Spurensuche in der Welt der Quanten

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Welt der Wissenschaft: Astrophysik
Spurensuche in der Welt der
Quanten
Die Bausteine der Materie und ihre Wechselwirkungen werden durch das
Standardmodell der Teilchenphysik zwar bis in viele Einzelheiten erklärt, doch
fundamentale Fragen bleiben offen. Der »Large Hadron Collider«, der neue
europäische Beschleuniger, wird zur Klärung dieser Fragen beitragen. Sein Vorstoß in
ganz neue Energiebereiche verspricht den Beginn einer neuen Ära der Teilchenphysik.
Von Martin Gorbahn und Georg Raffelt
S
eit Anfang des Jahres 2010 werden
erwarten. Die in der Öffentlichkeit viel dis­
am CERN in Genf Protonen auf
kutierte Erzeugung künstlicher Schwarzer
Höchstgeschwindigkeit beschleu­
Mini-Löcher gehört dabei eher ins Reich
nigt: Die Energie, mit der die Phy­
gewagter, wenn auch anregender Spekula­
Genf wird Elementarteilchen auf
siker sie am Large Hadron Collider (LHC)
tionen. Gleichwohl weiß man, dass sich Ei­
Energien beschleunigen, die im
zusammenstoßen lassen, übersteigt dieje­
genschaften und Dynamik des Mikrokos­
Kosmos 10-13 Sekunden nach dem
nige früherer Teilchenbeschleuniger um
mos just an der elektroschwachen Skala
Urknall herrschten. Damit wird er
ein Vielfaches. Damit ist es zum ersten Mal
grundlegend ändern. Deren Untersuchung
Strukturen der Materie untersu­
möglich, die Naturkräfte bei einem Ab­
ist damit ein Meilenstein auf dem Weg ins
chen, die einem Zehntausendstel
stand der wechselwirkenden Elementar­
teilchen von 10 –19 Metern zu untersuchen,
Innere der Materie.
In Kürze
ó Der neue Teilchenbeschleuniger in
des Protonenradius entsprechen.
ó Mit diesem Vordringen in expe­
was etwa dem zehntausendsten Teil des
Die TeV-Skala
rimentelles Neuland wollen die
Um die Kräfte zu erforschen, die zwi­
Physiker Widersprüche auflösen,
Durchmessers eines Protons entspricht.
Dieser Abstand spielt in der Teilchen­
die in ihrer Beschreibung des in­
physik als »elektroschwache Skala« eine
benötigt man laut der heisenbergschen
nersten Aufbaus der Materie nach
entscheidende Rolle: Erst, wenn sich zwei
Unschärferelation
10 –19
schen den Elementarteilchen wirken,
(siehe
»Unschärfe­
wie vor bestehen.
ó In dem neu erschlossenen Energie­
Meter nahe kom­
relation und Äquivalenz« auf S. 48 – 49)
men, beginnen die Eigenschaften zweier
umso höhere Energien, je kleiner die zu
bereich wird vielleicht nicht nur
Naturkräfte zu verschmelzen – die elek­
untersuchenden Abstände sind. Die elek­
das »Standardmodell der Teilchen­
tromagnetische und die »schwache« Kraft
troschwache Skala entspricht dabei einer
physik« vervollständigt werden –
verhalten sich dann annähernd gleich (sie­
möglicherweise wird auch das Rät­
he Grafik auf S. 54). Deshalb spricht man
Energie von rund 1 Teraelektronvolt (TeV
oder 1012 eV), etwa dem Tausendfachen
sel der Dunklen Materie gelöst.
hier von der »elektroschwachen Verein­
der Ruhemasse des Protons. Ungefähr
heitlichung« an der »elektroschwachen
10 –13 Sekunden nach dem Urknall kühlte
Skala«. Zentrale Eigenschaften des derzei­
die heiße Frühphase des Universums auf
tigen Standardmodells der Teilchenphysik
Temperaturen ab, die der Energie von
(kurz »Standardmodell«) lassen sich bei
1 TeV entsprechen. Die Naturgesetze, die
diesen kleinsten Abständen erforschen,
bei immer höheren Energien und damit
und neuartige Phänomene sind hier zu
kleineren Abständen gelten, bestimmten
46
Oktober 2010
Teilchen bis auf
Sterne und Weltraum
Die Physiker am CERN bei Genf erhoffen
sich vom neuen Beschleuniger die Erzeugung und den Nachweis des Higgs-TeilATLAS / CERN
chens, das bisher nur theoretisch erschlossen wurde. Unser Bild zeigt die Simulation
eines solchen Ereignisses im ATLAS-Detektor am Large Hadron Collider.
www.astronomie-heute.de
Oktober 2010
47
Unschärferelation und Äquivalenz von Masse und Energie
D
ie Teilchenphysik ist untrennbar mit der Quantentheorie
hohe Impulse und damit hohe Energien, um den Mikrokosmos zu
verbunden. Die Unschärferelation ist ein quantenphysika­
erforschen, weshalb Teilchenphysik oft mit Hochenergiephysik
lisches Gesetz, das Werner Heisenberg (1901 - 1976) entdeckte –
gleichgesetzt wird. Der höchsten Energie eines Teilchenbeschleu­
hier dargestellt in seiner eigenen Handschrift. In ihrer einfachsten
nigers entspricht demnach ein kleinster Abstand, der noch räum­
Form besagt die Unschärferelation, dass Ort q und Impuls p eines
lich aufgelöst und untersucht werden kann.
Eine andere Naturkonstante ist die Vakuumlichtgeschwindigkeit
Objekts nicht gleichzeitig exakt bestimmbar sind:
c, welche die Rolle der relativistischen Grenzgeschwindigkeit spielt,
also der größten Geschwindigkeit, mit der Energie oder Informa­
tion übertragen werden kann. Nach der einsteinschen Beziehung
Dieses Naturgesetz ist jedoch wegen der Kleinheit der Naturkon­
stanten –h (»h quer«, das Plancksche Wirkungsquantum h dividiert
durch 2 π), nur für Elementarteilchen von praktischer Bedeutung.
ist jeder Energie eine ihr äquivalente Masse zugeordnet. Deshalb
Um physikalische Gesetze bei kleinen Abständen zu erfor­
schen, benötigt man hohe Impulse der beteiligten Teilchen, denn
unterscheiden Teilchenphysiker oft nicht zwischen Masse und
wenn die Ortsunschärfe Dq klein sein soll, muss die Unschärfe des
Ener­gie und messen beide in den gleichen Einheiten Elektronvolt
Impulses Dp und damit der Impuls selbst umso größer sein. Dies
(eV), nämlich der Energie, die ein Teilchen mit einer elektrischen
ist analog zur Optik, wo die Winkelauflösung eines Mikroskops
Elementarladung e nach Durchlaufen der elektrischen Spannung
1 Volt gewinnt. Die Ruhemasse des Protons ist 0,935 GeV/c2 oder
oder Teleskops mit der Lichtfrequenz zunimmt. Man benötigt also
Vier Kräfte und das Standardmodell
metriebeziehungen als Grundlage der
weils früheren Zeiten, denn gleich nach
dem Urknall kühlte sich die extrem
Die Gesetze des Mikrokosmos, die im
nen Relativitätstheorie wohl die ab­
heiße »Ursuppe« rapide ab und durch­
Standardmodell zusammengefasst sind,
straktesten und zugleich erfolgreichsten
lief verschiedene Phasen, in denen die
bedürfen also der Erweiterung. Aber
theoretischen Gebäude, die je errichtet
Gesetze der Mikrophysik bei den jewei­
was versteht man überhaupt unter dem
wurden, und wir können hier lediglich
ligen Energieskalen den Ton angaben. Die
»Standardmodell der Teilchenphysik«? Wo
versuchen, einen ersten Einblick in die
Physiker erforschen diese Entwicklung
liegen seine Stärken, wo seine Grenzen?
