Psychotherapie und Psychodiagnostik - Dr. Wolfgang Ruf

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Psychotherapie und Psychodiagnostik
Duale HochschuleVillingen-Schwenningen
Ausbildungsbereich SOZIALWESEN
IV. Quartal 2016 Modul 8
Dr. Wolfgang Ruf-Ballauf
Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Facharzt für Innere Medizin
Psychotherapie – Sozialmedizin - Rehabilitationswesen
www.ruf-ballauf.de
Psychodiagnostik und Psychotherapie
Dr. Wolfgang Ruf-Ballauf
IV. Quartal 2016
•  Psychodiagnostik: Grundlagen, Psychometrie und
Soziometrie, diagnostische Verfahren, Fragestellungen,
spezielle Diagnostik – Skript ab Seite 45!
(4 Termine)
•  Einschub: Psychosomatik (6 Termine - ab 26.10.16)
•  Psychotherapie:
wichtigste Therapieverfahren mit den Schwerpunkten
Verhaltenstherapie und tiefenpsychologisch fundierte
Psychotherapie
(6 Termine – ab 22.11.16)
•  Tutorium: 6.12. oder 8.12.2016 jeweils 13:30 Uhr
2
Psychodiagnostik: Inhalte und Gliederung
•  Grundlagen
Einführung, diagnostischer Prozess, Klassifikation
•  Psychometrie und Soziometrie
Testkonstruktion, Testformen, Gütekriterien, Testdurchführung
•  Diagnostische Verfahren
Selbstbeurteilung, Fremdbeurteilung, Interviews, Verhaltensbeobachtung,
Interaktionsdiagnostik, Leistungsdiagnostik, Felddiagnostik, Projektive
Verfahren
•  Diagnostische Fragestellungen
Klinisch-biographische Diagnostik, Soziodiagnostik (Netzwerke, soziale
Unterstützung, Anpassung), Belastungsbewältigung, Diagnostik der
Persönlichkeit, Diagnostik bei Kindern, Jugendlichen und älteren
Menschen, Verlaufsbeobachtungen
•  Störungsbezogene Diagnostik
Diagnostik spezieller psychischer Störungen, Beispiele störungsbezogener
Diagnostik, Persönlichkeitsstörungen, Hirnleistungsdiagnostik
3
Psychodiagnostik -> Grundlagen -> Einführung
Definition:
Psychodiagnostik (psychologische Diagnostik)
Ist eine wissenschaftliche Disziplin, deren
Methodologie Verfahren begründet, mit deren Hilfe
Daten für Entscheidungszwecke von
Merkmalsträgern, Gruppen, Institutionen usw.
gewonnen werden.
(Jäger und Petermann 1999)
4
Psychodiagnostik -> Grundlagen -> Einführung
Funktionen von Psychodiagnostik,:
•  Beschreibung (z.B. Beschwerden und Klagen)
•  Klassifikation (Zuordnung zu einer diagnostischen Einheit
nach verschiedenen Klassifikationssystemen, z.B. ICD-10, DSM
IV, ICF)
•  Erklärung (durch Merkmalsdefinitionen trägt Diagnostik zur
Erklärung psychischer Störungen bei)
•  Prognose (Vorhersage über den wahrscheinlichen Verlauf einer
Störung)
•  Evaluation (Bewertung z.B. von Versorgungsmodellen oder
Interventionen) einschließlich Qualitätssicherung
5
Psychodiagnostik -> Grundlagen -> Einführung
Psychodiagnostische Zielsetzungen :
- Erfassung des Ist-Zustandes: Statusdiagnostik
- Veränderungsmessung: Prozessdiagnostik
- Erfassung interindividueller Unterschiede: normorientierte
Diagnostik
- Bestimmung der individuellen Position relativ zu einem
Kriterium: kriteriumsorientierte Diagnostik
- Bestimmen von Eigenschaftswerten aufgrund von
Verhaltensstichproben: Testen
- Bestimmen eines Verhaltensbereiches: Inventarisieren
- Schätzung von Eigenschaftswerten, aus denen
Behandlungsaussagen abgeleitet werden: Diagnostik als
Messung
- Entscheidungs- und Behandlungsoptimierung durch
Informationsgewinnung: Diagnostik als Information für und
über Behandlung
(Pawlik 1976)
6
Psychodiagnostik -> Grundlagen -> Einführung
Multimodale Diagnostik:
•  Datenebenen (Grundkategorien von
Merkmalen des Organismus)
•  Datenquellen (Informationsgeber)
•  Untersuchungsverfahren
•  Konstrukte / Funktionsbereiche (Einheiten
innerhalb einzelner Datenebenen oder über
Datenebenen hinweg)
7
Psychodiagnostik -> Grundlagen -> Einführung
Datenebenen:
•  Biologische (somatische, physikalische) Ebene: oft
unterteilt in biochemische, neurophysiologische und
psychophysische Ebene; im Vordergrund körperlicheb
Vorgänge, die physikalisch oder chemisch erfassbar sind.
•  Psychische Ebene: im Vordergrund stehen individuelles
Erleben und Verhalten, ebenfalls bestimmte psychische
oder kognitive Leistungen.
•  Soziale Ebene: Schwerpunkt sind gesellschaftliche
Rahmenbedingungen und interindividuelle Systeme
•  Ökologische Ebene: beinhaltet materielle
Rahmenbedingungen
8
Psychodiagnostik -> Grundlagen -> Einführung
ca. 20%
ca. 80%
Datenquellen:
•  Die befragte Person selbst, bei der eine Selbstbeobachtung zu einer
Selbstbeurteilungen (z.B. bezüglich Stimmung) oder
Selbstregistrierungen des Verhaltens (z. B. Zigarettenkonsum) führt.
•  Andere Personen (Bezugspersonen, geschulte Beurteiler[innen],
Therapeut[inn]en etc.), deren Fremdbeobachtung zu einer
Fremdbeurteilung bzw. Verhaltensbeobachtung führt. Auch
institutionell anfallende Daten (z.B. Zahl der Krankenhaustage) sind
von anderen Personen festgehalten worden, sodass sie der
Fremdbeobachtung zugeordnet werden können.
•  Apparative Verfahren, Verfahren der Leistungs- und
Intelligenzdiagnostik (mittels Papier/Bleistift oder Computer)
erbringen Funktions- und Leistungskennwerte, die der Patient/Klient
generiert; diese Daten basieren aber nicht auf der Selbstbeobachtung,
sondern stellen eine eigene Datenquelle dar. Vielfach erfolgt heute die
Erfassung dieser Daten mittels Computerunterstützung. Zu den
apparativen Verfahren gehören auch die physiologischen Verfahren
wie EEG, EKG etc
geschätzter Beitrag zur Diagnose
9
Psychodiagnostik -> Grundlagen -> diagnostischer Prozess
allgemeiner Ablauf des diagnostischen Prozesses:
Psychodiagnostische Fragestellung
Psychodiagnostische Datenerhebung z. B. Interviews,
Beobachtungen, Tests
Diagnose
Beratung, Behandlung, Gutachten
10
Psychodiagnostik -> Grundlagen -> diagnostischer Prozess
Unterschiede Psychotherapie – soziale Arbeit:
Psychotherapie
Sozialarbeit
Fragestellung
Psychische oder
Psychosomatische Störung
Soziale Beeinträchtigung
oder Defizit
Datenerhebung
Biographische Anamnese,
Gespräch (Interview),
Beobachtungen, Tests
Psychosoziale Anamnese,
Gespräch (Interview),
Beobachtungen, Tests
Diagnose
ICD-10, DSM IV
ICF
Konsequenz
Behandlung (z.B. Psychotherapie), Medikation,
Krisenintervention usw.
Beratung, Intervention,
Aktivierung, Einbezug von
Institutionen
11
Psychodiagnostik -> Psychometrie und Soziometrie
Psychometrie und Soziometrie („Tests“)
Ein Test ist ein wissenschaftliches Routineverfahren zur
Untersuchung eines oder mehrerer empirisch abgrenzbarer
(Persönlichkeits-) Merkmale mit dem Ziel einer möglichst
quantitativen Aussage über den relativen Grad der
individuellen Merkmalsausprägung
Grundsatzfragen/Probleme bei Tests:
•  Problem der Sprache (z.B. kulturelle Unterschiede)
•  Fehlerquellen (z.B. soziale Erwünschtheit)
•  Keine Voraussetzungsfreiheit (Abhängigkeit von
Konstrukten und Hypothesen: z.B. liegt einem
Intelligenztest immer eine Hypothese zu Grunde, was die
Testautoren unter Intelligenz verstehen)
•  Diagnostische Situation (z.B. Asymmetrie)
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Psychodiagnostik -> Psychometrie und Soziometrie -> Testkonstruktion
Darstellung von Testergebnissen: Die Skalenkonstruktion
• 
• 
• 
• 
• 
Testergebnisse werden in der Regel
mittels einer Skala dargestellt
Der Durchschnittswert aller
Testergebnisse sollte in der Mitte der
Skala liegen, weil nur dann eine optimale
Differenzierung nach oben und unten
möglich ist
Die Ergebnisse bei Testung an
zahlreichen Probanden sollten
idealerweise eine Normalverteilung
(„Glockenkurve“ – s. rechts) ergeben
Der Normbereich umfasst etwa 50 % der
Ergebnisse
Die Aussagekraft eines Tests bezieht
sich stets auf diesen mittleren Bereich.
Beispiel: Bei IQ-Werten unter 85 oder über
115 ist die Aussagekraft mit dem HAWIE
begrenzt (d.h. bei IQ-Werten von 50, 60 oder
70 ist eine Differenzierung nicht möglich).
Skalenbeispiel:
IQ-Skala
HAWIE-Ergebnisse
(Hamburg-Wechsler
Intelligenztest für Erwachsene)
Normbereich
13
Psychodiagnostik -> Psychometrie und Soziometrie
Psychometrie: Testen in der Psychologie
Soziometrie: Testen in den Sozialwissenschaften
Einteilung nach Aufgabenbereichen und Zielen von Tests:
–  Erstellung eines allgemeinen Persönlichkeitsbildes
–  Differenzialdiagnostische Fragen (Auswahl möglicher Diagnosen)
–  Abklärung des Ausmaßes psychischer (speziell intellektueller)
Beeinträchtigungen bei hirnorganischen Störungen - z.B.
Demenzdiagnostik
–  Bestimmung der (allgemeinen und speziellen) Leistungsfähigkeit
und der beruflichen Eignung - z.B. Intelligenztests
–  Wissenschaftliche Untersuchungen
–  Einsatz im sozialen Bereich z.B. Erfassung der sozialen Integration
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Psychodiagnostik -> Psychometrie und Soziometrie -> Testformen
Einteilung nach Art der Testverfahren:
Psychometrische Tests
-  Fähigkeitstests (Intelligenz, Entwicklung, Schule/Ausbildung, spezielle
Funktionen und Fähigkeiten)
-  Persönlichkeitstests (Persönlichkeitsmerkmale, -interessen, -störungen)
- Klinische Tests (Syndromale Tests – z.B. Stärke von Symptomen*)
Projektive Tests
- Formdeuteverfahren
- Thematische Apperzeptionsvertahren
- Wortassoziations- und verbale Ergänzungsverfahren
- Zeichnerische und spielerische Gestaltungsverfahren
* Syndrom = typische Kombination von Symptomen
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Psychodiagnostik -> Psychometrie und Soziometrie -> Gütekriterien
Übersicht über die Gütekriterien von Tests:
•  Hauptgütekriterien
–  Objektivität,
–  Reliabilität,
–  Validität
•  Nebengütekriterien
–  Nützlichkeit (Novität? Neue Aussagen möglich?)
–  Vergleichbarkeit (vergleichbar gute Ergebnisse?)
–  Ökonomie (Zeit- und Raumbedarf, Ressourcenverbrauch?)
–  Normierung (Größe der Eichstichprobe, Populationen?)
–  weitere Kriterien (Zumutbarkeit, Verständlichkeit, Bandbreite,
Akzeptanz)
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Psychodiagnostik -> Psychometrie und Soziometrie -> Gütekriterien
Hauptgütekriterien: Objektivität
Unter Objektivität versteht man den Grad, in dem die Ergebnisse
einer Beobachtung unabhängig vom Beobachter sind.
•  Es werden drei Arten von Objektivität unterschieden:
–  Durchführungsobjektivität (Einheitlichkeit der Instruktion und der
situativen Bedingungen, Ausschluss systematischer oder zufälliger
Einflüsse des Beobachters oder Versuchsleiters auf die Versuchspersonen )
–  Auswertungsobjektivität (Standardisierung der Antwortmöglichkeiten,
Antwortalternativen vorgegeben oder freie Antworten vorgesehen)
–  Interpretationsobjektivität (inwieweit können aus gleichen
Auswertungsergebnissen auch gleiche Schlussfolgerungen gezogen
werden. Hilfreich sind z.B. Normtabellen)
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Psychodiagnostik -> Psychometrie und Soziometrie -> Gütekriterien
Hauptgütekriterien: Reliabilität (Messgenauigkeit)
Unter Reliabilität versteht man das Ausmaß, in dem ein
Messverfahren das, was es misst, genau misst (d.h.
Messfehlerfreiheit oder geringe Messfehlerbehaftetheit)
•  Man unterscheidet:
–  Retest-Reliabilität (Testwiederholungsmethode: der Test wird
nach einer bestimmten Zeit an denselben Probanden wiederholt.
Die Ergebnisse sollten möglich gleich sein.)
–  Paralleltest-Reliabilität (Paralleltestmethode: zwei
inhaltsgleiche (parallele) Tests werden an denselben Probanden
unmittelbar nacheinander oder mit größerem Zeitintervall
durchgeführt.)
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Psychodiagnostik -> Psychometrie und Soziometrie -> Gütekriterien
Hauptgütekriterien: Validität (Gültigkeit)
Unter Validität versteht man den Grad der Genauigkeit mit dem
dieser Test dasjenige Persönlichkeitsmerkmal oder diejenige
Verhaltensweise, das (die) er messen soll oder zu messen vorgibt,
tatsächlich misst.
