2 Die elektromagnetische Theorie des Lichts 2.1 Zur Erinnerung: Maxwell-Gleichungen Elektromagnetische Phänomene in Materie können durch die makroskopischen MaxwellGleichungen beschrieben werden: ∇ · D (r, t) ∇ × E (r, t) ∇ · B (r, t) ∇ × H (r, t) = = = = ̺ (r, t) , −Ḃ (r, t) , 0, j (r, t) + Ḋ (r, t) . (2.1.1) (2.1.2) (2.1.3) (2.1.4) Weiterhin gilt definitionsgemäß: D (r, t) = ǫ0 E (r, t) + P (r, t) , (2.1.5) B (r, t) = µ0 H (r, t) + M (r, t) . (2.1.6) Hier und im Folgenden werden alle Größen im SI-Einheiten-System angegeben: • Elektrische Feldstärke: [E] = V m−1 • Elektrische Flußdichte: [D] = A s m−2 • Magnetische Flußdichte: [B] = V s m−2 • Magnetische Feldstärke: [H] = A m−1 • Freie Stromdichte: [j] = A m−2 • Magnetisierung: [M] = V s m−2 • Elektrische Polarisation: [P ] = A s m−2 2-1 2 Die elektromagnetische Theorie des Lichts • Freie Ladungsdichte: [̺] = A s m−3 • Dielektrizitätskonstante des Vakuums: ǫ0 = 8.8542 × 10−12 A s V−1 m−1 • Magnetische Permeabilität des Vakuums: µ0 = 4π × 10−7 V s A−1 m−1 Zusätzlich zu den Maxwell-Gleichungen benötigen wir noch eine Beschreibung der materialspezifischen optischen Eigenschaften. Wir wollen hier zunächst die elektrische Polarisation P (r, t) betrachten, die als das Dipolmoment pro Volumen definiert ist. Für kleine elektrische Feldstärken gilt (oftmals): P (r, t) = ǫ0 Zt −∞ χe (t − t′ ) E (r, t′ ) dt′ . (2.1.7) In diesem Ansatz wird die Antwort des Materials auf ein äußeres elektrische Feld durch die elektrische Suszeptibilität χe (t − t′ ) beschrieben. Wir haben hier angenommen, dass χe (t − t′ ) ein Skalar ist und somit P k E. Diese Annahme gilt z.B. nicht in uniaxialen oder biaxialen Kristallen. Im Allgemeinen ist χ̂e (t − t′ ) ein Tensor 2. Stufe und P ∦ E. Weiterhin können für große elektrische Feldstärken können auch Terme P ∝ E 2 , P ∝ E 3 , ... auftreten. Die daraus resultierenden Phänomene werden im Rahmen der nichtlineare Optik behandelt. Experimente: Kristall aus Kalkspat, grüner Laserpointer. Gleichung (2.1.7) kann weiter vereinfacht werden, wenn wir uns auf monochromatische elektrische Felder der Form E (r, t) = E(r) cos(ωt + ϕ) beschränken. In diesem Fall empfiehlt sich ein Wechsel von der Zeitdomäne in die Frequenzdomäne mittels FourierTransformation: f˜(ω) = F {f (t)} = Z∞ f (t)eıωt dt. (2.1.8) −∞ Die zugehörige Rücktransformation ist gegeben durch: f (t) = F −1 n o 1 f˜(ω) = 2π Z∞ −ıωt ˜ f(ω)e dω. (2.1.9) −∞ Durch Anwendung des Faltungssatzes der Fourier-Transformation auf F {P (r, t)} erhalten wir: P (r, ω) = ǫ0 χe (ω) E (r, ω) . (2.1.10) Hier sind P (r, ω), E (r, ω) und χe (ω) die Fouriertransformierten von P (r, t), E (r, t) und χe (t). Da sowohl E (r, t) als auch P (r, t) als Messgrößen reellwertig sind, muss auch χe (t) 2-2 2.2 Elektromagnetische Wellen eine reellwertige Größe sein. Aus χ∗e (t) = χe (t) folgt zusammen mit den Eigenschaften der Fouriertransformation, dass χe (ω) = χ∗e (−ω). Die Materialgleichung (2.1.5) kann in der Frequenzdomäne in der folgenden, einfachen Form angegeben werden: D (r, ω) = ǫ0 E (r, ω) + P (r, ω) = ǫ0 ǫ (ω) E (r, ω) . (2.1.11) Hier haben wir im letzten Schritt die dielektrische Funktion ǫ (ω) = 1 + χe (ω) (2.1.12) eingeführt. Analog können wir die Magnetisierung M (r, ω) mit Hilfe der magnetischen Suszeptibilität χm (ω) schreiben als: M (r, ω) = µ0 χm (ω) H (r, ω) . (2.1.13) Die Materialgleichung (2.1.6) nimmt damit in der Frequenzdomäne die folgende Form an: B (r, ω) = µ0 H (r, ω) + M (r, ω) = µ0 µ (ω) H (r, ω) . (2.1.14) Hierbei ist µ (ω) = 1 + χm (ω) (2.1.15) die sogenannte magnetische Permeabilität. 2.2 Elektromagnetische Wellen 2.2.1 Wellengleichung Eine wichtige Konsequenz der Maxwell-Gleichungen ist die Existenz von elektromagnetischen Wellen. Zur Ableitung der Wellengleichung gehen wir von den makroskopischen Maxwell-Gleichungen und den Material-Gleichungen aus: ∇ · D (r, t) ∇ × E (r, t) ∇ · B (r, t) ∇ × H (r, t) D (r, t) B (r, t) = = = = = = ̺ (r, t) , −Ḃ (r, t) , 0, j (r, t) + Ḋ (r, t) . ǫ0 E (r, t) + P (r, t) , µ0 H (r, t) + M (r, t) . (2.2.1) (2.2.2) (2.2.3) (2.2.4) (2.2.5) (2.2.6) 2-3 2 Die elektromagnetische Theorie des Lichts Zunächst wenden wir ∇× auf Gleichung (2.2.2) an und erhalten: ∇ × ∇ × E (r, t) = −∇ × ∂B (r, t) . ∂t (2.2.7) Im nächsten Schritt vertauschen wir die Reihenfolge von ∂/∂t und ∇×: ∇ × ∇ × E (r, t) = −∂/∂t (∇ × B (r, t)) . (2.2.8) Durch