Zusammenhänge dieses komplizierten
in umgekehrter Richtung, indem sie die
Wie können Kräfte bei verschiedenen Ab­
Konstrukts zu geben. Auf unserem Weg
Struktur der Materie bei immer höheren
ständen so unterschiedlich wirken? Und
in die Welt des immer Kleineren orientie­
Energien und kleineren Abständen un­
welche Aussagen über den Aufbau der
ren wir uns an der unten stehenden Bild­
tersuchen. Die kosmische Asymmetrie
Welt erhoffen sich die Physiker von den
sequenz »Aufbau der Materie«: Dort ist
zwischen Materie und Antimaterie sowie
Experimenten am LHC und anderswo?
Um diesen Fragen nachzugehen, kom­
unser Weg in zehn Schritten A bis J darge­
die Dunkle Materie sind vermutlich Re­
likte aus jener extrem heißen Frühzeit –
men wir nicht umhin, die Quantenwelt
stellt.
Eine Eigenschaft der Quantenfeldtheo­
beiden verdankt unser Universum seine
der Elementarteilchen mit ihren manch­
rie ist von besonderer Bedeutung: Sowohl
Existenz, aber das Standardmodell kann
mal bizarren Eigenschaften zu erläutern.
Materieteilchen als auch deren Wechsel­
beide nicht erklären.
Die Quantenfeldtheorie und ihre Sym­
wirkungen sind Quantenfelder. Teilchen­
die Entwicklung des Universums zu je­
Aufbau der Materie
A
B
Teilchenphysik sind neben der Allgemei­
C
e–
g
O
D
e–
e+
p
H
H
e–
e+
e+
e–
p+
+
H
e+
e–
e–
e+
10-2 Meter
10-9 Meter
10-10 Meter
10-13 Meter
Ein Wassertropfen mit 4 mm
Durchmesser besteht aus
ungefähr 1021 Wassermolekülen.
Das Wassermolekül besteht
aus einem Sauerstoffatom
und zwei Wasserstoffatomen.
Das Wasserstoffatom besteht
aus einem Elektron (e–) und
einem Proton (p+). Die elektromagnetische Wechselwirkung
wird durch das Photon (γ)
ausgetauscht.
Vakuumfluktuationen von
Elektronen und Positronen
schirmen die Ladung des Protons
nach außen hin ab.
48
Oktober 2010
Sterne und Weltraum
stante beschrieben. Es existieren drei
Kopplungskonstanten – jeweils eine für
die elektromagnetische, die starke und die
eben einfach 0,935 GeV (wobei 1 GeV = 109 eV ist und c = 1 gesetzt wird). Die Ruhemasse
schwache Kraft. Der Wert der Kopplungs­
des Elektrons beträgt in dieser Ausdrucksweise 0,511 MeV (1 MeV = 106 eV), das heißt die
konstanten hängt vom Abstand (und
Masse des Protons ist rund 2000-mal größer als die Masse des Elektrons.
damit auch von der Energie) ab, bei dem
Eine wichtige Folge der Unschärferelation ist, dass die Reichweite einer Kraft um­
die entsprechenden Wechselwirkungen
gekehrt proportional zur Masse jenes Teilchens ist, das dem Kraftfeld entspricht. Die
stattfinden (siehe »Teilchen, Kräfte, Quan­
elektrische Kraft hat eine unendliche Reichweite, weil das Photon exakt masselos ist,
tenfelder«, S. 52 f.).
während die »schwache Kraft« gar nicht schwach ist, sondern nur kurzreichweitig, denn
Weitere ungelöste Fragen beschert uns
die Massen der Z- und W-Bosonen entsprechen fast der hundertfachen Protonenmasse.
Die volle Bedeutung der Unschärferelation kommt zum Tragen, wenn die Regeln der
die Gravitation: Diese vierte »Naturkraft«
Quantenphysik mit denen der Relativitätstheorie vereinigt werden. Die Unschärferela­
ma des Standardmodells einbinden. Sie
tion betrifft dann allgemeinere Größen. Beispielsweise lassen sich die elektrische und
wirkt nicht auf Ladungen, sondern auf
die magnetische Feldstärke nicht gleichzeitig exakt bestimmen und können damit auch
Masse, und Energie und ist stets anzie­
nicht gleichzeitig verschwinden. Selbst der »leere Raum« enthält also elektromagnetische
hend. Dadurch summiert sich ihr Einfluss,
»Vakuumfluktuationen« und damit Energie, die nach Einstein die Raumzeit krümmt. Der
weshalb sie trotz ihrer geringen Stärke auf
Zusammenhang mit der Dunklen Energie, die zur beschleunigten Expan­sion des Uni­
kosmischen Skalen maßgebend ist.
lässt sich bisher einfach nicht in das Sche­
versums führt, ist bis heute nicht geklärt – dies ist ein Beispiel für die Schwierigkeit, die
Reise zur elektroschwachen Skala
Quantenfeldtheorie als Grundlage der Teilchenphysik mit der Allgemeinen Relativitäts­
theorie als Grundlage der Gravitationsphysik unter einen Hut zu bringen.
Die vier verschiedenen Wechselwirkungen
sind also auf verschiedenen Abstandsska­
len bestimmend. Dass die elektroma­
Teilchen, obwohl sie eigentlich Quanten­
ó Die schwache Kraft wirkt bei Abständen,
kleiner als 10 –18 Meter – dem tausendsten
felder meinen. Die Kräfte zwischen Mate­
Teil des Protondurchmessers – und ist für
oft keine Rolle spielt, liegt daran, dass
rieteilchen werden durch den Austausch
den Beta-Zerfall der Kerne verantwort­
normale Materie elektrisch neutral ist, da
von Wechselwirkungsteilchen übertragen
lich; ihre Austauschteilchen sind die W-
sich die Wirkung positiver und negativer
(siehe dazu »Teilchen, Kräfte, Quanten­
Bosonen und Z-Bosonen (Schritt G bis I im
Ladungen buchstäblich neutralisiert.
felder« auf S. 52 f.). Das Standardmodell
»Aufbau der Materie«).
