Das Lehr- und Lernmittel «Staat» vermittelt aktuelles und strukturiertes Grundlagen- und Aufbauwissen und behandelt wichtige Themenbereiche der Staatskunde und der Politik. STAAT Beat Gurzeler — Hanspeter Maurer Grundlagen- und Strukturwissen Eine klare, farblich unterstützte Einteilung der Inhalte ermöglicht den Lernenden, gezielt ausgewählte Themen zu bearbeiten. Als Orientierungshilfe dienen die zahlreichen Querverweise, die Definitionen von Fachbegriffen im Text, das Glossar und das umfangreiche Stichwortverzeichnis. Zu jedem Kapitel werden als Repetition Verständnisfragen und zur Vertiefung des Wissens weiterführende Fragen und ethische Grundfragen gestellt. Das Buch entspricht dem ersten Teil des Lehrbuchs « Staat und Wirtschaft » und eignet sich sowohl für den Unterricht an weiterführenden Schulen wie auch für das Selbststudium. GURZELER — MAURER www.hep-verlag.ch / staat Lernen, trainieren, nachschlagen : die kostenlose App zum Buch. STAAT STAAT_Einleitung_2013_def_einleitung_2005_neuauflage_def 16.04.13 19:03 Seite 3 Vorwort Vorwort Das vorliegende Lehr- und Lernmittel vermittelt Grundlagen- und Strukturwissen zu wesentlichen Themenbereichen der Staatskunde und der Politik. Es entspricht dem ersten Teil des Lehrbuchs «Staat und Wirtschaft». Leicht lesbare Texte, strukturierte Darstellungen sowie Visualisierungen mittels aussagekräftigen Grafiken, treffenden Fotos und zusammenfassenden Mindmaps erleichtern das Verständnis für komplexe Sachinhalte. Jedes Kapitel beginnt mit einer Übersichtsseite, welche den Sachverhalt erläutert, die Lernziele aufzählt und mit einem Mindmap die Sachstruktur aufzeigt. Eine klare, farblich unterstützte Einteilung der Inhalte ermöglicht den Lernenden, gezielt ausgewählte Themen zu bearbeiten. Als weitere Orientierungshilfe dienen: zahlreiche Querverweise in den Kapiteln, Definitionen von Fachbegriffen im Text, eine Schweizer-, eine Welt-, und eine Europakarte, Top-Internetadressen, ein Glossar und ein Stichwortverzeichnis mit Internetadressen im Anhang. Zu jedem Kapitel werden als Repetition Verständnisfragen und Vertiefungsarbeiten gestellt. Zur persönlichen Reflexion über ethische und moralische Werte enthält jedes Kapitel gezielte ethische Grundfragen. Die kostenlose «S&W-App» fürs iPhone ist im App Store erhältlich. Mit dieser App können die Lernenden die Schlüsselbegriffe des Buches nachschlagen und ihr Wissen mit einer digitalen Lernkartei trainieren und überprüfen. Das beiliegende Buchzeichen beinhaltet die elementarsten Begriffe der einzelnen Kapitel und soll als Gedankenstütze und Vernetzungshilfe dienen. Um aktuelle staatspolitische und gesellschaftliche Zusammenhänge zu verstehen, ist eine grundlegende Sachkompetenz Voraussetzung. Dieses Buch hilft Ihnen dabei. Eng mit diesem Lehrmittel verknüpft sind die «Politics – Economics», frei zugängliche und downloadbare Arbeitsblätter, welche aktuelle Themen aus den Bereichen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in prägnanter Form inklusive Fragestellungen aufgreifen (weitere Informationen siehe Seite 111 sowie www.hep-verlag.ch). Unser Dank gebührt: • Eva Woodtli Wiggenhauser für ihre aufopfernde Arbeit als Grafikerin, • Stefan Schaer, Büro eigenart, für die dauernde grafische Überarbeitung, • Salzmann & Gertsch, Grafik & Typografie, für die neuen Umschläge, • Matthias Vatter, Andreas Tschöpe und Bernhard Probst für das fachspezifische Lektorat und die vielen Anregungen zum vorliegenden Buch. April 2013, die Autoren Beat Gurzeler, Berufsschullehrer Hanspeter Maurer, Berufsschullehrer, Projektleiter Qualitätsentwicklung Kanton Zürich 3 STAAT_Einleitung_2013_def_einleitung_2005_neuauflage_def 16.04.13 19:03 Seite 4 4 Staat Inhalt Inhalt 1. Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.1 Politik – Macht der Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Ansprüche und Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Politische Entscheidungsträger Parteien, Grundhaltungen, Verbände, NGOs . . . . . . . . . . Checkpoint . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 9 10 16 2. Rechte und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.1 Menschenrechte Grundrechte, Schutz der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Staatsbürgerliche Rechte in der Schweiz Niederlassungsfreiheit, Schutz vor Ausweisung, Bürgerrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Politische Rechte in der Schweiz Stimm- und Wahlmehrheiten, Majorzwahl, Stille Wahl, Proporzwahl, Wahlmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Staatsbürgerliche Pflichten in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Checkpoint . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 20 21 25 26 3. Strukturen des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.1 Merkmale des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Staats- und Regierungsformen Demokratie, Diktatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Die Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Schweiz: Bund, Kantone, Gemeinden Föderalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Checkpoint . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 29 32 33 34 36 4. Die Schweizer Bundesbehörden . . . . . . . . . . . . 37 4.1 Die Bundesbehörden im Überblick Exekutive, Legislative, Judikative . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Die Bundesversammlung: National- und Ständerat Aufgaben und Mittel . . . . . . . . . . 4.3 Der Bundesrat Kollegial- und Departementalprinzip, Bundesverwaltung . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Die richterliche Behörde Bundesgericht, Gerichts- und Prozessarten . . . . . . . . . . . . . . . . Checkpoint . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 39 42 44 46 5. Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 5.1 Recht und Gesetz Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Abstufung der Rechtserlasse Verfassung, Gesetz, Bundesbeschluss, Verordnung, Reglement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Gesetzgebungsverfahren beim Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Das Referendum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Die Volksinitiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Checkpoint . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 49 50 52 53 54 STAAT_Einleitung_2013_def_einleitung_2005_neuauflage_def 16.04.13 19:03 Seite 5 Staat Inhalt 6. Integration Europas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 6.1 Europa – auf der Suche nach der eigenen Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Der Europarat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 EU – Europäische Union Die drei Säulen der EU, Organe und Institutionen der EU, Entscheide und Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Die europäische Aussen- und Sicherheitspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Die OSZE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Checkpoint . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 57 58 62 63 64 7. Weltpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 7.1 Weltpolitische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Globale Probleme – globale Aufgaben Ressourcen, Klima, Bevölkerung, Armut, Migration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 UNO – Vereinte Nationen (UN – United Nations) Organe, Institutionen, Einsätze . . . . 7.4 NATO (Nordatlantikpakt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 IKRK (Internationales Komitee vom Roten Kreuz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6 Andere bedeutende internationale Organisationen und Konferenzen . . . . . . . . . . Checkpoint . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 67 70 73 74 75 76 8. Staatspolitik der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 8.1 Aussenpolitik Multilaterale Zusammenarbeit, Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . . . 8.2 Neutralität Elemente, Bedeutung, Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Sicherheitspolitik der Schweiz Sicherheit durch Kooperation, Armee, 78 81 Bevölkerungsschutz, wirtschaftliche Landesversorung, Staatsschutz, Polizei, Information und Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Ausländer- und Asylpolitik Duales Zulassungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5 Sozialpolitik Das soziale Netz in der Schweiz, Sozialhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.6 Aktuelle Politthemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Checkpoint . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 86 88 89 90 Anhang Landkarte Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landkarte Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Landkarte Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Top-Internet-Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinweis auf Komplementärmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lernprotokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 92 94 95 104 107 111 112 5 STAAT_Staat_2013_def_staat_2005-neuaufl_def 16.04.13 18:59 Seite 7 Staat 1. Politik 1. Politik Sachverhalt Nach dem Studium des Kapitels können Sie Kein Interesse? Politik ist für Sie kein Thema? Dann ist Ihnen egal … ⓦ Politik als Macht der Interessen erkennen. … wie viel Steuern Sie bezahlen? ⓦ den Begriff Politik beschreiben und verstehen. … ob oder wie Sie Militärdienst leisten müssen? ⓦ Ansprüche und Leistungen des Staates erläutern. ⓦ politische Entscheidungsträger nennen. ⓦ politische Grundhaltungen («Links-Rechts»-Sche- … ob Sie Arbeit