit eine elektrisch neutralen Ort verbunden, so
sieht man auf diese Weise, ob die andere Seite positiv oder negativ geladen war.
Abbildung 1.5: Influenzmaschine und Glimmlampe.
1.5
Elektrischer Strom, Ladungsträger, Leiter und Isolatoren
Manche Stoffe – und zwar nicht nur Festkörper, sondern durchaus auch Flüssigkeiten und
manchmal sogar Gase – leiten den elektrischen Strom, andere nicht. Weshalb? Worin unterscheiden sich denn leitende und nicht-leitende Stoffe? Um diese Frage zu beantworten, muss
zuerst gesagt werden, was elektrischer Strom überhaupt ist:
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Welche Vorstellung hat die Physik vom elektrischen Strom?
Elektrischer Strom ist die kollektive Bewegung elektrischer Ladungsträger, also von elektrisch geladenen Teilchen.
Diesen simplen Satz vor Augen wird nun klar, welche Bedingung ein Stoff auf der Ebene der
Teilchen erfüllen muss, um elektrisch leitend zu sein!
Wann leitet ein Stoff den elektrischen Strom?
Ein Stoff leitet den elektrischen Strom genau dann, wenn es in ihm frei bewegliche
elektrische Ladungsträger gibt. Man spricht von einem elektrischen Leiter.
Sind umgekehrt alle Ladungsträger an ihren Ort im Material gebunden oder besteht
der Stoff überhaupt nur aus elektrisch neutralen Teilchen, so leitet er nicht und wir
sprechen von einem elektrischen Isolator.
Leitungseigenschaften verschiedener Stoffe
In vielen Metallen gibt es etwa 1 Leitungselektron pro Atom, welches sich frei
im Material bewegen kann, solange die Lücke, die es hinterlässt durch ein anderes
Leitungselektron aufgefüllt wird. Metalle sind daher sehr gute elektrische Leiter!
In Flüssigkeiten und Gasen müssen Ionen, also einzelne geladene Atome oder
Atomverbände, vorhanden sein, wenn der Stoff leitend sein soll. Salzlösungen, Säuren und Basen leiten deshalb recht gut. Reines Wasser hingegen leitet sehr schlecht!
In Isolatoren gibt es keine frei beweglichen Ladungsträger. Alle geladenen Teilchen sind an ihren Ort gebunden. Die meisten Kunststoffe isolieren gut, ebenso
Keramiken.
1.6
Wirkungen des elektrischen Stromes
Elektrischer Strom bedeutet Energietransport von einer Spannungsquelle an einen Verbraucher.
Dort muss sie natürlich auch umgesetzt werden. Was für Energieumsetzungen sind das? Was
kann man mit elektrischem Strom anstellen? Anders gefragt: Welche Wirkungen kann elektrischer Strom haben? An welchen Phänomenen lässt er sich erkennen? Hier die drei für den
Alltag wichtigsten Antworten:
Die Wärmewirkung: Jeder Leiter setzt dem elektrischen Strom einen bestimmten Widerstand entgegen. Z.B. ist dasFliessen der Elektronen im Innern eines Drahtes mit Reibung
verbunden! Durch diese innere Reibung erwärmt sich der Leiter. Man spricht von der
Wärmewirkung des elektrischen Stromes oder von der Joule’schen Wärme.6
Meistens ist die Wärmewirkung des Stromes eher unerwünscht, da sie einen Energieverlust bedeutet. Z.B. wäre es schön über Computer zu verfügen, die nicht heiss werden.
Man bräuchte dann keine Kühlung.Im konventionellen Elektroherd, im Haarföhn, im
Bügeleisen und in Glühlampen wird die Joule’sche Wärme hingegen bewusst genutzt.
6
Seit 1911 kennt man ein Phänomen, bei welchem die Wärmewirkung eines Stroms komplett verschwindet,
die Supraleitung. Werden bestimmte Leitermaterialien unter eine vom Material abhängige Sprungtemperatur
abgekühlt, so fällt die Wärmewirkung des Stromes ganz weg und der Leiter ist total widerstandsfrei. Allerdings
sind diese Sprungtemperaturen bei allen bekannten supraleitenden Materialen derart tief, dass eine technische
Ausnutzung des Phänomens für den Alltag bis heute nicht in Betracht kommt.