physiker sprechen – etwas salopp – von
gnetische Wechselwirkung im Großen
Wie wir sehen werden, neutralisiert
beinhaltet drei Kräfte:
sich auch die starke Wechselwirkung, die
ó Die elektromagnetische Kraft wirkt
Die Austauschteilchen koppeln jeweils an
beispielsweise Quarks zu Protonen und
auf atomaren Abständen und bindet das
die Ladungen der Materieteilchen. Dabei
Neutronen bindet, auf größeren Abstän­
Elektron und das Proton zum Wasserstoff­
können Materieteilchen unterschiedliche
den, obwohl ihre Austauschteilchen, die
atom; ihr Austauschteilchen ist das
elektrische, schwache oder auch starke
Gluonen, masselos sind. Die schwache
Photon. (Schritt A bis C im »Aufbau der
Ladungen tragen: So haben Elektronen
Materie«)
nur eine elektrische und eine schwache
ó Die starke Kraft wirkt auf Kernabstän­
Ladung, Quarks dagegen haben auch eine
Diese Bildfolge illustriert in zehn Schritten
den und bindet drei Quarks zu einem Pro­
starke. Wie stark die Austauschteilchen an
den »Aufbau der Materie« von der
ton; ihre Austauschteilchen sind die Glu­
die entsprechenden Ladungen ankoppeln,
makroskopischen Skala bis hinab zur
onen. (Schritt E im »Aufbau der Materie«)
wird durch die jeweilige Kopplungskon­
vermuteten Vereinigung aller Kräfte.
u
g
e–
F
g
g
g
e–
g
gγ
u
g
n
G
H
e–
u
W
g
V
W
g
d
V
V
V
u
g
d
V
V
10-16 Meter
10-17 Meter
10-18 Meter
10-19 Meter
Das Proton besteht aus zwei
Up-Quarks (u) und einem
Down-Quark (d). Die Bindungsenergie der Gluonen (g) liefert den
größten Beitrag zur Protonmasse.
Der Austausch des neutralen
Photons bestimmt die
Wechselwirkung von Elektron
und Up-Quark.
Die Wechselwirkung des
geladenen W-Bosons (W) wird
immer wichtiger. Dabei
entspricht der Abstand von 10-18
Metern ungefähr der Masse des
W-Bosons.
Das W-Boson koppelt mit seiner
schwachen Ladung ans Vakuum
(V) und erhält so seine Masse.
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Oktober 2010
Exzellenzcluster Universe/Ulrike Ollinger
E
49
Drei Farben addieren sich zur Farbe Weiß.
vom Elektron ausgestrahlte Photon im­
Dieses Bild liefert eine Analogie dafür, dass
mer stärker an das Proton. Da die Masse
ein im Sinne der Quantenchromodynamik
des Elektrons genau diesem Abstand ent­
neutrales Proton aus drei Quarks mit
spricht, kommt hier eine weitere Eigen­
unterschiedlicher QCD-Ladung (Farbladung)
schaft der Quantenfeldtheorie zum Tra­
besteht.
gen: Bei diesen Abständen entstehen und
vergehen ständig Paare von Elektronen
und Positronen, also den Antiteilchen der
Elektronen. Da diese Teilchenpaare aus
SuW-Grafik
dem leeren Raum entstehen, spricht man
auch von Vakuumfluktuationen. Die Teil­
chenpaare umgeben das Proton, wobei die
positiven Ladungen etwas abgestoßen, die
Wechselwirkung hingegen hat die beson­
Quantenfeldtheorie
warum
negativen Ladungen etwas angezogen
dere Eigenschaft, dass ihre Austauschteil­
Kräfte bei verschiedenen Abständen un­
werden. Durch diese »Polarisierung des
chen, die W- und Z-Bosonen, große Massen
terschiedlich wirken und welche neuen
Vakuums« wird die ursprüngliche Ladung
haben und hierdurch die Reichweite der
Phänomene an der elektroschwachen Ska­
des Protons teilweise nach außen hin ab­
Kraft eingeschränkt ist.
la, also bei Teraelektronvolt-Energien und
geschirmt.
entstehen,
tet den Teilchenphysikern großes Kopfzer­
den entsprechenden Abständen von 10 –19
Metern auftreten mögen, begeben wir uns
Teilchenpaaren, so steigt die Stärke der
brechen, denn grundsätzlich, das heißt
auf eine Reise ins Innere der Quantenwelt
elektromagnetischen »Austauschwechsel­
ohne die Mitwirkung eines zusätzlichen
zu immer kleineren Abständen.
wirkung« umso mehr an, je näher wir dem
Die große Masse dieser Bosonen berei­
Mechanismus,
sind
Austauschteilchen
Durchdringen wir nun diese Wolke von
Proton kommen. Bei noch kleineren Ab­
des
Amasselos. Eine minimale Erweiterung
B
ó Elektromagnetische
C Wechselwirkung:
ständen
D tragen auch +Paare von Quarks
führt zur Annahme des Higgs-Teilchens
also bei ungefähr 10 –10 Metern (Schritt
g
elektrischen +Ladung bei – unde–damit zum
Standardmodells zur Lösung des Problems
e
Beginnen wir bei atomaren Abständen,
–
(oder kurz »Higgs«), das bisher allerdings O C in der Bildfolge »Aufbau der Materie«),
p+
H
H
das Wasserstoffatom.
Es
nicht gefunden wurde. Der LHC wird in und betrachten
den hier maßgeblichen Energiebereich
vorstoßen (Schritt I in der Bildfolge »Auf­
ist ein elektrisch neutraler, gebundener
H
e
und Antiquarks zur
der
e– Abschirmung
e+
Anwachsen
e
–
eder
elektromagnetischen
Kopplungskonstantenpbei kleinen Abstän­
+
den.
e+
Zustand aus einem positiv geladenen
e–
e–
e
bau der Materie«) und möglicherweise
Proton und einem negativ geladenen
ó Starke Wechselwirkung:
Vergrößern
+
den entscheidenden Hinweis auf die Exi­
Elektron. Seine Masse ist die Summe aus
wir erneut tausendfach (Schritt E in der
stenz
des Higgs-Teilchens erbringen
–
-2
-9
Proton- und Elektronmasse,
abzüglich des
-10
könnte aber auch ganz andere, sogar noch
Massenäquivalents der Bindungsenergie.
Bildfolge »Aufbau
der Materie«). Erst bei
10-13 Meter
10 –16 Metern wird die innere Struktur
Zoomen wir nun tausendfach näher an
Bindungsenergie (beziehungsweise deren
das Proton heran (Schritt D). Bei Abstän­
den kleiner als 10 –13 Meter koppelt das
Massenäquivalent) dagegen den größten
10 Meter
10 Meter
10
Meter
Das man­
Wassermolekül
Ein
Wassertropfen
mit 4 mmliefern. So
Das Wasserstoffatom
besteht
Vakuumfluktuationen
von aus zwei
des Protons
sichtbar: Es besteht
Dabei besteht
trägt die Bindungsenergie
über die
spannendere
Lösungen
aus einem Sauerstoffatom
Durchmesser besteht aus
aus einem Elektron (e–) und
Elektronen und Positronen
Up-Quarks
und einem Down-Quark.
einsteinsche Äquivalenz
von
Energie
und
cher Teilchenphysiker
hofft, das
undHiggs
zwei Wasserstoffatomen.
ungefähr
1021 Wassermolekülen.
einem
Proton
(p+). Die
elektroschirmen die Ladung des Protons
Quarks
MilliardstelWechselwirkung
zur Ge­ Die Massen
möge nicht auftauchen und es komme Masse nur rund 13 magnetische
nachder
außen
hin ab.liefern aber nur
wird durch dasbei.