finden? … wie viel Sie für Ihr SBB-Billett bezahlen müssen? … wie Sie Ihr Auto benutzen dürfen? Tatsächlich kein Interesse? Sie alleine können die Welt nicht verändern, aber in einem demokratischen Rechtsstaat haben Sie zumindest die Möglichkeit, Ihre Interessen einzubringen und andere von Ihren Ideen und Gedanken zu überzeugen. Spätestens jetzt politisieren Sie. Sie können sich auch einer Organisation anschliessen, welche Ihre Interessen wahrnimmt, ohne dass Sie dabei selber aktiv ins Politgeschehen eingreifen müssen. ma) beschreiben. Es empfiehlt sich allerdings, die Werte und Ideale dieser Organisationen gut zu studieren, bevor man sich Ihren ⓦ parteipolitische Aussagen unterscheiden und mit den eigenen Wertvorstellungen vergleichen. Parolen anschliesst, denn nicht selten erwei- sen sich ihre Versprechen als blosse Werbung. ⓦ die Funktion und die politische Einflussnahme der Verbände erkennen. Sachstruktur / Schlüsselbegriffe Ansprüche – Interessen – Leistungen Parteien ➔➔ Politics ➔➔ ➔➔ Verbände Gewerkschaften Polity: Parlament, Regierung, Gerichte Politische Entscheidungsträger rechts, bürgerlich links Pluralismus ➔➔ ➔➔ ➔➔ Policy Massenmedien Inhalt 1.1 Politik – Macht der Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Ansprüche und Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Politische Entscheidungsträger Parteien, Grundhaltungen, Verbände, NGOs . . . . . . . . . . Checkpoint . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 9 10 16 7 STAAT_Staat_2013_def_staat_2005-neuaufl_def 16.04.13 18:59 Seite 8 8 Staat 1. Politik 1.1 Politik – Macht der Interessen Die Politik im umfassenden Sinn befasst sich mit der Gestaltung und Organisation unserer Gesellschaft und stellt eine ständige Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Interessen, einen dauernden Machtkampf verschiedenster Gruppierungen oder Organisationen dar. In jedem Land gibt es mächtige und weniger mächtige Menschen, Gruppierungen oder Organisationen, welche versuchen, das öffentliche Leben nach ihren Interessen, Ideen, Werten oder Vorstellungen zu gestalten. In der Politik geht es um Interessen. Soll z. B. der Benzinpreis gesenkt oder die Gentechnologie geför- dert, die Ladenöffnungszeiten verlängert oder die Steuern gesenkt werden? Die Durchsetzung dieser Anliegen ist Aufgabe der Politik. In der Politik geht es um Macht. Sie ist überall dort unvermeidlich, wo Interessen der Gemeinschaft gegen andere durchgesetzt werden. Politik wird in der modernen Politikwissenschaft in drei Dimensionen definiert: Prozesse, Form und Inhalt der Politik. Es gibt also drei Wirkungsfelder des Politischen: politics – polity – policy. Die englischen Begriffe haben sich dabei durchgesetzt. Politics = Prozess Politics bezeichnet die Durchsetzung der Interessen und damit den politischen Kampf. Politics betrachtet das Ringen der politischen Akteure zu einem Thema. Beispielsweise Gewerkschaften und Arbeitgeber versuchen, das Arbeitsgesetz nach ihrem Geschmack zu ändern. Weitere Akteure sind die Parteien. Auch kann jeder Bürger und jede Bürgerin durch Aktionen Politics betreiben. Die Durchsetzung der Interessen kann friedlich oder mit Gewalt geschehen. In der Politik werden in der Regel Entscheidungen von der Mehrheit auf Grund stichhaltiger Argumente errungen. Oft bilden dabei Kompromisse die Lösung, denn Politik entfaltet sich im Dialog und ist letztlich ein Ausgleich von Interessen. Versagt dieser Entscheidungsprozess, bleibt als letztes Mittel der Politik oft nur noch die Gewalt, wie z. B. Geiselnahmen, Terrorismus oder sogar Kriege (z. B. Nato-Einsatz in Kosovo). Gewalt ist in einem Rechtsstaat nicht statthaft, um Interessenkonflikte zu lösen. Nur der Staat hat das Recht, im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger selber Gewalt anzuwenden (z. B. Polizei- und Armeeeinsatz, Terrorbekämpfung). Polity = Form Polity bezeichnet das politisch-institutionelle System, die Grundlagen und Strukturen des Staates (Verfassung, Rechtsordnung usw.). Polity untersucht die Politik nach dem Gesichtspunkte, wie sich eine Gesellschaft politisch organisiert. Beispielsweise werden verschiedene Demokratien und Wahlsysteme miteinander verglichen. Policy = Inhalt Policy bezeichnet das aktive Handeln des Staates, die eigentlichen Inhalte der Politik. Policy meint die Politik, die vor allem vom Staat gemacht wird (z. B. Landwirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Kulturpolitik). Es geht dabei um die Ausführung nach zuvor beschlossenen Gesetzen. Die PolicyForschung untersucht beispielsweise, wie wirksam diese Politiken des Staates sind. In einer pluralistischen, d. h. vielfältigen Gesellschaft ist es nicht leicht, Mehrheiten zu finden. Um bestimmte Interessen erfolgreich durchsetzen zu können, müssen diese eine Mehrheit