•  Es gibt die
–  Kriteriums-Validität (Prädiktive und konkurrente Validität =
Vorhersage- und Übereinstimmungsvalidität)
–  Inhaltsvalidität (Testaufgaben sollten für das zu untersuchende Merkmal
repräsentativ sein; auch muss die Stichprobe repräsentativ für den
interessierenden Verhaltensbereich sein.)
–  Konstruktvalidität (bezieht sich auf den Schluss von einem Test auf ein
theoretisches Konstrukt, das nicht direkt beobachtbar ist. D.h. das
Testergebnis oder das Verhalten des Probanden muss den Vorhersagen des
Konstruktes entsprechen.)
19
Psychodiagnostik -> Psychometrie und Soziometrie -> Gütekriterien
Beurteilung von Testverfahren
nach Güte:
•  Bei etablierten Tests sind die
Gütewerte angegeben!
•  Liegen keine Gütewerte vor,
sollte ein Test nicht zum
Einsatz kommen!
•  Wenn das Objektivitätsmaß
niedrig ist, sind auch die
weiteren Gütemasse niedrig:
Ein solcher Test sollte nicht
verwendet werden.
Hierarchie der Gütekriterien:
Ein idealer Test muss eine
perfekte Objektivität, eine
sehr große Reliabilität und eine
möglichst hohe Validität
besitzen.
Erklärung:
die Maximalwerte sind jeweils = 1
Forderungen für „gute“ Test:
Objektivität > 0,9
Reliabilität > 0,65
Validität > 0,4
20
Psychodiagnostik -> Psychometrie und Soziometrie -> Testdurchführung
Checkliste Testdurchführung (1):
1.  Vorbereitendes Gespräch: Klärung des Auftrags,
gegenseitiges Kennenlernen, Abbau unrealistischer
Erwartungen und Ängste
2.  Planung der Testuntersuchung
3.  Erhebung der Anamnese
4.  Einheitliche Testbedingungen / Testverhalten:
a.  Standardisierung des Testmaterials, der Instruktion und der
Darbietung
b.  Mögliche Störfaktoren: semantische Probleme, äußere
Störfaktoren, innerpsychische und somatische Bedingungen,
vorangegangene Tätigkeiten, Motivation, absichtliche
Verfälschung der Testreaktionen, Testangst, Testtraining, (soziale)
Beziehung zwischen Untersucher und Proband
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Psychodiagnostik -> Psychometrie und Soziometrie -> Testdurchführung
Checkliste Testdurchführung (2):
5.  Registrierung des Testverhaltens: Probleme der Fixierung
des relevanten Verhaltens
6.  Auswertung: Bestimmung von Kennwerten, Signierung,
Vergleich der individuellen Testreaktionen mit
Normwerten
7.  Interpretation und Urteilsbildung: diagnostische
Schlussfolgerungen aus dem aufbereiteten Datenmaterial
8.  Beratung: Mitteilung der wichtigsten Ergebnisse und
Beantwortung der gestellten Fragen
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Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren
Übersicht über diagnostische Verfahren:
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
Selbstbeurteilung
Fremdbeurteilung
Interviews
Verhaltensbeobachtung (nonverbalen Verhaltens)
Interaktionsdiagnostik
Leistungsdiagnostik,
Felddiagnostik
Projektive Verfahren
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Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Selbstbeurteilung
Charakteristika von Selbstbeurteilungsverfahren:
•  Selbstbeobachtung
–  Objektivierbare Verhaltensanteile (z.B. Anzahl der Zigaretten,
Schmerztabletten usw.)
•  Selbstbeschreibung
–  Erfassung von Befindlichkeit oder (spezieller) Beschwerden
•  Unterscheidung von „State“ vs. „Trait“-Merkmalen
–  State: Merkmale, die sich spontan oder unter dem Einfluss von
Interventionen ändern (z.B. [Schweregrad von] Depressivität)
–  Trait: zeitstabile Merkmale (z.B. Persönlichkeitseigenschaften)
•  Ein- oder Mehrdimensionalität
–  Eindimensional: z.B. BECKsches Depressionsinventar (BDI)
–  Mehrdimensional: z.B. Symptom-Check-Liste (SCL-90)
•  Selektion von Patienten (Screening) möglich
•  ermöglicht Therapieentscheidung und -Evaluation
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Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Selbstbeurteilung
Vorteile von Selbstbeurteilungsverfahren:
•  Häufig sind klinisch relevante Informationen (z.B.
Stimmungen oder Befindlichkeiten) am leichtesten oder
sogar ausschließlich durch Selbsteinschätzung zu erheben
•  Meist hohe Ökonomie der Verfahren (z.B. geringer
Zeitbedarf)
•  Kurzfristige Wiederholbarkeit (bei Erfassung von StateMerkmalen), -> Zeitreihenanalysen
•  Hohe Durchführungs- und Auswertungsobjektivität
•  Gute teststatistische Absicherung der gebräuchlichsten
Verfahren und Existenz von Normwerten
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Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Selbstbeurteilung
Nachteile / Fehlerquellen bei Selbstbeurteilungsverfahren:
•  Skalenkonstruktion oft nicht einheitlich
–  Beispiel „Depressivität“: umfasst dieses Konstrukt neben seelischen
auch kognitive und körperliche Merkmale / Faktoren?
•  Reliabilität und Validität teilweise mangelhaft
•  Skalierungsprobleme
–  analoge / diskrete Skalen, Differenzierungsgrad, positiv-negative
Skalen, Verzerrung durch Symptombezogenheit
•  Abhängigkeit vom Störungsgrad
–  Tests meist nur für geringe bis mittlere Störungsgrade geeignet
•  Fehlerquellen
–  z.B. Selbsttäuschung, Erinnerungs-/Gedächtnisfehler,
–  Simulation/Dissimulation, Bagatellisierung, soziale Erwünschtheit
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Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Fremdbeurteilung
Charakteristika von Fremdbeurteilungsverfahren:
•  stellen immer eine eigene Informationsquelle dar
•  sind von Vorteil, wenn Selbstauskünfte nicht möglich,
unzureichend oder verfälscht sind oder nicht gewollt werden, z.B.
bei
–  komplexen Gruppen oder Familiensituationen
–  bestimmten psychischen Störungen (Beispiel: Schizophrenie)
•  Überprüfbarkeit der Qualität (s. Interrater-Reliabilität) und
Verbesserung der Qualität durch Training der Anwender
•  Verhaltensbeobachtung (als Teil der Fremdbeurteilung) kann
systematisch oder unsystematisch (parallel) erfolgen, z.B.
während eines diagnostischen Interviews; dies umfasst
insbesondere auch die nicht-verbalen Verhaltenscharakteristika
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Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Fremdbeurteilung
Vergleich von Selbst- und Fremdbeurteilungsverfahren:
•  die Übereinstimmung (Korrelation) ist nicht sehr hoch, wird im
Verlauf (einer Behandlung) besser
•  Urteilsfehler bei Selbstbeurteilungen häufiger
•  Selbstbeurteilungen ergeben eher ein globales Bild des Zustandes
•  Selbstbeurteilungsverfahren sind zeitökonomisch zur globalen
Erfassung geringer beeinträchtiger Personen besonders geeignet
•  Fremdbeurteilungsverfahren sind auch bei schwereren Störungsgraden einsetzbar, erfassen spezifische Aspekte von Beeinträchtigungen, sind änderungssensitiver, aber auch zeitintensiver und
bedürfen einer Ausbildung (Training) des Anwenders
•  beide Verfahren können sich nicht ersetzen, sondern nur
ergänzen, weil nicht alle Bereiche beiden Datenquellen
gleichermaßen zugänglich sind
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Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Interviews
Definition:
Ein Interview ist eine zielgerichtete
mündliche Kommunikation zwischen
einem oder mehreren Befragern und
einem oder mehreren Befragten, wobei
eine Informationssammlung über das
Verhalten und Erleben der zu
befragenden Person(en) im Vordergrund
steht.
(Kessler 1999)
Zielsetzungen: Klassifikatorische Diagnostik (ICD-10, ICF)
Quantifizierung des Schweregrads (z.B. Depressivität)
Erfassung (sozialer) Konstrukte (z.B. soziale Anpassung,
soziale Netzwerke und Unterstützung, Erfassung von belastenden
Lebensereignissen und sozialen Interaktionsstrukturen)
29
Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Interviews
Formen von Interviews:
•  Klinisches Interview
freies Gespräch mit bestimmter Zielsetzung, Ablauf des Gesprächs
vom Interviewer individuell festgelegt, Auswertung nicht festgelegt
•  Halbstrukturiertes Interview
Fragen vorgegeben, Reihenfolge variabel, Zusatzfragen,
Ergänzungen und Erläuterungen möglich, Auswertung nicht
festgelegt
•  Strukturiertes Interview
Fragen und Ablauf vorgegeben, Auswertung festgelegt
•  Standardisiertes Interview
gesamter Prozess festgelegt, einschließlich der Kodierung der
Antworten
30
Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Interviews
Allgemeine Probleme bei Interviews:
•  seitens der Befragten
–  Verstehen der Frage: scheinbar einfache Fragen können unter
bestimmten Bedingungen völlig missverstanden werden
–  Abruf relevanter Informationen: in der Interviewsituation neigen
Befragte bei der Beantwortung zu Schätzstrategien anstelle einer
genauen Erinnerungsstrategie
–  Berichten der Antwort: Verfälschungstendenzen z.B. bei Fragen zu
sozial unerwünschten Verhaltensweisen
•  seitens des Befragungsinstruments
–  z.B. beeinflusst die Auswahl und Präsentationsreihenfolge der
Antwortvorgaben die Antworten
•  seitens des Interviewers
–  Das Interview ist eine soziale Situation zwischen Interviewer und
Befragtem; die Antworten sind daher abhängig von der Wahrnehmung
des jeweils Anderen, den Erwartungen und Einstellungen sowie sozialen
Merkmalen (Alter, Geschlecht) und auch der aktuellen Stimmung
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Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Interviews
Charakteristika des klinischen Interviews:
•  Traditionell die einfachste Art der Informationsgewinnung,
hilfreich zur Systematisierung: Checklisten
•  Fehlerquelle Informationsvarianz: Verwendung unterschiedlicher
Fragetechniken -> unterschiedliche Ergebnisse
•  Fehlerquelle Interpretations- oder Beobachtungsvarianz:
die selbe Antwort wird von unterschiedlichen Interviewern unterschiedlich
interpretiert
•  einige Hinweise zur Fragetechnik
–  Mischung offener und geschlossener Fragen
–  zu Beginn allgemeine, erst im Verlauf spezielle Fragen
–  Suggestivfragen vermeiden (eine Suggestivfrage impliziert die Antwort
entsprechend der Erwartung des Interviewers)
–  nur eine Fragestellung pro Frage
–  evtl. alternative Antwortmöglichkeiten eröffnen („... oder war es vielleicht
ganz anders?“)
–  keinerlei inhaltliche Bewertung der Antworten
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Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Interviews
(halb-)strukturierte Interviews: Charakteristika
•  Halbstrukturiertes Interview
–  gute Eignung für den klinischen Alltag, vor allem für
Berufsanfänger
–  Interviewleitfaden bzw. Fragensammlung
–  Individuelle Anwendung möglich
–  Vereinheitlichung der Diagnostik, Schweregradbestimmung
•  Strukturiertes Interview
–  Formalisierung des diagnostischen Prozesses
–  Meist manualisiert, Fachkenntisse und Training erforderlich
–  Gute Interrater-Reliabilität
•  Standardisiertes Interview
–  Formalisierung des gesamten diagnostischen Prozesses
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Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Interviews
Interviews: Einsatz in der Soziodiagnostik
•  In der sozialen Arbeit spielt das freie Gespräch („klinisches
Interview“) die entscheidende Rolle im Rahmen der
Diagnostik (Checkliste)
•  Halbstrukturierte Interviews sind hilfreich
(Interviewleitfaden)
•  Strukturierte oder standardisierte Interviews kommen in
Einzelfällen in Frage, sind zeitaufwändig und
trainingsintensiv, eignen sich mehr zur klinischen
Diagnostik
•  Verhaltensbeobachtung während des Interviews ist sinnvoll
nur möglich beim klinischen Interview oder
halbstrukturierten Interview
34
Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Interaktionsdiagnostik
Interaktionsdiagnostik bei Familien und Paaren
•  Erfassung von Merkmalen zwischenmenschlicher
Beziehungen
•  Daten können im Sinne von Selbst- und Fremdbeurteilung,
als auch durch Befragung dritter Personen gewonnen
werden (z.B. Interview von Angehörigen)
•  Meist auch auf andere soziale Gruppen anwendbar
Grundsätze / Vorgehen:
•  Beobachtung von Interaktionsstilen (s. folgende Folie)
•  Verhaltenseinordnung im interpersonellen Zirkel (s. folgende zwei
Folien)
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Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Interaktionsdiagnostik
Grundsätze der Interaktionsdiagnostik
Der erste Grundsatz besagt, dass alle interpersonellen Verhaltensweisen
einer Person entlang von zwei Hauptachsen eines zweidimensionalen
Raumes beschreibbar sind: Die eine Dimension (der Zuneigung und
Fürsorge) reicht von feindseligem bis zu freundlichem oder liebevollem
Verhalten, die zweite Dimension (Macht, Kontrolle, Dominanz) reicht
von unterwürfigem bis zu dominantem Verhalten.
Der zweite Grundsatz besagt, dass zwei miteinander interagierende
Personen ihr Verhalten gegenseitig beeinflussen. Dieses Prinzip trägt
dazu bei, dass die im interpersonellen Zirkel einzuordnenden
Handlungen spezifische Reaktionen bei anderen Personen herausfordern
oder hervorrufen. Gewöhnlich besteht eine Komplementarität. Damit ist
gemeint, dass sich die Handlungsmuster ähnlich sind im Hinblick auf
die Zuneigungsdimension (freundlich - feindselig) und reziprok im
Hinblick auf die Kontrolldimension (dominant - unterwürfig) des
interpersonellen Zirkels.
