Debatte „Unterschiedlich, gleichberechtigt, solidarisch”

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Jacek-Kuroń-Festival Debatte „Unterschiedlich, gleichberechtigt, solidarisch”
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Jacek-Kuroń-Festival - Debatte „Unterschiedlich, gleichberechtigt,
solidarisch”
Am 25. Mai fand in Warschau im Rahmen des Jacek-Kuroń-Festivals im Sitz der „Krytyka
Polityczna“ die Debatte „Unterschiedlich, gleichberechtigt, solidarisch“ statt. Über
Perspektiven und Strategien zum progressiven Vorgehen von sozialen und politischen
Organisationen diskutierten: Prof. Thomas Meyer, Robert Biedroń, Barbara
Nowacka und Joanna Wowrzeczka.
Warschau, den 25. Mai 2015. Ziel des Treffens war eine Diskussion darüber, wie man
eine Solidarität fördern kann, die Achtung vor der Gleichberechtigung hat, unabhängig
von Geschlecht, Alter, sozialem Status oder sexueller Identität. Die Diskussion fand einen
Tag nach der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen in Polen statt, die von dem
Kandidaten
gewonnen
wurde,
der
von
der
oppositionellen,
konservativen
und
rechtspopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość) unterstützt
wurde. Die Linkskandidat_innen kassierten eine deutliche Niederlage in diesen Wahlen.
Dieses Vorkommnis konnte in der Diskussion nicht außer Acht gelassen werden.
Agnieszka Wiśniewska von der Krytyka Polityczna
(KP), die die Diskussion moderierte, verwies gleich
zu Beginn auf die Bedeutung von Jacek Kuroń als
eine Art „Lehrer“ des Umfelds der KP. Sie erinnerte
daran, dass er in seinen Aktivitäten immer das
Gefühl hatte "ein Träumer" zu sein und stellte die
Frage
in
den
Raum,
inwieweit
für
Träumer
überhaupt Platz in der Politik sei.
Robert Biedroń, Präsident von Słupsk, sagte dazu:
"Wir
sind
alle
Träumer."
Bezogen
auf
die
Wahlergebnisse sagte er: "Ich glaube das, was passiert ist, kann eine Chance für eine
neue Öffnung, für eine Einführung neuer Werte in der Politik sein", wie Liebe, Würde und
Menschenrechte. Seiner Meinung nach passen diese Werte nicht in das dominierende
neoliberale System. Dagegen seien sie "für uns, Menschen, die sensibel auf Ausgrenzung,
Ungleichheit und soziale Ungerechtigkeit reagieren, sehr wichtig."
Auch Barbara Nowacka bekannte sich zur Träumerin. Rückblickend auf eine langjährige
Erfahrung sozialer und politischer Aktivitäten, sehe sie viele positive Veränderungen –
schließlich sei es Tatsache, dass Homosexuelle zumindest in den großen Städten offen
und frei leben könnten, oder dass man sich heute nicht mehr schämen brauche
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zuzugeben, wenn man arm oder ausgeschlossen sei. Vor ein paar Jahren war das fast
noch unmöglich. Sie sprach über die Proteste der
jungen
Menschen
–
bei
den
Präsidentschaftswahlen stimmten sie für die so
genannten "Anti-System" Kandidaten. Das sei
eine Herausforderung für die Linke – sie sollte
eine Menge Arbeit hineinstecken, damit dieser
Aufstand nicht rechte Charakterzüge annehme.
Wiśniewska fragte nach der dringendsten oder
erfolgreichsten Art des Engagements – sollte das
die Tätigkeit in Nichtregierungsorganisationen oder in politischen Parteien sein?
Laut Robert Biedroń gebe es eine Vielzahl an Möglichkeiten, die zu sozialen
Veränderungen führen könne, "nur werden das keine nachhaltigen Veränderungen sein,
solange wir nicht nach der Macht greifen,
gemeinsam über das Land zu entscheiden".
Daher sei
das Engagement in der Politik
unerlässlich. Dafür brauche es allerdings eine
linke Führungsperson, die dieses politische
Projekt leiten kann. Nowacka entgegnete „es
geht nicht darum, einen Messias bei den
Linken entstehen zu lassen”. Den Ansatz von
Protesten in der Gesellschaft ins Auge fassend,
vertraue sie auf den Druck von unten für eine
Änderung im System, und zwar zu einem, „in dem wir alle gleich würdig sind,
unabhängig von Alter, Geschlecht oder materiellen Status" und dazu brauche es nicht
eine starke Führungsperson einer politischen Bewegung.
Thomas
Meyer
stimmte
den
Vorrednerinnen und Vorrednern in dem
Punkt zu, dass es einen großen Traum
bedinge, um in der Politik funktionieren zu
können.