Substitution von Gleichung (2.2.6) und (2.2.4) in Gleichung (2.2.8) erhalten wir die Wellengleichung für das elektrische Feld: ∇ × ∇ × E (r, t) + µ0 ǫ0 ∂ 2 E (r, t) ∂ 2 P (r, t) ∂ ∂M (r, t) = −µ − µ j (r, t) − ∇ × . (2.2.9) 0 0 ∂t2 ∂t2 ∂t ∂t Anhand einer analogen Ableitung erhalten wir die folgende Wellengleichung für das magnetische Feld: ∇ × ∇ × H (r, t) + µ0 ǫ0 ∂ 2 H (r, t) ∂P (r, t) ∂ 2 M (r, t) = ∇ × j (r, t) + ∇ × − ǫ . (2.2.10) 0 ∂t2 ∂t ∂t2 Die beiden Wellengleichungen (2.2.9) und (2.2.10) sind unabhängig von den jeweiligen Materialeigenschaften gültig. Die Terme auf den rechten Seiten der beiden Wellengleichungen wirken als Quellen für elektromagnetische Strahlung. Mathematischer Einschub Eindimensionale Wellengleichung Die eindimensionale homogene Wellengleichung ∂2Ψ 1 ∂2Ψ = . ∂x2 v 2 ∂t2 (2.2.11) besitzt Lösungen der Form Ψ (x, t) = f (x − vt) . Hierbei ist f (x) eine beliebige zweimal differenzierbare Funktion. Beweis: Wir definieren u− = x − vt. 2-4 (2.2.12) 2.2 Elektromagnetische Wellen Damit gilt: ∂Ψ ∂f ∂u− ∂f = = ∂x ∂u− ∂x ∂u− ∂2Ψ ∂ = 2 ∂x ∂x ∂Ψ ∂x ! (2.2.13) " ∂ = ∂u− ∂f ∂x !# ∂u− ∂2f = ∂x ∂u2− (2.2.14) ∂Ψ ∂f ∂u− ∂f = = −v ∂t ∂u− ∂t ∂u− ∂ ∂2Ψ = 2 ∂t ∂t ∂f ∂t ! " ∂ = ∂u− (2.2.15) ∂f ∂t !# " ∂u− ∂ ∂f = −v −v ∂t ∂u− ∂u− !# = v2 ∂2f ∂u2− (2.2.16) Der Vergleich zeigt: ∂2Ψ 1 ∂2Ψ = 2 2. ∂x2 v ∂t (2.2.17) Ψ(x,t=t0) q.e.d. f(x-vt0) x Ψ(x,t=t0+Dt) Dx = v Dt f(x-v[t0+Dt]) x0 x0+Dx x Analog lässt sich zeigen, dass g (x + vt) ebenfalls die Gleichung (2.2.11) erfüllt. Die Lösungen der Wellengleichung können wir wie folgt interpretieren: • f (x − vt) ist eine mit der Geschwindigkeit v nach rechts laufende Welle konstanter Form. • g (x + vt) ist eine mit der Geschwindigkeit v nach links laufende Welle konstanter Form. 2-5 2 Die elektromagnetische Theorie des Lichts Experiment: Seilwelle. Da die Wellengleichung (2.2.11) eine lineare Gleichung ist gilt das Superpositionsprinzip: Sind Ψ1 und Ψ2 zwei unabhängige Lösungen der Wellengleichung, dann ist auch (Ψ1 + Ψ2 ) eine Lösung. Wellen können also überlagert werden. Die gesamte Wellenfunktion ergibt sich aus der algebraischen Summe aller Wellenfunktion an einem bestimmten Ort zu einem Zeitpunkt. Das Superpositionsprinzip bildet die Grundlage vieler Wellenphänomene. Harmonische Wellen Wir untersuchen im Folgenden harmonische Wellen der Form Ψ (x, t) = A sin (kx − ωt + ϕ0 ) . (2.2.18) Hierbei ist A: k: ω: ϕ0 : Amplitude. Wellenzahl. Winkelgeschwindigkeit. Anfangsphase. Einsetzen der harmonischen Welle (2.2.18) in die Wellengleichung (2.2.11) liefert: v= ω . k (2.2.19) Harmonische Wellen sind sowohl räumlich als auch zeitlich periodisch. Die räumlich Periode wird als Wellenlänge λ bezeichnet. Aus Ψ(x, t) = Ψ(x ± λ, t) folgt: kλ = 2π. (2.2.20) Für die zeitliche Periode T ergibt sich aus Ψ(x, t) = Ψ(x, t ± T ): ωT = 2π. (2.2.21) Die Frequenz der harmonischen Welle ist definiert als: ν≡ 2-6 1 ω = . T 2π (2.2.22) l A Ψ(x,t=T/2) Ψ(x,t=T/4) Ψ(x,t=0) 2.2 Elektromagnetische Wellen x x x Die mathematische Behandlung der Wellengleichung vereinfacht sich oftmals durch die formale Einführung einer komplexen Wellenfunktion: Ψ (x, t) = A [cos (kx − ωt + ϕ0 ) + ı sin (kx − ωt + ϕ0 )] = Ãeı(kx−ωt) . (2.2.23) Hierbei ist à = Aeıϕ0 die komplexwertige Amplitude. Wichtig: Physikalisch relevant ist im Rahmen der Elektrodynamik nur ℜ (Ψ). Ebene Wellen Wir betrachte jetzt die vektorielle, dreidimensionale, homogene Wellengleichung: ∂2Ψ ∂2Ψ ∂2Ψ 1 ∂2Ψ + + = . ∂x2 ∂y 2 ∂z 2 v 2 ∂t2 (2.2.24) Ψ ist jetzt ein Vektorfeld. Jede der drei kartesischen Komponeneten Ψj , j = x, y, z ist eine Lösung der skalaren, dreidimensionale Wellengleichung: ∂ 2 Ψj ∂ 2 Ψj ∂ 2 Ψj 1 ∂ 2 Ψj + + = . ∂x2 ∂y 2 ∂z 2 v 2 ∂t2 (2.2.25) 2-7 2 Die elektromagnetische Theorie des Lichts Ebene Wellen der Form Ψ (r, t) = Ãeı(kx x+ky y+kz z−ωt) = Ãeı(k·r−ωt) (2.2.26) sind Lösungen der vektoriellen, dreidimensionalen Wellengleichung. Hier ist à der komplexwertige, konstante Amplitudenvektor und k = (kx , ky , kz ) der Wellenvektor. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt t′ stehen die Ebenen konstanter Phase ϕ = k · r − ωt′ = const senkrecht zu k. Die Wellenfunktion ist in einer Ebene konstanter Phase zu einem gegebenen Zeitpunkt konstant. Der Abstand zweier benachbarter Ebenen mit der selben Phase zu einem gegebenen Zeitpunkt definiert die Wellenlänge λ. Die Ebenen konstanter Phase bewegen sich mit der Phasengeschwindigkeit vPhase = ω ek |k| (2.2.27) in die Richtung des Wellenvektors. 