Redaktion Medizin: (089) 53 06-425 [email protected] Telefax: (089) 53 06-86 61 Münchner Merkur Nr. 211 | Montag, 14. September 2009 MEINE SPRECHSTUNDE Leben ................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. 19 DIE TÄGLICHE MEDIZIN Heute: Augentest vor den trüben Tagen Prof. Dr. Christian Stief Prof. Dr. Dr. Chris P. Lohmann leitet die Augenklinik am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM). Schwerpunkt seiner Arbeit sind Eingriffe an der Netzhaut und am Glaskörper, Kataraktoperationen, Hornhautchirurgie, refraktive Laser- und Linsenoperationen. Als Chefarzt im Münchner Klinikum Großhadern erlebe ich täglich, wie wichtig medizinische Aufklärung ist. Meine Kollegen und ich möchten daher jeden Montag den Merkur-Lesern ein Thema vorstellen, das für ihre Gesundheit von Bedeutung ist. Die Autoren des heutigen Artikels sind Prof. Dr. Dr. Chris P. Lohmann und Andrea Huber. Sie erklären, wie Alterssichtigkeit entsteht und wie man sie behandeln kann. Leserfragen an die Autoren: [email protected] Zum Lesen brauchen ältere Menschen eine Sehhilfe. Doch längst nicht immer muss das die klassische Lesebrille sein. FOTO: KEYSTONE Alterssichtigkeit: Hilfe für den scharfen Blick Ob einen spannenden Roman oder die Tageszeitung – Lesen fällt älteren Menschen mit den Jahren immer schwerer. Um weiterhin scharf zu sehen, braucht jeder früher oder später eine Sehhilfe. Doch längst nicht immer muss das eine Lesebrille sein. VON ANDREA HUBER UND CHRIS P. LOHMANN Der Verlust der Lesefähigkeit ist die häufigste Art der Sehstörung beim Menschen. Ursache ist allerdings meist keine Krankheit, sondern ein natürlicher Vorgang der leider zum Altern dazugehört. Ursache ist eine Veränderung der Augenlinse. Diese wird von den sogenannten Zonulafasern gehalten und ist bei Kindern und jungen Menschen noch eine weiche, gelartige Masse. Sie kann sich darum leicht verformen. Das ist die Voraussetzung, damit man einen Gegenstand in der Ferne ebenso scharf sehen kann wie einen in der Nähe. Die Linse passt sich an die Entfernung des Objekts an, indem sie schmaler oder breiter wird. Diesen Vorgang nennt man Akkommodation. Warum sieht man im Alter schlechter? Mit den Jahren verhärtet die Linse jedoch immer mehr und die Zonulafasern leiern aus. Das Auge kann sich darum immer schlechter an unterschiedliche Entfernungen anpassen, was sich besonders im Nahbereich bemerkbar macht. Schließlich geht die Fähigkeit zur Akkommodation sogar ganz verloren. Die meisten Menschen bemerken die Folgen dieses Prozesses etwa ab dem 45. Lebensjahr: Sie sind altersweitsichtig und brauchen beim Lesen eine Sehhilfe. Doch dieser Prozess schreitet ständig voran, die Augenlinse kann sich immer schlechter anpassen. Darum braucht man auch mehrmals eine neue Lesebrille mit einer anderen Sehstärke. Sehen Kurzsichtige im Alter besser? Wenn ein Patient kurzsichtig ist, aber im Laufe seines Lebens altersweitsichtig wird, könnte man meinen, dass sich die beiden Arten der Fehlsichtigkeit ausgleichen würden. Dies funktioniert zwar tatsächlich – allerdings nur bis zu einer gewissen Sehstärke: Bei Patienten, die nur leicht kurzsichtig waren, ist ein Ausgleich für eine Zeit lang möglich. Verstärkt sich die Altersweitsichtigkeit aber, brauchen sie trotzdem eine Brille. Bei einer starken Kurzsichtigkeit ist ein Ausgleich zudem nur in sehr geringem Maße möglich. Im besten Fall kann bei diesen Patienten die Stärke der Fernbrille abgeschwächt werden. Sie brauchen aber dennoch zusätzlich eine Nahbrille. Operation