36
Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Interaktionsdiagnostik
Interaktionsdiagnostik bei Familien und Paaren
EinordnungvonVerhaltensweiseneinerPersonim
interpersonellenZirkel:
Zuneigung,
Fürsorge
Macht, Kontrolle,
Dominanz
liebevoll
feindselig
dominant
unterwürfig
37
Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Interaktionsdiagnostik
Interaktionsdiagnostik bei Familien, Paaren, Gruppen:
•  Schwerpunkte der Familiendiagnostik
– 
– 
– 
– 
– 
Zusammenhalt (Kohäsion)
Konfliktneigung
Leistungsorientierung
Aktive Freizeitgestaltung
Kontrolle
- Offenheit
- Selbstständigkeit
- Kulturelle Orientierung
- Religiöse Orientierung
(aus: Familiy Environmental Scales,
Deutsche Version: „Familienskalen“ Schneewind 1988)
•  Charakteristika der Paardiagnostik
–  Überwiegend Selbstbeurteilungsverfahren der Beteiligten, die
auch eine Beurteilung des Partners enthalten, d.h. gleichzeitig
Fremdbeurteilungen sind
–  Induktion von Interaktionen und Konfliktgesprächen
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Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Leistungsdiagnostik
Leistungsdiagnostik = Quantifizierung psychischer Leistungen
•  Bereiche der Leistungsdiagnostik
–  Intelligenz
–  Aufmerksamkeit und Konzentration
–  Gedächtnis
•  Unterschied zur Persönlichkeitsdiagnostik
–  Persönlichkeitsdiagnostik erfasst die habituellen
(charakterlichen), motivationalen und emotionalen
Verhaltensdispositionen
39
Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Leistungsdiagnostik
Leistungsdiagnostik: Intelligenzmessung (Definition)
•  HAWIE(-R), HAWIEK
Intelligenz ist „die zusammengesetzte oder globale Fähigkeit
des Individuums, zielgerichtet zu handeln, rational zu
denken und sich wirkungsvoll mit seiner Umwelt
auseinander zu setzen. Sie ist zusammengesetzt oder
global, weil sie aus Elementen oder Fähigkeiten besteht,
die obwohl nicht völlig unabhängig, qualitativ
unterscheidbar sind.“
(David Wechsler)
•  IST-70 / IST-2000
Intelligenz ist eine „strukturierte Ganzheit von seelischgeistigen Fähigkeiten, die in Leistungen wirksam werden
und den Menschen ´befähigen, als Handelnder in seiner
Welt bestehen zu können.“
(Amthauer 1973)
40
Exkurs: was gehört zur Intelligenz?
Praktische Problemlösefähigkeit
Urteilt/schlussfolgert logisch und gut
Identifiziert Beziehungen zwischen Ideen
Sieht alle Aspekte eines Problems
Reagiert nachdenklich auf die
Vorstellungen anderer
Schätzt Situationen angemessen ein
Erfasst den Kern von Problemen
Interpretiert Informationen richtig
Trifft gute Entscheidungen
Verbale Fähigkeit
Spricht klar und artikuliert
Ist verbal flüssig
Kennt sich innerhalb bestimmter
Wissensgebiete gut aus
Arbeitet hart
Liest viel
Geht effektiv mit Leuten um
Schreibt ohne Schwierigkeiten
Lässt sich Zeit zum Lesen nicht nehmen
Soziale Kompetenz
Akzeptiert andere so wie sie sind
Gibt Fehler zu
Entfaltet Interessen am Geschehen in der Welt
Ist pünktlich bei Verabredungen
Hat ein soziales Bewusstsein
Denkt nach bevor er spricht oder handelt
Schätzt die Relevanz von Informationen für ein
anstehendes Problem richtig ein
Ist sensitiv gegenüber den Bedürfnissen und
Wünschen anderer
Ist offen und aufrichtig mit sich und anderen
Entfaltet Interesse an seiner unmittelbaren
Umgebung
nach Sternberg 1981
41
Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Leistungsdiagnostik
Beispiel Hamburg-Wechsler-Intelligenztest
•  Verbalteil
Allgemeines Wissen
Zahlennachsprechen
Wortschatztest
Rechnerisches Denken
Allgemeines Verständnis
Gemeinsamkeiten finden
•  Handlungsteil
Bilderergänzen
Bilderordnen
Mosaiktest
Figurenlegen
Zahlen-Symbol-Test
42
Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren -> Leistungsdiagnostik
Beispiel Intelligenzstrukturtest IST-70
•  Die Untertests im IST-70
–  Sprachliche Dimensionen (4 Untertests)
–  Rechnerische Intelligenz (2 Untertests)
–  Räumliche Vorstellung (2 Untertests)
–  Merkfähigkeit (1 Untertest)
Bewertung: Verfahren für durchschnittlich intelligente
Personen ohne (erhebliche) psychische Störung,
zeitaufwändig, Gütekriterien erfüllt
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Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> klinisch-biograph. Diagnostik
Biographische Anamnese
•  Erhebung lebensgeschichtlich relevanter Daten zum
besseren Verständnis der aktuellen Probleme bzw. deren
Entwicklung
•  man unterscheidet
–  Objektive Daten
Angaben, die „logischer Evidenz“ entsprechen, Fakten
–  Subjektive Daten
Angaben, die sich eher auf die individuelle Bedeutung
lebensgeschichtlicher Erinnerungen beziehen
–  Szenische Informationen
Angaben, die szenisches Erleben von Beziehungsepisoden widergeben und
Rückschlüsse auf (unbewusste) Phantasien und Konflikte ermöglichen
(besonders bei Psychoanalyse/tiefenpsychologischer Psychother. wichtig)
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Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> klinisch-biograph. Diagnostik
Verfahren biographischer Datenerhebung
•  Standardisierte Ratingverfahren (biographische
Einschätzverfahren, grafische Einschätzungen)
Beispiele: Fragebogen zu Lebenszielen und Lebenszufriedenheit, Life-LineInterview
•  Halbstrukturierte und strukturierte Fragebogen
Beispiele: biographischer Explorationsleitfaden, Mannheimer biographisches
Inventar
•  Anamnestische Verfahren
Beispiele: anamnestische Checklisten
•  Freie Verfahren
Beispiele: Lebenscollage, Lebenslauf-Metapher, Episodentechniken,
autobiographische Stegreiferzählungen, Genogramme
45
Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> klinisch-biograph. Diagnostik
Biographische Anamnese – checkliste 1
1. Familiärer und sozialer Entwicklungshintergrund
a) Frühe familiäre Situation, Geburt, Geschwisterfolge
Nun werden wir uns Ihrer Lebensgeschichte zuwenden, der Familie,
in der Sie groß geworden sind und Ihrer Kindheit.
b) Lebensumstände in den Kinderjahren
Wer gehörte alles zur Familie?
c) Besonderheiten in der Kindheit
Erzählen Sie mir, ob es Besonderheiten gab in Ihrer Kindheit.
d) Psychische Störungen während der Kindheit
Wissen Sie noch von seelischen Beschwerden aus Ihrer Kindheit?
46
Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> klinisch-biograph. Diagnostik
Biographische Anamnese – checkliste 2
2. Leistungsentwicklung
a) Frühe Interessens-Evokation beim Kind und der Schuleintritt
Welche Einstellungen hatten Ihre Eltern und Ihre Umgebung
zu den Themen Arbeit, Beruf und Leistung?
b) Schuleintritt und Schullaufbahn
Können Sie sich noch an Ihren Schuleintritt erinnern?
c) Berufswahl und Arbeit
Wie und wann haben Sie sich für einen Beruf entschieden?
47
Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> klinisch-biograph. Diagnostik
Biographische Anamnese – checkliste 3
3. Entwicklung des Leib-Selbst, interpersonelle Entwicklung und
Entwicklung der genitalen Rolle
a) Frühe Zwischenleiblichkeit mit den Bezugspersonen
Wurde Ihnen erzählt, was für ein Kind Sie waren?
b) Entwicklung in der Dyade - Entdeckung der Geschlechtlichkeit
Erzählen Sie mir von Ihrer frühen Kindheit!
c) Die Geschlechtsvollen-Exploration
Können Sie sich daran erinnern, wie Sie „ein Junge"/„ein Mädchen" geworden sind?
d) Späte Kindheit
Welche Kontakte hatten Sie in derzeit vom Schulbeginn zur Pubertät?
e) Pubertät
Wie haben Sie die Veränderungen Ihres Körpers in der Pubertät wahrgenommen?
f) Adoleszenz
Welches waren die wichtigsten Erfahrungen Ihrer Jugendzeit?
g) Entwicklungen im Erwachsenenalter
Welche Entwicklungen und Veränderungen gab es für Sie seither im Erwachsenenalter?
48
Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> Soziodiagnostik
Bedeutung der Soziodiagnostik bei psychischen Störungen
•  Bedeutung
Soziale Phänomene sind für die Entstehung und den Verlauf psychischer
Störungen von zentraler Bedeutung. Sie besitzen dabei sowohl Risiko- als auch
protektive Funktionen. Auch in der Stressforschung wird der Einfluss sozialer
Variablen (insbesondere Soziales Netzwerk und Soziale Unterstützung) auf die
Entstehung und die Bewältigung von Belastungen untersucht.
• 
Erfassung sozialer Phänomene in der Soziodiagnostik:
•  Soziales Netzwerk und soziale Unterstützung
•  Soziale Anpassung
•  Soziale Behinderung
lesenswert: „Die Bedeutung sozialer Netzwerke und sozialer Unterstützung für
die Psychotherapie“
http://www.psychologische-beratung-bern.ch/soziale-netzwerke.htm
49
Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> Soziodiagnostik
Soziales Netzwerk und soziale Unterstützung
Konstruktdefinition: Mit sozialer Unterstützung werden Personen,
Handlungen/Interaktionen sowie Erfahrungen/Erlebnisse
umschrieben, die dem Individuum das Gefühl geben, geliebt,
geachtet, anerkannt und umsorgt sowie Bestandteil
zuverlässiger Beziehungen und sozialer Gruppen zu sein (Cobb,
1976).
primäre oder persönliche Netzwerke: Familie und Verwandtschaft, Nachbarschaft,
Freundeskreis, auch spezifische Netzwerke (z.B. Thema Frauen, Arbeitsplatz, Alter...).
sekundäre oder gesellschaftliche Netzwerke: institutionelle Netzwerke wie zum
Beispiel Betriebe, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen der Infrastruktur wie
Kindergarten, Schule, Hochschule, Soziale Dienste.
tertiäre Netzwerke: Sie sind zwischen den primären und sekundären Netzwerken
angesiedelt und haben eine vermittelnde Funktion. Es handelt sich hierbei um
Gruppen der Selbsthilfe, Bürgerinitiativen und um professionelle Dienstleistungen
(z.B. Krankenpflegedienste, Gesundheitsberatung, Einrichtungen der Sozialen Arbeit.
50
Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> Soziodiagnostik
Soziales Netzwerk und soziale Unterstützung
Charakterisierung sozialer Unterstützung:
• Unterstützungsanlässe: Alltag und/oder Belastungen/ Krisen
• Problem- oder Zielbereiche: allgemeinunspezifisch und/oder
bereichsbezogen/spezifisch (z.B. Arbeitsbereich; spezifische
Belastungen wie z.B. Erkrankungen, Kindererziehung).
• Unterstützungsinhalte: psychologische (Anerkennung, positive
Rückmeldung, emotionale Stützung etc.), instrumentelle
(Information, Ratschlag, Arbeit etc.) Unterstützung.
• Quelle der Unterstützung: Rolle des Unterstützers (z.B. Partner,
Freunde, Familie).
• Zielperson der Unterstützung: unspezifisch/allgemein und/oder
spezifisch (z.B. Kinder, alte Menschen, Eltern etc.).
51
Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> Soziodiagnostik
Soziales Netzwerk und soziale Unterstützung
Fragebogen zur sozialen Unterstützung (F-SozU)
von Sommer & Fydrich (1989, 1991)
4 Hauptskalen
1.  Emotionale Unterstützung,
2.  Praktische Unterstützung,
3.  Soziale Integration und
4.  Soziale Belastung
3 Ergänzungsskalen
1.  Reziprozität
2.  Verfügbarkeit einer Vertrauensperson
3.  Zufriedenheit mit sozialer
Unterstützung
Item-Beispiel: «Ich habe Freunde/Angehörige, die auch mal gut
zuhören können, wenn ich mich aussprechen möchte.»
52
Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> Soziodiagnostik
Soziale Anpassung
Konstruktdefinition: „...social adjustment can be defined as the
equilibrium between an individual and his environment. More
precisely it can be regarded as the functioning of an individual
in specific social roles. Theoretically a discrepancy in this
person-environment fit may result from a disability on the side
of the individual or from disturbances in the social
environment".
(Katschnig 1983 – Übersetzung: Ruf-Ballauf)
Untersuchungsverfahren
• Erfassung von allgemeinen Aspekten der sozialen Anpassung mittels
Selbst- oder Fremdbeurteilung und Abgleich mit „Normwerten“ oder
„Normverhalten“
• spezifische Selbst- oder Fremdbeurteilungsverfahren (inkl.
Beobachtungsskalen), bei denen gezielt einzelne Aspekte sozialer
Anpassung erfasst werden
• Interviewverfahren
• Verwendung von Globalskalen (Fragebögen)
53
Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> Soziodiagnostik
Soziale Anpassung
Konstruktdefinition: „...soziale Anpassung kann definiert werden
als Gleichgewicht zwischen einem Individuum und seiner
Umwelt. Genauer kann sie als das Funktionieren des
Individuums in seinen spezifischen Rollen betrachtet werden.
Theoretisch resultiert eine Störung des Gleichgewichts
zwischen Person und Umwelt aus einer Unfähigkeit auf seiten
des Individuums oder einer Störung im sozialen Umfeld".
(Katschnig 1983 – Übersetzung: Ruf-Ballauf)
Untersuchungsverfahren
• Erfassung von allgemeinen Aspekten der sozialen Anpassung mittels
Selbst- oder Fremdbeurteilung und Abgleich mit „Normwerten“ oder
„Normverhalten“
• spezifische Selbst- oder Fremdbeurteilungsverfahren (inkl.