2.2.2 Ebene Wellen in Vakuum Nach diesem mathematischen Einschub wollen wir elektromagnetische Wellen in Vakuum untersuchen. Mit P = 0, M = 0, ∇ · E = 0, j = 0, ̺ = 0 sowie der Vektoridentität ∇ × ∇× = −∇2 + ∇∇· vereinfacht sich Gleichung (2.2.9) zu: ∇2 E (r, t) − µ0 ǫ0 ∂ 2 E (r, t) = 0. ∂t2 (2.2.28) Wir betrachten im Folgenden harmonische ebene Wellen1 : E (r, t) = E0 eı(k0 ·r−ωt) , (2.2.29) B (r, t) = B0 eı(k0 ·r−ωt) (2.2.30) mit konstanten Amplitudenvektoren E0 und B0 . Harmonische ebene Wellen sind eine Idealisierung (unendliche räumliche und zeitliche Ausdehnung der Welle). Sie können aber häufig zur Beschreibung von „einfarbigen“ elektromagnetischen Wellen benutzt werden, die in einem Raumgebiet annähernd konstante Amplitudenvektoren aufweisen. Einsetzen von E (r, t) in Gleichung (2.2.28) liefert die Dispersionsrelation k0 · k0 = k02 = ǫ0 µ0 ω 2 = 1 ω2 . c20 (2.2.31) Zur Erinnerung: Physikalisch relevant ist jeweils nur der Realteil der so definierten ebenen Wellen! 2-8 2.2 Elektromagnetische Wellen Hierbei ist c0 die Vakuumlichtgeschwindigkeit c0 = √ 1 . ǫ0 µ0 (2.2.32) Definitionsgemäß gilt: c0 = 299792458 m s−1 . Experiment: „Messung“ der Lichtgeschwindigkeit. Die Ebenen konstanter Phase breiten sich mit der Phasengeschwindigkeit vPhase = ω0 êk = c0 êk |k0 | (2.2.33) in Richtung êk (Einheitsvektor parallel zum Wellenvoektor k0 ) aus. Der Abstand zweier benachbarter Ebenen mit identischer Phasenlage definiert die Wellenlänge λ0 = 2π . |k0 | (2.2.34) Wellenlänge und Frequenz sind über die Dispersionsrelation miteinander verknüpft: λ0 ν0 = c0 . (2.2.35) Beispiel: He-Ne Laser (rotes Licht) • Wellenlänge: λ0 = 632, 8 nm. • Frequanz: ν0 = 473, 7 THz. Als nächstes wollen wir die relative Orientierung von E0 , B0 und k0 untersuchen. Aus ∇ · E (r, t) = 0 folgt: k0 · E0 = 0. (2.2.36) Der Amplitudenvektor des elektrischen Feldes steht also senkrecht auf dem Wellenvektor. Aus ∇ · B (r, t) = 0 ergibt sich entsprechend, dass auch der Amplitudenvektor des Magnetfeldes senkrecht zum Wellenvektor orientiert ist. Weiterhin folgt aus ∇ × E (r, t) = −Ḃ (r, t), dass k0 × E0 = ωB0. (2.2.37) Dies können wir zu B0 = 1 (k × E0 ) ω (2.2.38) 2-9 2 Die elektromagnetische Theorie des Lichts Abbildung 2.1: Ebene elektromagnetische Welle in Vakuum. umformen. Somit steht der Amplitudenvektor der magnetischen Flußdichte auch senkrecht zum Amplitudenvektor der elektrischen Feldstärke. Licht ist in einem isotropen Medium also eine transversale elektromagnetische Welle und die drei Vektoren k0 , E0 und B0 definieren ein rechtshändiges Koordinatensystem. Die Impedanz2 des Vakuums ist definiert als E0 = Z0 = H0 s µ0 ≈ 377Ω. ǫ0 (2.2.39) Mit Hilfe von Z0 können wir die Amplitude des Magnetfeldvektors schreiben als: H0 = 1 (êk × E0 ). Z0 (2.2.40) 2.2.3 Ebene Wellen in isotropen magnetodielektrischen Materialien Licht ist in Materie keine reine elektromagnetische Welle, sondern ein Mischzustand aus elektromagnetischer Welle und Materialanregung (Polarisation, Magnetisierung und induzierten Ströme). Wir betrachten im Folgenden ein magnetodielektrisches Medium, dass durch die folgenden Materialgleichungen charakterisiert wird: D (r, ω) = ǫ0 ǫ (ω) E (r, ω) , B (r, ω) = µ0 µ (ω) H (r, ω) , j = 0, ̺ = 0. Für monochromatische Felder 2 E (r, t) = E (r) e−ıωt , (2.2.41) B (r, t) = B (r) e−ıωt (2.2.42) Wir werden später sehen, dass Unterschiede in der Impedanz zweier Medien zur partiellen Reflexion einer einlaufenden Welle an der Grenzfläche zwischen den Medien führt. 2-10 2.2 Elektromagnetische Wellen können wir die Wellengleichung durch die Ersetzung ∂/∂t → −ıω vereinfachen und erhalten die Helmholtz-Gleichung: h i ∇2 + µ0 ǫ0 ǫ (ω) µ (ω) ω 2 E (r) = 0. (2.2.43) Durch Einsetzen kann sofort bestätigt werden, dass ebene Wellen E (r) = E0 eık·r , (2.2.44) B (r) = B0 eık·r (2.2.45) Lösungen der Helmholtz-Gleichung in isotropen Medien darstellen und dass das magnetodielektrisches Material durch die folgende Dispersionsrelation charakterisiert wird: k·k= ω2 ǫ (ω) µ (ω) . c20 (2.2.46) Der Wellenvektor k ist im Medium über die Beziehung k = n (ω) k0 , (2.2.47) mit dem Vakuum-Wellenvektor k0 verknüpft. Hierbei haben wir den Brechungsindex n (ω) definiert als3 n (ω) = q ǫ (ω) µ (ω). (2.2.48) Im Allgemeinen sind sowohl der Brechungsindex n (ω) = n′ (ω) + ı n′′ (ω) als auch der Wellenvektor k = k′ +ı k′′ komplexe Größen. In absorbierenden Medien fällt die Amplitude der Welle exponentiell in der Propagationsrichtung ab: ′ ′′ (2.2.49) ′ ′′ (2.2.50) E (r, t) = E0 eı(k ·r−ωt) e−k ·r , B (r, t) = B0 eı(k ·r−ωt) e−k ·r . Außerdem sind in Medien mit komplexen Brechungsindex das elektrische Feld und die magnetische Flußdichte nicht in Phase (Beweis: Übung). Die Wellenlänge im Medium λ ist definiert als der Abstand zweier aufeinanderfolgender Ebenen mit der selben Phasenlage. Damit gilt: λ= 3 2π λ0 = ′ . ′ |k | |n (ω) | (2.2.51) Wir nehmen hier an, dass ℜ(ǫ) > 0, ℜ(µ) > 0. 