der Bevölkerung überzeugen können. Damit solche Mehrheiten zustande kommen, schliessen sich Leute mit ähnlichen Interes- sen und Vorstellungen zu Interessengruppen (Partei, Verband, Verein) zusammen (S. 10 ff.). Auch der Staat als solches oder internationale Interessengemeinschaften wie z. B. Greenpeace (S. 75) betreiben Politik und versuchen, ihre Interessen innerhalb der Weltgemeinschaft wahrzunehmen. STAAT_Staat_2013_def_staat_2005-neuaufl_def 16.04.13 18:59 Seite 9 Staat 1. Politik 1.2 Ansprüche und Leistungen www.ch.ch Meist verbindet man mit dem Begriff Staat unbestimmte negative Gefühle: Der Staat macht uns Vorschriften, die bis weit ins Private hineinreichen (Schulpflicht, Eherecht usw.), verlangt uns Leistungen ab (Steuern, Militärdienst), verteuert den Preis von an sich billigen Produkten (Benzin), beschränkt unsere Freiheiten auf vielfältige Weise (Tempolimiten, Passkontrollen), regelt die Arbeitszeiten oder überwacht und kontrolliert das tägliche Leben (Polizei). Wie viel Staat wollen wir ? Doch der Staat gibt auch viel. Er sorgt u. a. für Ordnung und Sicherheit, garantiert die Rechte seiner Bürgerinnen und Bürger und behauptet seine Unabhängigkeit gegen aussen. Der heutige Staat wird zunehmend zu einem Leistungsstaat mit vielfältigen Aufgaben. Er soll für Vollbeschäftigung sorgen, Wirtschaftskrisen verhindern, gefährdete Wirtschaftszweige fördern, sich um die Pflege der Kranken und Alten kümmern, Jugendliche betreuen und beraten, Bildung und Ausbildung fördern, Spitäler und Verkehrswege bauen, die Natur schützen und bei Katastrophen helfen usw. Dauernd wird der Staat mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Diese können von innen kommen (Bedürfnisse, Forderungen von einzelnen Bevölkerungsgruppen) oder von aussen an den Staat herangetragen werden (Globalisierung, Umweltgefahren, Seuchen, Migration, Krieg; S. 67). Längst sind nicht mehr alle bereit, den Preis zu zahlen, den solche Leistungen kosten. Für viele Bürgerinnen und Bürger hat die Steuerbelastung die Schmerzgrenze erreicht. Besonders umstritten ist die Frage, wie weit der Staat sozial ausgleichend wirken soll. Die wirtschaftlich Starken haben nicht die gleichen Interessen wie die sozial Benachteiligten. Deshalb bleibt die Diskussion darüber, was durch den Staat geregelt werden soll, ein dauerndes Thema politischer Auseinandersetzung. Wer mitreden will, muss die Möglichkeiten und die Mittel des Staates, seine Organisation, sein Funktionieren und seine Leistungsfähigkeit kennen. «Unsere Frage sollte nicht ‹mehr oder weniger Staat› sein, sondern wie wir einen qualitativ ‹besseren› Staat erreichen können.» Otto Stich, Bundesrat 1984–1995. Kompromiss Lösung eines Problems auf der Grundlage von gegenseitigen Zugeständnissen Pluralismus, pluralistisch Vielgestaltig, vielfältig z. B. Schweiz: verschiedene geografische Gegebenheiten (Jura, Mittelland, Alpen), 26 verschiedene Kantone, 4 Sprachregionen, viele Parteien, verschiedene Bevölkerungsschichten usw. sozial Die Gemeinschaft, die Gesellschaft betreffend; auch an die anderen (die Schwächeren in unserer Gesellschaft) denken, gemeinnützig, wohltätig sein Parole Wahlspruch; wird von den Parteien bei Abstimmungen und Wahlen herausgegeben zur Meinungsbildung der Bevölkerung siehe auch: Staatspolitik . . . . . . . . Sozialpolitik . . . . . . . . . 77 88 9 STAAT_Staat_2013_def_staat_2005-neuaufl_def 16.04.13 18:59 Seite 10 10 Staat 1. Politik 1.3 Politische Entscheidungsträger In einem demokratischen Staat nehmen viele Interessenträger am Entscheidungsprozess teil. Nebst dem Parlament beteiligen sich die Regierung, die Verwaltung, die politischen Parteien, die Verbände und Gewerkschaften, sowie weitere Interessenorganisationen, sogenannte NGOs (S. 15), am Entscheidungsprozess. Parteien (am Beispiel der Schweiz) Parteien sind politische Vereine (➔ Glossar) und bedeutende Träger politischer Interessen. Sie nehmen grossen Einfluss auf wichtige Bereiche des öffentlichen Lebens, auf allen Ebenen. Parteien versuchen Bürgerinnen und Bürger zum politischen Meinungsbildungsprozess anzuregen, sie von ihren Vorstellungen und Idealen zu überzeugen und zu politischen Entscheiden zu mobilisieren. In demokratischen Staaten geschieht dies vor allem durch die aktive Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen oder durch öffentliche Stellungnahmen und Parolen. Parteien übernehmen die politische Verantwortung für staatliches Handeln in Parlament und Regierung. Grundhaltungen Die Parteien stützen sich häufig auf eine bestimmte Weltanschauung oder Ideologie. Sie leiten daraus ein Parteiprogramm ab und formulieren dazu ihre politischen Ziele und Forderungen. In einer multikulturellen, pluralistischen Gesellschaft gibt es eine grosse Anzahl von Parteien. In den meisten