Photon (γ) einen Bruchteil der Protonmasse, die
stattdessen zu unerwarteten Entde­ samtmasse des Wasserstoffatoms
ausgetauscht.
ckungen jenseits des Standardmodells!
Aber eins nach dem anderen. Um besser
zu verstehen, wie Teilchenmassen in einer
Aufbau der Materie, Fortsetzung
I
J
Z
W
W
H
X
W
H
X
50
H
X
c
c
10-19 Meter
10-32 Meter
W-Bosonen wechselwirken, indem sie ein Photon, ein
Z-Boson oder ein Higgs-Teilchen (H) austauschen. Für
Higgs-Massen größer als 1 TeV wäre die Wechselwirkung der W-Bosonen keine schwache Kraft mehr.
Vakuumfluktuationen von Wechselwirkungsteilchen
(X) der Großen Vereinheitlichten Theorien ändern die
Masse des Higgs-Bosons um 10 Größenordnungen.
Supersymmetrische Partnerteilchen (χ) würden diese
Massenänderung aufheben.
Oktober 2010
Exzellenzcluster Universe/Ulrike Ollinger
W
c
c
X
W
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Astronomie
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ist dieses Lehrbuch didaktisch raffiniert auf das Wesentliche reduziert, das
Physikstudierende und angehende Physiklehrer wissen müssen und leicht
lernen können; für Schüler und Hobby-astronomen bietet es sich zum autodidaktischen Lernen und Schmökern an – und am Ende bleiben nicht nur die
wenigen wirklich wichtigen Formeln aus der Schulphysik nachhaltig im
Gedächtnis.
Aus dem Inhalt
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2. Gravitation und die Bewegung von Planeten
3. Licht und Teleskope
4. Erde und Mond
5. Die anderen Planeten und ihre Monde
6. Vagabunden des Sonnensystems
7. Die Sonne, unser besonderer, ganz gewöhnlicher Stern
8. Sterne und ihre Eigenschaften
9. Das Leben der Sterne – von der Geburt bis ins mittlere Alter
10. Wie Sterne sterben
11. Die Galaxien
12. Kosmologie
13. Astrobiologie
Glossar
Inkl. REDSHIFTHimmelsführungen
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Ralf Klesen, Sternentstehung, Bestell-Nr.
2262, Bernd Lang, Das Sonnensystem,
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Expansionsgeschichte des Universums,
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Oktober 2010
51
Teilchen, Kräfte, Quantenfelder
D
ie Eigenschaften der Elementarteilchen und die zwischen
0,1 TeV besitzen, was ihre Reichweite einschränkt. (Unter einem
ihnen wirkenden Kräfte (die Physiker nennen sie auch
Boson versteht man ein Teilchen mit ganzzahligem Spin, oder in­
»Wechselwirkungen«) sind untrennbar miteinander verknüpft.
nerem Drehimpuls, in Einheiten von h/2π; alle Austauschbosonen
Die elektromagnetische, schwache und starke Wechselwirkung
haben Spin 1.) Ungefähr bei dem Abstand der elektroschwachen
sind jeweils bei unterschiedlichen Abständen von Bedeutung. Sie
Skala sind die schwache und die elektromagnetische Kraft ver­
gehorchen ähnlichen Prinzipien: geladene Teilchen ziehen sich an
gleichbar (siehe »Die elektroschwache Vereinheitlichung« auf
oder stoßen sich ab, wobei die Wechselwirkung durch das zuge­
S. 54). Allerdings erfordert die schwache Wechselwirkung keine
hörige (Kraft-) Feld vermittelt wird.
elektrische Ladung und wirkt auch auf Neutrinos.
Bemerkenswerterweise übertragen die (elektrisch geladenen)
Die Physiker des 19. Jahrhunderts erkannten, dass elektrische
und magnetische Felder gemeinsam als Elektromagnetismus zu
W-Bosonen W+ und W– eine elektrische Elementarladung, sodass
verstehen sind und selbstständig als elektromagnetische Wellen
die miteinander wechselwirkenden Teilchen ihre Ladung ändern,
existieren. An der Schwelle zum 20. Jahrhundert erkannte Max
etwa vom Proton zum Neutron oder vom Elektron zum Neutrino.
Planck, dass die Anwendung der Thermodynamik auf elektroma­
Dieses Feld überträgt also nicht nur eine Kraft, sondern verändert
gnetische Wellen zu einer Quantisierung führt. Diese Quantisie­
auch die Identität der Teilchen. Die folgenden Beispiele zeigen die
rung wiederum erklärt, wie Einstein 1905 zeigte, weshalb Atome
Streuung von Teilchen mittels schwacher Wechselwirkung (Z- oder
elektromagnetische Wellen in diskreten Portionen absorbieren
W-Austausch), links ohne, rechts mit Ladungsänderung:
oder emittieren. Ein solches Quant, das Photon, trägt die Energie
E = hν, wobei h das Plancksche Wirkungsquantum, eine funda­
Elektron
mentale Naturkonstante, und ν die Lichtfrequenz ist.
selwirkung zweier elektrisch geladener Teilchen als Austausch
Elektron
Z-Boson
Damit wird klar, dass »Kraftfelder« zwischen Teilchen selbst die
Rolle von Teilchen spielen. Man interpretiert dann etwa die Wech­
Elektron
Proton
Neutrino
W-Boson
Proton
Proton
Neutron
eines Photons zwischen den beiden Teilchen und spricht von einer
Noch interessanter ist die Rolle der schwachen Wechselwirkung
»Austauschwechselwirkung«. Dabei bezeichnet die Kopplungs­
beim Zerfall des freien Neutrons, das eine mittlere Lebensdauer
konstante die Stärke dieser elektromagnetischen Wechselwir-
von rund 15 Minuten hat. Alle Teilchen zerfallen in leichtere, falls
kung. Diese Wechselwirkung (hier zum Beispiel: die Streuung
die Erhaltung von Energie, Drehimpuls, elektrischer Ladung und
eines Elektrons an einem Proton) wird in einem »Feynman-Gra­
anderer Quantenzahlen gewährleistet ist. Durch Vermittlung des
phen« als Austausch eines Photons dargestellt:
W-Bosons zerfällt das Neutron in ein Proton, ein Elektron und ein
Elektron
Anti-Elektronneutrino:
Elektron
Anti-Elektronneutrino
Photon
Proton
W-Boson
Proton
Elektron
Neutron
Proton
Die schwache Wechselwirkung wird in ähnlicher Weise durch den
Austausch des neutralen Bosons Z0 und der elektrisch geladenen
Die große Masse des W-Bosons (ungefähr hundertmal so groß
Bosonen W+ und W– vermittelt, die jedoch Massen von rund
wie die Masse des Neutrons) bewirkt die lange Lebensdauer des
dungsenergie kommt und wie die Quarks
Bei niedrigen Energien treten Quarks
Für das Phänomen der asympto­
überhaupt zu einem elektrisch geladenen
nur in gebundenen QCD-neutralen Zustän­
tischen Freiheit ist die Abstandsabhän­
Proton gebunden werden können, ist eine
den, wie dem Proton, auf. Bei Abständen,
gigkeit der QCD entscheidend. Zwar
weitere Wechselwirkung notwendig: die in
die größer als der Protonenradius sind, ist
schirmen, ähnlich wie in der Elektro­
den 1960er Jahren entwickelte Quanten­
dementsprechend die starke Wechselwir­
dynamik,
chromodynamik (QCD). Sie ist die Quan­
kung nach außen hin abgeschirmt. Einzel­
starke Wechselwirkung ab, jedoch haben
tenfeldtheorie der starken Wechselwir­
ne Quarks können nicht frei existieren, so­
Vakuum­fluktuationen der Gluonenfelder
kung. Ihr Name (chromos – griechisch für:
dass ihre Interpretation als echte Teilchen
den umgekehrten und stärkeren Effekt.