2-11 2 Die elektromagnetische Theorie des Lichts Die Phasengeschwindigkeit im Medium ist gegeben durch: ω c0 |vPhase | = ′ = ′ . |k | |n (ω) | (2.2.52) Für die Impedanz des Mediums finden wir: Z (ω) = v u u µ0 µ (ω) t . ǫ0 ǫ (ω) (2.2.53) Experiment: Bestimmung des Brechungsindex mit dem Entfernungsmesser. 2.2.4 Energietransport durch elektromagnetische Wellen Im Folgenden wollen wir den Energietransport durch elektromagnetische Wellen untersuchen. Bevor wir eine theoretisch stringente Behandlung des Problems präsentieren, wollen wir uns zunächst von unserer Anschauung leiten lassen. Experiment: Energietransport durch Licht. Abbildung 2.2: Intensive Laserstrahlung kann zur Materialbearbeitung verwendet werden. Bildquelle: Trumpf GmbH & Wikipedia. Anschauliche Betrachtung des Energietransports In der Physik II- Vortelsung haben wir gelernt, dass in statischen elektrischen und magnetischen Feldern Energie gespeichert ist: • Energiedichte des elektrischen Feldes (z.B. in einem Kondensator): 1 wel = ED. 2 2-12 (2.2.54) 2.2 Elektromagnetische Wellen • Energiedichte des magnetischen Feldes (z.B. in einer Spule): 1 wmag = HB. 2 (2.2.55) Wir verallgemeinern dies nun auf den dynamischen Fall und nehmen an, dass die Energiedichte einer elektromagnetischen Welle in einem transparenten, nichtdispersiven Medium (ǫ = ǫ′ und µ = µ′ ) durch 1 1 wem (r, t) = E (r, t) · D (r, t) + B (r, t) · H (r, t) 2 2 (2.2.56) gegeben ist4 . Sichtbares Licht liegt im Frequenzbereich von etwa 380 THz bis 790 THz. Die zugehörige Energiedichte wem (r, t) ist somit eine zeitlich schnell veränderliche Größe. Wir sind daher im allgemeinen nur am zeitlichen Mittelwert interessiert: 1ZT wem (r, t) dt, T 0 wobei T die Mittelungsdauer ist. hwem (r)i = (2.2.57) Wir betrachten ab jetzt monochromatisches Licht und wählen als Ansatz für das elektromagnetische Feld eine ebene Welle: E (r, t) = E0 eı(k·r−ωt) , B (r, t) = B0 eı(k·r−ωt) . (2.2.58) (2.2.59) Da im Ausdruck für die Energiedichte Produkte von Feldern auftreten, dürfen wir die komplexen Felder nicht einfach in Gleichung (2.2.56) einsetzen! Eine kurzen Rechnung zeigt (Beweis: Übung), dass für zwei komplexe Vektorfelder a (r, t) = a0 (r) e−ıωt und b (r, t) = b0 (r) e−ıωt der folgende Zusammenhang gilt: 1 hℜ (a) · ℜ (b)i = ℜ (a0 · b∗0 ) . (2.2.60) 2 Damit können wir den zeitlichen Mittelwert des elektrischen Anteils der Energiedichte ausdrücken als: 1 < ℜ [E (r, t)] · ℜ [D (r, t)] > 2 i 1 h = ℜ E0 eık·r · ǫ0 ǫE∗0 e−ık·r 4 1 = ǫ0 ǫ |E0|2 . 4 hwe i = 4 (2.2.61) Wichtig: Gleichung (2.2.56) ist für dispersive, absorbierende Medien nicht gültig! 2-13 2 Die elektromagnetische Theorie des Lichts Eine analoge Herleitung liefert mit k × E0 = ωB0 für den zeitlichen Mittelwert des magnetischen Anteils der Energiedichte: 1 1 hwm i = hℜ [B (r, t)] · ℜ [H (r, t)]i = ǫ0 ǫ |E0 |2 . 2 4 (2.2.62) Im zeitlichen Mittel ist die elektrische Energiedichte gleich der magnetischen Energiedichte. Insgesamt erhalten wir also: 1 hwem i = hwe i + hwm i = ǫ0 ǫ |E0|2 . 2 (2.2.63) Zur Erinnerung Die Stromdichte einer mengenartigen Größe gibt an, welche Menge dieser Größe pro Zeiteinheit durch eine Einheitsfläche senkrecht zur Ausbreitungsrichtung fließt. Dabei gilt: Stromdichte = Dichte · Ausbreitungsgeschwindigkeit. (2.2.64) Beispiel elektrische Stromdichte: j = ρv (2.2.65) mit der Ladungsdichte ρ und der Ausbreitungsgeschwindigkeit v. Der Betrag des zeitlichen Mittelwerts der elektromagnetische Energiestromdichte heißt Intensität I. Für eine ebene Welle in einem nichtdispersiven, transparenten Medium sollte nach den obigen Überlegungen gelten: I = chwem i = 1 c ǫ0 ǫ |E0|2 . 