Beobachtungsskalen), bei denen gezielt einzelne Aspekte sozialer
Anpassung erfasst werden
• Interviewverfahren
• Verwendung von Globalskalen (Fragebögen)
54
Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> Soziodiagnostik
Beispiel: Mannheimer Skala zur Einschätzung sozialer Behinderung (WHO):
Strukturiertes Interview, das mit dem Patienten und/oder einem oder
mehreren Informanten (Bezugspersonen) durchgeführt wird.
Sektion 1 Allgemeinverhalten
Selbstdarstellung, Freizeitaktivität, Tempo bei der Bewältigung täglicher
Aufgaben, Kommunikation/sozialer Rückzug, Rücksichtnahme und
Reibungen im Umgang mit Menschen und Verhalten in Notfällen und
Krisensituationen
Sektion 2 soziale Rollen eines Individuums
Haushaltsrolle/Teilnahme am Familienleben, Partnerrolle:
Gefühlsbeziehung, Partnerrolle: sexuelle Beziehung, Elternrolle,
heterosexuelles Rollenverhalten, Arbeitsverhalten, Interesse an einem
Arbeitsplatz, Interessen und Informationsbedürfnis/Rolle als Konsument.
Sektion 3 Gesamteinschätzung der sozialen Anpassung
Der Grad der sozialen Anpassung wird auf 5 Stufen beurteilt (von 55„gute
soziale Anpassung“ bis „fehlende soziale Anpassung“.
Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> Belastungsbewältigung
Erfassung von Lebensbelastungen
Klassifikation von Belastungen (1)
•  Belastende / kritische Lebensereignisse
–  Sie sind im Lebenslauf eines Menschen als diskrete, raumzeitlich lokalisierbare Ereignisse identifizierbar, was sie von
chronischen Stressoren/Belastungen abgrenzt
–  Sie machen eine qualitativ-strukturelle Neuorganisation des
Person-/Umweltgefüges (z.B. berufliche Neuorientierung;
Ortswechsel etc.) erforderlich, was sie von passageren
Adaptationsleistungen und Alltagsbelastungen unterscheidet.
–  Die emotionalen Reaktionen sind nachhaltig und stellen nicht
nur kurzfristige Emotionen dar, wie sie im Alltag häufig
vorkommen (und was sie von Alltagsbelastungen abgrenzt).
•  Traumatische Ereignisse und traumatischer Stress
–  s. Vorlesung Psychosomatik
56
Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> Belastungsbewältigung
Erfassung von Lebensbelastungen
Klassifikation von Belastungen (2)
•  Chronische Belastungen
–  Anhaltende ökologisch, sozial und psychologisch belastende Arbeitsbedingungen (z.B. Lärm, Feuchtigkeit, Rollenbelastungen, Zeitdruck etc.)
–  Lang anhaltende Schwierigkeiten und Probleme in verschiedenen Lebenskontexten, die u.a. aus chronischen Mangelzuständen oder Konflikten
resultieren: z.B. finanzielle Probleme, Rollenprobleme einer Hausfrau mit vielen
Kindern, chronische Familienkonflikte
–  Lang anhaltende Lebensbelastungen und/oder chronifizierte Folgen diskreter
Lebensereignisse (z.B. chronische Trauer nach Partnerverlust, Folgeschäden
eines schweren Unfalls)
•  Alltagsbelastungen
–  Das Ereignis tritt im Alltagsleben eines Menschen auf (= hohe Auftrittswahrscheinlichkeit)
–  Es erfordert zwar nur eine geringe Anpassungszeit, jedoch ist die Wiederanpassungsleistung zum Teil recht hoch; diese entspricht also nicht einer
Routinehandlung
–  Die Valenz ist deutlich negativ
–  Die damit verbundenen Emotionen besitzen eine mittlere bis höhere Intensität
und können so deutlich von passageren Emotionen abgegrenzt werden. 57
Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> Belastungsbewältigung
Schema des Belastungs-Bewältigungs-Prozesses
appraisal (engl.) = Abschätzung, Einschätzung, Bewertung, Beurteilung
58
Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> Persönlichkeit
Persönlichkeit = Summe der Persönlichkeitseigenschaften
Persönlichkeitseigenschaft
Disposition zu einem Muster von Verhaltens- und
Erlebnisweisen, die sich in einem breiten Spektrum (sozialer)
Situationen mit hoher Wahrscheinlichkeit manifestieren
(unterscheide „trait“ vs. „state“ vs. „habit“).
Man unterscheidet
–  Temperamentseigenschaften (z.B. Impulsivität)
–  Fähigkeitseigenschaften (z.B. Intelligenz)
–  Handlungseigenschaften (z.B. Bewältigungsstile)
–  Bewertungsdispositionen (z.B. Werthaltungen)
–  Selbstbezogene Dimensionen (z.B. Selbstwertgefühl)
59
Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> Persönlichkeit
Persönlichkeit und Persönlichkeitsdiagnostik
•  Persönlichkeit
ist definiert als das einzigartige Ausprägungsmuster von
Persönlichkeitseigenschaften (traits).
•  Persönlichkeitstests fassen die Persönlichkeitseigenschaften
meist in 5 bis 12 Dimensionen bzw. Skalen zusammen. Beispiel:
Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI-R)
Lebenszufriedenheit; soziale Orientierung;
Leistungsorientierung; Gehemmtheit; Erregbarkeit;
Aggressivität; Beanspruchung; körperliche Beschwerden;
Gesundheitssorgen; Offenheit; Extraversion; Emotionalität
•  Bedeutung für die soziale Arbeit
Diagnostik der prämorbiden Persönlichkeit (z.B.
Demenzdiagnostik, Stressverhalten/Stressbewältigung)
60
Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> Persönlichkeit
Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI-R)
Auswertebeispiel: Skalenprofil
61
Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> Persönlichkeit
Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI-R)
Auswertebeispiel: Veränderungsmessung
Stressbewältigungstraining
Kurzzeit
62
Psychodiagnostik -> Diagnostische Fragestellungen -> spezielle Altersgruppen
Schulleistungsdiagnostik bei Kindern und Jugendlichen
63
Psychodiagnostik -> störungsbezogene Diagnostik -> Persönlichkeitsstörungen
Diagnostik von Persönlichkeitsveränderungen am Beispiel Demenz
•  Prämorbide Intelligenz
Messung der verbalen Intelligenz als reliables Maß des
allgemeinen Intelligenzniveaus, z.B. mittel MehrfachwahlWortschatztest (MWT)
•  Screeningverfahren
zB. CI-Test (CI = cerebrale Insuffizienz)
a) Symbole zählen
b) Buchstaben invertieren
•  Messung der aktuellen Intelligenzleistung
a) Buchstaben-Schnelllesen
b) Kurzzeit-Merkfähigkeit für Buchstaben
c) Kurzzeit-Merkfähigkeit für Zahlen
64
Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren
Die Diagnose als Ergebnis des diagnostischen Prozesses
Diagnose
Diagnose
gestellt
Diagnose
nicht gestellt
Status
tatsächlich
krank
nicht krank
65
Psychodiagnostik -> Diagnostische Verfahren
Die Diagnose als Ergebnis des diagnostischen Prozesses
Diagnose
Diagnose
gestellt
Diagnose
nicht gestellt
tatsächlich
krank
tatsächlich
positiv
falsch
negativ
nicht krank
falsch
positiv
tatsächlich
negativ
Status
66
Psychotherapie: Inhalte und Gliederung
•  Grundlagen
Einführung, Wirkfaktoren, psychologische und biologische Grundlagen,
Abgrenzung zur Sozialarbeit
•  Verbale und handlungsbezogene Psychotherapieverfahren
–  Tiefenpsychologische Psychotherapie und Psychoanalyse
–  Verhaltenstherapie und kognitive Therapie
–  andereVerfahren: interpersonelle Psychotherapie,
Gesprächspsychotherapie, systemische Psychotherapie, Gestalttherapie,
Psychodrama,
•  Suggestive und körperbezogene Therapieverfahren
(soweit nicht in „Psychosomatik“ besprochen)
–  Hypnose
–  Körper-orientierte Verfahren
•  Ergänzende Verfahren
Nonverbale Therapieformen, Kunst- und Kreativtherapie, Tanztherapie,
weitere Verfahren
67
Psychotherapie -> Grundlagen -> Einführung
Wissenschaftliche Definition von Psychotherapie
Psychotherapie ist ein bewusster und geplanter interaktioneller
Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und
Leidenszuständen, die in Übereinstimmung zwischen Patient und
Therapeut für behandlungsbedürftig gehalten werden, mit
psychologischen Mitteln (durch Kommunikation) meist verbal
aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes, nach
Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Symptomminimalisierung und/oder Strukturänderung der Persönlichkeit)
mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des
normalen und pathologischen Verhaltens.
(Strotzka 1978)
68
Psychotherapie -> Grundlagen -> Einführung
Wissenschaftliche Definition von Psychotherapie
Psychotherapie ist ein bewusster und geplanter interaktioneller
Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und
Leidenszuständen, die in Übereinstimmung zwischen Patient und
Therapeut für behandlungsbedürftig gehalten werden, mit
psychologischen Mitteln (durch Kommunikation) meist verbal
aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes, nach
Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Symptomminimalisierung und/oder Strukturänderung der Persönlichkeit)
mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des
normalen und pathologischen Verhaltens.
(Strotzka 1978)
69
Psychotherapie -> Grundlagen -> Einführung
Wer führt Psychotherapie durch?
•  Ärztliche Psychotherapeuten
•  Psychologische Psychotherapeuten
•  Kinder- und Jugendlichen
Psychotherapeuten
Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten
und des Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten(PsychThG, 1999)
Das Gesetz von 1999 regelt die Berufsausbildung und staatliche
Prüfung, Berufserlaubnis (Approbation), Ausbildungsstätten,
Rechtsverordnungen und Gebührenordnung im
Zusammenhang mit Psychotherapie durch nicht-ärztliche
Psychotherapeuten
(Im Internet z.B. unter www.gesetze-im-internet.de/psychthg )
70
Psychotherapie -> Grundlagen -> Einführung
Was bezahlen Krankenkassen?
•  Über Kassenleistungen entscheidet grundsätzlich der
gemeinsame Bundausschuss (GBA)
Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt als oberstes
Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten,
Zahnärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern und
Krankenkassen in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der
gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Zum 1. Januar 2004
wurde der GBA durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG)
errichtet. Der GBA hat 13 Mitglieder:
Vorsitzenden (unparteiisch)
zwei weitere unparteiische Mitglieder
zwei Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG)
zwei Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)
ein Vertreter der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung
(KZBV)
fünf Vertreter der Krankenkassen, die vom GKV-Spitzenverband
benannt werden.
71
Psychotherapie -> Grundlagen -> Einführung
Was bezahlen Krankenkassen?
In den Psychotherapierichtlinien (letzte Fassung vom
Februar 2009) hat der GBA festgelegt, welche
Psychotherapieverfahren von den gesetzlichen
Krankenkassen bezahlt werden. Diese sind
–  psychoanalytisch begründete Psychotherapieverfahren
•  tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
•  analytische Psychotherapie
–  Verhaltenstherapie
1. Stimulus-bezogene Methoden (z. B. systematische
Desensibilisierung),
2. Response-bezogene Methoden (z. B. operante Konditionierung,
Verhaltensübung),
3. Methoden des Modelllernens,
4. Methoden der kognitiven Umstrukturierung (z. B.
Problemlösungsverfahren, Immunisierung gegen Stressbelastung),
5. Selbststeuerungsmethoden (z. B. gezielte Selbstbeobachtung,
Stumuluskontrolle, „Vertrag“, u.a.).
72
Psychotherapie -> Grundlagen -> Einführung
Formen von Psychotherapie („setting“)
• 
• 
• 
• 
Einzelpsychotherapie
Gruppenpsychotherapie
Paar- und Ehetherapie
Familien und systemische Therapie
Psychotherapieverfahren (Übersicht)
– Tiefenpsychologische Psychotherapie (einschl. Psychoanalyse)
– Verhaltenstherapie und kognitive Therapie
– interpersonelle Psychotherapie,
– Gesprächspsychotherapie,
– systemische Psychotherapie,
– Gestalttherapie,
– Psychodrama
– suggestive und Entspannungsverfahren
– Körperorientierte Verfahren
73
Psychotherapie -> Grundlagen -> Einführung -> Psychotherapieverfahren
Tiefenpsychologische Psychotherapie (einschl.
Psychoanalyse)
Behandlungsform, die auf tiefenpsychologischen Konstrukten
beruht (Libidotheorie, Phasentheorie, Instanzenlehre,
Konflikttheorie), die wesentlich das Unbewusste einschließen.
„Tiefe“ bezieht sich auf die zeitliche Dimension (Wichtigkeit der
frühkindlichen Entwicklung) als auch auf die strukturelle
Dimension (des Unbewussten).
S. FREUD
C.G. JUNG
A. ADLER
W. REICH
74
Psychotherapie -> Grundlagen -> Einführung -> Psychotherapieverfahren
Verhaltenstherapie und kognitive Therapie
Die Verhaltenstherapie basiert auf der Lerntheorie, die wiederum
wesentlicher Bestandteil des sog. Behaviorismus ist (engl.
„behavior“ = Verhalten).
Beschäftigung mit von außen beobachtbarem Verhalten:
Verhalten besteht aus Reiz-Reaktions-Ketten
Reize und Reaktionen werden über Pawlowsches
Konditionieren verknüpft
B.F. SKINNER
I.P. PAWLOW
E.L. THORNDIKE
75
Psychotherapie -> Grundlagen -> Einführung -> Psychotherapieverfahren
interpersonelle Psychotherapie
Die Interpersonelle Psychotherapie ist eine Kurzzeittherapie,
die ursprünglich für die Akutbehandlung von Depression
entwickelt wurde. Als entscheidenden Ansatz rückt diese
Therapieform die therapeutische Beziehung in den
Vordergrund, die durch positive zwischenmenschliche
Erfahrungen und psychosoziale Effekte hilfreich sei.
Die Therapie fokussiert auf interpersonelle und im
psychosozialen Kontext aktuell bedeutsame Themen der
Patienten.