Farbe) geht auf eine Analogie zur Farbmi­
einst umstritten war. Sehen wir aber weiter
Damit wird die starke Wechselwirkung
schung zurück (siehe Bild auf S. 50 oben).
in das Proton hinein und untersuchen die
bei kleinen Abständen – und damit gro­
Denn die Quarks tragen immer eine von
Quarks mit höheren Energien, so verhalten
ßen Energien – immer schwächer. Bei
drei möglichen QCD-Ladungen – so, wie
sie sich wie annähernd freie Teilchen (man
der gegenteiligen Situation jedoch – grö­
in der Farbenlehre jedes Pigment eine von
spricht von »asymptotischer Freiheit«) –
ßeren Abständen und kleineren Ener­
drei Grundfarben trägt. Die Summe dreier
eine weitreichende Erkenntnis, für die erst
gien – wächst die Kopplung der starken
verschiedener QCD-Ladungen ergibt Null,
im Jahr 2004 der Nobelpreis für Physik an
Wechselwirkung immer weiter an. Die
einen neutralen Wert also, oder – um in
David Gross, Hugh David Politzer und
entsprechenden Energien sind viel grö­
der Analogie zu bleiben – die Farbe Weiß.
Frank Wilczek verliehen wurde.
ßer als die Up- und Down-Quark-Massen,
52
Oktober 2010
Quark-Antiquark-Paare
die
Sterne und Weltraum
Fermionen, Spin 1/2
Austauschbosonen sind ganz ähnliche
Phänomene, doch hat der Zerfall keine
elektrische
Ladung
+2/3
welt.
Die »Kraftfelder« spielen also eine viel
allgemeinere Rolle als die klassischen
1. Familie
»Kräfte«, und ihre »Anregungen« sind
selbstständige Teilchen. Umgekehrt
2. Familie
werden etwa Elektronen als Anregungen
des zugehörigen Feldes angesehen. Der
wesentliche Unterschied besteht in ihrem
3. Familie
Teilchen mit halbzahligem Spin werden als
Fermionen bezeichnet und verhalten sich
oft ganz anders als Bosonen. Beide sind
jedoch angeregte Zustände der jeweiligen
Quantenfelder. Die Quantenfeldtheorie
ist eine unausweichliche Konsequenz der
fundamentale Kräfte
rieteilchen« (zum Beispiel Elektronen).
e
d
c
Charm
Elektron
s
t
Myon
b
elektrische
Ladung
0
ne
nm
Myon-Neutrino
t
Bottom
-1
Elektron-Neutrino
m
Strange
Top
elektrische
Ladung
–
Down
Tauon
nt
Tau-Neutrino
Gravitation (Schwerkraft)
W+ W– Z0
W- und Z-Bosonen
Photon
8 Gluonen
Vermählung der Relativitätstheorie, in
elektrische
Ladung
-1/3
u
Up
Spin, ihrem inneren Drehimpuls: 1 für
Austauschbosonen und V für »Mate­
Leptonen
Quarks
Entsprechung außerhalb der Quanten­
Exzellenzcluster Universe/Ulrike Ollinger/ SuW-Grafik
Neutrons. Streuung und Zerfall mittels
schwache Kraft
elektromagnetische Kraft
starke Kraft
der Raum und Zeit eine einheitliche Rolle
spielen, mit der Quantenmechanik, in der
lich kennen wir die Quarks, die einerseits
wechselwirken die Neutrinos nur mit
Raum und Zeit unterschiedlich behandelt
– 1/3 oder + 2/3 der elektrischen Elemen­
der schwachen Kraft und der Gravita­
werden.
tarladung tragen, andererseits aber auch
tion. Die Fermionen der anderen Familien
»Farbladungen«, die sie zusätzlich zur elek­
unterscheiden sich von den Fermionen
teilchen oder Fermionen, je nach den
tromagnetischen Wechselwirkung auch
der ersten lediglich durch ihre größeren
Wechselwirkungen, denen sie unterlie­
der starken Wechselwirkung unterwerfen.
Massen. Die drei Varianten jedes Fermions
gen (siehe Bild rechts). Die ungeladenen
Letztere wird durch masselose Gluonen
bezeichnet man als seine Flavours (eng­
Leptonen oder Neutrinos spüren (neben
vermittelt.
lisch für Geschmacksrichtung oder Duft­
Wir kennen drei Arten von Materie­
der Gravitation) lediglich die schwache
Die Fermionen ordnen sich zu einer
note). Zu jedem geladenen Fermion gibt es
Wechselwirkung. Die geladenen Leptonen
Art Periodensystem aus drei Familien mit
ein Antifermion mit umgekehrter Ladung,
(Elektron, Myon, Tau-Lepton) tragen eine
zunehmender Masse. Die erste Familie
während wir noch nicht wissen, ob Neu­
negative elektrische Elementarladung und
beinhaltet ein Up- und ein Down-Quark,
trinos ihre eigenen Antiteilchen sind. Wir
unterliegen damit zusätzlich der elektro­
ein Elektron und ein Neutrino. Während
wissen auch nicht, warum es mehr als eine
magnetischen Wechselwirkung. Schließ­
auf die Quarks alle vier Kräfte wirken,
Familie gibt und warum genau drei.
was dazu führt, dass sie im farbneutralen
zu einem attraktiven Prototypen für zu­
Umwandlung eines Up-Quarks in ein
Proton eingesperrt sind.
sätzliche Wechselwirkungen jenseits des
Down-Quark. Da sich hierbei die elek­
Das starke Anwachsen der QCD-Kopp­
Standardmodells. Zu diesen kommen wir
trische Ladung des Quarks ändert, muss
lungskonstanten bei großen Abständen
später noch. Zunächst zurück zu unserer
ein geladenes W-Boson an dem Prozess
erklärt auch, warum die Bindungsener­
Reise zu immer kleineren Abständen hin
beteiligt sein. Dieses W-Boson wandelt
gie des Protons viel größer ist als die
zur elektroschwachen Skala.
auch das Elektron in ein Neutrino um.