2 (2.2.66) Poynting-Theorem Wir wollen nun den Energietransport durch elektromagnetische Felder theoretisch stringent behandeln. Hierzu betrachten wir zunächst ein Teilchen mit Ladung q und Geschwindigkeit v in einem elektromagnetischen Feld. Auf das Teilchen wirkt die Lorentzkraft: F = q (E + v × B) . (2.2.67) Bei der Verschiebung um die Strecke dr leistet das Feld die Arbeit: dW = F · dr = qE · dr. 2-14 (2.2.68) 2.2 Elektromagnetische Wellen Dies zugehörige Leitung ist gegeben durch: dW = qv · E. dt (2.2.69) Für eine kontinuierliche Ladungsverteilung mit Ladungsdichte ρ(r, t) gilt für die Arbeitsleistung des elektromagnetischen Feldes im Volumen V entsprechend: dWV = dt Z V ρ(r, t)v(r, t) · E(r, t)d3r = Z V j(r, t) · E(r, t)d3r. (2.2.70) Mit Hilfe der Maxwell-Gleichung (2.1.4) finden wir: j·E =E·∇×H−E· ∂D . ∂t (2.2.71) Weiterhin gilt die Vektoridentität: ∇ · (E × H) = H · ∇ × E − E · ∇ × H. (2.2.72) Zusammen mit der Maxwell-Gleichung (2.1.2) können wir dies schreiben als: ∇ · (E × H) = −H · ∂B − E · ∇ × H. ∂t (2.2.73) Wir erhalten damit für die Arbeitsleistung des elektromagnetischen Feldes im Volumen V: dWV = dt Z " V # ∂B ∂D −H · −E· − ∇ · (E × H) d3 r. ∂t ∂t (2.2.74) Wir wollen nun annehmen, dass das Medium transparent und nicht dispersiv ist, d.h., die dielektrische Funktion ǫ und die Permeabilität µ sind zeitlich konstant und reell. In diesem Fall gilt: H· ∂B ∂D 1∂ ∂wem +E· = [H · B + E · D] = . ∂t ∂t 2 ∂t ∂t (2.2.75) Mit Hilfe des Poynting Vektors S (r, t) = E (r, t) × H (r, t) (2.2.76) und des Satzes von Gauß können wir Gleichung (2.2.74) schreiben als: dWV = dt Z V ∂ j (r, t) · E (r, t) d r = − ∂t 3 Z V 3 wem (r, t) d r − Z δV S (r, t) · dA. (2.2.77) Der letzte Term beschreibt den Energiestrom über die Oberfläche δV aus dem Volumen V . Somit ist S (r, t) die Energiestromdichte des elektromagnetischen Feldes. Die Maßeinheit des Poynting-Vektors ist [S] = W m−2 . 2-15 2 Die elektromagnetische Theorie des Lichts Wir interessieren uns wieder für den zeitlichen Mittelwert. Für eine ebene Welle erhalten wir mit H0 = Z1 (êk × E0 ): i 1 h ℜ E0 eık·r × H∗0 e−ık·r 2 1 1 ∗ = ℜ E0 × (êk × E0 ) 2 Z 1 1 = |E0|2 êk 2Z 1 = cǫ0 ǫ|E0 |2 êk . 2 hS (r)i = (2.2.78) Der Vergleich mit Gleichung (2.2.66) zeigt: |hS (r)i| = I. (2.2.79) Beispiel: Ein grüner Laser-Pointer mit 1 mW mittlerer Leistung fällt auf eine Fläche von 1 mm2 . Intensität: I = 1 mW/mm2 = 1 kW/m2 Elektrische Feldstärke: E0 ≈ 870 V/m. Für dispersive und absorbierende Medien liefert Gleichung (2.2.56) nicht den korrekten Ausdruck für die Energiedichte des elektromagnetischen Feldes. Dessen ungeachtet wird der Energietransport weiterhin durch den Poynting-Vektor S (r, t) = E (r, t) × H (r, t) beschrieben. Für den zeitlichen Mittelwert < S (r) > erhalten wir für ein Medium mit komplexen Materialparametern: i 1 h ′ ′′ ′ ′′ ℜ E0 eık ·r e−k ·r × H∗0 e−ık ·r e−k ·r 2 1 1 ′′ = ℜ E0 × ∗ (êk × E∗0 ) e−2k ·r 2 Z 1 1 ′′ = |E0|2 êk e−2k ·r . 2 ℜ (Z) < S (r) > = (2.2.80) Man beobachtet, dass in passiven Medien die Lichtintensität in Ausbreitungsrichtung kleiner wird. Dieser Umstand wird durch das Beersche Absorptionsgesetz I(z) = I(0)e−αz (2.2.81) beschrieben. Hierbei ist α der sogenannte Absorptionskoeffizient. Aus dem Vergleich mit Gleichung (2.2.80) finden wir 4πn′′ α= . λ0 2-16 (2.2.82) 2.3 Wellenüberlagerung 2.3 Wellenüberlagerung 2.3.1 Schwebung Experiment: Schwebung mit zwei Stimmgabeln. Wir betrachten jetzt die Überlagerung von zwei gleich polarisierten ebenen Wellen mit Frequenzen ω1 und ω2 . Die gemeinsame Ausbreitungsrichtung sei êz : E(z, t) = E0 [cos (k1 z − ω1 t) + cos (k2 z − ω2 t)] . Mit der Hilfe der Beziehung cos(a) + cos(b) = 2 cos ! (2.3.1) a+b 2 cos a−b 2 ergibt sich ! (k1 + k2 )z − (ω1 + ω2 )t (k1 − k2 )z − (ω1 − ω2 )t E(z, t) = 2E0 cos cos . (2.3.2) 2 2 Wir definieren nun die folgenden Größen: • Mittlere Frequenz: ω̄ = ω1 + ω2 . 2 (2.3.3) • Mittlere Wellenzahl: k̄ = k1 + k2 . 2 (2.3.4) • Modulationsfrequenz: ωm = ω1 − ω2 . 2 (2.3.5) • Modulationswellenzahl: km = k1 − k2 . 2 (2.3.6) Mit den neuen Definitionen können wir die elektrische Feldstärke schreiben als: E(z, t) = 2E0 cos (km z − ωm t) cos k̄z − ω̄t . (2.3.7) Wir können die Überlagerung der beiden Wellen als eine ebene Welle mit mittlerer Frequenz ω̄ und mittlerer Wellenzahl k̄ auffassen, deren Amplitude sich zeitlich und räumlich mit der Modulationsfrequenz ωm und der Modulationswellenzahl km ändert. 