Dennoch
könne
dieser
nicht
fernab jeglicher Realität sein und natürlich
reiche
der
Notwendig
diesen
Traum
sei
Traum
alleine
eine
zu
nicht
Organisation,
einer
echten
aus.
die
Kraft
umwandle, sonst wird es nie zu einer wirklichen Veränderung kommen. Er erinnerte an
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die Geschichte der deutschen politischen Parteien – die Sozialdemokratie entstand durch
den Druck von unten von gesellschaftlichen Bewegungen, von der Arbeiterbewegung. An
Stärke und an Macht gewinnend, die Partei könne sich nicht von diesen Bewegungen von
unten distanzieren – das sei laut Meyer eine der Voraussetzungen für den Erfolg. Er wies
darauf hin, dass im Falle von linken Parteien eine Art Muster in den europäischen Ländern
herrsche – und zwar eine progressive Politik nicht mit einer Partei zu beginnen, sondern
mit einer sozialen Bewegung. Ein weiteres wichtiges Element sei die Führung – diese
Bewegungen gewannen an Aufmerksamkeit durch Persönlichkeiten, die ihre Ideen
verwirklicht
haben.
Laut
Meyer
komme
es
gegenwärtig
häufig
vor,
Vertreter_innen
der
eloquente
ehrgeizige
und
dass
Parteien
als
zwar
Personen
gewählt werden, die Ideale hingegen
würden sie nicht verkörpern – sie seien
nicht glaubwürdig, vor allem nicht für
junge
Menschen,
die
sich
von
politischen Parteien abwenden. Auch
die SPD stehe vor dem Problem, dass
das Interesse für junges Engagement
in der Politik gering sei – sie müsse
sich umsehen – ob die Grünen oder Die Linke – gesucht werde ein Bündnis und versucht
werde, ein breites linkes Umfeld zu schaffen. Die jungen Menschen, so Meyer, mögen
zwar die Parteien nicht, aber sie engagieren sich in zahlreichen Initiativen, Bewegungen
und Organisationen – Aufgabe der politischen Parteien sei es, dieses Engagement
wertzuschätzen und in einer Form, die sie für geeignet halten, mit diesen Organisationen
zusammenzuarbeiten. Das alles sei wichtig vor dem Hintergrund der Dominanz der
Marktkräfte in modernen Demokratien. Das Ziel der Menschen von der Linken sollte die
Anpassung
des
Demokratie
Marktes
sein,
an
und
die
nicht
umgekehrt.
Anschließend
ergriff
Joanna
Wowrzeczka das Wort, vom Klub
der KP in Cieszyn, Malerin und
Soziologin,
die
Student_innen
mit
Kindern
arbeitet.
und
Im
Gespräch über ihre Arbeit wies sie
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darauf hin, dass sich unter den jungen Menschen in Polen erschreckenderweise
fremdenfeindliche
Einstellungen
verbreiten,
sehr
konservative
und
verschlossen
gegenüber Andersartigkeit. Wowrzeczka versuche, sie durch die Umsetzung von
Kunstprojekten für Fragen zum Gemeinwohl, für soziale Ausgrenzung und die Gefahren
der
Ablehnung
unterschiedlicher
Lebensweisen
zu
sensibilisieren.
Ähnliche
Beobachtungen habe auch Robert Biedroń gemacht, der als Präsident von Słupsk an
vielen Treffen mit jungen Menschen in kleineren Städten teilnahm: „Unsere Werte –
Gleichheit und Solidarität verlieren leider. Der extreme Individualismus gewinnt.“ Seiner
Meinung nach fehle es heute nicht nur in der
polnischen, sondern auch europäischen Politik
an glaubwürdigen Visionen – „wir müssen diese
Menschen mit dem Gedanken anstecken, dass
ein anderes Polen, ein anderes Europa, möglich
ist”.
Auf die Frage nach den politischen Akteuren
bekräftigte Thomas Meyer, wie wichtig die
Arbeit von NGOs und sozialen Bewegungen sei.
Wenn wir möchten, dass unsere Werte, Ideen,
ein breiteres Publikum erreichen, müssen wir genau auf solche Initiativen zählen – die
Mainstream-Medien
haben
ihre
eigenen
Interessen
und
machen
diese
in
ihrer
Übertragung deutlich. Deshalb liege die Last, Diskussionen über wichtige Themen
anzufangen, auf der Zivilgesellschaft, sie den Politikern unterzuschieben, um auf die
Politik und den Staat entsprechenden Druck auszuüben. Die sozialen Bewegungen sind
glaubwürdiger, gerade weil sie den direkten Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern
haben.
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