statt Lesebrille? Eigentlich ist es nicht weiter schlimm, wenn man beim Lesen eine Brille tragen muss. Doch gibt es viele Situationen, in denen das sehr unbequem und umständlich sein kann – zum Beispiel beim Einkaufen im Supermarkt: Um den Aufdruck auf einer Packung zu lesen, muss man erst die Brille aufsetzen. Man hat mittlerweile aber verschiedene Verfahren entwickelt, die Alterssichtigkeit auszugleichen, um eine Lesebrille überflüssig zu machen. Grundsätzlich gilt jedoch, dass man eine konservative, also nicht operative, Behandlung bevorzugen sollte. weg oder näher am Monitor sitzen als üblich. Eine multifokale Brille kann dieses Problem nicht lösen. Denn je mehr verschiedene Stärken ein Glas bietet, desto kleiner werden die jeweiligen Bereiche, durch die man scharf sehen kann. Vielleicht haben Sie schon einmal Mitmenschen beobachtet, die suchend durch ihre Brille schauen. Genau das kann mit einer Multifokalbrille passieren. Für längeres Arbeiten am Computer sind solche Gläser deshalb wenig geeignet. Für wen eignen sich Kontaktlinsen? Wer eine Brille als optisch störend empfindet, kann auch bifokale Kontaktlinsen verwenden. Sie funktionieren nach demselben Prinzip wie ein Brillenglas mit zwei Sehstärken. Doch braucht man bei der Handhabung viel Geschick. Zudem braucht man bei der Pflege der Linsen viel Disziplin. Gerade ältere Menschen fühlen sich damit oft überfordert. Sollten Sie Kon- Patienten mit grauem Star hilft eine Operation, die mittlerweile als Routineeingriff gilt: Die natürliche Augenlinse wird dabei unter örtlicher Betäubung durch ein winziges Instrument zerkleinert, abgesaugt und durch eine klare Kunstlinse ersetzt. Sie hält ein ganzes Leben lang, kann sich aber unterschiedlichen Entfernungen nicht anpassen. Ähnlich wie bifokale Brillen oder Kontaktlinsen hat man darum Kunstlinsen entwickelt, die in zwei Bereiche eingeteilt sind, eine für das Fern- und eine für das Nahsehen. Wer bifokale Kunstlinsen eingesetzt bekommen hat, braucht meist weder eine Brille noch Kontaktlinsen. Doch kann man diese jederzeit tragen, wenn das notwendig werden sollte. Hilft eine Laser-OP bei Alterssichtigkeit? Sehfehler kann man schon seit längerem mit Hilfe eines Lasers korrigieren. Bei der sogenannten Lasik-Operation wird ein Schnitt in der Mitte Hornhaut so, dass Sie auf die Nähe scharf sehen können, brauchen Sie zwar keine Lesebrille mehr. Doch brauchen sie höchstwahrscheinlich eine Sehhilfe, um auch Objekte in großer Entfernung noch scharf zu sehen. Des Weiteren verhärtet die Augenlinse im Alter stetig. Darum kann es sein, dass Sie bereits wenige Monate nach der Laserkorrektur wieder eine Lesebrille brauchen. Was ist die Presby-Lasik? Die Akkomodation, also die Anpassung der Augenlinse an die Entfernung, ist ein sehr komplexer Vorgang. Darum ist die Alterssichtigkeit auch viel schwieriger zu korrigieren als andere Arten der Fehlsichtigkeit, also etwa die Kurzsichtigkeit. Dennoch haben sich die Methoden der chirurgischen Behandlung in den vergangenen Jahren enorm verbessert. Heute lassen sich damit bereits beachtliche Ergebnisse erzielen, wenn auch bislang keine von Was ist eine bifokale Brille? Eine Möglichkeit ist es, eine Brille mit mehreren Sehstärken zu tragen. Deren Gläser sind so geschliffen, dass man zum Beispiel den oberen Teil des Glases für das Sehen in die Ferne, den unteren Teil für die Nahsicht nutzen kann (bifokale Brille). Die Gläser multifokaler Brillen haben sogar mehrere Zonen mit unterschiedlicher Brechkraft. Sie ermöglichen