Massensumme seiner Quarks. Die QCD
Der Austausch eines elektrisch gela­
liefert damit einen Mechanismus, wie
ó Schwache Wechselwirkung: Blicken
denen Wechselwirkungsteilchens wird
eine Wechselwirkung, oder Dynamik,
wir noch tiefer in das Proton hinein –
auch »geladener Strom« genannt. Dieser
Teilchenmassen erzeugen kann. Fast die
und beschießen eines seiner Up-Quarks
Begriff steht dem Begriff des »neutralen
gesamte Masse der gewöhnlichen Materie
mit einem Elektron (siehe Schritt F auf
Stroms« gegenüber, für den zwei elek­
in unserem Universum geht auf die in­
S. 49 in der Bildfolge »Aufbau der Mate­
trisch neutrale Austauschteilchen, das
nere Bindungsenergie der Protonen und
rie«). Da das Elektron keine QCD-Ladung
Z-Boson und das Photon, verantwortlich
Neutronen zurück und entstammt damit
trägt, kann es nur über ein W-Boson, Z-
sind. Beim »neutralen Strom« bleibt das
der starken Wechselwirkung. Wie wir se­
Boson oder Photon mit dem Up-Quark
Elektron nach der Wechselwirkung ein
hen werden, macht der Mechanismus der
wechselwirken. Die Umwandlung eines
Elektron und wird nicht in ein Neutrino
dynamischen Massenerzeugung die QCD
Protons in ein Neutron entspricht der
umgewandelt.
www.astronomie-heute.de
Oktober 2010
53
Bei größeren Abständen als 10 –18 Me­
(sie unterliegen der schwachen Wechsel­
wechselwirken, erfahren nur sie die Feld­
ter dominiert der neutrale Strom, da der
wirkung),
sowohl
stärke, die im leeren Raum existiert: Sie
Austausch von Photonen langreichweitig
schwach als auch elektromagnetisch
»koppeln ans Vakuum«, wie sich Teilchen­
ist, jener von W- und Z-Bosonen aber kurz­
wechselwirken.
Die Aufhebung (oder »Brechung«) die­
physiker ausdrücken, und erhalten da­
ser Symmetrie bei größeren Abständen
die eigentlich masselosen W- und Z-Boso­
mer weiter bis zu Abständen von 10 –18 Me­
(kleineren Energien) geschieht im Stan­
nen ihre Massen indirekt durch die Kopp­
tern (Schritt G auf S. 49 in der Bildfolge
dardmodell durch den Higgs-Mechanis­
lung ans Vakuum erhalten. Damit sind sie
»Aufbau der Materie«) – was Massen von
mus. Bei dieser »spontanen Symmetrie­
durch die elektroschwache Symmetrie
80 Gigaelektronvolt entspricht – so verhal­
brechung« spielt wieder das Vakuum der
selbst bestimmt.
ten sich geladener und neutraler Strom
Quantenfeldtheorie, also der Zustand
Die Massen der W- und Z-Bosonen wur­
annähernd gleich (siehe Bild unten).
Dieses gleiche Verhalten der beiden
niedrigster Energie aller Quantenfelder,
den exakt gemessen, und viele Einzel­
eine zentrale Rolle. Ganz abgesehen von
heiten dieser gewagten Theorie sind veri­
Wechselwirkungen bei kleinen Abstän­
Vakuumfluktuationen entspricht dieser
fiziert. Jener geheimnisvolle Mechanismus
den stellt eine Symmetrie zwischen den
Zustand nicht zwangsläufig dem Ver­
aber, der auch im Vakuum existiert und
Kopplungen der Photonen, Z-Bosonen
schwinden aller Felder, vielmehr besitzt
die W- und Z-Massen indirekt erzeugt,
und W-Bo­sonen dar, nämlich die Symme­
das Vakuum eine klassische Feldstärke,
bleibt vorläufig im Bereich der Spekula­
trie der elektroschwachen Wechselwir­
die der Masse von W- und Z-Bosonen ent­
tion. Im Standardmodell erzeugt das
kung des Standardmodells. Dabei tragen
spricht. Das Vakuumfeld trägt schwache
Higgs-Feld das benötigte Vakuum. Das
Photonen gar keine Ladung, während Z-
Ladung, und da unter den Austauschteil­
zum Higgs-Feld gehörige Teilchen wurde
Bosonen eine schwache Ladung tragen
chen nur W- und Z-Bosonen schwach
aber bisher nicht gefunden. Ob die elek­
reichweitig.
Nähern wir uns aber dem Up-Quark im­
und
W-Bosonen
durch ihre Masse. Entscheidend ist, dass
troschwache
Symmetriebrechung
nun
durch ein Higgs-Feld oder einen anderen
Die elektroschwache Vereinheitlichung
Mechanismus erzeugt wird, ist die zentra­
le Frage, die bei Abständen von 10 –19 Me­
D
as Bild veranschaulicht die Vereinheitlichung der elektromagnetischen und der
tern (entsprechend Energien an der TeV-
schwachen Kraft auf der Skala 10-18 bis 10-19 Meter, wie sie beispielsweise
Skala) zu klären ist. Dies ist das Hauptziel
beim HERA-Experiment am DESY in Hamburg gemessen wurde. Dabei wird beobach­
der Wissenschaftler am LHC.
tet, wie häufig und in welcher Weise ein Elektron und ein Proton bei bestimmten
Ladung übertragen und dabei das Elektron in ein Neutrino umwandeln – hier spricht
Elektroschwache Symmetrie­
brechung bei 10-19 Metern
man vom »geladenen Strom« (rote Messpunkte). Die elektromagnetische Wechsel­
Von den vielen Mechanismen, welche die
wirkung trägt nur zum »neutralen Strom« (blaue Messpunkte) bei. Bei Abständen,
die kleiner sind als 2 3 10-18 Meter, verhalten sich geladener und neutraler Strom
elektroschwache Symmetrie brechen, ist
annähernd gleich, weshalb man von »elektroschwacher Vereinheitlichung« spricht.
Erweiterung des Standardmodells – mini­
Im Bereich noch kleinerer Skalen (10-32 bis 10-34 Meter) geht es dann um die Verein­
mal in dem Sinne, dass nur ein einziges
heitlichung aller Kräfte.
weiteres Quantenfeld, das Higgs-Feld,
Abständen wechselwirken. Nur die schwache Wechselwirkung kann elektrische
der Higgs-Mechanismus die minimale
eingeführt werden muss. Seine Eigen­
10
10-18
elektroschwachen
10-19 10-32
dabei ein unbestimmter Parameter.