2-17 2 Die elektromagnetische Theorie des Lichts 2 2p/wm 2p/w 1.5 1 E(0,t) 0.5 0 −0.5 −1 −1.5 −2 −15 −10 −5 0 5 10 15 t Abbildung 2.3: Überlagerung zweier harmonischer Wellen mit unterschiedlichen Frequenzen. 2.3.2 Optische Impulse Optische Impulse spielen für die optische Datenübertragung eine wichtige Rolle. Im einfachsten Fall, dem sogenannten On-Off-Keying, wird ein Bit an Information als das Vorhandensein eines Impulses („1“) oder das Fehlen eines Impulses („0“) in einer Impulssequenz übertragen. Im Folgenden wollen wir zunächst das elektrische Feld eines Impulses am Ort z = 0 betrachten: E (0, t) = A (0, t) e−ıω0 t . (2.3.8) Hierbei ist A (0, t) die zeitlich langsam veränderlichen Enveloppe und e−ıω0 t die zeitlich rasch veränderliche Trägerwelle. Wir untersuchen nun aus welchen Frequenzkomponenten der Impuls zusammengesetzt ist. Zu diesem Zweck stellen wir E (0, t) mit Hilfe der Fouriertransformation als Überlagerung von ebenen Wellen mit unterschiedlichen Frequenzen dar: ∞ 1 Z E (0, ω) e−ıωt dω. E (0, t) = 2π (2.3.9) −∞ Hierbei gibt E (0, ω) die Amplitude und Phase der spektralen Komponente des Wellenpakets mit der Frequenz ω an. Der Vergleich von Gleichung (2.3.8) und (2.3.9) liefert nach 2-18 2.3 Wellenüberlagerung einer kurzen Rechnung: E (0, ω) = Z∞ A (0, t) eı(ω−ω0 )t dt, (2.3.10) Z∞ (2.3.11) −∞ 1 A (0, t) = 2π E (0, ω) e−ı(ω−ω0 )t dω. −∞ Beispiel: Gaußscher Impuls mit Pulslänge τp und Trägerfrequenz ω0 . • Zeitdomäne Elektrisches Feld: 2 ln(2)t2 E(0, t) = A0 exp − τp2 ! exp (−ıω0 t) (2.3.12) Intensität: 4 ln(2)t2 I(0, t) ∝ |A0 | exp − τp2 2 ! (2.3.13) I(0, ±τp /2) = I(0, 0)/2. • Frequenzdomäne Elektrisches Feld: E(0, ω) = s (ω − ω0 )2 τp2 π τp A0 exp − . 2 ln(2) 8 ln(2) ! (2.3.14) Spektrum: (ω − ω0 )2 τp2 S(0, ω) ∝ |A0 | exp − 4 ln(2) 2 S(0, ω0 ± ∆ω/2) = S(0, ω0)/2 mit ∆ω = ! (2.3.15) 4 ln(2) . τp • Zeit-Bandbreite-Produkt für Gaußsche Impulse τp ∆ω = 4 ln(2). (2.3.16) Kurze Pulslängen sind mit einem breiten Spektrum verknüpft. 2-19 2 Die elektromagnetische Theorie des Lichts 1 1 0.8 |E(f)| E(t) 2 0.5 0 -0.5 0.4 0.2 -1 -100 -50 0 t(fs) 50 0 100 1 340 360 380 f(THz) 400 420 340 360 380 f(THz) 400 420 1 0.8 |E(f)| 2 0.5 E(t) 0.6 0 -0.5 0.6 0.4 0.2 -1 -100 -50 0 t(fs) 50 100 0 Abbildung 2.4: Erste Zeile: Gaußscher Impuls mit τp = 10 fs. Zweite Zeile: Gaußscher Impuls mit τp = 100 fs. Die Trägerfrequenz beträgt jeweils ω0 = 2π × 375 THz. Die zugehörigen Spektren sind in der rechten Spalte abgebildet. 2.3.3 Optische Impulse in dispersiven Medien Im Folgenden untersuchen wir die Propagation eines optischen Impulses in einem dispersiven Medium. Für jede spektrale Komponente des Impulses gilt nach einer Propagationsstrecke z: E (z, ω) = E (0, ω) eık(ω)z mit k(ω) = n(ω) ω/c0. (2.3.17) Damit gilt für den gesamten Impuls: 1 E (z, t) = 2π Z∞ E (0, ω) eık(ω)z e−ıωt dω. (2.3.18) −∞ Für die weitere Betrachtung entwickeln wir k(ω) in eine Taylorreihe um die Trägerfrequenz ω0 : dk k(ω) = k(ω0 ) + dω 2-20 ! 1 (ω − ω0 ) + 2 ω0 d2 k dω 2 ! ω0 (ω − ω0 )2 + · · · (2.3.19) 2.3 Wellenüberlagerung Mit den Abkürzungen dk dω β0 = k(ω0 ), β = ′ ! d2 k dω 2 1 ,β = 2 ω0 ′′ ! (2.3.20) ω0 erhalten wir: ′ eık(ω)z = eıβ0 z eıβ (ω−ω0 )z eıβ ′′ (ω−ω 0) 2 z (2.3.21) . Wir betrachten zunächst den Fall, dass die Dispersion des Materials nicht sehr stark ist, ′ so dass wir β ′′ = 0 annehmen können. Durch das Einsetzen von eık(ω)z = eıβ0 z eıβ (ω−ω0 )z in Gleichung (2.3.18) erhalten wir: ∞ 1 Z ′ E (0, ω) eıβ0 z eıβ (ω−ω0 )z e−ıωt dω E (z, t) = 2π −∞ ′ eı(β0 −β ω0 )z = 2π Z∞ ′ E (0, ω) e−ıω(t−β z) dω. (2.3.22) −∞ Wir definieren nun den Gruppenindex ng (ω) = n(ω) + ω dn(ω) , dω (2.3.23) die Gruppengeschwindigkeit vg = 1 dω c0 = = ′ β dk ng (ω) (2.3.24) und die Gruppenverzögerung τg = z . vg (2.3.25) Mit deren Hilfe können wir Gleichung (2.3.22) schreiben als: E (z, t) = eı(β0 −ω0 /vg )z E (0, t − τg ) . (2.3.26) Der Impuls bewegt sich also ohne Formänderung der Enveloppe mit der Gruppengeschwindigkeit vg durch das Medium. 