demokratischen Staaten lassen sich aber grundsätzlich zwei Grundhaltungen ausmachen, die sogenannte Linke und die Rechte. Das Links-Rechts-Schema Links Rechts sozial bürgerlich sich für Benachteiligte und Schwächere unserer ➔ ➔ ➔ ➔ ➔ ➔ Gesellschaft einsetzen vermehrte staatliche Hilfen und Eingriffe progressiv: gesellschaftliche Neuerungen fördernd sich auf die persönliche Freiheit und Selbstverantwortung berufen (= liberales Gedankengut) möglichst wenig staatliche Eingriffe konservativ: an der bestehenden Gesellschaftsordnung festhaltend, traditionell eine sozial-marktwirtschaftliche Ordnung vertretend, ➔ ➔ ➔ ➔ ➔ ➔ mit Betonung auf sozial vorwiegend Interessen der Arbeitnehmerinnen und mit Betonung auf marktwirtschaftlich Arbeitnehmer vertretend die militärischen Ausgaben zugunsten der Umwelt und die Interessen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber vertretend höherer Sozialausgaben kürzen grenzüberschreitend, international ausgerichtet eine sozial-marktwirtschaftliche Ordnung vertretend, für eine starke Landesverteidigung mit einer gut ausgerüsteten Armee ➔ ➔ auf den eigenen Staat ausgerichtet, Pflege des nationalen Gedankenguts Als Orientierungshilfe ist das Links-Rechts-Schema nützlich. Bei konkreten Sachfragen jedoch verwischen sich die Grenzen. Es ist denkbar, dass sogenannt rechte Politikerinnen und Politiker auch Ansichten der Linken teilen oder umgekehrt. Zum Beispiel sind heute der Umweltschutz oder die Gleichstellung von Mann und Frau Anliegen, die nicht nur Linke, sondern auch zahlreiche Bürgerliche vertreten. STAAT_Staat_2013_def_staat_2005-neuaufl_def 16.04.13 18:59 Seite 11 Staat 1. Politik Das Parteienspektrum der Schweiz Aktuelle Parteienstärke im Nationalrat CSP EVP CVP FDP GLP BDP GP SVP SP Lega MCG Parteienstärke im National- bzw. Ständerat Parlamentswahlen 2007 Parlamentswahlen 2011 Wähleranteil Sitze im Sitze im Wähleranteil Sitze im Sitze im NR-Wahlen Nationalrat Ständerat NR-Wahlen Nationalrat Ständerat Schweizerische Volkspartei (SVP) 28,9 62 7 26,6 54 5 Sozialdemokratische Partei (SP) 19,5 43 9 18,7 46 11 Freisinnig-Demokratische Partei (FDP)* 15,8 31 12 15,1 30 11 Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) 14,5 31 15 12,3 28 13 9,6 20 2 8,4 15 2 – – – 5,4 9 1 Liberale Partei der Schweiz (LPS)* 1,9 4 0 – – – Grünliberale Partei (GLP) 1,4 3 1 5,4 12 2 Evangelische Volkspartei (EVP) 2,4 2 0 2,0 2 0 Partei der Arbeit (PDA) 0,7 1 0 0,9 0 0 Eidgenössische Demokratische Union (EDU) 1,3 1 0 1,3 0 0 Lega dei Ticinesi 0,6 1 0 0,8 2 0 Christlich-Soziale Partei (CSP) 0,4 1 0 0,3 1 0 Mouvement Citoyens Genevois (MCG) 0,1 0 0 0,4 1 0 Übrige 3,0 0 0 2,4 0 1 100,0 200 46 100,0 200 46 Grüne Partei (GP) Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP)** Total * Die FDP und die LPS schlossen sich per 1. Januar 2009 zu einer neuen Partei zusammen. ** Die BDP entstand im Sommer 2008 als Abspaltung der SVP. Regierungsparteien: Die schweizerische Regierung – der Bundesrat – setzt sich seit 1959 nur aus Mitgliedern der vier wählerstärksten Parteien zusammen. Zurzeit ist allerdings auch die BDP mit Eveline Widmer-Schlumpf im Bundesrat vertreten. Parlament Gesetzgebende Gewalt in einer Demokratie, z. B. Schweiz: National- und Ständerat auf Bundesebene geberverband (Gewerbeverband), Arbeitnehmerverband (Gewerkschaftsbund), Mieterverband Anderes Wort für Verband von Arbeitnehmenden multikulturell Verschiedene Kulturen, welche z. B. in einem Staat zusammenleben. Ideologie Weltanschauung einer sozialen Gruppe, welche dieselben progressiv fortschrittlich, Gegensatz zu konservativ Gewerkschaft Verband Zusammenschluss von Personen, um eng begrenzte Interessensgebiete z. B. in der Wirtschaft oder im öffentlichen Leben zu vertreten, z. B. Arbeit- Werte vertritt (z. B. Nationalsozialismus in Deutschland unter Hitler). siehe auch: Regierung . . . . . . . . . . Bundesverwaltung . . . . 42 43 11 STAAT_Staat_2013_def_staat_2005-neuaufl_def 16.04.13 18:59 Seite 12 12 Staat 1. Politik Die grössten Parteien Die folgenden vier Parteien haben im National- und Ständerat die meisten Mitglieder. Sie stellen deshalb sechs Bundesratsmitglieder und bestimmen mit ihrem politischen Gewicht mehrheitlich die politische Richtung in der Schweiz. Name/ Gründungsjahr Internetadresse Partei vertritt hauptsächlich SP CVP FDP* SVP Sozialdemokratische Christlichdemokrati- FDP. Die Liberalen Schweizerische Partei (1888) sche Volkspartei (1912) (2009) Volkspartei (1936) www.sp-ps.ch www.cvp.ch www.fdp.ch www.svp.ch • Arbeiterschaft, • breit abgestützte • Arbeitgeber, Kader- • breit abgestützte Angestellte, Staats- Wählerschaft, leute, Angestellte, Wählerschaft, angestellte z. B. Arbeitnehmer, Staatsangestellte z. B. Bauern und • aus allen Einkommensschichten • Leute mit nicht