Buchrezession: Otto Benkert Martin Hautzinger Mechthild Graf-Morgenstern Psychopharmakologischer Leitfaden für Psychologen und Psychotherapeuten .......................................... Unter Mitarbeit von P. Heiser und E. Schulz Für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie Und D. Hiemke Für Arzneimittelinformation und -interaktionen Springer Medizin Verlag Heidelberg 2008 1 Dieser Leitfaden wurde für klinische Psychologen und Psychotherapeuten geschrieben. Die Autoren meinen, dass es ein „Entweder-Oder“ zwischen Psychotherapie und Psychopharmaka schon lange nicht mehr gibt. In einem Gesamtbehandlungsplan haben beide Therapieformen ihren Platz. Ohne Psychopharmaka ist eine optimale Therapie bei den meisten psychischen Erkrankungen nicht mehr vorstellbar, genauso wie eine Behandlung ohne Psychotherapie in der Psychiatrie heute nicht zeitgemäß wäre. Definition Pharmakologie ist die Lehre von den Wechselwirkungen zwischen Stoffen und Lebewesen. Ein Stoff, der Wechselwirkungseigenschaften besitzt, ist im Sinn der Pharmakologie ein Pharmakon. Psychopharmaka sind solche, die auf das Zentralnervensystem wirken und psychische Funktionen verändern. Die Anwendung von Pharmaka am Menschen ist die Pharmakotherapie. Sie erfolgt heute in der Regel durch Einsatz von Fertigazneimittel. Begriffsbestimmungen Pharmakon: Stoff oder Stoffgemisch mit Wirkung auf ein Lebewesen. Arzneistoff: Pharmakon mit therapeutisch nützlicher Wirkung. Arzneimittel = Medikament: Arzneistoff, der technisch mit Hilfsstoffen durch galenische Zubereitung in eine für den Menschen anwendbare Form gebracht wurde. Arzneiform: Zubereitung eines Arzneimittels mit pharmazeutischen Hilfsstoffen, z.B. als Tablette, Injektionslösung, Tropfen oder Salbe. Fertigarzneimittel: Arzneimittel aus industrieller Fertigung. Freiname: Name eines chemisch definierten Wirkstoffs. Markenname: Bezeichnung eines gesetzlich geschützten Fertigarzneimittels eines bestimmten Herstellers. Generikum: Bezeichnung eines Fertigarzneimittels, welches unter dem Fertigarzneimittels, das unter dem Freinamen nach Ablauf des Patentschutzes auf dem Markt gebracht wird. Therapeutischer Einsatz von Pharmaka (Pharmakotherapie) Um ein bestmögliches Therapieansprechen zu erreichen und das Risiko des Auftretens von Nebenwirkungen möglichst gering zu halten, sind vor Beginn der Behandlung folgende Einzelheiten zu beachten: Diagnosestellung Schweregrad der Behandlung Dauer der Erkrankung Medikamentöse Vorbehandlungen 2 Besonderheiten, die sich auf die Pharmakokinetik auswirken (Nierenfunktion, hohes Alter …) Besonderheiten, die sich auf die Pharmakodynamik auswirken (Begleiterkrankungen, hohes Alter …) Suchtanamnese Wirkprofil des Psychopharmakons Nebenwirkungen und Kontraindikationen des Psychopharmakons Mögliche Wechselwirkungen des Psychopharmakons mit anderen Medikamenten Aufklärung und Information des Patienten über Dosis, Wirkung und mögliche Nebenwirkungen, bei Bedarf Hinweis auf Wechselwirkung mit anderen Medikamenten, einschließlich Alkohol oder anderen Stoffen Medikamente werden in der Regel oral verabreicht. Bevor sie wirken können, müssen sie absorbiert und verteilt werden. Im Körper werden sie umgewandelt, bevorzugt in der Leber, und wieder ausgeschieden, meist über die Niere oder die Galle. Die Pharmakokinetik beschreibt den zeitlichen Verlauf der Medikamente im Körper. Wichtige pharmakokinetische Kenngrößen, die bei verschiedenen Medikamenten sehr unterschiedlich sein können und auch von Patient zu Patient variieren, sind die Bioverfügbarkeit, die Clearance, das Verteilungsvolumen und die Eliminationshalbwertszeit. Die Pharmakodynamik beschreibt die Wirkung und Wirkmechanismen der Medikamente. Die Kenntnis pharmakokinetischer und – dynamischer Eigenschaften der Medikamente ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Anwendung. Aus beruflichem Interesse (Sonderpädagoge)möchte ich im folgendem auf Störungen im Kindes und Jugendalter eingehen. Beginnen werde ich mit den Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen Die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) bzw. hyperkinetischen Störungen sind zusammen mit den Störungen des Sozialverhaltens, die häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter. Sie bleiben bei ca. 1/3 der Patienten im Erwachsenenalter bestehen. Die Erkrankung manifestiert sich in der Kindheit vorrangig mit Defiziten in der Aufmerksamkeit sowie mit Hyperaktivität und Impulsivität. Häufig resultieren Komplikationen im Lernverhalten, in der verminderten Organisationsleistung und zum Teil in erheblichen Fehlanpassungen im Sozialverhalten. Es finden sich gehäuft Komorbiditäten: Persönlichkeitsstörungen (antisoziale Persönlichkeitsstörung, Borderline-Persönlichkeitsstörung…), Alkohol- und Substanzmissbrauch bzw. –abhängigkeit, Angsterkrankungen und affektive Störungen. Die wesentlichen pathogenetischen Vorstellungen zu ADHS umfassen sowohl genetische als auch umweltbedingte Ursachen, wobei der genetische Anteil auf 70-90% beziffert wird. 3 Während die Behandlung der ADHS in der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Sinne einer multimodalen Therapie gut etabliert ist, kristallisiert sich in der Erwachsenenpsychiatrie ein therapeutisches Vorgehen erst langsam heraus. An erster Stelle der Behandlung von ADHS im Kindes- und Jugendalter steht die Aufklärung der Eltern, Lehrer und Erzieher. Bei stark ausgeprägter situationsübergreifender hyperkinetischer Symptomatik mit krisenhafter Zuspitzung sollte eine Pharmakotherapie begonnen werden. Medikamente zur Behandlung von ADHS und Hypersomnien: Präparat Dosis Indikation mit Zulassung Wichtigste Nebenwirkungen Atomoxetin Strattera® Methylphenidat Ritalin® Methylphenidat Concerta® Modafinil Vigil® Natriumaxybat Xyrem® 40mg tgl. maximal: 100mg tgl. 5-10mg tgl. maximal: 60mg tgl. ADHS, aber nicht bei Erwachsenen zugelassen ADHS, aber nicht bei Erwachsenen zugelassen ADHS, aber nicht bei Erwachsenen zugelassen Narkolepsie; Schlafapnoesyndrom Kataplexie bei Narkolepsie Appetitminderung, Schlafstörung Appetitminderung, Schlafstörung, Blutdruckerhöhung wie oben - 200-400mg tgl. 4,5-9g tgl. Kopfschmerzen, Nervosität, Schlaflosigkeit, Angst Schwindel, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit Bemerkungen Kein Abhängigkeitspotential HWZ 2h Wirkdauer 12h Nicht bei Bluthochdruck Regulierter Einnahmemodus Methylphenidat ist ein wirksames Medikament bei ADHS, es besteht aber ein Abhängigkeitsrisiko. Modafinil ist bei Narkolepsie und beim Schlafapnoesyndrom indiziert. Atomoxetin muss sich als neue Therapieoption bei ADHS noch bewähren. Tics treten bis zu 30% assoziiert mit ADHS auf. Unter der Medikation von Methylphenidat kann es in Einzelfällen zur Verstärkung einer bestehenden Tic-Symptomatik oder zum Neuauftreten kommen. Dann kommt eine Therapie mit Atomoxetin in Betracht. Methylphenidat wirkt auch auf die Kardinalsymptome der ADHS bei Kindern und Jugendlichen mit Intelligenzminderung. Bei Kindern mit geistiger Behinderung ist hingegen häufiger eine entweder paradoxe Wirkung zu beobachten oder die Medikamente zeigen keine Wirkung. Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit ADHS setzt erzieherische und behandlungsorganisatorische Kooperationen voraus, deshalb ist eine Psychoedukation unumgänglich. Viele psychotherapeutische und pädagogische Ansätze basieren auf verhaltenstherapeutischen Prinzipien. Aus einer großen pharmakologisch-psychotherapeutischen Kombinationsstudie zu ADHS bei Kindern und Jugendlichen ist abzuleiten, dass die Kombination aus Psychostimulanzien mit einer intensiven psychosozialen, verhaltenstherapeutisch-orientierten Intervention signifikant wirksam waren. 