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Die elektromagnetische Wirkung: Elektrizität und Magnetismus sind eng miteinander verbunden. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde dieser Zusammenhang theoretisch so weit
entwickelt, dass Magnetismus seither nur noch als Teil der Elektrizitätslehre angesehen wird und nicht mehr als eigenständiges Gebiet der Physik gilt.7 Elektrische Ströme
erzeugen und wechselwirken mit magnetischen Phänomenen. Wir sprechen von der elektromagnetischen Wirkung des elektrischen Stromes, abgekürzt: em-Wirkung.
Die Alltagsanwendungen des Elektromagnetismus sind zahlreich und für unsere Zivilisation von grosser Bedeutung. Z.B. beruht die Funktionsweise aller Elektromotoren auf
der em-Wirkung. Und dass in Kraftwerken Strom erzeugt werden und über Hochspannungsleitungen zu uns in die Haushalte geliefert werden kann, geht ebenfalls auf die
em-Wirkung zurück. Sowohl Generatoren, als auch Transformatoren bedienen sich der
em-Wirkung. Siebilden das Rückgrat unserer modernen, elektrifizierten Gesellschaft!
Eine der einfachsten Anwendung der em-Wirkung ist der Elektromagnet. Durch mehrfache Wicklung eines Drahtes zu einer Spule wird die em-Wirkung des Stromes verstärkt.
Ebenso durch einen Eisenkern im Inneren der Spule. Das Tolle am Elektromagneten ist,
dass er sich durch Knopfdruck ein- und ausschalten lässt.
Die chemische Wirkung: Chemische Reaktionen sind Umplatzierungen von Elektronen auf
der Grössenordnung von Atomen. Diese Umplatzierungen sind mit einem Umsatz an
elektrischer Energie verbunden, welche man in diesem Zusammenhang häufig als chemische Energie bezeichnet. Das Fliessen eines Stromes hat ebenfalls mit einem Umsatz an
elektrischer Energie zu tun. Ladungsträger bewegen sich, weil sie dabei elektrische Energie abgeben können. Es erstaunt daher nicht, dass elektrischer Strom mit chemischen
Reaktionen einhergehen kann. Strom kann eine chemische Wirkung zeigen.
Typische Beispiele dafür sind die Elektrolyse – die Aufspaltung von Wasser in Sauerstoff
und Wasserstoff – aber auch die herkömmliche Batterie, bei deren Betrieb umgekehrt
das Ablaufen einer chemischen Reaktion den Strom hervorruft. Beim Aufladen eines
Akkus lässt dann der Strom den chemischen Prozess in die Gegenrichtung ablaufen.
Im Alltag bemerken und verwenden wir vor allem die Wärme- und die em-Wirkung. Die
chemische Wirkung ist – mit Ausnahme von Batterien – weniger präsent.8
Die wichtigsten Auswirkungen des elektrischen Stromes
•
Joule’sche resp. Wärmewirkung
Der elektrische Strom erwärmt den Leiter, in welchem er fliesst.
•
Elektromagnetische resp. em-Wirkung
Elektrischer Strom zeigt magnetische Wirkungen und wird umgekehrt
durch Magnetismus beeinflusst.
•
Chemische Wirkung
Elektrischer Strom kann chemische Reaktionen hervorrufen und umgekehrt selber durch solche Reaktionen erzeugt werden.
7
In diesem Physik-Skript widmet sich der gesamte zweite Teil dem Elektromagnetismus.
Im Grunde genommen sind alle Wirkungen des elektrischen Stromes elektromagnetisch. Die vorliegende
Aufzählung ist lediglich ein Versuch die verschiedenen Wirkungen etwas zu gliedern, sodass wir einfach darüber
reden können.
8
12
Abbildung 1.6: Verschiedene Wirkungen des elektrischen Stroms:
Die Joule’sche Wärme (Wärmewirkung) wird z.B. beim Bügeleisen, der Glühlampe, aber auch
bei der Schmelzdrahtsicherung ausgenutzt.
Die em-Wirkung wird bei Elektromagneten, aber auch bei Hausklingeln oder – ganz wichtig –
in Elektromotoren ausgenutzt, z.B. auch im Staubsauger.
Bei der Elektrolyse von Wasser werden die H2 O-Moleküle in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespaltet (chemische Wirkung).
13
Abbildung 1.7: Eine Auswahl verschiedener Schaltsymbole und ihrer Bedeutungen.
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