Diskussionsbeiträge Vol. 1/2016 Luis Caballero Einige Überlegungen zum Umgang mit dem Rechtspopulismus Dieser Diskussionsbeitrag ist in leicht veränderter Form erschienen in: Schriften des Kompetenznetzwerkes, Hg.: Kompetenznetzwerk „Demokratie leben!“ in Rheinland-Pfalz Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell –Keine Bearbeitung 4.0 International Lizenz. Der Autor steht für Vorträge und Schulungen zu obigen Themen zur Verfügung. Wenden Sie sich hierzu bitte an die Heinrich Böll Stiftung – Rheinland-Pfalz e.V. Heinrich Böll Stiftung Rheinland-Pfalz e.V. Walpodenstraße 10 55116 Mainz 06131-905260 [email protected] 1 Der Rechtspopulismus umfasst diverse Strömungen und kann in verschiedenen Regionen unterschiedlich auftreten und damit jeweils auf die Akteure bzw. konkrete Situation zugeschnittene Vorgehensweisen notwendig machen. Es werden hier also keine allgemeinen und umfänglichen Erörterungen über Empfehlungen zum Umgang mit rechtspopulistischen Akteuren vorgenommen. Gleichwohl werden hier einige ausgewählte allgemeine Aspekte vorgestellt, die als Ausgangspunkte für eigene Überlegungen und Maßahmen vor Ort dienen können. Grundlage für die Handlungsempfehlungen sind folgende Strukturmerkmale: Die Gefahr beim Rechtspopulismus besteht nicht in einem angestrebten politischen Systemsturz, wie es das (mehr oder minder klar formulierte) selbsterklärte Ziel der extremen Rechten ist. Das bedeutet nun nicht, dass der Rechtspopulismus harmloser oder weniger gefährlich als die extreme Rechte wäre. Vielmehr droht eine Normalisierung und breitere gesellschaftliche Akzeptanz für rechtspopulistische Narrative. Gerade in der gegenwärtigen Auseinandersetzung um geflüchtete Menschen kann ein hoher Grad an Mobilisierungsfähigkeit (zum Teil auch für gewalttätiges Auftreten) größerer Bevölkerungsteile für entsprechende Inhalte beobachtet werden. Allerdings entsteht dieses xenophobe Klima auch im Zusammenspiel von extremer Rechte, rechtspopulistischen Akteuren sowie Äußerungen von Mitgliedern etablierter Parteien. Des Weiteren besteht die Funktion des Rechtspopulismus in einer grundsätzlichen autoritären Transformation des politischen Systems nach rechts mit Ausgrenzung relevanter Teile der Gesellschaft. Einige sozialwissenschaftliche Studien weisen auf ein hohes Potenzial für rechtspopulistische Einstellungen in der Gesellschaft hin. So ermitteln Decker, Kiess und Brähler 2012 für die deutsche Bevölkerung einen Anteil von ca. 25%, die offen sind für ausländerfeindliche Aussagen (Decker, Oliver, Johannes Kiess und Elmar Brähler: Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012. Bonn 2012). Da Rechtspopulist_innen betont bürgerlich auftreten, können sie ein Wahlpotenzial erschließen, das dem Auftreten von Parteien der extremen Rechten eher ablehnend gegenübersteht. Die jüngsten Wahlerfolge von Rechtspopulist_innen lassen diese Gefährdung nachdrücklich erkennen. Aus diesen Grundannahmen ergeben sich einige Hinweise und Forderungen für einen Umgang der demokratischen Akteure mit dem Rechtspopulismus. Ein erster Aspekt ist die genaue Beobachtung von rechtspopulistischen Organisationen. Dies umfasst die personelle Besetzung (sind bspw. Personen schon in anderen extrem rechten oder rechtspopulistischen Kontexten in Erscheinung getreten) und die inhaltliche Ausrichtung. Hierbei ist auf die Argumentationsresistenz von Träger_innen rechtspopulistischer Einstellungen sowohl bei Funktionären als auch in der Bevölkerung hinzuweisen. Die tatsächlichen Verhältnisse (z. B. die Zahl von Migranten in einer spezifischen