bürgerlichen, sozialistischen, progressiven Familien • früher vorwiegend Katholiken • Leute mit bürgerlichen Interessen Interessen • eher besser verdie- Bäuerinnen nende Einkommens- • Arbeiterschaft schichten • Gewerbetreibende • Leute mit bürger- • besser verdienende lichen Interessen Einkommensschich- (z. B. Privateigentum, Sicherheit, Freiheit) ten • Leute mit bürgerlichen Interessen Hauptziele und Anliegen Sozialwerke Wirtschaftsordnung Mehr soziale Gerech- Mensch und Familie Freiheit und Selbstver- Erhaltung einer neutra- tigkeit in der Gesell- als Zentrum der politi- antwortung für alle len und unabhängigen schaft schen Diskussion • Stärkung und Aus- • Erhaltung der Sozial- • Massvoller finanziel- bau der Sozialwerke werke in ihrem heu- ler Einsatz der Sozial- werke, z.T. Abbau wie AHV, IV, ALV tigen Zustand werke (Gesundheitswesen) • Soziale Marktwirt- • Soziale und mensch- • Möglichst viele Frei- schaft mit ausglei- liche Marktwirtschaft heiten, insbesondere griffen • Gerechtere Vertei- • Erhaltung der Sozial- • Marktwirtschaft Wettbewerb auf chenden StaatseinSteuern Schweiz dem Markt • Entlastung von Fami- • Möglichst tiefe Steu- • Sanierung des lung der Einkommen lien und Mittelstand, erbelastung, keine Bundeshaushaltes und Besteuerung keine neuen Steuern neuen Steuern und markante Steuerreduktionen EU-Integration • Für sofortigen EUBeitritt der Schweiz Energie • Ausbau des bilate- • Ausbau des bilate- ralen Wegs, kein ralen Wegs, kein bilaterale Abkommen EU-Beitritt EU-Beitritt genügen • Kein EU-Beitritt, • Versorgungssicher- • Versorgungssicher- treiben, alternative heit gewährleisten; heit gewährleisten; ordnung; Option Energien fördern Förderung erneuer- Prüfung alternativer Atomstrom bei- barer Energien; Energien; keine behalten keine neuen AKWs neuen AKWs mit • Atomausstieg voran- • Zuerst Auslege- Reaktoren der aktuellen Generation Verteidigung • Für eine kleinere Armee Drogenpolitik • Für eine starke Armee • Für eine starke Armee • Starke Armee ohne Auslandeinsätze • Vorsichtige Legalisie- • Drogenkonsum im Konsums und Han- rung des Konsums privaten Umfeld von weichen dels von weichen von weichen Drogen legalisieren Drogen, restriktive • Legalisierung des Drogen wie Hanf • Keine Legalisierung Drogenpolitik * Die Partei entstand 2009 durch den Zusammenschluss der Freisinnig-Demokratischen Partei (1894) und der Liberalen Partei der Schweiz (1913). STAAT_Staat_2013_def_staat_2005-neuaufl_def 16.04.13 18:59 Seite 13 Staat 1. Politik Weitere Parteien Die folgenden Parteien sind nur im Nationalrat und teilweise im Ständerat vertreten. Sie stellen mit Ausnahme der BDP keine Vertreterinnen und Vertreter in den Bundesrat. Grüne GLP BDP EVP Grüne Partei der Grünliberale Partei Bürgerlich-Demokrati- Evangelische Schweiz (1983) Schweiz (2007) sche Partei (2008) Volkspartei (1919) www.gruene.ch www.gruenliberale.ch www.bdp.info www.evp-pev.ch Partei vertritt • Eher junge, gebildete • Gut gebildete, • Bürgerliche Wähler- • Protestantische hauptsächlich und mobile Leute mit Name/ Gründungsjahr Internetadresse Umweltbewusstsein • Vor allem in Städten aktiv • Hoher Frauenanteil städtische Leute • Höhere Einkommensschichten schaft • Ehemalige SVPMitglieder • Nur in der Deutsch- Wählerschaft • Leute mit religiösem Gedankengut der evangelischen Kirche schweiz aktiv, • Aktiv in protestanti- vor allem in Zürich schen Regionen der Deutschschweiz, z. B. ZH, SO, TG Hauptziele und • Schutz der Umwelt • Verbindung von Anliegen und der natürlichen Umweltschutz/ antwortliches Han- Ressourcen durch Nachhaltigkeit und deln und Leistungs- gezieltes ökologi- liberaler Wirt- bereitschaft als sches Handeln (z. B. schaftspolitik Grundlage für Wohl- umweltgerechte • Eigenverantwortung • Freiheit, eigenver- stand und Wachstum • Die Bibel bestimmt das politische Handeln • Schutz des menschlichen Lebens in allen Bereichen • Der Staat muss sich Verkehrspolitik durch der Bürgerinnen Umlagerung des und Bürger, mass- Sicherheitspolitik vor allem um das Schwerverkehrs auf voller finanzieller (starke Armee und Wohl des Menschen die Schiene, Verteue- Einsatz bei den Polizei) kümmern, z. B. rung der Energie- Sozialwerken • Glaubwürdige • Schutz der Umwelt preise, Bio-Landbau, durch Verursacher- Stilllegung der Atom- prinzip und andere kraftwerke) Anreizsysteme Arbeit geben • Ausbau der Sozialwerke • Für sofortigen EU-Beitritt • Vorerst weitere • Gegen einen • kein EU-Beitritt, bilaterale Verträge, EU-Beitritt, Unter- Unterstützung des später EU-Beitritt stützung des bilate- bilateralen Wegs prüfen ralen Wegs • Für Legalisierung aller Drogen, z. T. kontrolliert Neben den oben aufgeführten Parteien sind im Nationalrat noch folgende kleinere Parteien vertreten: Lega dei Ticinesi (seit 1991), CSP (Christlich-soziale Partei/seit 1970), MCG (Mouvement Citoyens Genevois/seit 2011). Sanierung Instandsetzung, erfolgreiche Lösung finanzieller Probleme 13 STAAT_Staat_2013_def_staat_2005-neuaufl_def 16.04.13 18:59 Seite 14 14 Staat 1. Politik Verbände/Gewerkschaften Ein Verband oder eine Gewerkschaft ist eine Zweckvereinigung, welche die Interessen bestimmter Wirtschaftszweige (z. B. Bauernverband, Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen) oder Teilinteressen des öffentlichen Lebens (z. B. Konsumenten/ Mieterinnen) wahrnimmt und nach aussen vertritt. Die Wirtschaft vereinigt in der Regel unter sogenannten Dachverbänden ähnliche Berufsgruppen oder Branchen (z.B. Dachverband des Schweizerischen Gewerbeverbandes). Man unterscheidet Beispiel Arbeitgeberverbände Verband der Schweizer Unter- Schweiz. Gewerbeverband Sie vertreten die Interessen nehmer, economiesuisse (SGV) Gewerkschaften Schweiz. Gewerkschaftsbund travail.suisse (Arbeitnehmerverbände) (SGB) Schweiz. Bauernverband (SBV) der Arbeitgeber bzw. der Unternehmen und des Gewerbes. UNIA Sie vertreten die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bzw. der Angestellten in der öffentlichen Verwaltung. Weitere Interessen- Verkehr: Verbände wie z. B. TCS, ACS, VCS, Schweizerischer Nutzfahrzeugverband (ASTAG); organisationen Konsum: Stiftung für Konsumentenschutz (SKS); Umwelt: WWF Schweiz, Greenpeace Schweiz, Sie vertreten Teilbereiche des CCC (Clean clothes campaign); Aussenpolitik: Aktion für eine neutrale und unabhängige Schweiz öffentlichen Lebens. (AUNS), Schweizerische Flüchtlingshilfe; Wohnen: Schweiz. Mieterinnen- und Mieterverband, Schweiz. Hauseigentümerverband; Frauen: Bund Schweizerischer Frauenorganisationen Ziel und Zweck Verbände unterstützen ihre Mitglieder (z. B. Beratung, Weiterbildung, berufliche Hilfeleistungen) und vertreten ihre Interessen gegen aussen (z. B. Rechte am Arbeitsplatz, Lohnverhandlungen). Politische Funktion Verbände haben auf politische Entscheide grossen Einfluss. Gründe dafür sind ihre hohe Mitgliederzahl, ihre grosse Finanzkraft und ihre ausgeprägte Organisationsstruktur. Sie lancieren und unterstützen Initiativen und Referenden (S. 52f.) und geben regelmässig Abstimmungsparolen heraus. Die meisten Verbände haben enge Kontakte mit den Parteien und beeinflussen deren politisches Handeln z.T. sehr stark. Meist sind ihre Spitzenvertreter auch im National- oder Ständerat vertreten. Sie nehmen in dieser Funktion die Interessen ihrer Verbände wahr. Man nennt diese Interessengruppierungen Lobby (z. B. Bauern-Lobby, Banken-Lobby usw.). Die Verbände in der Schweiz haben bereits bei der Vorbereitung von Gesetzen Einfluss. Bei Vernehmlassungen (S. 50) geben sie Stellungnahmen zu Handen des Bundesrates ab, und in den besonderen Kommissionen arbeiten Verbandsvertreter als Experten mit, z. B. in der Berufsbildung (Ausbildungsreglemente). Das Mitspracherecht der Verbände wird in der Bundesverfassung garantiert (BV Art. 147). Aufgaben der Massenmedien Die Massenmedien als Vermittler von Information werden immer wichtiger. Sie tragen einerseits wesentlich zur Meinungsbildung bei und üben andererseits Kontrolle über die politischen Behörden aus, indem sie Missstände aufdecken und darüber breit und möglichst objektiv informieren. Man bezeichnet sie deshalb auch als 4. Macht bzw. 4. Gewalt im Staat (S. 32). Die Medien sind zunehmend zu einem Machtfaktor geworden, indem Personen der Politik und der Wirtschaft dieses Instrument für die Durchsetzung der eigenen Interessen nutzen. Auch die Medienleute selber können durch die Auswahl (z.B. einseitige Berichterstattung) und Darstellung der Information grossen Einfluss auf die öffentliche Meinung und die Politik nehmen. STAAT_Staat_2013_def_staat_2005-neuaufl_def 16.04.13 18:59 Seite 15 Staat 1. Politik NGOs (Non-Governmental Organizations) www.ngo.org NGOs (auf Deutsch Nichtregierungsorganisationen oder Nichtstaatliche Organisationen) sind vom Staat unabhängige, international tätige Organisationen. Sie werden von privaten Gruppen (Parteien, Vereinen, Kirchen usw.) gegründet und getragen. Jede dieser NGO vertritt die Interessen eines speziellen Bereichs, z. B. Umwelt, Entwicklungszusammenarbeit, Frieden und Menschenrechte. Sie stellen bei internationalen Konferenzen zwar keine offiziellen politischen Vertretungen, ihnen ist aber seit dem Umweltgipfel von Rio (1992) erstmals auf höchster internationaler Ebene politische Legitimation zuerkannt worden. Beispiele von wichtigen in der Schweiz arbeitenden NGOs: • Amnesty International (AI) • Brot für alle • Caritas Schweiz • equiterre • Erklärung von Bern (EvB) • Europäisches Bürgerforum • Fastenopfer, Katholisches Hilfswerk Schweiz • Forest Stewardship Council (FSC) • Greenpeace Schweiz • Helvetas • Hilfswerk der evangelischen Kirchen der Schweiz (HEKS) • Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit • Internationale Gesellschaft für Menschenrechte • Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) • Médecins sans frontières (Ärzte ohne Grenzen) • Naturfreunde Schweiz • Pro Natura • Schweizerisches Arbeiterinnen- und Arbeiterhilfswerk (SAH) • Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund (SEK) • Schweizerische Friedensbewegung (SFB) • Swisspeace • Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV) • Schweizerische Liga für Menschenrechte • Schweizerisches Rotes Kreuz • Stiftung Kinderdorf Pestalozzi (SKIP) • Stiftung Max Havelaar • Swissaid • Swisscontact • World Wide Fund for Nature (WWF) Im Bereich der «Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe» besteht seit Jahren eine enge Zusammenarbeit zwischen den NGOs und der eidge- nössischen Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA (S. 80) als Vertretung der Schweiz. Initiative Ein Volksrecht in der Schweiz. Möglichkeit des Volkes, in der Bundesverfassung einen neuen Artikel hinzuzufügen oder einen Artikel zu ändern. Vernehmlassung Möglichkeit der Stellungnahme von interessierten Gruppierungen zu einem Gesetzesvorschlag Massenmedien Auf grosse Massen ausgerichtete Vermittler von Informationen, z.B. Radio, TV, Presse, Internet. Legitimation Beglaubigung, rechtliche Anerkennung humanitär wohltätig, menschenfreundlich Referendum Ein Volksrecht in der Schweiz. Volksabstimmung über einen Beschluss des Parlaments siehe auch: Entwicklungszusammenarbeit . . . . . . . . . . 80 Aussenpolitik . . . . . . . . 78 Weltorganisationen . . .70ff. Initiative . . . . . . . . . . . 53 Referendum . . . . . . . . . 52 15 STAAT_Staat_2013_def_staat_2005-neuaufl_def 16.04.13 18:59 Seite 16 16 Staat 1. Politik Checkpoint Verständniskontrolle 1.1 Politik – Macht der Interessen 1.2 Ansprüche und Leistungen 1.3 Politische Entscheidungsträger 1. Womit befasst sich Politik? 2. Weshalb bezeichnet man Politik als Macht der Interessen? 3. Weshalb sollte sich jede/r Einzelne mit politischen Themen auseinandersetzen? 4. Wie werden in Rechtsstaaten politische Interessen durchgesetzt? 5. In der Politik werden Lösungen meist durch Kompromisse gefunden. Was heisst das? 6. Was heisst Pluralismus? 7. Nennen Sie drei Leistungen oder Vorschriften, welche der Staat von seinen Bürger/innen verlangt. 8. Weshalb bezeichnet man heute moderne Staaten als Leistungsstaat? 9. Woher und in welcher Form treten neue Herausforderungen an einen Staat heran? 10. Nennen Sie wichtige politische Entscheidungsträger. 11. Welche zwei generellen Grundhaltungen bei Parteien gibt es? 12. Was heisst a) sozial, b) konservativ, c) progressiv, d) bürgerlich? 13. Nennen Sie zwei typische Grundhaltungen für a) «linkes» Gedankengut, b) «rechtes» Gedankengut. 14. Wie heissen die 4 grössten Parteien der Schweiz? 15. Beschreiben Sie in Stichworten die Ziele und Hauptanliegen der a) SP, b) FDP, c) CVP, d) SVP. 16. Wen vertritt die a) SP, b) FDP, c) CVP, d) SVP vorwiegend? 17. Wie heisst die stärkste Nichtregierungspartei der Schweiz? 18. Welche Interessen nehmen Verbände wahr? 19. Welche politische Funktion haben Verbände? 20. Wo überall können Verbände auf politische Entscheidungen Einfluss nehmen? 21. Weshalb sind Verbände auch dann mächtig, wenn ihre Vertreter nicht im Parlament (NR/SR) sind? 22. Was ist eine Gewerkschaft? 23. Was ist eine «Lobby»? 24. Was sind NGOs? 25. Nennen Sie 4 bedeutende NGOs. Weiterführende Fragen und Vertiefungsarbeiten 26. Entwerfen Sie eine Collage, welche den Pluralismus in der Schweiz an verschiedenen Beispielen zeigt. 27. Stellungnahmen der Parteien: Informieren Sie sich im Internet oder erkundigen Sie sich bei den Parteizentralen über die Ansichten bezüglich aktueller politischer Fragen der wichtigsten Parteien. Stellen Sie die Ergebnisse tabellarisch dar und präsentieren Sie Ihre Ergebnisse der Klasse. 28. Erstellen Sie in Ihrer Gruppe selber ein Parteiprogramm. Nehmen Sie zu wichtigen aktuellen Problemen Stellung und erarbeiten Sie ein entsprechendes Argumentarium. 29. Stellen Sie eine wichtige NGO der Klasse vor (Name, Tätigkeit, Grundhaltungen, aktuelle Themen usw.). 30. Erklären Sie in eigenen Worten die Abbildung auf der ersten Seite dieses Kapitels. Ethische Grundfragen A. Wann ist staatliches Handeln gerecht? (Berücksichtigung von Minderheiten, Randgruppen) B. Welche ethischen/moralischen Werte sollen Politiker/innen und Entscheidungsträger in der Wirtschaft vertreten? (Offenlegung Verwaltungsratsmandate, Geschäfte mit Diktatoren, Vertretung der Parteimitglieder contra eigene Interessen) C. Welche Mittel sind zur Durchsetzung der eigenen Interessen im politischen Alltag tolerierbar? (z.B. Gewalteinsatz bei Demonstrationen, Art der Berichterstattung in Massenmedien)