DEUTSCHES KREBSFORSCHUNGSZENTRUM KREBSINFORMATIONSDIENST LUNGENKREBS: Zielgerichtete Therapie yy Dieses Informationsblatt richtet sich an Lungenkrebspatienten mit fortgeschrittener Erkrankung. yy Wissenschaftler finden insbesondere bei nicht-kleinzelligem Lungenkrebs immer mehr Veränderungen in den Tumorzellen, die als Angriffspunkte für zielgerichtete Therapien dienen könnten. Nur für wenige dieser Angriffspunkte gibt es schon zielgerichtete Medikamente. yy Ein Beispiel sind die Tyrosinkinasehemmer, die gegen eine Gruppe von Enzymen gerichtet sind. Bei etwa einem von 10 Patienten mit Lungenkrebs liegt im Tumor eine Veränderung vor, die diese Enzyme zu stark „anschaltet“. Dann kann ein Tyrosinkinasehemmer helfen. yy Angiogenesehemmer stören die Neubildung von Blutgefäßen und werden bei manchen Patienten mit Lungenkrebs eingesetzt, um die Erkrankung aufzuhalten. ZIELGERICHTETE THERAPIE – WAS IST DAS? In einer gesunden Körperzelle können Reize von außen Signalwege in Gang setzen, die dazu führen, dass sie sich teilt und vermehrt. Verschiedene Mechanismen kontrollieren diese Signalwege und somit auch die Zellvermehrung. Sind einer oder mehrere dieser Signalwege verändert, kann es dazu kommen, dass sich die Zellen unkontrolliert ständig weiter vermehren. Dies ist bei Krebszellen der Fall. In den letzten Jahren wurden verschiedene Arzneimittel entwickelt, die direkt in solche veränderten Signalwege eingreifen. Eine Behandlung mit diesen Wirkstoffen nennt man „zielgerichtete Therapie“. Hierzu informiert Sie der Krebsinformationsdienst ausführlich im Informationsblatt „Zielgerichtete Therapie“. Häufig hört man in diesem Zusammenhang auch die Begriffe „stratifizierte“ oder „personalisierte“ Therapie. Dabei geht es vor allem darum, möglichst viele krebsfördernde Veränderungen auf der Zellebene gleichzeitig aufzudecken und die Therapie einen Krebspatienten daran anzupassen. Mehr Informationen zu solchen Studien finden Sie im Informationsblatt „Tumor-­Genom-Sequenzierung – Personalisierte Therapie“. ZIELGERICHTETE THERAPIE BEI LUNGENKREBS? Auch in Lungentumoren wurden verschiedene gestörte Signalwege gefunden, die etwa durch Veränderungen im Erbgut der Zelle zustande kommen. Nicht alle gestörten Signalwege in einer Zelle sind gleich gut angreifbar für Medikamente. Und nicht alle Tumoren haben bekannte Veränderungen in den Signalwegen ihrer Zellen. Deshalb wirken zielgerichtete Therapien nicht bei allen Patienten mit Lungenkrebs. Nur Patienten, deren Lungentumoren entsprechende Merkmale, also angreifbare Zielstrukturen auf oder in den Tumorzellen, aufweisen, profitieren von einer zielgerichteten Therapie. © Krebsinformationsdienst KID, Deutsches Krebsforschungszentrum Das ist bei etwa jedem 10. Patienten der Fall. Bei Patienten mit kleinzelligem Lungenkrebs (SCLC) spielen zielgerichtete Therapien bisher keine Rolle. Es laufen aber klinische Studien. Patienten mit fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) können zielgerichtet behandelt werden, wenn der Tumor entsprechende Zielstrukturen hat. Ziel der Behandlung ist es in der Regel, ein Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten. ÎÎ Gibt es einen geeigneten Wirkstoff? Gegen Lungenkrebs stehen verschiedene zielgerichtete Therapien zur Verfügung. Teilweise sind die Wirkstoffe schon als Arzneimittel zugelassen, teilweise werden sie noch in Studien geprüft. Allerdings gibt es nur für einen Teil der derzeit bekannten Veränderungen in Krebszellen auch Medikamente, die gezielt dort ansetzen. ÎÎ Für wen kommt die Therapie infrage? Die neuen Medikamente können Behandlungsmethoden wie Operation, Chemotherapie und Bestrahlung nicht ersetzen. Ob eine zielgerichtete Behandlung für Sie infrage kommt, hängt zusätzlich zu den oben genannten Voraussetzungen (behandelbare Tumor-Eigenschaften, geeigneter Wirkstoff) von Ihrem Gesundheitszustand und Ihren Wünschen ab. Immer müssen auch mögliche Nebenwirkungen gegen den Nutzen der Behandlung abgewogen werden. THERAPIE-ANSATZPUNKTE AUF ZELLEBENE Einige der zielgerichteten Medikamente bei Lungenkrebs hemmen das Tumorwachstum, indem sie Wachstumssignale in der Tumorzelle unterdrücken (Tyrosinkinasehemmer und Multikinasehemmer). Andere Medikamente hemmen das Wachstum, indem sie die Blutversorgung des Tumors stören (Angiogenesehemmer). Fragen zu Krebs? Wir vom KID sind für Sie da! 0800 - 