ó Unzulänglichkeiten des Higgs-Modells: Dabei entspricht die Einführung
des Higgs-Felds weniger einer Erklärung
als eher einer Beschreibung der elektro­
schwachen Symmetriebrechung. Dieses
10-34
Modell ähnelt daher ein wenig dem Mo­
Abstand in Metern
dell des Äthers im 19. Jahrhundert: Ein
allumfassendes Feld wird theoretisch ein­
Urknall
starke Kraft
geführt, welches das Gewünschte leistet
elektromagnetische Kraft
Schwerkraft
elektroschwache
Kraft
– hier: eine Symmetrie bricht.
DESY / SuW-Grafik
schwache Kraft
Symmetriebrechung
erzeugt. Die Masse des Higgs-Teilchens ist
Vereinheitlichung
aller vier Naturkräfte
100
Grundzustand genau das Vakuum der
~
~ elektroschwache
und starke
Vereinheitlichung
1000
schwache Kraft
(geladener Strom)
elektroschwache
Vereinheitlichung
Zählrate
105
104
schaften sind dabei so gewählt, dass sein
elektromagnetische Kraft
(neutraler Strom)
106
Allerdings: Obwohl das Higgs-Modell
mit allen experimentellen Befunden im
Einklang steht, wurde das Higgs-Teilchen
selbst bislang nicht gefunden. Es ist ledig­
lich bekannt, dass seine Masse mindestens
54
Oktober 2010
Sterne und Weltraum
115 GeV betragen muss – eine Masse, die
derjenigen von 115 Protonen entspricht.
Aber gibt es eine obere Grenze für die
Higgs-Masse? Um das herauszufinden,
schießen wir in einem Gedankenexperi­
Erweiterungen des Standardmodells
P
hysiker haben zahlreiche Erweiterungen des Standardmodells ersonnen. Viele
von ihnen lassen sich in eine von fünf Kategorien einteilen:
1. Große vereinheitlichte Theorien: Bei Abständen von 10-32 Metern können die
ment zwei W-Bosonen aufeinander – auf
Abstände von 10 –19 Metern (Schritt I auf
starke, die schwache und die elektromagnetische Kraft vereinheitlicht werden. Bei
S.  50 in der Bildfolge »Aufbau der Mate­
diesen kleinen Abständen würden sich die drei Kräfte gleich verhalten. Diesen The­
rie«). Die W-Bosonen treten dabei unterei­
nander in Wechselwirkung, indem sie ein
orien zufolge müssen neue Teilchen existieren – die sogenannten X-Teilchen – mit
Massen, die 1015-mal so groß wären wie diejenige des Protons.
Photon, ein Z-Boson oder ein Higgs-Teil­
2. Erweiterte Higgs-Modelle: Die Brechung der elektroschwachen Symmetrie, aber
chen austauschen. Der Beitrag des Higgs-
auch der Großen Vereinheitlichten Theorien, kann durch verschiedene Higgs-Modelle
Teilchens zum Austausch wächst mit sei­
erzeugt werden. Wie viele Higgs-Teilchen existieren und was für Eigenschaften sie
ner Masse: Für eine Higgs-Masse von 115
haben ist jedoch nicht bekannt. Das Standardmodell selbst enthält nur ein Higgs-
GeV ist der Beitrag des Higgs-Bosons mit
Teilchen.
denjenigen von Z-Boson und Photon noch
3. Supersymmetrie: Die Supersymmetrie ist eine Theorie, die jedem Teilchen ein
vergleichbar. Für Higgs-Massen größer als
supersymmetrisches Partnerteilchen zuordnet. Sie löst das so genannte Hierarchie­
1 TeV wächst der Beitrag des Higgs-Aus­
problem des Higgs-Modells. Viele Physiker glauben, dass deshalb das Higgs-Modell
tauschs so stark an, dass die Wechselwir­
mit der Supersymmetrie einhergehen müsste.
kung der W-Bosonen keine schwache Kraft
4. Technicolor-Theorien: Hier wird eine neue Kraft eingeführt, die – der QCD ähnelnd
mehr ist: Entweder ist das Higgs-Teilchen
also leichter als 1 TeV oder eine neuartige
– bei kleineren Abständen immer schwächer wird. Bei Abständen größer als 10-19
Meter wächst die neue Kraft sehr stark an und bricht die elektroschwache Symme­
Wechselwirkung muss spätestens an der
trie. Es wird kein Higgs-Teilchen benötigt – womit sich auch das Hierarchieproblem
TeV-Skala einsetzen.
erübrigt.
Für Physiker ergibt sich daraus, dass
5. Extradimensionen: Wenn es mehr als drei Raumdimensionen gäbe, würden sich
am CERN mit Sicherheit etwas Neues ent­
die Eigenschaften der Teilchen ändern. Auch in Theorien mit Extradimensionen lässt
deckt werden muss: Entweder das Higgs-
sich die elektroschwache Symmetrie brechen, ohne dass ein Higgs-Teilchen benötigt
Teilchen – oder eine neuartige starke Kraft
wird.
an der TeV-Skala.
Zoomen wir nun zu immer kleineren
Abständen, so erreichen wir die so ge­
Jenseits des Standardmodells
trischen Partner übereinstimmen; ihre
nannte »Skala der großen Vereinheitli­
chung« bei etwa 10 –32 Meter (Schritt J in
Etliche Physiker haben nun viele verschie­
Beiträge zu der Vakuumfluktuation wür­
dene Erweiterungen des Standardmodells
den sich exakt aufheben.
der Bildfolge »Aufbau der Materie«). Hier
ersonnen (siehe den Informationskasten
Allerdings ließ sich bislang experimen­
treten neue, sehr schwere Teilchen mit
oben). Eines der Ziele ist dabei die Lösung
tell zu keinem bekannten Elementarteil­
Massen von 1015 GeV auf. Die­se Teilchen
des Hierarchieproblems. Dabei gibt es zwei
chen das theoretisch postulierte, super­
koppeln an das Higgs-Boson des Standard­
mögliche Wege: Entweder man erweitert
symmetrische
modells und ändern so die Masse des
das Higgs-Modell durch eine zusätzliche
Deshalb kann die Supersymmetrie in der
Higgs-Teilchens. Dies ähnelt der Ab­
Symmetrie (»Supersymmetrie«) oder man
Natur nicht exakt realisiert, sondern muss
standsabhängigkeit der Kopplungskon­
erzeugt die Symmetriebrechung durch
gebrochen sein. Soll jedoch die Supersym­
stanten, jedoch wird im Fall des Higgs-Bo­
einen zum Higgs-Modell alternativen Me­
metrie weiterhin das Hierarchieproblem
sons die Masse nicht um eine, sondern
chanismus.
lösen, so darf die Brechung der Supersym­
um zehn Größenordnungen geändert.