H.S. SULLIVAN
M.M. WEISSMAN
und
G.L. KLERMAN
76
Psychotherapie -> Grundlagen -> Einführung -> Psychotherapieverfahren
Gesprächspsychotherapie oder klienten-zentrierte
Psychotherapie
Verfahren aus dem Bereich der humanistischen Therapien,
welches vom amerikanischen Psychologen Carl Rogers
entwickelt wurde. Der Klient bestimmt im wesentlichen die
Gesprächsinhalte, während der Therapeut auf diese Inhalte
eingeht und den Klienten dabei unterstützt, sich selbst zu
erforschen. Es werden Anregungen, aber keine Ratschläge
gegeben. Im Mittelpunkt des therapeutischen Prozesses steht
die Klient-Therapeut-Beziehung.
C. ROGERS
77
Psychotherapie -> Grundlagen -> Einführung -> Psychotherapieverfahren
systemische Psychotherapie
Die systemische Psychotherapie gründet auf modernen
Konzepten systemtheoretischer Wissenschaft. Störungen
Einzelner werden als Ergebnis gestörter interaktioneller
Beziehungen zwischen dem „Symptomträger“ und den
Anderen im System aufgefasst. Diese Betrachtungsweise
ermöglicht es, komplexe Phänomene und Störungen des
menschliches Lebens und Zusammenlebens zu verstehen und
eine passende Methodik zu ihrer Behandlung zu entwickeln.
G. BATESON
P. WATZLAWICK
M.S. PALAZZOLI
78
Psychotherapie -> Grundlagen -> Einführung -> Psychotherapieverfahren
Gestalttherapie
Die Gestalttherapie ist ein Verfahren, das sowohl
gesprächsorientiert, als auch darstellend-kreativ und
körperorientiert ist. Sie wird als Einzel-, Gruppen-, Paar- und
Familientherapie angeboten. Die aktuellen Erfahrungen und
Gefühle der Klienten stehen im Vordergrund (Konzentration auf
das "Hier und Jetzt"). Viel Aufmerksamkeit wird auf
Körperwahrnehmung gelegt; so werden KlientInnen auf
Widersprüche zwischen ihrem körperlichen und sprachlichen
Verhalten hingewiesen.
F. PEARLS
L. PEARLS
P. GOODMAN
79
Psychotherapie -> Grundlagen -> Einführung -> Psychotherapieverfahren
Psychodrama
Das Psychodrama wurde von dem Wiener Psychiater Jacob
Levy Moreno (1890-1974) ab den 20er Jahren auf der Basis
das kindliche Rollenspiels und des Stegreiftheaters entwickelt.
Moreno gilt als Begründer der Gruppenpsychotherapie.
In der Psychodramagruppe werden innere und interaktionelle
Konflikte szenisch dargestellt und zum Bewusstsein gebracht.
1923
80
Psychotherapie -> Grundlagen -> Einführung -> Psychotherapieverfahren
Entspannungsverfahren
Autogenes Training
Progressive Muskelrelaxation
Suggestive Verfahren
Hypnose
Suggestion ist die „affektive Beeinflussung der körperlichseelischen Ganzheit auf der Grundlage eines
zwischenmenschlichen Grundphänomens: der affektiven
Resonanzwirkung“. Hypnotische „Aufträge“ werden im
Zustand der Trance erteilt, um sie auch im Unterbewussten zu
verankern.
Im Zustand der Trance ist die Abwehr (im
tiefenpsychologischen Sinne) stark vermindert,
daher ist der Zugang zu unbewussten
Inhalten erleichtert.
81
82
Psychotherapie -> Grundlagen -> Einführung -> Psychotherapieverfahren
Nonverbale und Körperorientierte Verfahren
Viele Psychotherapieverfahren sind an Verbalisierung geknüpft.
Wahrnehmung, Erleben, Kommunikation haben jedoch auch
nonverbale Anteile, situationsabhängig oft sogar überwiegend.
Daher liegt es nahe, nonverbale Formen des Erlebens und
Verhaltens therapeutisch zu nutzen.
Als nonverbale Verfahren kann man alle Therapieformen
bezeichnen, bei denen die Sprache nicht vorrangiges Mittel des
Erkenntnisgewinns oder der Kommunikation ist. Diese
Therapieformen gliedern sich in einen nonverbalen und einen
verbalen Anteil. Im Anschluss an eine nonverbal erlangte
Erfahrung erfolgt die therapeutische Aufarbeitung dieser
Erfahrung in der Regel verbal.
Körpererfahrung, Kunst- und Kreativtherapie oder Tanztherapie
sind Beispiele nonverbaler Verfahren.
83
Psychotherapie -> Grundlagen -> Wirkfaktoren von Psychotherapie
Wie wirkt (Einzel-) Psychotherapie?
•  Intensive, emotional besetzte vertrauensvolle Beziehung zwischen
Hilfesuchenden und Helfer
•  Erklärungsprinzip (Glaubenssystem, Mythos) bezüglich der Ursachen
der Erkrankung und eine damit zusammenhängende Methode für ihre
Beseitigung bzw. Behebung
•  Problemanalyse, die dem Patienten Möglichkeiten der Bewältigung
eröffnet
•  Vermittlung von Hoffnung mit dem Ziel, die Demoralisation des
Patienten abzubauen
•  Vermittlung von Erfolgserlebnissen, die sowohl der Hoffnung weitere
Nahrung geben als auch dem Patienten zunehmend Sicherheit und
Kompetenz vermitteln
•  Förderung emotionalen Erlebens als Voraussetzung für eine
Einstellungs- und Verhaltensänderung
84
Psychotherapie -> Grundlagen -> Wirkfaktoren von Psychotherapie
Wie wirkt (Gruppen-) Psychotherapie?
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
• 
Akzeptanz
Kohäsion
Universalität des Leidens
Einflößen von Hoffnung
Feedback
Anleitung
Identifikation
Selbstöffnung
Interaktion
Wiedererleben der primären Familie
Katharsis
Einsicht
Altruismus
Die Faktoren wirken nicht
unabhängig voneinander,
sondern bedingen sich
(teilweise) gegenseitig.
Sie sind auch abhängig
von Ziel und Methode der
Gruppentherapie.
Manche Faktoren sind
Voraussetzung für andere:
z.B. ist Gruppenkohäsion
eine basale Voraussetzung.
(nach Tschuschke 1993)
85
Psychotherapie -> Grundlagen -> psychologische + biologische Grundlagen
•  Psychologische Grundlagen
– 
– 
– 
– 
– 
– 
– 
– 
– 
Informationsaufnahme und –verarbeitung
Denken und Gedächtnis
Lernen
Motivation und Emotion
Kausalattribution
Selbstaufmerksamkeit
Entwicklung und Bindung
Stress und Coping
Persönlichkeit
•  Biologische Grundlagen
– 
– 
– 
– 
Nervensystem und Signalübertragung (Neurotransmitter)
Endokrines System
Immunsystem
Verhaltensgenetik
86
Psychotherapie -> Grundlagen -> psychologische + biologische Grundlagen
•  Psychologische Grundlagen
–  Informationsaufnahme und –verarbeitung
Psychische Störungen können auch als eine Störung der
Informationsaufnahme und –verarbeitung gesehen werden. Die
Wahrnehmung (Informationsaufnahme) bildet die Grundlage für
Subjektivität und Wohlbefinden. Wahrnehmungsstörungen können
direkt und indirekt zu Befindensstörungen, Affektstörungen und
kognitiven Leistungsstörungen beitragen.
Beispiel: Personen, die an Ängsten leiden, weisen typische Störungen
der Wahrnehmung und der Reizverarbeitung auf. Sie sehen überall
nur Gefahren, Fehler und Risiken. Dies führt zu einer
Überschätzung der Gefahren, Risiken, Körpersensationen und
Situationen.
-> Wahrnehmungssteigerung
-> Fehlinterpretation der Reize
87
Psychotherapie -> Grundlagen -> psychologische + biologische Grundlagen
•  Psychologische Grundlagen
–  Denken und Gedächtnis
Denken ist einerseits die logische Verarbeitung von Informationen,
andererseits zählen auch Prozesse der Ursachenzuschreibung
(Attributionsprozesse), Einteilungen und Konzepte (Schemata),
Informationsverarbeitung, Erinnern und Wiedererkennen
(Gedächtnisleistungen) zum Denken (kognitive Prozesse).
Gedächtnis ist die Fähigkeit
zur Bewahrung von
Informationen, Kenntnissen
und Fertigkeiten. Dabei werden Prozesse der Speicherung, der Konsolidierung
des Gespeicherten und des
Abrufens (Erinnern, Wiedererkennen) unterschieden.
88
Psychotherapie -> Grundlagen -> psychologische + biologische Grundlagen
•  Psychologische Grundlagen
–  Lernen
Lernen ist ein allgemeiner Prozess der Aneignung neuer Erfahrungen,
Kenntnisse und Fertigkeiten.
Lernformen:
erfahrungsabhängiges Lernen
Zusammenhänge zwischen Ereignissen und ihren Wirkungen auf den Organismus
assoziativen Lernen
Beziehung zwischen Verhalten und den Verhaltenskonsequenzen
nichtassoziatives Lernen
Abschwächung oder Verstärkung des Verhaltens durch wiederholte Reizdarbietung
respondentes Lernen oder klassische Konditionierung
klassische Konditionierung (Pawlow)
operantes oder instrumentelles Lernen
Konditionierung durch Reaktion der Umwelt (positive oder negative Verstärker)
Lernen durch Beobachtung (Modelllernen)
89
Nachahmung von Verhalten durch Beobachtung von Individuen oder in Gruppen
Psychotherapie -> Grundlagen -> psychologische + biologische Grundlagen
•  Psychologische Grundlagen
–  Motivation und Emotion
Motivation meint die Gesamtheit der psychischen Prozesse, die
Handlungen anregen und bis zu deren Abschluss aufrechterhalten.
Dieser innere Antrieb erfolgt durch Wertüberzeugungen und
Handlungsüberzeugungen.
Emotionen sind vorübergehende psychische Zustände, die im Alltag
als Freude, Ärger, Stolz, Furcht oder Trauer usw. empfunden
werden. Emotionen manifestieren sich als angenehm oder
unangenehm Erlebtes, das meist mit körperlichen Reaktionen
einhergeht. Die Funktionen von Emotionen sind informativer
(kommunikativer) und motivationaler Art. Affekte als sehr starke
Emotionen besitzen einen hohen Handlungsimpuls, sind also starke
Motivatoren.
90
Psychotherapie -> Grundlagen -> psychologische + biologische Grundlagen
•  Psychologische Grundlagen
–  Kausalattribution
Es gehört zu den Grundausstattungen des Menschen, Informationen
nicht nur aufzunehmen, sondern Ereignisse und Erfahrungen auf
ihre zugrunde liegenden Ursachen zurückzuführen, also »warum«
zu fra-gen. Wissen um kausale Zusammenhänge ermöglicht es zu
verstehen, Vorhersagen zu treffen und darüber subjektiv Kontrolle
zu gewinnen.
In Psychosomatik und Psychotherapie ist die subjektive
Krankheitstheorie ein Ausdruck von Attribution. Für den
Therapeuten ist es wichtig, diese zu kennen, um den Patienten „dort
abzuholen, wo er steht“.
91
Psychotherapie -> Grundlagen -> psychologische + biologische Grundlagen
•  Psychologische Grundlagen
–  Selbstaufmerksamkeit
Selbstaufmerksamkeit (Innenwahrnehmung) führt zur Intensivierung
aktueller Gefühlszustände, aber auch dazu, dass Diskrepanzen
zwischen den eigenen Wünschen, Zielen, Erwartungen sowie
Ansprüchen und der Realität, den tatsächlichen Leistungen, dem
aktuellen Aussehen, der verworrenen Lage usw. bewusst werden.
Erhöhte Selbstaufmerksamkeit führt zu einer Abnahme der positiven
und einer Erhöhung der negativen Gefühle. Personen, die eine
Tendenz zur vermehrten Selbstaufmerksamkeit haben, befinden
sich daher häufig in einem negativen Gefühlszustand.
Psychische Störungen, wie Sozialangst, Depressionen, somatoforme
Störungen, Schmerzen, Essstörungen, oder Substanzmissbauch
bzw. -abhängigkeit führen zu einer exzessiven
Selbstaufmerksamkeit und bei negativen Erfahrungen zu einem
Verharren (Selbstbeobachtung, Grübeln) in der aktuellen Lage.
92
Psychotherapie -> Grundlagen -> psychologische + biologische Grundlagen
•  Psychologische Grundlagen
–  Entwicklung und Bindung
Psychische Störungen haben ihren Ursprung oft in
Entwicklungsstörungen bzw. dem Nichtgelingen von
altersbezogenen Entwicklungsaufgaben. Dies führt zu Verletzbarkeit
(Vulnerabilität) und Defiziten, die unter bestimmten Anforderungen
(Belastungen) psychische Störungen entstehen lassen.
Aus der Säuglingsforschung weiß man, dass Störungen der frühen
Sozialbeziehungen (meistens zur Mutter) eine wesentliche
Grundlage für die Entstehung psychischer Störungen in der Kindheit
und im Erwachsenenalter sind (Bowlby 1953), weil zentrale
Bindungsbedürfnisse (z. B. Nähe, Sicherheit, Unterstützung)
frustriert wurden.
Bindungstypen sind:
sicher
unsicher-vermeidend
unsicher-ambivalent
desorganisiert-desorientiert
93
Psychotherapie -> Grundlagen -> psychologische + biologische Grundlagen
•  Psychologische Grundlagen
–  Stress und Coping
Stress kann durch Alltagswidrigkeiten, kritische Lebensereignisse
(»life events«) bzw. Traumatisierungen und chronische Belastungen
entstehen. Stresserfahrungen können positive oder negative
Bedeutung besitzen (vgl. kontrollierbarer und nicht kontrollierbarer
Stress). Stressbewältigung hängt ab von Zeitdauer, Intensität,
Vorhersagbarkeit, Kontrollierbarkeit, Mehrdeutigkeit, Neuheit sowie
Ausmaß der Auswirkungen des Stresserlebens.