420 30 40 kostenlos, täglich von 8 bis 20 Uhr ÎÎ Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) Der epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptor (Epidermal Growth Factor Receptor, EGFR) ist ein Eiweiß (Protein) auf der Oberfläche von Zellen. Bei Lungenkrebs können aktivierende Veränderungen im EGFR vorliegen, sodass die Tumorzelle ständig Wachstumssignale empfängt. Dies führt zu unkontrollierter Zellteilung. Der Tumor wächst. Es gibt verschiedene Medikamente, die EGFR blockieren können (siehe Tabelle). Diese Substanzen gehören meist zu den sogenannten Tyrosinkinasehemmern. Werden neben dem EGFR noch andere Zielstrukturen blockiert, spricht man auch von Multikinasehemmern. ÎÎ Grenzen der zielgerichteten Therapie Es gibt auch Veränderungen, die zwar diagnostiziert, jedoch nicht gezielt behandelt werden können. Ein Beispiel ist das sogenannte KRAS-Onkogen. Es gibt bisher keine zielgerichtete Therapie gegen KRAS. Tumoren von Patienten mit KRAS-positiven Lungenkrebszellen reagieren zudem kaum oder gar nicht auf eine zielgerichtete Therapie mit anderen derzeit verfügbaren zielgerichteten Wirkstoffen. Für diese Patienten sind Chemotherapie und Bestrahlung die Behandlung der Wahl. ALTERNATIVE UND KOMPLEMENTÄRE KREBSMEDIZIN ÎÎ Weitere Wachtstumsfaktor-Rezeptoren Neben dem EGFR gibt es eine ganze Reihe an weiteren Wachstumsfaktor-Rezeptoren, die als Ansatzpunkte einer zielgerichteten Therapie infrage kommen können. Diese bereits im vorangegangenen Abschnitt genannten Multi­ kinasehemmer sind bei Lungenkrebs aber häufig auch gegen den EGFR gerichtet (siehe Tabelle). ÎÎ Anaplastische Lymphomkinase (ALK) In gesunden Zellen braucht die Anaplastische Lymphomkinase eigentlich einen Bindungspartner, der sie aktiviert. In manchen Lungentumoren ist sie allerdings schon ohne diese Bindung aktiv und fördert so unkontrolliert das Krebswachstum. Solche „ALK-positiven“ Lungenkrebszellen lassen sich durch bestimmte Medikamente in ihrem Wachstum bremsen. Diese Substanzen werden entsprechend ALK-Hemmer genannt (siehe Tabelle). ÎÎ Gefäßwachstumsfaktoren (VEGF) Ab einer gewissen Größe benötigt ein Tumor eigene Blutgefäße, die ihn mit Nährstoffen versorgen. Er sorgt über verschiedene Wachstumssignale dafür, dass sich solche Blutgefäße bilden. Wichtige Gefäßwachstumsfaktoren heißen zum Beispiel Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF). Es gibt Medikamente, die VEGF oder seinen Rezeptor gezielt angreifen. Weil sie die Wachstumssignale für die Bildung von Blutgefäßen ausschalten, werden sie auch Angiogenesehemmer genannt (siehe Tabelle). Sie verhindern, dass neue, den Tumor versorgende Blutgefäße entstehen. Nährstoffe gelangen nicht mehr in den Tumor – der Tumor kann nicht weiter wachsen und die Tumorzellen sterben ab. ÎÎ Nebenwirkungen Alle Medikamente können Nebenwirkungen hervorrufen. Zielgerichtete Arzneimittel sind keine Ausnahme. Dies liegt daran, dass die Zielstrukturen der Substanzen auch in normalen Körperzellen, etwa von Haut, Blutgefäßen und Schilddrüse, vorkommen. Nebenwirkungen an der Haut, Blutungen und Schilddrüsen-Störungen sind bekannt und können Patienten stark beeinträchtigen. ZIELGERICHTETE MEDIKAMENTE (AUSWAHL) MEDIKAMENT ZIELSTRUKTUR Tyrosinkinasehemmer und Multikinasehemmer Erlotinib (Tarceva®) Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) Gefitinib (Iressa®) Epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) Crizotinib (Xalkori®) Anaplastische Lymphomkinase (ALK) Ceritinib (Zykadia®) Anaplastische Lymphomkinase (ALK) Afatinib (Giotrif®) Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) und weitere Wachstumsfaktor-­ Rezeptoren Nintedanib (Vargatef®) Epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) und weitere Wachstumsfaktor-­ Rezeptoren Angiogenesehemmer Bevacizumab (Avastin®) Gefäßwachstumsfaktor (VEGF) überreicht durch: Gefördert durch die Wolfgang Pflüger Stiftung Dieses Informationsblatt dient als Grundlage für Ihre weitere Informationssuche. Auch der Krebsinformationsdienst beantwortet Ihre Fragen, telefonisch innerhalb Deutschlands unter der kostenfreien Rufnummer 0 800 - 420 30 40, täglich von 8 bis 20 Uhr, und per E-Mail unter [email protected]. KID im Internet: www.krebsinformationsdienst.de oder auf Facebook unter www.facebook.com/krebsinformationsdienst. © Krebsinformationsdienst KID 15.01.2016 (Quellen beim KID)