4 Behandlung von Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen im Kindes- und Jugendalter Nach ICD-10 ist die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung vor Abschluss der Pubertät wahrscheinlich unangemessen. Eine Ausnahme macht lediglich die antisoziale Persönlichkeitsstörung. Die verschiedenen Störungen des Sozialverhaltens sind durch dissoziales, aggressives oder aufsässiges Verhalten (länger als 6 Monate) mit Verletzungen altersentsprechender sozialer Erwartungen gekennzeichnet. Diese Störungen können mit deutlichen Symptomen einer emotionalen Störung, zumeist Depression und/oder Angst, kombiniert sein. Verhaltensstörungen (Störungen des Sozialverhaltens, ADHS…) gehören zu den häufigsten Störungsbildern im Kindes- und Jugendalter. Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung Die pharmakologische Behandlung zielt auf einzelne Symptome z.B. Depression, Aggressivität, Impulsivität, und Spannungszustände. Bei hoher Impulsivität und Aggressivität kann ein Antipsychotikum (z.B. Risperidon) in Erwägung gezogen werden. Benzodiazepine sollten nur in Akutsituationen gegeben werden. Präparat Dosis Risperidon Rispendal® akut: 2-4mg Depot: alle 2 Wo/25-50mg Indikation mit Zulassung Schizophrenie, Manie Wichtigste Nebenwirkungen Sedierung, Schwindel, relativ deutliche Prolaktinerhöhung Bemerkungen auch als Depot Weiters möchte ich auf spezielle Störungen im Kindes- und Jugendalter eingehen: Tief greifende Entwicklungsstörungen Trennungsangst Enuresis Bindungsstörungen Tief greifende Entwicklungsstörungen Nach ICD-10 umfasst die Gruppe der tief greifenden Entwicklungsstörungen die folgenden Erkrankungen: - Frühkindlicher Autismus - Atypischer Autismus - Asperger Syndrom - Rett-Syndrom - Desintegrative Störung des Kindesalters - Überaktive Störung mit Intelligenzminderung und Bewegungssterotypien Die wichtigsten tiefgreifenden Maßnahmen stellen Psychoedukation, Frühförderung, Verhaltenstherapie und Pharmakotherapie dar. Pharmakologisch hat sich zur Behandlung einiger Kern- und Begleitsymptome Risperidon bewährt. 5 Trennungsangst Die emotionale Störung des Kindesalters mit Trennungsangst wird auch als Schulphobie bezeichnet und gehört zusammen mit der Schulangst und dem Schulschwänzen in die Gruppe der Schulverweigerungen. Eine Trennungsangst liegt vor, wenn das Kind die Trennung von der(n) Bezugsperson(en) als überwältigend erlebt, die Angst über die entwicklungsphysiologische Altersstufe hinaus andauert und die psychosoziale Entwicklung längerfristig erheblich beeinträchtigt ist, sodass das Kind die Schule nicht mehr besuchen kann. Für eine Entstehung dieser Störung ist eine Kombination aus ängstlicher Disposition und schwierigen Lebenseinflüssen, wie zum Beispiel begründete Ängste vorm Verlassenwerden, maßgebend. Die zentralen Therapiekomponenten bei Trennungsangst sind nach den Autoren, Psychoedukation und Verhaltenstherapien. Falls diese Maßnahmen nicht ausreichend wären, empfehlen sie eine medikamentöse Behandlung mit einem Serotoninrückaufnahmehemmer (SSRI). Enuresis Die Enuresis kommt häufig im Kindesalter vor. Sie wird als unwillkürlicher Harnabgang ab einem Alter von 5 Jahren und einem geistigen Intelligenzalter von 4 Jahren definiert. Organische Grunderkrankungen müssen ausgeschlossen werden. Das Einnässen muss mindestens drei Monate bestehen und die monatliche Häufigkeit muss 1-mal (<7 Jahre) bzw. 2-mal pro Monat betragen. Es wird nach tageszeitlichem Auftreten unterschieden: Enuresis nocturna, Enureseis diurna und Enuresis nocturna et diurna. Für die Behandlung einer Enuresis ist zunächst eine Psychoedukation essentiell, an die sich verhaltenstherapeutische Maßnahmen anschließen sollten. Falls diese Maßnahmen nicht erfolgreich sind, kann eine vorübergehende Medikamention von Desmopressin wirksam sein. Bindungsstörungen Das Krankheitsbild wird durch unzureichende oder traumatisierende Beziehungen in den ersten Lebensjahren verursacht und die Symptomatik ist an das Kleinkind- und Vorschulalter gebunden. Es können zwei Subtypen unterschieden werden: - eine gehemmte Form mit Vermeidung, Rückzug und Hypervigilanz, - eine ungehemmte Form mit vorwiegend nichtselektivem, distanzlosdiffusem Kontaktverhalten. Für die Behandlung von Bindungsstörungen ist ein entwicklungsförderndes und bindungsstabiles Milieu wichtig. Die Patienten profitieren von Krankengymnastik, Ergotherapie, Logopädie und verhaltenstherapeutischen Maßnahmen. Bei ausgeprägter Symptomatik ist eine medikamentöse Behandlung mit Antipsychotika vorübergehend sinnvoll. 