94
Psychotherapie -> Grundlagen -> psychologische + biologische Grundlagen
•  Psychologische Grundlagen
–  Persönlichkeit
Unter Persönlichkeit (auch Charakter bzw. Temperament) werden die
überdauernden (stabilen), konsistenten (situationsunabhängigen),
verhaltensrelevanten, individuellen Besonderheiten von Menschen
innerhalb einer bestimmten Population verstanden.
Es gibt verschiedene Persönlichkeitstheorien mit jeweils
unterschiedlicher Anzahl von Persönlichkeitseigenschaften. In
einem gängigen Modell werden fünf Hauptdimensionen genannt:
1. Neurotizismus, Ängstlichkeit, emotionale Labilität, Anpassung
2. Extraversion, „Sociability“, ambitioniert
3. Offenheit für Erfahrungen, Kultur, intellektuell, Unabhängigkeit
4. Verträglichkeit, Freundlichkeit, Unterordnung, Beliebtheit
5. Gewissenhaftigkeit, Selbstkontrolle, Leistungsbereitschaft
95
Psychotherapie -> Grundlagen -> psychologische + biologische Grundlagen
•  Biologische Grundlagen
– 
– 
– 
– 
Nervensystem und Signalübertragung (Neurotransmitter)
Endokrines System
Immunsystem
Verhaltensgenetik
Bitte im Skript nachlesen S. 15 – 16
96
Psychotherapie -> Grundlagen -> Abgrenzung zur sozialen Arbeit
Psychotherapie
Soziale Arbeit
Klassifikation
ICD-10
ICF
Störung/
Beeinträchtigung
seelisch und/oder
seelisch-körperlich
soziale
Beeinträchtigung
Methode
Therapie entspr.
PsychotherapieDefinition
Beratung,
Gespräch,
Intervention
Ziele
Verbesserung der
seelisch-geistigen
Funktionen
Verbesserung der
gesellschaftlichen
Teilhabe
Ergebnis
persönliche
Entwicklung,
Bewältigung
soziale Anpassung,
Verringerung sozialer
Defizite
97
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Tiefenpsychologische Basis-Konstrukte
•  Psychoanalytisches Entwicklungsmodell (Phasentheorie):
–  Orale, anale und genitale Phase
•  Libidotheorie
–  historisch: allgemeine Lebensenergie, später sexuelle Energie
•  Instanzenmodell:
–  Es (Triebe, Lustprinzip), Ich (Anpassung, Realitätsprinzip) und
Über-ich (Moral, Werte, Gewissen)
•  Konflikttheorie/Neurosenlehre:
–  äußere und innere (intrapsychische) Konflikte
–  Verdrängung (Theorie des Unbewussten), Abwehr
•  Therapeutische Beziehung:
–  Übertragung, Gegenübertragung Widerstand
98
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Tiefenpsychologische Basis-Konstrukte
•  Psychoanalytisches Entwicklungsmodell (Phasentheorie):
–  Orale, anale und genitale Phase (klassisches Modell)
Diese Einteilung richtet sich nach der „Quelle der Lust“: in der oralen
Phase das Saugen, in der analen Phase die Beherrschung der
Ausscheidungs- und anderer Körperfunktionen, in der ödipalen
Phase die Geschlechtlichkeit.
Nach der Theorie sollen bestimmte Störungsbilder durch
Entwicklungsstörungen in den jeweiligen Phasen zu erklären sein;
je früher die Störung entstand, desto gravierender das spätere
Krankheitsbild. In der entwicklungsgeschichtlichen Reihenfolge sind
dies:
• 
• 
• 
• 
• 
Autismus (< 2. Monat)
Psychosen (< 6. Monat)
Borderline und narzisstischeStörungen (< 12. Monat)
Neurotische Störungen (Angst, Depression, Zwang) (2. Lebensjahr)
Neurotische Störungen (sexuelle Funktionsstörungen (3. Lebensjahr)
99
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Tiefenpsychologische Basis-Konstrukte
•  Psychoanalytisches Entwicklungsmodell (Phasentheorie):
(Im Skript S. 18/19 ist alternativ das Entwicklungsmodell in der Erweiterung nach
C.G. JUNG dargestellt. Hier wird das klassische drei-Phasen-Modell
besprochen. Lernstoff ist das klassische Modell).
100
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Psychoanalytisches Entwicklungsmodell (Phasentheorie):
•  Orale Phase (1. Lebensjahr)
-  Phase der Primärprozesse (Lustprinzip)
Die befindet sich ca. im ersten Lebensjahr; hier wird der Mund und die
Mundschleimhaut, das Saugen und die Nahrungsaufnahme als
Befriedigung empfunden (z.B. das Saugen an der Mutterbrust).
Zunächst bilden Mutter und Kind eine symbiotische Einheit, erst im
Laufe der ersten Monate lernt das Kind, die Mutter als Objekt zu
differenzieren. Dabei wird zum ersten mal eine Objektbeziehung
ausgebildet. Charakteristisch ist, dass die Triebbefriedigung später
meist autoerotisch und selbständig hergestellt wird (z.B.
Daumenlutschen). Eine weitere Unterscheidung ist die frühe orale
Phase (hauptsächlich Saugen) und die sog. oral-sadistischenPhase (oft Beißen) unterschieden wird.
Neben frühen Störungen (Psychosen, Borderline- und narzisstzische
Störungen) entstehen hier Störungen die mit „Oralität“ und Abhängigkeit zu
tun haben: Essstörungen, Süchte, neurotische Konflikte um Autonomie wie
–-teilweise- Depressionen und Angststörungen (Verlustängste).
101
Somatisierungsstörungen sind ebenfalls in dieser Phase begründet.
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Psychoanalytisches Entwicklungsmodell (Phasentheorie):
•  Anale Phase
-  Phase der beginnenden Sekundärprozesse (Realitätsprinzip)
Bezieht sich auf das 2-3 Lebensjahr, die „Trotzphase“. Durch Erlernen
des Gehens und der Sprache werden Möglichkeiten der Autonomie
geschaffen ,die den Erwartungen und Vorschriften der Eltern oft
entgegen stehen. Durch die Sprache kann das Kind seinen eigenen
Willen (verbal) ausdrücken.
Ferner wird die Kontrolle über die Ausscheidungsfunktionen erlernt.
Das Zurückhalten der Exkremente kann dazu benutzt werden,
Protest gegen die Verbote der Eltern auszudrücken und sich so
durchzusetzen.
Störungen wie Depressionen, Angststörungen (Strafangst), Zwangsstörungen,
also viele der neurotischen Störungen, entstehen in dieser Phase. Konflikte
drehen sich um Autonomie sowie Anpassung.
102
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Psychoanalytisches Entwicklungsmodell (Phasentheorie):
•  genitale (ödipale) Phase
-  Phase der Geschlechterdifferenzierung (3. bis … Lebensjahr)
Kinder entdecken die Geschlechtsorgane als Lustquelle und die
Geschlechtsunterschiede. Nicht nur die Geschlechtsorgane,
sondern die ganze Körperlichkeit wird entdeckt und exploriert
(„Doktorspiele“). Libidinöse Wünsche richten sich auf das
gegengeschlechtliche Objekt (Mädchen wollen später einmal der
Vater heiraten…). Erst im weiteren Verlauf erfolgt eine Identifikation
mit der Mutter(rolle), was in der Psychoanalyse als Lösung des
ödipalen Konflikts betrachtet wird.
Nach der Ödipus-Sage hat Ödipus in der Konkurrenz um die (geschlechtliche)
Liebe zur Mutter den Vater erschlagen, was ihm aber nicht bekannt
(bewusst) war. Die „reife Lösung“ wäre die Identifikation mit dem Vater und
nicht dessen „Beseitigung“.
Störungen beziehen sich auf die Sexualität und Körperlichkeit an sich.
Konversionsstörungen (früher: hystersiche Störungen) sollen in dieser
Phase entstehen. Konflikte drehen sich um Keuschheit vs. Lust.
103
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Tiefenpsychologische Basis-Konstrukte
•  Libidotheorie
–  Die Libidotheorie ist Teil der Triebtheorie der Psychoanalyse.
Triebe sind Teil unserer Motivationssysteme.Die zyklisch sich
aufbauende Triebspannung wird durch die Libido bewirkt. Anfangs
bezeichnet FREUD als Libido die sexuelle Triebenergie. Später als
allgemeine Triebenergie. Die heute übliche Verwendung des
Begriffes meint zumeist die sexuelle Appetenz
–  In der Objektbeziehungstheorie wird von libidinöser Besetzung
eines Objektes gesprochen, wenn sich Triebwünsche auf frühe
Bezugspersonen beziehen. Dies erschwert die Loslösung vom
Objekt. Durch Internalisierung wird ein „Idealbild“ des Objekts im
Innern errichtet und Eigenschaften des Objekts übernommen
(Identifikation). Dadurch gelingt die Ablösung. Die lbidinöse
Objektbesetzung bleibt jedoch im „Es“ (unbewusst) verankert.
104
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Instanzenmodell der Psychoanalyse
•  Es (Triebe, Lustprinzip)
- 
Das Es wird als völlig unorganisiertes, primäres TriebenergieReservoir verstanden, das vom Bestreben, die Triebbedürfnisse zu
befriedigen und das Lustprinzip einzuhalten, bestimmt wird. Die
Vorgänge im Es folgen keine logischen Gesetzen,
Widersprüchlichkeit oder Wertungen (in Gut oder Böse) existieren
nicht. Das Es gehört quasi zur biologischen Grundausstattung des
Menschen. Es enthält als Ergebnis der Evolution einen
umfangreichen Fundus vitaler Ressourcen. Eine der Zielsetzungen
psychoanalytischer Therapie ist, diesen Fundus verfügbar zu
machen.
Kulturleistungen werden im Sinne der Psychoanalyse als Ergebnis
einer (sozialverträglichen) Anpassung des Es verstanden, dessen
Energie es zu nutzen gilt.
Dies wird auch als „Sublimation“ verstanden, d.h. die – gesellschaftlich
erwünschte - Abwehr von (destruktiver) Triebenergie und Umwandlung in
kulturelle Errungenschaften.
105
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Instanzenmodell der Psychoanalyse
•  Ich (Anpassung, Realitätsprinzip)
-  Das Ich entsteht aus den Berührungspunkten mit der Realität und
umfasst ein kohärentes System von Funktionen, die der Anpassung
an die Umwelt dienen. Die wichtigsten Ich-Funktionen entstehen in
der späten oralen Phase und in der analen Phase.
Das Ich hat auch Vermittlerfunktion. Es vermittelt zwischen den
Reizen der äußeren Realität und der inneren Realität. Die Innenwelt
wird repräsentiert durch Triebwünsche, Affekte, Beziehungswünsche und -modalitäten. Die Diskrimination zwischen Innen und
Außen, zwischen Phantasie und Wirklichkeit ist eine wichtige IchFunktion.
Dieser ständig und unbemerkt ablaufende Realitätsabgleich als wichtig IchFunktion ist bei psychischen und psychoneurotischen Störungen in
unterschiedlichem Ausmaß gestört.
Eine weitere Vermittlungsaufgabe des Ich ist der Ausgleich
zwischen Es (Triebwünsche) und Über-ich (gesellschaftliche und
moralische Normen).
106
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Instanzenmodell der Psychoanalyse
•  Über-ich (Moral, Werte, Gewissen)
-  Das Über-Ich bildet sich aus dem Ich heraus und modifiziert das Ich
bzw. dessen Verhalten durch zahlreiche Interventionen (Drohungen,
Verbote, Aufforderungen, Belohnungen). Als Gewissensinstanz
entsteht das Über-Ich sehr früh (anale Phase), seine endgültige
Ausprägung ist ungefähr mit dem 7.Lebensjahr abgeschlossen
(Ende der ödipalen Phase). Das Über-Ich stellt als Vehikel der
Moral den Bezug zur Gesellschaft allgemein her.
Die Entstehung des Über-Ich stellte sich Freud anfangs so vor, dass
verloren gegangene Objekte im Ich wieder aufgerichtet werden (die
schmerzliche Ablösung von geliebten Objekten kann dadurch
gemildert werde, das das Objekt als „Idealbild“ im Innern weiter
lebt). Dadurch entsteht ein ideales Bild im Inneren, ein „Ideal-Ich“,
welches die Qualität einer moralischen Instanz erhält.
In der weiteren Entwicklung werden nicht nur die Normen des IdealIchs, sondern alle gesellschaftlichen und moralischen Normen
107
integriert.
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Konflikttheorie als Basis der Neurosenlehre
•  Konflikte
Systematik der äußeren Konflikte
- nach Konfliktparteien:
zwischen Personen (interpersonell)
innerhalb und zwischen Gruppen, Unternehmen, Organisationen
innerhalb und zwischen Gesellschaften und Staaten
zwischen einzelnen Personen und diesen Zusammenschlüssen.
–  nach Art des Konflikts:
Verteilungskonflikte (Empfundene Gegensätze in bezug auf die Nutzung/Realisierung
von Resourcen)
Zielkonflikte (Empfundene Gegensätze in bezug auf Absichten/Interessen)
Beziehungskonflikte (Empfundene Gegensätze in bezug auf Verhaltensdispositionen)
–  nach System:
in Familien, Gruppen, Politik, Organisationen, Gesellschaften, Staaten als
Rollenkonflikte,
Machtkonflikte und
Informationskonflikte.
Systematik der inneren Konflikte (folgt)
108
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Konflikttheorie als Basis der Neurosenlehre
•  In der frühkindlichen Entwicklung kommt es zwangsläufig zu Konflikten
mit den sozialen Objekten (wichtige Bezugspersonen), z.B. in der
„Trotzphase“ durch zunehmende Eigenständigkeit.
•  Wenn diese äußeren (interaktionellen) Konflikte nicht gelöst werden
und sich ständig wiederholen, „verselbständigen“ sich Konflikte und
bestehen evtl. zeitlebens im Innern weiter.
•  Aus äußeren Konflikten werden innere Konflikte
•  Innere Konflikte sind Ambivalenzkonflikte, d.h. ein inneres „Hin-undHergerissen-Sein“ zwischen zwei Konfliktpolen (s.o.).