2-21 2 Die elektromagnetische Theorie des Lichts Ausblick: < 0) größer Die Gruppengeschwindigkeit kann in Medien mit anomaler Dispersion ( dn(ω) dω als c0 und sogar negativ werden. Eine negative Gruppengeschwindigkeit entspricht der (scheinbar) bizarren Situation, dass das Maximum des transmittierten optischen Impulses an der Rückseite des Mediums erscheint bevor das Maximum des einlaufenden Pulses die Vorderseite erreicht! Warum dies weder die Kausalität noch der Relativitätstheorie widerspricht ist sehr schön im folgenden Artikel erklärt: D. J. Gauthier, R. Boyd, Fast Light, Slow Light and Optical Precursors: What Does it All Mean? Photonics Spectra, January 2007, Seite 82-90. Jetzt berücksichtigen wir den Fall β ′′ 6= 0. Hierzu betrachten wir den Unterschied in der Gruppenverzögerung für zwei Frequenzen ω1 und ω0 ∆τg = (β ′ (ω1 ) − β ′ (ω0 )) z ! ′ dβ ≈ β ′ (ω0 ) + (ω1 − ω0 ) − β ′ (ω0 ) z dω = zβ ′′ (ω1 − ω0 ) . (2.3.27) (2.3.28) (2.3.29) Für β ′′ 6= 0 werden die einzelnen spektralen Komponenten des Impulses unterschiedlich verzögert, so dass der Impuls bei der Propagation durch das Medium auseinanderläuft. Dieser Effekt wird Gruppengeschwindigkeitsdisperion genannt (GVD: group velocity dispersion). Wir definieren nun den Dispersionskoeffizient: D(λ) = − 2πc0 ′′ β . λ2 (2.3.30) Damit können wir den Unterschied in der Gruppenverzögerung schreiben als: ∆τg = −zD(λ)∆λ mit ∆λ = − ∆ωλ2 . 2πc0 (2.3.31) Anschaulich lässt sich dieser Zusammenhang wie folgt interpretieren: Ein Impuls mit einer spektralen Bandbreite ∆λ wird nach der Propagationsstrecke z in einen Medium mit Dispersionskoeffizient D(λ) um ∆τg gedehnt. Beispiel: Propagation Gaußscher Impulse in BK7-Glas. • Trägerfrequenz: ω0 = 2π × 375 THz⇒ Zentralwellenlänge: λ0 = 800 nm. 2-22 2.4 Dielektrische Medien: Das Lorentz-Oszillator Modell • Propagationslänge: z = 1 mm. • Brechungsindex: n(800 nm) = 1.51. • Gruppenindex: ng (800 nm) = 1.527. ⇒ Gruppenverzögerung τp = 5090 fs. • Dispersionskoeffizient: D(800 nm) = −128 ps/km × nm • Impulslänge: τp = 10 fs. ⇒ Breite des Spektrums: ∆λ = 94 nm. ⇒ ∆τg ≈ 12 fs. • Impulslänge: τp = 100 fs. ⇒ Breite des Spektrums: ∆λ = 9.4 nm. ⇒ ∆τg ≈ 1.2 fs. Der 10-fs-Impuls ist nach 1 mm BK7 Glas bereits deutlich verformt! Beim 100-fs-Impuls ergibt sich dagegen nur eine geringe zeitliche Verbreiterung. 2.4 Dielektrische Medien: Das Lorentz-Oszillator Modell In diesem Abschnitt betrachten wir das Lorentz-Oszillator Modell, mit dessen Hilfe die optischen Eigenschaften dielektrischer Materialien wie Gläsern, Ionenkristallen oder Polymeren verstanden werden können. Die Ergebnisse dieses klassischen Modells werden von quantenmechanischen Rechnungen (im wesentlichen) bestätigt. Alle bekannten natürlichen Substanzen haben bei optischen Frequenzen eine praktisch verschwindende magnetische Antwort. Mit anderen Worten: Es gilt in exzellenter Näherung µ = 1; die Abweichungen liegen in der Größenordnung von 10−4 . Experiment: Dispersion mit einem Prisma. Das Lorentz-Oszillator Modell beruht auf den folgenden Annahmen: 2-23 2 Die elektromagnetische Theorie des Lichts + • Die Elektronenhülle kann durch ein äußeres Feld aus der Gleichgewichtslage (x = 0) ausgelenkt werden. Daraus resultiert ein Dipolmoment. • Das äußere Feld ist sehr klein im Vergleich zum inneratomaren Feld. Die Rücktreibende Kraft auf die Elektronen ist daher proportional zur Auslenkung x. • Die Wechselwirkung zwischen den Atomen kann vernachlässigt werden. • Der Atomkern ist aufgrund seiner großen Masse unbeweglich. Diese Annahmen führen auf die folgende, klassische Bewegungsgleichung (getriebener harmonischer Oszillator): mẍ + γmẋ + mωe2 x = qEe−ıωt , (2.4.1) wobei m die Masse der Elektonenhülle und q deren Ladung ist. γ ist eine phänomenologisch eingeführte Dämpfungskonstante und ωe ist die Eigenfrequenz des Oszillators. Im eingeschwungenen Fall, können wir die Bewegungsgleichung leicht mit dem Ansatz x(t) = x0 e−ıωt (2.4.2) lösen. Durch Einsetzen in die Bewegungsgleichung erhalten wir: qE x0 = m 1 . 2 ωe − ω 2 − ıγω ! (2.4.3) Mit der erzwungenen Schwingung der Elektronenhülle relativ zum Atomkern ist ein elektrisches Dipolmoment verknüpft: p = qx0 . (2.4.4) Die elektrische Polarisation für N Atome pro Einheitsvolumen ist gegeben durch P = Np. 2-24 (2.4.5) 2.4 Dielektrische Medien: Das Lorentz-Oszillator Modell Durch den Vergleich mit der Materialgleichung (2.1.10) finden wir die dielektrische Funktion des Lorentz-Oszillator Modells: ǫLO (ω) = 1 + ωe2 f − ω 2 − ıγω (2.4.6) mit f= Nq 2 . mǫ0 (2.4.7) Auflösen nach Real- und Imaginärteil ergibt: ǫLO (ω) = 1 + f ωγ f (ωe2 − ω 2 ) +ı . 