es, auch im Bereich zwischen Fern- und Nahsicht, also in einer Entfernung von 50 Zentimetern bis zwei Metern, scharf zu sehen. Sinnvoll sind diese Gläserarten aber nur, wenn man eine Sehhilfe für die Ferne und die Nähe benötigt. Dann ersparen sie das umständliche Wechseln der Brillen. Allerdings dauert es meist ein wenig, bis man sich an das veränderte Sehgefühl gewöhnt hat. Wer nur zum Lesen eine Sehhilfe braucht, für den eignen sind solche bi- oder multifokalen Brillen jedoch nicht. Eine Brille für die Arbeit am Bildschirm Eine Sonderform der bifokalen Sehhilfen sind Brillen für die Arbeit am Bildschirm. Denn der Monitor befindet sich genau im Bereich zwischen Fern- und Nahsehen. Wer bei der Arbeit am Computer eine Bifokalbrille trägt, muss also entweder weiter Kontaktlinsen einzusetzen erfordert viel Geschick. DDP fen) durchgeführt. Er dauert weniger als fünf Minuten pro Auge, die Laserabtragung selbst sogar nur wenige Sekunden. Bereits unmittelbar nach der Operation liegt die Sehkraft schon zwischen 50 bis 80 Prozent. Sie steigt in den folgenden Tagen langsam an und sollte nach einer Woche möglichst stabil sein. Akkommodative Kunstlinsen Eine andere Möglichkeit ist es, die natürliche Augenlinse durch eine akkommodative Kunstlinse zu ersetzen. Im Gegensatz zu konventionellen Kunstlinsen ermöglichen sie eine Akkomodation des Auges, also das Scharfstellen auf nahe und ferne Objekte. Mit Hilfe eines speziellen Mechanismus in der Aufhängung dieser Linsen soll die Beweglichkeit des erschlafften Ziliarkörpers angeregt werden. Dadurch kann die Linse verformt werden – die Akkomodation funktioniert wieder. Darüber hinaus gibt es noch einige Behandlungsmethoden im experimentellen Stadium. Sie müssen aber noch weiterentwickelt werden, ehe sie auch am Patienten angewendet werden können. Wie jeder chirurgische Eingriff bergen aber auch die bereits etablierten Eingriffe Risiken. Dazu gehören zum Beispiel Blutungen, Infektionen und eine schlechte Wundheilung. Da alle Eingriffe unter strengen sterilen Bedingungen stattfinden, sind diese Risiken bei sonst gesunden Patienten jedoch verschwindend gering: Die Komplikationsrate liegt bei unter einem Prozent. Welche ist die Methode der Wahl? Scharfer Blick mit dem Laserstrahl: eine Lasik-OP. DPA taktlinsen kritisch gegenüberstehen, ist eine Brille darum sicher die bessere Lösung. Was sind bifokale Kunstlinsen? Nach Sehstörungen, die sich mit einer Brille oder Kontaktlinsen korrigieren lassen, ist der sogenannte graue Star (Katarakt) eine der häufigsten Augenerkrankungen. Es handelt sich dabei um eine Trübung der Augenlinse. Denn diese verliert im Laufe der Jahre nicht nur an Elastizität. Sie wird zunehmend trüb – auch das ist eine Alterserscheinung. der Hornhaut des Auges gemacht. Dabei entsteht eine Lamelle, die der Arzt wie ein Fenster aufklappen kann. Mit Hilfe eines weiteren Lasers kann er den Sehfehler korrigieren und die Lamelle wieder zuklappen. Der Schnitt in der Hornhaut verheilt bald, Brille oder Kontaktlinsen sind in der Regel nicht mehr nötig. Auch viele Patienten, die an der Alterssichtigkeit leiden, wünschen sich eine Laseroperation, um ihre Lesebrille loszuwerden. Theoretisch wäre dies zwar tatsächlich möglich. Doch ergeben sich dabei zwei grundlegende Probleme: Korrigiert man die ihnen die Alterssichtigkeit vollständig korrigieren kann. Eine davon ist die sogenannte Presby-Lasik: Bei dieser Methode korrigiert man die Fehlsichtigkeit, indem man mit dem Laser einen Teil der Hornhaut abträgt – allerdings nicht