Übungen zur Physik 1 - Wintersemester 2012/2013 Serie 6 19. November 2012 Abzugeben bis zum 30. November Aufgabe 1: Eine anfänglich ruhende Kiste mit einer Masse von 30 kg gleitet auf einer Rampe nach unten. Die Rampe hat eine Neigung von 30 Grad gegenüber der Waagerechten und überbrückt einen Höhenunterschied von 2 Metern. Welche Endgeschwindigkeit hat die Kiste, wenn • sie reibungsfrei gleitet? • der Gleitreibungskoeffizient µG = 0, 1 beträgt? Lösung 1: Wenn die Kiste reibungsfrei gleitet, wird die potentielle Energie V = mgh vollständig in kinetische Energie mv 2 /2 umgewandelt: 1 2 mv = mgh . 2 Für die Endgeschwindigkeit gilt dann v= q 2gh = q 2 · 9, 81 m s−2 · 2 m = 6, 26 m s−1 . Andernfalls wird ein Teil der potentiellen Energie in Reibungsarbeit WR = sFR umgewandelt. Die Reibungskraft beträgt FR = µFN = µFG cos α = µmg cos α . Die Kiste gleitet eine Strecke von s = h/ sin α. Die Reibungsarbeit beträgt daher: µmgh WR = . tan α Aus der Energieerhaltung V = T + WR können wir die Endgeschwindigkeit s v= 2(V − WR ) = m s 2gh − 2µgh q = 2gh(1 − µ cot α) . tan α Nach Einsetzen der Werte bekommen wir v = 6, 26 m s−1 q 1 − 0, 1 cot 30◦ = 5, 7 m s−1 . Privatdozent Dr. Hauke Paulsen · Institut für Physik · Universität zu Lübeck · [email protected] Übungen zur Physik 1 - Wintersemester 2012/2013 Aufgabe 2: Die Vektoren a, b und c lauten in Komponentenschreibweise ax a = ay , az bx b = by bz cx und c = cy . cz Beweisen Sie die folgende Gleichung, a × (b × c) = b (a · c) − c (a · b) , (1) indem Sie für beide Seiten der Gleichung die x-, y- oder z-Komponente auswerten. Wie könnte man rechtfertigen, dass es ausreicht, nur eine der drei Komponenten zu betrachten? Lösung 2: Für die x-Komponente der linken Seite bekommen wir ay (bx cy − by cx ) − az (−bx cz + bz cx ) . Die rechte Seite ergibt bx (ax cx + ay cy + az cz ) − cx (ax bx + ay by + az bz ) = bx (ay cy + az cz ) − cx (ay by + az bz ) = ay (bx cy − by cx ) − az (−bx cz + bz cx ) für die x-Komponente, so dass die x-Komponenten beider Seiten gleich sind. Keine der x-, y- oder z-Komponenten ist in dieser Gleichung vor der anderen ausgezeichnet, so dass die Gleichheit aus Gründen der Symmetrie auch für die anderen Komponenten gelten muss. Aufgabe 3: Die Anziehungskraft der Erde auf ein Raumfahrzeug mit der Masse m beträgt mME F = −G 2 r wobei ME die Erdmasse, G die Gravitationskonstante und r der Abstand des Raumfahrzeugs zum Erdmittelpunkt ist. Wie groß ist die potentielle Energie V (r) des Raumfahrzeugs, wenn man V (∞) = 0 festlegt? Hinweis: Z xn dx = xn+1 n+1 Lösung 3: Für die potentielle Energie gilt Z ∞ r 0 0 F (r ) dr = − Z ∞ r mME mME G 02 dr0 = G 0 r r ∞ r = −G mME r Privatdozent Dr. Hauke Paulsen · Institut für Physik · Universität zu Lübeck · [email protected] Übungen zur Physik 1 - Wintersemester 2012/2013 Aufgabe 4: Welche Startgeschwindigkeit muss ein Raumfahrzeug besitzen, das von der Erdoberfläche aus senkrecht nach oben katapultiert wird, damit es ohne weiteren Antrieb der Schwerkraft der Erde entkommen kann? Anmerkung: diese Geschwindigkeit wird auch als Fluchtgeschwindigkeit oder zweite kosmische Geschwindigkeit bezeichnet. Lösung 4: Nach dem Katapultstart hat das Raumschiff die Gesamtenergie 1 2 mv + V (RE ) . 2 Während das Raumschiff sich von der Erde entfernt, wird kontinuierlich kinetische Energie in potentielle Energie umgewandelt, bis in unendlicher Entfernung die potentielle Energie verschwindet und nur noch kinetische Energie übrig bleibt. Im Grenzfall (Fluchtgeschwindigkeit) ist die kinetische Energie in unendlicher Entfernung ebenfalls auf Null abgefallen. Da die gesamte Energie erhalten bleibt, muss die Summe aus kinetischer und potentieller Energie bereits beim Start Null sein, das heisst es gilt mME 1 2 mv = G . 2 RE Die Fluchtgeschwindigkeit lautet dann s v = 2G ME RE s = 2 · 6, 67384 × 10−11 m3 kg−1 s−2 5, 974 × 1024 kg 6, 368 × 106 m = 11190 m s−1 . Aufgabe 5: Zwei Perlen gleiten reibungsfrei, nur unter dem Einfluss der Schwerkraft auf gleich langen, gebogenen Drähten (siehe Abbildung). Welcher der beiden Drähte wird schneller durchlaufen? Welche der beiden Perlen hat die höhere Endgeschwindigkeit? Privatdozent Dr. Hauke Paulsen · Institut für Physik · Universität zu Lübeck · [email protected] Übungen zur Physik 1 - Wintersemester 2012/2013 Zusatzaufgabe außerhalb der Wertung: Könnte man einen dritten Draht, der die gleichen Anfangs- und Endpunkte wie die beiden abgebildeten Drähte besitzt aber länger oder kürzer sein darf, so formen, dass er noch schneller durchlaufen wird? Lösung 5: Da die Perlen reibungsfrei gleiten, ergibt sich die Geschwindigkeit einer Perle zu jedem Zeitpunkt aus der umgewandelten potentiellen Energie, die zu Beginn für beide Perlen gleich groß ist. Die Perle auf dem unteren Draht hat an jedem Punkt des Drahtes eine geringere potentielle Energie und damit eine höhere Geschwindigkeit als die obere Perle; erst ganz am Ende des Drahtes erreichen beide Perlen wieder die gleiche Geschwindigkeit. Da die untere Perle stets schneller als die obere Perle ist, wird sie den Draht in kürzerer Zeit durchlaufen. Lässt man Drähte unterschiedlicher Länge zu, wird das Problem erheblich komplizierter und wird üblicherweise mit Hilfe der Variationsrechnung gelöst (für Interessierte: siehe Skript zur Theoretischen Physik I). Die Kurve, auf der die Perle am schnellsten vom Anfangs- zum Endpunkt gelangen kann, wird Brachistochrone genannt und lässt sich gewinnen, indem man einen Punkt auf einem abrollenden Rad verfolgt. Offenbar ist die kürzeste Verbindung in diesem Fall nicht die schnellste. Privatdozent Dr. Hauke Paulsen · Institut für Physik · Universität zu Lübeck · [email protected]