•  Ein innerer Konflikt ist dann ein neurotischer Konflikt, wenn einer der
Konfliktpole bzw. die damit verbundenen Wünsche und Bedürfnisse
verdrängt worden sind.
•  Im späteren Leben werden innere Konflikte häufig reaktiviert, wenn wir
in damit verknüpfte Situationen geraten (z.B. autoritärer Vater ->
autoritärer Chef); hieraus entstehen dann wieder interaktionelle
(äußere) Konflikte.
109
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Konflikttheorie: Verdrängung und Abwehr
•  Konflikttheorie/Neurosenlehre:
–  Verdrängung (Theorie des Unbewussten)
Verdrängung sind alle intrapsychischen Vorgänge, durch die bewusste
Inhalte in das Unterbewusste verschoben werden. Meist werden
bedrohliche, unliebsame, unmoralische usw. Inhalte (Wünsche,
Gefühle) verdrängt. Im Unbewussten sind sie dem Zugriff entzogen
und deshalb zunächst „entschärft“.
Verdrängung ist eigentlich ein Schutzmechanismus. Die verdrängten
Inhalten können sich jedoch auf Grund ihrer „Energie“in Form von
Symptombildungen bemerkbar machen.
Die Art des Symptoms ergibt manchmal Hinweise auf den Inhalt des
Verdrängten.
Verdrängung ist ein unbewusster Vorgang. Wenn wir bewusst
„verdrängen“, heißt das eher, wir versuchen etwas zu vergessen.
Die Mechanismen der Verdrängung nennt man Abwehr (vorgänge)
110
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Konflikttheorie: Verdrängung und Abwehr
•  Konflikttheorie/Neurosenlehre:
–  Abwehr
Abwehrvorgänge sind unbewusste Vorgänge, die der Verdrängung
dienen. Einige Beispiele von Abwehrmechanismen:
–  Wahnbildung und Spaltung
• Psychosen, Größenwahn, Schizophrenie
–  Projektion
• Verlagerung unliebsamer Wünsche und Impulse in andere Personen
–  Affektisolierung
• Dissoziation von Gefühl und Inhalt (evtl. mit Amnesie)
–  Verleugnung
–  Verschiebung
• Bedrohliches oder Unmoralisches wird an anderer Stelle „entschärft“
–  Rationalisierung
• Abwehr von Gefühl durch Verstand und intellektuelle Handlungen
–  Identifikation (als Abwehrmechanismus)
• Linderung innerer Defizite durch Hereinnahme äußerer Ideale
111
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Konflikttheorie: Fallvigniette (vgl. Video klinisches Interview)
Frau S., ca. 50 Jahre, leidet an rezidivierendem (wiederkehrenden)
Stimmversagen. Organische Ursachen wurden ausgeschlossen.
Der Ehemann hat im letzten Jahr wegen schwerer Krankheit viel
Aufmerksamkeit beansprucht.
Die Mutter von Frau S. lebt ca. 50 km entfernt, erwartet, dass die
Tochter täglich anruft und zweimal wöchentlich besucht. Sie duldet
keinen Widerspruch.
Durch die Symptomatik und die vom Hausarzt empfohlene Schonung
(auch zeitweilige Krankschreibung) ist Frau S. nicht in der Lage, die
täglichen Telefonate durchzuführen und muss die Besuche der
Mutter vorübergehend einstellen.
Bei der Arbeit musste sie zeitweilig, wenn die Stimme versagte,
Anweisungen aufschreiben oder den LKW-Fahrern (LogistikBetrieb) „ins Ohr flüstern“.
112
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Neurotische Konflikte und ihre Systematik
Unbewusste innere Konflikte werden also neurotische
Konflikte genannt. Sie entstehen durch Verdrängung nicht
akzeptabler Wünsche oder Impulse.
Systematik der neurotischen Konflikte:
•  Abhängigkeit – Autonomie
•  Anpassung (Kontrolle) – Auflehnung
•  Versorgung – Autarkie
•  Keuschheit – Triebhaftigkeit
(„ödipaler Konflikt“)
•  Selbstwertkonflikt
•  Identitätskonflikt
Verdrängung
durch
113
Intellektualisierung
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Zusammenfassung der Konfliktlehre
•  Konflikte gehören untrennbar zum Leben
•  äußere Konflikte (=interpersonelle Konflikte) sind häufig
Folge innerer Konflikte
•  innere Konflikte sind in der Regel Ambivalenzkonflikte, also
das Schwanken zwischen gegensätzlichen Wünschen und
Bedürfnissen
•  unbewusste innere Konflikte werden auch neurotische
Konflikte genannt; in der Regel führen nur diese Konflikte
zu einer seelischen oder leib-seelischen Störung
•  Konfliktlösungsstrategien sollen immer einen offenen
Umgang mit Konflikten zum Ziel haben
•  dort, wo innere Konflikte unbewusst (sind) bleiben, kann
psychotherapeutische Hilfe ein erster Schritt zur
Konfliktlösung sein
114
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Tiefenpsychologische Basis-Konstrukte
•  Therapeutische Beziehung:
–  Übertragung
Darunter versteht man die (unbewusste) Projektion von infantilen Wünschen
und Erwartungen auf den Therapeuten. Solche Übertragungswünsche
können sein: ständige Anerkennung, bedingungslose Liebe, umfassende
Versorgung usw. Das Ausmaß der Erwartungen ist zumeist unrealistisch.
–  Gegenübertragung
Darunter versteht man die Summer der emotionalen Reaktionen des
Therapeuten auf die (intuitiv gespürten) Übertragungswünsche des
Patienten. Diese gefühlsmäßige Reaktion hängt von zwei Faktoren ab: zum
einen von den Übertragungswünschen selbst, zum anderen von der
Persönlichkeit des Therapeuten
–  Widerstand
Im tiefenpsychologischen Sinne werden so alle unbewussten Vorgänge
bezeichnet, die den therapeutischen Fortschritt verhindern. Verdrängte
Konflikte müssen ständig abgewehrt werden, damit sie nicht zum
Bewusstsein gelangen, weil dies bedrohlich und schmerzhaft wäre
115
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Praktisches Vorgehen
116
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Praktisches Vorgehen - Grundprinzip
Erinnern
unbewusster Inhalte
Wiederholen
des (infantilen) Konfliktes
Durcharbeiten
zu reifen Lösungen
117
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Praktisches Vorgehen - Behandlungsschritte
•  Um welchen inneren Konflikt
handelt es sich?
•  Wie erklärt sich der Konflikt aus
der Lebensgeschichte?
•  Welche Abwehrmechanismen
liegen vor?
•  Bewusstmachung des Konfliktes
•  Arbeiten an reifen
Konfliktlösungen
118
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Tiefenpsychologische Psychotherapie
Tiefenpsychologische Therapieansätze und –ziele:
Grundsatz: „erinnern – wiederholen – durcharbeiten“
•  unangenehme Gefühle wahrnehmen, nicht leugnen
•  zulassen, dass es auch verborgene (unbewusste)
Beweggründe für mein Handeln gibt – geben kann
•  Innere Konflikte aufdecken und bearbeiten
•  „Eigenanteil“ interpersoneller Konflikte reflektieren
(zwischenmenschliche Konflikte sind oft – nicht immer
– ein Indikator innerer Konflikte!)
•  Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung
vergleichen
(wie sehe ich mich? – wie sehen mich die Anderen?)
•  Realitätswahrnehmung prüfen
(wie subjektiv ist meine Realität?)
Durch therapeutische Interventionen wie
KLÄRUNG – KONFRONTATION - DEUTUNG
119
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Psychoanalyse
Charakteristika der klassischen Psychoanalyse
•  Basiert auf denselben Konstrukten wie die
tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
•  Hochfrequente Sitzungen
•  Spezielles setting („Couch“)
zur Regressionsförderung
•  Methode des Freien Assoziierens (Analysand)
•  Haltung der „freischwebenden Aufmerksamkeit“ (Analytiker)
•  Erkenntnisse des Analytikers werden als „Deutung“ dem
Analysanden mitgeteilt
•  In der Übertragungsbeziehung zum Analytiker werden typische
emotionale Muster bzw. Motive des Analysanden sichtbar; sie
werden interpretiert (gedeutet) und damit einer Veränderung
zugänglich gemacht.
120
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Verhaltenstherapie
Grundlagen der VT: Lerntheorie
Im Behaviorismus wird Lernen
als Reaktion des Individuums
auf Umweltreize erklärt;
Lernprozesse können gemäß
dieser Modellvorstellung von
außen gesteuert werden.
Bewusstseinsvorgänge bleiben
dabei zunächst unberücksichtigt. Beim Behaviorismus
wird das Gehirn als eine Art
"black box" gesehen.
Der Kognitivismus rückt die inneren, bewussten Vorgänge des Lernprozesses in den Vordergrund. Untersucht werden Organisationsprozesse, Informationsverarbeitung und Entscheidungsvorgänge, bei
denen durch aktive Beteiligung des Individuums der Wissenserwerb
erfolgt. Anders ausgedrückt: was in der „black box“ passiert ist
121
entscheidend.
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Verhaltenstherapie
Grundlagen der VT: Lerntheorie
•  Lernen ist die Verknüpfung von unkonditioniertem Stimulus
(S) und Reaktion (R): Su -> Ru (z.B. Essen -> Speichelfluss)
•  Konditionieren: (mehrfache) Koppelung eines (zunächst)
neutralen Reizes (Sn) an einen unkonditionierten Stimulus,
wodurch dieser Reiz eine Auslösefunktion für die
ursprüngliche Reaktion bekommt: Su + Sn -> Rk (z.B.
Essensgong -> Speichelfluss)
•  Operantes Konditionieren: Herausbildung von Stimulus –
Reaktionsketten: S0 -> R1 -> S1 -> R2 -> usw.,
S0 = Auslösereiz, der sehr unscheinbar (oder unbewusst) sein kann
R1 = gezeigtes Verhalten (operante Reaktion)
S1 = Veränderung der Umwelt durch R1 (auch: Verhaltenskonsequenz)
im Sinne positiver (Belohnung) und negativer (Sanktion) Verstärkung
R2 = Reaktion auf die Umweltveränderung
122
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Verhaltenstherapie
Beispiel: operantes Konditionieren, pos. Verstärkung
Sc ?
R1
R2
S1
Sc = Auslösereiz bleibt
unsichtbar oder unbewusst
R1 = gezeigtes
(konditioniertes) Verhalten
(„lasst Blumen sprechen“)
S1 = Veränderung der
Umwelt durch R1 ->
positive Verstärkung (Kuss)
R2 = Reaktion auf die
Umweltveränderung ->
größerer Blumenstrauß
123
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Verhaltenstherapie
Verhaltentherapie: Fallbeispiel (s. Extrablatt)
• Alle werden
mich auslachen
• Ich habe keine
Kontrolle
Bedingungsgefüge
124
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Verhaltenstherapie
Ablauf einer VT: 7-stufiges Prozessmodell
•  Eingangsphase: Schaffung günstiger
Ausgangsbedingungen
•  Aufbau von »Änderungsmotivation« und vorläufige
Auswahl von Änderungsbereichen
•  Verhaltensanalyse und funktionales Bedingungsmodell
•  Vereinbaren therapeutischer Ziele
•  Planung, Auswahl und Durchführung spezieller
Methoden
•  Evaluation therapeutischer Fortschritte
•  Endphase: Erfolgsoptimierung und Abschluss der
Therapie
•  »Follow-Up«/ Katamnese
125
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Verhaltenstherapie
Beispiel: Aufbau von Veränderungsmotivation
Nutzung von »inhärenten« Motivationsbedingungen des
Selbstmanagement-Konzepts
Reduktion von Demoralisierung und Resignation
Einsatz spezieller Motivierungsstrategien
Erste Ansätze einer »Ziel- und Werterklärung «
(Vorläufige) sachliche und motivationsabhängige
Auswahl von Änderungsbereichen
126
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Verhaltenstherapie
VT: Verhaltensanalyse
Modelle der Verhaltensanalyse
–  S.O.R.C.K.-Schema
–  B.O.L.P. und B.A.M.M.P.I.-Schema
•  SORCK-Schema
- S Reizbedingungen: Alle mit dem Problemverhalten verknüpften
- 
- 
-
physikalischen und sozialen Reize (S = Stimulus, Reiz)
O
Organismusvariablen: Biologische Zustand einer Person. Z.B. organische
Parameter einer Erkrankung oder genetische Determinanten.
R
Reaktions- bzw. Verhaltensrepertoire: Alle Verhaltensweisen des
Patienten, die im weitesten Sinne mit dem Problem zusammenhängen, auf der
motorische Ebene
C
Kontingenzverhältnis: Räumlich-zeitliche Beziehung zwischen
Problemverhalten und Konsequenzen. Für krankheitsbezogene bzw.
gesundheitsbezogene Verhaltensweisen ist die räumlich-zeitliche Nähe von
Verhalten und positiver oder negativer Verstärkung entscheidend.
K
Konsequenzen: Sämtliche Reize, die auf das Problemverhalten des Pat.
Folgen (Verhalten des Patienten selbst und der Umwelt.)
127
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Verhaltenstherapie
VT: Verhaltensanalyse
•  Bedingungsgefüge
–  B biologische, physiologische, biochemische (medizinische)
Bedingungen
–  O soziale und ökologische Bedingungen
–  L Lerngeschichte und situative (psychologische) Bedingungen
–  P dispositionelle, persönlichkeitsstrukturelle, affektive und
kognitive (psychologische) Bedingungen
•  Betrachtungsebenen des Verhaltens
–  B biologisch-medizinische Zugangs- und
Beschreibungsebene (z.B. Symptome)
–  A affektive Ebene (Gefühlsebene)
–  M motivationale Ebene (innere Beweggründe)
–  M motorisch-verhaltensmäßige Ebene (beobachtbares Verhalten)
–  P perzeptiv-kognitive Ebene (Wahrnehmung und Denken)
–  I interpersonelle Ebene (interaktionelle, zwischenmenschliche
E.)