2 2 2 2 2 2 (ωe − ω ) + ω γ (ωe − ω 2 )2 + ω 2 γ 2 (2.4.8) Das Lorentz-Oszillator Modell lässt sich einfach für den Fall erweitern, dass mehrere Resonanzen im relevanten Frequenzbereich liegen: ǫLO (ω) = 1 + X j 2 ωe,j fj − ω 2 − ıγj ω (2.4.9) Die Resonanzen aufgrund der elektronischen Polarisierbarkeit vieler optisch relevanter Materialien befinden sich im UV. 2-25 2 Die elektromagnetische Theorie des Lichts Dielektrische Funktion 20 Re(ε) Im(ε) 15 10 5 0 −5 −10 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 Frequenz (ωe) Brechungsindex 5 Re(n) Im(n) 4 3 2 1 0 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 Frequenz (ωe) Abbildung 2.5: Dielektrische Funktion und Brechungsindex nach dem Lorentz-Oszillator Modell. 2-26 2.4 Dielektrische Medien: Das Lorentz-Oszillator Modell 2.4.1 Drude Modell Die optischen Eigenschaften der Edel- und Alkalimetalle können im Rahmen des DrudeModells verstanden werden. Wir gehen hierbei von folgenden Annahmen aus: • Die Leitungsbandelektronen bilden ein freies Elektronengas. • Die Atomrümpfe wirken als homogener, positiv geladenen Hintergrund. • Wechselwirkungseffekte werden nur implizit durch die effektive Masse m berücksichtigt. • Die Leitungsbandelektronen können durch ein äußeres Feld beschleunigt werden. Die klassische Bewegungsgleichung für ein Leitungsbandelektron in einem äußeren Feld lautet: mẍ + γmẋ = qEe−ıωt . (2.4.10) Dies ist formal die Bewegungsgleichung des Lorentz-Oszillators mit ωe = 0. Daher können wir die dielektrische Funktion des Drude-Modell schreiben als: ǫD (ω) = 1 − ωp2 ω 2 + ıγω (2.4.11) mit der Plasmafrequenz ωp = s Ne2 . mǫ0 (2.4.12) Auflösen nach Real- und Imaginärteil ergibt: ǫD (ω) = 1 − ωp2 ıωp2 γ + . ω2 + γ2 ω3 + γ2ω (2.4.13) 2-27 2 Die elektromagnetische Theorie des Lichts Dielektrische Funktion 10 Re(ε) Im(ε) 5 0 −5 −10 −15 −20 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2 Frequenz (ωp) Brechungsindex 5 Re(n) Im(n) 4 3 2 1 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2 Frequenz (ωp) Abbildung 2.6: Dielektrische Funktion und Brechungsindex nach dem Drude-Modell. 2-28 2.5 Ausblick in die Forschung: Metamaterialien 2.5 Ausblick in die Forschung: Metamaterialien Natürliche Materialien weisen eine verschwindende magnetische Antwort bei optischen Frequenzen auf (µ = 1). Idee: Stelle künstliche nanostrukturierte Materialien her, die sich wie ein homogenes Medium verhalten ⇒ Metamaterialien. Voraussetzung: Abstand zwischen benachbarten „künstlichen Atomen“ muß klein sein im Vergleich zur Wellenlänge. C Plattenkondensator L Spule Abbildung 2.7: Der Split-Ring-Resonator dient als „magnetisches Atom“. Der Split-Ring Resonator (SRR) ist ein metallischer Ring mit subwellenlängen Abmessungen, der einen kleinen Spalt aufweist. Der SRR wirkt wie ein LC-Schwingkreis (Spalt: Kondensator, Ring: Spule) und stellt eine mögliche Realisierung eines „magnetischen Atoms“ dar. Die zeitliche Änderung des magnetischen Flusses Φ̇ induziert eine Spannung Uind im SRR: −Φ̇ = Uind = UL + UC + UR = LI˙ + 1 C Z I dt + RI. (2.5.1) Nach einer kurzen Rechnung analog zum Lorentz-Oszillator Modell findet man5 : µ(ω) = 1 + 2 ωLC F ω2 . − ω 2 − ıΓω (2.5.2) Hierbei ist√0 ≤ F ≤ 1 ein geometrischer Faktor, der die Dichte der SRRen angibt. ωLC = 1/ LC ist die Eigenfrequenz des Schwingkreises und Γ = R/L beschreibt die Dämpfung. Für hinreichend große Werte von F kann µ(ω) sogar negativ werden! 5 Beachte: Das magnetische Moment des SRRs ist gegeben durch m=I A. Hierbei ist I der Strom im SRR und A die Fläche des Rings. 2-29 2 Die elektromagnetische Theorie des Lichts 10 Re Im µ (ω) 5 0 −5 0 0.5 1 ω /ω LC 1.5 2 Abbildung 2.8: Permeabilität eines SRR-Metamaterials. Parameter: Γ = 0.05ωLC , F = 0.5. Wir wollen nun ein Metamaterial betrachten, für das sowohl ǫ(ω) und µ(ω) im selben Frequenzbereich negative Werte annehmen. Man findet für den zugehörigen Brechungsindex: q n(ω) = − ǫ(ω)µ(ω). Folgerungen: (2.5.3) • Nach dem Brechungsgesetz wird der Winkel θt beim Übergang von Luft in das Metamaterial negativ, d.h., die Welle wird zur „falschen“ Seite gebrochen. • Wellenvektor k und Poynting-Vektor S sind im Metamaterial antiparallel. Stand der Technik: Zur Zeit können nur Metamaterialien mit wenigen „Atomlagen“ gefertigt werden. Diese Metamaterialien sind somit eher „Metafilme“. 2-30 2.5 Ausblick in die Forschung: Metamaterialien n>0 n<0 Abbildung 2.9: Computersimulation mit POV-Ray (www.povray.org): Glas mit normalen Wasser (links) und mit einer fiktiven Flüssigkeit (rechts), die einen negativen Brechungsindex aufweist. 2-31