6 Abschließend möchte ich noch Präparate in der Kinder- und Jungendpsychiatrie zusammenfassen: Antidepressiva in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Bei der Behandlung mit Antidepressiva im Kinder- und Jugendalter sind die Auswahlkriterien für ein Antidepressivum in erster Linie die klinische Symptomatik, die sich im Entwicklungsverlauf teilweise erheblich verändern kann, das Nebenwirkungsprofil und die Akzeptanz in der Familie hinsichtlich einer medikamentösen Therapie. Das Indikationsspektrum für Antidepressiva im Kindes- und Jugendalter, wenn auch Antidepressiva nicht in allen Fällen die Medikamente der ersten Wahl sind, umfasst zusätzlich zu den depressiven Störungsbildern und Diagnosegruppen noch - hyperkinetische Störungen, - Störungen des Sozialverhaltens, - Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen aufgrund einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns, - Persönlichkeitsstörungen, - tief greifende Entwicklungsstörungen, - emotionale Störungen des Kindesalters, - elektiver Mutismus, - Ticstörungen, - Enuresis, - stereotype Bewegungsstörungen, - Stottern und Poltern. Stimmungsstabilisierer in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Die Stimmungsstabilisierer haben eine relativ geringe Effektstärke bei der Behandlung bipolarer Störungen im Kindes- und Jugendalter. Diese wirken am besten zusammen mit psychotherapeutischen Maßnahmen – auch bei folgenden Störungsbildern: - manische Episoden, - depressive Episoden und rezidivierende depressive Störungen, - Persönlichkeitsstörungen, - tief greifende Entwicklungsstörungen, - abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle, - Störungen des Sozialverhaltens, - Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen, - schizoaffektive Störungen. Lithium ist das Medikament der ersten Wahl zur Behandlung akuter manischer Episoden und zur Phasenprophylaxe bei bipolaren affektiven Störungen im Kindes- und Jugendalter. Da die therapeutische Wirksamkeit durch Lithium erst nach 1-2 Wochen zu erwarten ist, ist am Behandlungsbeginn häufig die Kombination mit Antipsychotika und/oder Benzodiazepinen notwendig. Diese beiden Pharmakotherapeutika können auch zur Behandlung von Erregungszuständen und Schlafstörungen in der Akutphase eingesetzt werden. 7 Antipsychotika in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Die Hauptindikation für Antipsychotika im Kindes- und Jugendalter sind schizophrene und andere psychotische Störungen, sowie Verhaltensstörungen mit impulsiven und aggressiven Durchbrüchen. Das Indikationsspektrum umfasst darüberhinaus auch noch folgende Diagnosegruppen: - manische Episoden, - Essstörungen, - nichtorganische Schlafstörungen, - Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen aufgrund einer Krankheit, - Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns, - tief greifende Entwicklungsstörungen, - hyperkinetische Störungen, - Störungen des Sozialverhaltens, - Bindungsstörungen, - Ticstörungen, - Enuresis, - stereotype Bewegungsstörungen, - Stottern und Poltern. Von den klassischen Antipsychotika sind zur Behandlung von Psychosen im Kindes- und Jugendalter Chlorprothixen (ab 3 Jahren, auch für Unruhe, Erregungszustände, Schlafstörungen…), Fluphenazin (ab 12 Jahren, auch für psychomotorische Erregungszustände, Schmerzen…), Perazin (ab 16 Jahren, auch für Manie, Erregungszustände…) und Pimozid (keine Altersbeschränkung) zugelassen. Anxiolytika in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Die Behandlungsdauer für Anxiloytika , vor allem die Benzodiazepine, sollten nur einige Tage bis wenige Wochen dauern. Die Verschreibung hat sich jedoch in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Das Indikationsspektrum umfasst in der Kinder- und Jugendpsychiatrie - die verschiedenen Angststörungen, - mittelgradige und schwere depressive Syndrome mit oder ohne Suizidalität, - akute psychotische Störungen, - manische Episoden, - ausgeprägte Schlafstörungen, - Belastungsstörungen, Anpassungsstörungen, - schwere Erregungszustände. Gerade bei ängstlich-depressiven Erkrankungen, die häufig mit Suizidalität einhergehen, ist teilweise der Einsatz von Benzodiazepinen bis zum Wirkungseintritt der Antidepressiva unverzichtbar. Diazepam ist das am häufigsten verschriebene Benzodiazepin, ab dem 6. Lebensmonat für akute und chronische Spannungs-, Erregungs- und Angstzustände. 8 Hypnotika in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Die Gabe von Hypnotika sollte erst nach Ausschöpfung anderer Therapiemöglichkeiten erfolgen. Bei Kindern und Jugendlichen sind im Rahmen einer psychiatrischen Therapie primär sedierende Antidepressiva oder Antipsychotika indiziert. Erst nach Ausreizung dieser Effekte können auch Hypnotika gegeben werden. Andererseits sind Schlafmittel bei akuten Psychosen oder anderen schweren psychischen Erkrankungen und bei suizidalen Patienten vorübergehend indiziert. Vor allem für die Benzodiazepinhypnotika gilt, dass sie aufgrund eines hohen Abhängigkeitspotentials nicht über einen längeren Zeitraum gegeben werden sollen. Schlussbemerkungen Das vorliegende Buch ist als ein übersichtlicher Leitfaden für Psychologen und Psychotherapeuten gedacht. Ich habe mit Interesse vor allem die Psychopharmakotherapie im Kindes- und Jugendalter gelesen und auch entsprechend zusammengefasst. Dabei bin ich im Buch sehr gesprungen, vor allem deswegen, da ich die für mich relevanten Themen vorrangig behandelt habe. Das Buch ist sehr auf Deutschland bezogen und liefert meist aus Deutschland relevante Studien, die wahrscheinlich nicht unbedingt für Österreich passen müssen. Auch ist mir das Buch in seinen alternativ zu den Medikamenten befassten Therapien etwas zu oberflächig. Zumeist wird in der Kinder- und Jugendarbeit die Verhaltenstherapie als einzig mögliche Therapieform erwähnt. Pädagogische Interventionen finden gar keine Beachtung. Auch hat sich meine Skepsis, manchmal zu leichtfertig auf Medikamente zuzugreifen, eher bestätigt. Ich hätte mir eine kritischere Betrachtung dieses Themas sehr gewünscht – auch im Hinblick auf etwaiges zukünftiges Suchtverhalten. Insgesamt ist dieses Buch ein Nachschlagewerk für die persönliche Bibliothek. In einer Coverstory der Wochenzeitschrift profil (Nr. 16, 40. Jg. 10. April 2009) „nutzlose Medizin“, wurde sehr kritisch über die Nebenwirkungen und positiven Effekte von Medikamenten berichtet. Auch die Kosten und die Fälschbarkeit, bzw. Manipulierbarkeit von Studien wurde sehr kritisiert. So betrugen die Krankenkassenschulden seit Jahresbeginn 1,2 Milliarden Euro. Medikamente sind dabei die größten Kostentreiber. Mittlerweile nehmen sie einen etwa gleich hohen Budgetposten ein wie die Honorare für Ärzte. „Eine Forschergruppe um den britischen Psychologen Irving Kirsch hatte alle verfügbaren Daten zu sechs der am öftesten verordneten Antidepressiva ausgewertet. Ergebnis: Patienten mit leichten bis mittelschweren Depressionen, die in den Studien nur Zuckerpillen geschluckt hatten, reagierten kaum schlechter als jene, die einen angeblichen stimmungsaufhellenden Wirkstoff verabreicht bekommen hatten.“ Dieser Umstand würde die begleitende Psychotherapie sehr bestätigen, geradezu einfordern! 9