Region) spielen in den Diskursen meist keine Rolle. Daher ist von einer öffentlichen Diskussion mit Vertreter_innen und Funktionär_innen rechtspopulistischer Organisationen dringend abzuraten. Durch diesen Verzicht auf eine gemeinsame öffentliche Diskussion soll auch demonstriert werden, dass die entsprechenden Einstellungen keine gleichberechtigten Positionen im demokratischen Meinungsstreit sind. Relevante Einschränkungen demokratischer Grundprinzipien dürfen nicht verhandelbar sein bzw. es darf nicht der Eindruck entstehen, sie seien es. Stattdessen sollte eine offensive Diskussion möglichst vieler Demokrat_innen über rechtspopulistische Aussagen stattfinden. Ziel wäre es hierbei, über die Hintergründe rechtspopulistischer Forderungen und deren Konsequenzen für eine plurale Gesellschaft zu informieren und die 2 demokratiefeindlichen Positionen aufzuzeigen bzw. zu entlarven. Einige Grenzen demokratischer Diskurse müssen auch selbstbewusst von Demokrat_innen vertreten werden: Die Negierung der fundamentalen Gleichheit von Menschen muss tabuisiert werden. Aus der erwähnten Faktenresistenz rechtspopulistischer Einstellungen in der Bevölkerung ergeben sich indessen die Limitationen politischer Bildung. Dies ist kein Argument gegen eine faktenbasierte Aufklärung durch Demokratische Multiplikator_innen und für eine breite Öffentlichkeit, diese bleibt wichtig. Sie wird jedoch nur einen kleinen Teil der Betreffenden erreichen. Diese Grenze sollte in der politischen Bildung ernst genommen und als Herausforderung begriffen werden. Man wird auch immer wieder gegen Einstellungen größerer Bevölkerungsteile Stellung beziehen müssen. Des Weiteren sollte ein Konsens aller Demokrat_innen in Form von breiten gesellschaftlichen Bündnissen gesucht werden. Teil dieser Bündnisse sollten die demokratischen Parteien sowie zivilgesellschaftliche Akteure sein. Eine solche Zusammenarbeit von heterogenen Akteuren ist schwierig und mit eigenen Herausforderungen versehen, dennoch notwendig. Rechtspopulistische Elemente tauchen auch in anderen (etablierten ‚Volks’-) Parteien auf, vor Allem in Wahlkämpfen, sie sind nicht auf einzelne Organisationen reduzierbar. Eine sehr entscheidende Maßnahme ist mithin die selbstkritische Auseinandersetzung demokratischer Organisationen mit ihren eigenen Inhalten, Werten und Normalitätsvorstellungen. Hierbei ist das Augenmerk auf die mögliche Anschlussfähigkeit eigener Inhalte für rechtspopulistische Narrative zu legen. Im gegenwärtigen öffentlichen Diskurs über geflüchtete Menschen dominieren bspw. alarmistische Aussagen bis hin zu opportunistischen Anbiederungen. So kann eine öffentliche Diskussion darauf hinweisen, dass es sich nicht um eine „Flüchtlingskrise“, sondern um eine Krise der Zuteilung von Ressourcen durch die öffentliche Hand handelt. Die „Das Boot ist voll“-Rhetorik etablierter Parteien verfestigt rechtspopulistische Einstellungen in der Gesellschaft und macht es der extremen Rechten leichter, daran anzuknüpfen und sich als Vollstrecker des Volkswillens zu gerieren. Rechtspopulismus weist aus einer demokratiegefährdenden Perspektive auf teilweise reale Probleme hin; die Konsequenz darf nicht die Übernahme entsprechender Positionen sein, um wählbar zu bleiben. Demokratische Akteure sollten konsequent für eine offene, plurale und interkulturelle Gesellschaft mit hohen Partizipationsmöglichkeiten im politischen und sozioökonomischen System eintreten. Interkulturalität ist hierbei nicht auf Migration beschränkt, die vielfältigen (z. B. auch sexuellen) Lebensentwürfe sind ebenfalls Teil dieser. 3