einheitlich. Mit Hilfe eines neuen Abtragungsprofiles wird die Form der Hornhaut ganz gezielt verändert. Auf diese Weise entstehen mehrere Zonen mit unterschiedlicher Brechkraft, ähnlich wie bei multifokalen Linsen. Der Eingriff wird ambulant und unter örtlicher Betäubung (spezielle Augentrop- Welche Methode die beste ist, kann man leider nicht pauschal beantworten – auch wenn sich vermutlich viele so eine Empfehlung wünschen würden. Doch hängt es von vielen Faktoren ab, welche Behandlung für einen Patienten die Richtige ist. So sind zum Beispiel auch die persönlichen Lebensumstände bei der Wahl der Therapie wichtig. Die Kosten für solche Behandlungen müssen gesetzlich versicherte Patienten leider selbst übernehmen. Privat Krankenversicherte sollten sich aber erkundigen, ob ihre Versicherung einen Teil der Behandlungskosten erstattet. Lediglich die Kosten für die Operation des grauen Stars übernehmen auch die gesetzlichen Krankenkassen, wenn dieser Eingriff medizinisch notwendig ist. Dicke Regentropfen platschen auf die Windschutzscheibe. Das Auto vor einem ist im Sprühnebel des Spritzwassers kaum zu erkennen: An solch trüben Herbsttagen ist es schwer, den Durchblick zu behalten. Doch anstatt sich an den Rücklichtern des Vordermannes zu orientieren, sollte man lieber rechtzeitig zum Augenarzt gehen. Wenn an trüben Tagen die Sicht ohnehin eingeschränkt ist, macht schlechtes Sehen das Autofahren doppelt gefährlich. Beim Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA) rät man darum zu einem gründlichen Augen-Check noch vor den trüben Tagen. Dazu gehört es nicht nur, die Sehstärke zu testen. Auch das Gesichtsfeld, die Blendempfindlichkeit, das Sehen in der Dämmerung und das Erkennen von Kontrasten sollte geprüft werden. „All das ist von Bedeutung, um komplexen Verkehrssituationen gewachsen zu sein“, sagt Prof. Bernhard Lachenmayr vom BVA. Nebel und Regen nehmen Autofahrern die Sicht. DPA Regelmäßige Tests Lkw-Fahrer ab 50 Jahren müssen nachweisen, dass sie noch in der Lage sind, einen Lastwagen zu lenken. Dazu müssen sie sich alle fünf Jahre einem Gesundheits-Check unterziehen, zu dem auch ein umfassender Sehtest gehört. Für Autofahrer gibt es so eine Regelung nicht. Dennoch sollten sie zumindest ihre Augen überprüfen lassen. Beim BVA rät man Autofahrern ab 40 Jahren alle fünf Jahre zu einer Augenuntersuchung, ab dem 60. Lebensjahr sogar alle zwei Jahre. Nicht nur die Sehkraft kann mit den Jahren nachlassen. Ältere haben auch ein höheres Risiko für eine Vielzahl von Augenkrankheiten, die den einst klaren Blick trüben können. Eine davon ist der Graue Star (Katarakt), eine Eintrübung der Augenlinse. Die Betroffenen haben das Gefühl, durch einen grauen Schleier zu sehen. Grüner Star und AMD Der Grüne Star (Glaukom), der meist als Folge erhöhten Augeninnendrucks entsteht, kann das Gesichtsfeld einschränken. Allerdings ist diese Erkrankung meist schon sehr weit fortgeschritten, wenn derartige Symptome auftreten. Darum gehört das Glaukom auch zu den häufigsten Ursachen des Erblindens. Aber auch eine Altersbedingte Makuladegeneration (AMD) kann das Sehvermögen langsam immer mehr einschränken. Dabei sterben Sinneszellen der Netzhaut im Bereich des schärfsten Sehens ab, der sogenannen Makula. Verbessern lässt sich das Sehvermögen bei vielen dieser Erkrankungen nicht mehr. Umso wichtiger ist es, dass diese rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Regelmäßige Untersuchungen beim Augenarzt sind darum nicht nur für Autofahrer wichtig. ANDREA EPPNER