128
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Verhaltenstherapie
Verhaltenstherapeutische Methoden
• 
• 
• 
• 
• 
Systematische Desensibilisierung
Angstbewältigungstraining
Exposition und Reizkonfrontation
Operante Methoden
„Kontingenzmanagement“ (Kontingenz: einem bestimmten
Verhalten folgt eine bestimmte Konsequenz, ohne dass dies eine
notwendige Folge des Verhaltens ist)
• 
• 
• 
• 
Modelllernen
Selbstsicherheitstraining und Rollenspiele
Problemlösetraining
Kognitive Umstrukturierung
129
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Verhaltenstherapie
VT Methoden: Beispiel Expositionstraining
Bei einem Expositionstraining übt man mit dem Therapeuten
beängstigende Situationen im Alltag
Konfrontation mit dem Angst auslösenden Reiz ist eine der
erfolgreichsten Behandlungsmethoden spezieller Ängste
("Phobien"). Sie nutzt das Prinzip der Gewöhnung, bei der
Angst kontinuierlich abnimmt, wenn man sich ihr nur
lange und konsequent genug aussetzt. Manche
Behandlungen nähern sich diesem Ziel schrittweise
(Desensibilisierung). Andere setzen sofort den stärksten
Reiz ein ("Flooding" = Reizüberflutung). Einen Mittelweg
eröffnet die Möglichkeit, die betreffenden Reize in Form
eines Filmes und damit möglichst lebensnah auf sich
einwirken zu lassen.
130
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> interpersonelle Psychotherapie
Bei der interpersonellen Psychotherapie (IPT; nach Klerman
et al. 1984; Schramm 1998) handelt es sich um eine
ursprünglich zur Behandlung unipolarer Depressionen
entwickelte Kurzzeittherapie. Die IPT basiert auf den
tiefenpsychologisch orientierten Arbeiten der
interpersonellen Schule, die zwischen den 1930er- und
1940er-Jahren in den Vereinigten Staaten gegründet
wurde. Als bekanntester Vertreter dieser Richtung gilt
neben dem Begründer Adolph Meyer auch Harry Stark
Sullivan.
Der therapeutische Prozess konzentriert sich auf die
Behandlung der aktuellen interpersonellen Schwierigkeiten
des Patienten, die mit einer psychischen Störung in
Verbindung stehen. Diese lassen sich meist in einem oder
zwei der vier vorgegebenen Problembereiche finden.
131
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> interpersonelle Psychotherapie
Problembereiche in der IPT:
— Trauer: Bei pathologischer Trauerreaktion, bei der
körperliche Symptome im Vordergrund stehen, während
affektive Zeichen ausbleiben. Es ist die Unfähigkeit, die
verschiedenen Phasen eines normalen Trauerprozesses
zu durchlaufen, gemeint.
— Interpersonelle Auseinandersetzungen: Lang
andauernde offene oder auch verdeckte Konflikte meist mit
dem Ehepartner oder auch mit Angehörigen, Freunden,
Vorgesetzten, Kollegen usw. Inhaltlich geht es um
unterschiedliche Erwartungen hinsichtlich der
Beziehungen. Der Disput muss eine wesentliche
Bedeutung für die Entstehung oder die Aufrechterhaltung
der derzeitigen Krankheitsepisode haben.
132
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> interpersonelle Psychotherapie
Problembereiche in der IPT:
— Rollenwechsel: Schwierigkeiten beim Aufgeben einer
alten oder bei der Übernahme einer neuen sozialen Rolle,
wie beispielsweise durch Verlust des Arbeitsplatzes, Geburt
eines Kindes, Scheidung, Umzug, Auszug aus dem
Elternhaus usw. Dabei werden meist tief greifende
Veränderungen der Lebenssituation nur unzureichend
bewältigt und sind mit einer deutlichen Minderung des
Selbstwertgefühls verbunden.
— Soziale Defizite: Einsamkeit und soziale Isolation im
Zusammenhang mit einer langfristigen Vorgeschichte
sozialer Verarmung oder inadäquater Beziehungen.
Patienten innerhalb dieses Problembereichs sind meist
schwerer gestört als in den übrigen Bereichen, da soziale
Defizite häufig mit einer Störung der Persönlichkeit
einhergehen.
133
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Gesprächspsychotherapie
Gesprächspsychotherapie nach C. Rogers:
Grundhypothese: Jedem Menschen ist ein Wachstumspotential
zu eigen, das in der Beziehung zu einer anderen Person
(etwa einem Therapeuten) freigesetzt werden kann.
Voraussetzung ist, dass diese Person ihr eigenes reales
Sein, ihre emotionale Zuwendung und ein höchst sensibles,
nicht urteilendes Verstehen in sich selbst erfährt, zugleich
aber dem Klienten mitteilt.
Das Einzigartige dieses therapeutischen Ansatzes besteht
darin, dass sein Schwerpunkt mehr auf dem Prozess der
Beziehung selbst als auf den Symptomen oder ihrer
Behandlung liegt.
Die Hypothesen stützen sich auf Material, das aus
therapeutischen und anderen zwischen-menschlichen
Beziehungen gewonnen wurde, insbesondere auf Tonbandund Filmaufzeichnungen von Interviews.
134
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Gesprächspsychotherapie
Grundelemente der Gesprächspsychotherapie:
Ein an der Existenzphilosophie orientiertes philosophisches
Menschenbild, die Phänomenologie als Erkenntnismethode,
Wahrung des Prinzips der Sparsamkeit bei den theoretischen
Postulaten,
Verzicht auf die Annahme spezifischer biologisch
determinierter Vorgänge (Triebtheorie) als Hauptfaktoren in
der psychischen Entwicklung von Menschen,
Aufgabe des psychoanalytischen Strukturmodells, statt dessen
Postulat eines im Prinzip offenen psychischen Systems: das
Selbst bzw. das Selbstkonzept
Vorrang hat die dem Menschen innewohnende
Entwicklungstendenz (»Aktualisierungstendenz« und
»Selbstaktualisierungstendenz«) gegenüber (von außen
systematisch) angeleiteten Lernprozessen.
135
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Gesprächspsychotherapie
Behandlungsmodell der Gesprächspsychotherapie
136
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> systemische Psychotherapie
Definition: systemischeTherapie
Systemische Therapie/Familientherapie lässt sich als eine
Form von Psychotherapie definieren, deren Fokus auf dem
sozialen Kontext psychischer Störungen liegt und die
zusätzlich zu einem oder mehreren Patienten
(»Indexpatienten«, IP) weitere Mitglieder des für den/die
Patienten bedeutsamen sozialen Systems einbezieht und/
oder auf die Interaktionen zwischen Familienmitgliedern
und deren sozialer Umwelt fokussiert ist .
Ein System kann als ein »Satz von Elementen und Objekten
zusammen mit den Beziehungen zwischen diesen
Objekten und deren Merkmalen« verstanden werden (Hall
u. Fagan 1965)
137
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> systemische Psychotherapie
Quellen der Familiendiagnostik:
Direkte Beobachtung der Interaktionen zwischen den
Familienmitgliedern
Aussagen der Betroffenen zu ihrem aktuellen
Beziehungserleben
Beobachtung und Analyse der Interaktionen zwischen den
Familienmitgliedern und dem Therapeuten (Übertragung
und Gegenübertragung)
Rekonstruktion erlebter und gemeinsam geschaffener
Familiengeschichte
Informationen über die objektive materielle und soziale
Lebenslage der Familie
138
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Gestalttherapie
Definition: Gestalttherapie
Eine »Gestalt« im Sinne der Gestaltpsychologie ist eine
unteilbare Einheit, die zumeist als ein gegliedertes
Ganzes im Sinne eines komplexen, geordneten Musters
in Erscheinung tritt. In ihm stehen die Teile
untereinander und die Teile zu ihrem Ganzen in einem
ganz spezifischen Verhältnis. Gestalten sind als
ganzheitliche Informationseinheiten transponierbare
Beziehungsgefüge. Sie können verkleinert oder
vergrößert, sowie von einem Trägermedium auf ein
anderes übertragen werden, z. B. wird ein bestimmtes
Gesicht wieder erkannt, egal, ob es uns - vielleicht ein
wenig gealtert - »live« begegnet oder als Fotografie,
Zeichnung oder Skulptur.
139
Psychotherapie -> verbale Verfahren -> Psychodrama
Soziometrie in der Gruppentherapie: Psychodrama
Im Psychodrama als Gruppenpsychotherapie arbeitet einer
(der Protagonist) für alle (die Gruppenmitglieder), indem er
das Gruppenthema, auch für die anderen mit, progressiv
weiterentwickelt, andererseits aber alle (die
Gruppenmitglieder als Mitspieler im Spiel, im
Rollenfeedback und im »sharing«) für den einen (den
Protagonisten) da sind.
Wirksamkeit der Gruppe: Durch Interaktion und Kreativität
unter den Mitgliedern entstehen in einer therapeutischen
Gruppe messbar mehr gesunde soziometrische
Beziehungsmuster und Telebeziehungen als in Gruppen
zufälliger Zusammensetzung (Moreno 1973).
Die Beziehungsmuster und –konflikte werden durch die
spezifischen Techniken des Psychodramas sichtbar und
können bearbeitet werden.
140
Psychotherapie -> nonverbale Verfahren -> suggestive Verfahren
Suggestion ist die »affektive Beeinflussung der körperlichseelischen Ganzheit auf der Grundlage eines
zwischenmenschlichen Grundphänomens: der affektiven
Resonanzwirkung.
•  Hypnose ist ein durch Suggestion herbeigeführter Trancezustand:
–  Einengung des Bewusstseins,
–  Ausblenden der Umgebung,
–  enger Rapport zum Hypnotiseur,
–  starke Beeinflussbarkeit der psychischen und
psychophysischen Prozesse,
–  intensivierte Emotionalität,
–  veränderte Zeitwahrnehmung,
–  Intensivierung der Sinneswahrnehmung und Veränderung der
Körperwahrnehmung.
141
Psychotherapie -> nonverbale Verfahren -> Entspannungsverfahren
•  Autogenes Training (AT)
–  Das AT ist ein übendes, auto-suggestives
Entspannungsverfahren, das der »konzentrativen
Selbstentspannung«, der Ruhigstellung und
Entängstigung sowie der Selbstregulierung vegetativer
Körperfunktionen dient. Es wird ein „hypnoider Zustand“
angestrebt.
•  Progressiven Relaxation nach Jacobson (PR)
–  Selbstentspannungstechnik auf der Grundlage einer
psychophysischen Muskelarbeit (Wechsel von
Muskelanspannung und –entspannung). Die progressive
Relaxation (oder auch progressive Muskelentspannung)
hat ähnlich wie das AT das Ziel, körperliche und
seelische Entspannung zu erreichen.
142
Psychotherapie -> nonverbale Verfahren -> Körper-oprientierte Verfahren
Körper-orientierte Therapieverfahren sind
Behandlungsformen, bei denen der Körperausdruck und
das Körpererleben im Vordergrund stehen .
•  konzentrative Bewegungstherapie (KBT)
–  tiefenpsychologisch fundiertes Verfahren, bei dem
Wahrnehmung und Bewegung als Grundlage des Denkens,
Fühlens und Handelns genutzt werden (Becker 1988).
•  Funktionelle Entspannung
–  ermöglicht es den Patienten, ihre körperlichen und
seelischen Blockierungen »leibhaft erspüren zu können«.
Hierbei ist die Wahrnehmung des Atemrhythmus von
besonderer Bedeutung.
•  Tiefenpsychologisch fundierte Körpertherapie
–  arbeitet mit der Bedeutung des Körpers und seines
Ausdrucks in der Übertragung.
•  Weitere Verfahren: Bioenergetik, Tanztherapie
143
Psychotherapie und –diagnostik: Wiederholung am Fallbeispiel.
Der 55-jährige, verheiratete Herr L. (Verwaltungsangestellter) wird vom Hausarzt zum
psychologischen Psychotherapeuten geschickt. Der Hausarzt betreut Herrn K. seit vielen
Jahren und schildert am Telefon die Problematik.
Kerr L. selbst berichtet im Erstgespräch über zunehmende Lustlosigkeit, Antriebsschwäche,
Erschöpfung, Vergesslichkeit und Konzentrationsmangel. Er schlafe schlecht, der Hausarzt
habe ihn seit 3 Monaten krank geschrieben. Er denke darüber nach, einen Rentenantrag zu
stellen
Auf die Frage nach aktuellen Problemen gibt er an, dass seit dem Ausscheiden einer
Kollegin Mehrarbeit bestehe, da die Wiederbesetzung des Stelle hinausgezögert werde.
Weil er die zusätzliche Arbeit kaum schaffe, komme es zu Konflikten mit den Kollegen und
seinem Vorgesetzten, mit dem er sich noch nie gut verstanden habe.
Aus der Biographie ist erwähnenswert, dass Herr L. als Einzelkind aufgewachsen ist, sehr
schüchtern und überaus angepasst war. Leistung wurde von der Mutter honoriert, vom
Vater wurden mangelnde Leistungen stets hart bestraft. Im fünften Lebensjahr sei die
Mutter schwer erkrankt. Sie habe sich zwar erholt, sei aber drei Jahre später verstorben. Er
habe eine enge Beziehung zu seiner Ehefrau, ansonsten habe er kaum Freunde. Die Ehe sei
kinderlos geblieben.
Nach Erstgespräch, Testdiagnostik, Erhebung der Biographie wird ein Zweitgespräch
zusammen mit der Ehefrau geführt. Danach wird mit Herrn L. die Durchführung einer
Psychotherapie vereinbart.
144
Psychotherapie und –diagnostik: Wiederholung am Fallbeispiel.
1.  Psychologischer oder ärztlicher Psychotherapeut
2.  Diagnostik: Fragestellung, Datenerhebung, Diagnose, Konsequenz
3.  Diagnostische Verfahren im Fallbeispiel
a. 
b. 
c. 
d. 
Selbstauskunft
Fremdauskunft
Interview
Psychometrie (Testdiagnostik)
4.  Diagnose(n)
5.  Psychotherapie
a.  Verfahren
b.  Ziele
c.  Procedere
6.  Anwendung von Modellen
a.  Verhaltenstherapie
b.  Tiefenpsychologische Psychotherapie
7.  Krankheitsgewinn
8.  Aufgaben sozialer Arbeit
145
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