Partnerteilchen
finden.
metrie nicht zu stark sein. Der Unterschied
Auf kürzesten Distanzen von 10 –32 Me­
tern scheinen also W- und Z-Boson viel
ó Supersymmetrie: Die Supersymmetrie
in den Massen der Teilchen und ihrer su­
ist die einzig bekannte Möglichkeit, das
persymmetrischen Partnerteilchen ent­
größere Massen zu haben, als experimen­
Hierarchieproblem des Higgs-Modells zu
spricht dabei gerade der Stärke der
tell gemessen wurde, und der Mechanis­
lösen. Hierbei spielt folgende Erkenntnis
Supersymmetrie­brechung. Die supersym­
mus der elektroschwachen Symmetrie­
eine entscheidende Rolle: Fermionen
metrischen Partnerteilchen des Standard­
brechung scheint an der Skala der großen
(Teilchen mit halbzahligem Spin) und
modells dürften deshalb keine Massen
Vereinheitlichung stattzufinden, nicht an
Bosonen
tragen, die viel größer als 1 TeV wären.
der TeV-Skala. Dass trotz der Vakuumfluk­
Spin) tragen zum Hierarchieproblem mit
tuationen die Massen der W- und Z-Boso­
entgegengesetzten Vorzeichen bei. Die Su­
Partnerteilchen ändern – abermals durch
nen an der TeV-Skala verbleiben, anstatt
persymmetrie ordnet nun jedem Teilchen
den Beitrag von Quantenfluktuationen
zur Skala der großen Vereinheitlichung
ein supersymmetrisches Partnerteilchen
– die Wechselwirkungen des Standard­
getrieben zu werden, dass also die »Hie­
zu. Jedem Fermion steht dabei ein Boson
modells. So ändert sich beispielsweise die
rarchie« dieser Skalen erhalten bleibt,
gegenüber, jedem Boson ein Fermion. Bei
Abstandsabhängigkeit der Kopplungskon­
wird von Physikern als unnatürlich be­
ungebrochener Supersymmetrie müssten
trachtet und mit dem Begriff »Hierarchie­
die Massen und Kopplungskonstanten der
stanten, und bei einem Abstand von 10 –32
Metern wechselwirken alle drei Kräfte
problem« bezeichnet.
Teilchen mit denen ihrer supersymme­
gleich stark. Diese Vereinheitlichung der
www.astronomie-heute.de
(Teilchen
mit
ganzzahligem
Diese
neuen
supersymmetrischen
Oktober 2010
55
Kräfte ist ein großer theoretischer Erfolg
der Supersymmetrie. Aber auch Prozesse,
die im Standardmodell zwar erlaubt, aber
stark unterdrückt sind, erfahren mögli­
cherweise starke Änderungen.
Das NA62-Experiment am CERN
B
eim NA62-Experiment am CERN soll der äußerst selten stattfindende Zerfall
eines elektrisch geladenen Kaons in ein elektrisch geladenes Pion, ein Neutrino
ó Dynamische elektroschwache Sym­
kannte Eigenschaften der Physik jenseits des Standardmodells testen. Das Kaon
metriebrechung: Eine Möglichkeit, das
enthält ein Strange-Quark, das beim Zerfall zwei Neutrinos abstrahlt, seine Masse
Hierarchieproblem zu umgehen, besteht
ändert und damit zum Down-Quark wird. Dieses Down-Quark wird zum Bestand­
darin, die Massen der W- und Z-Bosonen
teil eines neuen Teilchens: des Pions. Das Strange-Quark gleicht dem Down-Quark,
dynamisch, das heißt durch eine neue
ist aber schwerer. Seine ungewöhnlichen Eigenschaften beim Zerfall brachten ihm
Kraft, zu erzeugen – wodurch das HiggsBoson überflüssig werden würde. Zu den
den Titel Strange (englisch für seltsam) ein. Im Standardmodell erwartet man, dass
nur jedes zehnmilliardste (10-10-te) Kaon in ein Pion und ein Neutrino-Paar zerfällt.
gängigen Modellen, die elektroschwache
Eine Abweichung von diesem Wert könnte nur durch Physik jenseits des Standard­
Symmetriebrechung dynamisch zu erklä­
modells erzeugt werden.
ren, zählen die von der QCD inspirierten
Für die Messung dieses Zerfalls werden beim NA62-Experiment große Mengen an
»Technicolor«-Theorien. Wie wir gesehen
Kaonen erzeugt (A), andere erzeugte Teilchen werden in der so genannten Beam-Pipe
haben, können in der QCD allein durch die
(B) herausgefiltert. Der Impuls des elektrisch geladenen Kaons wird vor dem Eintre­
starke Wechselwirkung Massen erzeugt
ten in eine Vakuumkammer gemessen (C) – der Impuls des elektrisch geladenen Pi­
werden. Auch erzeugt die QCD eine spon­
tane Symmetriebrechung, die der Symme­
ons wird in den Teilchendetektoren am Ende der Vakuumkammer bestimmt (D). Nun
ist Vorsicht geboten: Das Kaon zerfällt 109-mal häufiger in ein zweites, elektrisch
triebrechung des Standardmodells ähnelt:
neutrales Pion als in ein Neutrino-Paar (E). Um das Neutrino-Paar vom neutralen
Die starke Wechselwirkung der QCD lässt
Pion zu unterscheiden, wird aus den Impulsen des geladenen Kaons und Pions die
eine Kombination von Quark- und Anti­
relativistische Masse des Neutrino-Paars berechnet. Diese Masse muss sich von der
quark-Feldern einen Wert annehmen, der
des neutralen Pions unterscheiden. Die Experimentalphysiker sprechen davon, dass
dem Vakuum des Standardmodells äh­
sie den Pion-Untergrund abziehen. Dabei gehen sie ähnlich einem Bildhauer vor: Von
nelt. Jedoch ist die Brechung der elektro­
einem Steinblock werden alle ungewünschten Teile – der Untergrund – entfernt, bis
schwachen Symmetrie durch die QCD viel
nur noch die gewünschte Skulptur übrig bleibt: der zu messende Zerfall.
zu schwach: W- und Z-Bosonen wären viel
D
zu leicht. In »Technicolor«-Theorien wird
daher nun eine neue Kraft eingeführt,
A
welche die richtigen Massen für W- und
B
C
π+
K+
Z-Bosonen dynamisch erzeugt. Allerdings
n
Beam-Pipe
lässt sich der gleiche Mechanismus nicht
E
n
verwenden, um auch noch Massen der Fer­
Detektoren
Vakuumtank
mionen zu erzeugen – deshalb müssen die
Exzellenzcluster Universe/Ulrike Ollinger
und ein Antineutrino gemessen werden (siehe Bild unten). Dabei will man unbe­
»Technicolor«-Theorien auf komplizierte
Weise erweitert werden.
das Top-Quark nur sehr schwach an
Dunkle Materie – Wunder an der
elektroschwachen Skala?
Strange- und Down-Quarks koppelt, fin­
An der elektroschwachen Skala wird viel­
Es gibt zwei Möglichkeiten, die Physik bei
det der Zerfall im Standardmodell nur
leicht nicht nur das Standardmodell der
Abständen von 10 –19 Metern zu untersu­
sehr selten statt. Jedoch ist dies nicht für
Teilchenphysik vervollständigt werden:
chen: Entweder man versucht, wie oben
die oben diskutierten Erweiterungen des
Möglicherweise wird auch das Problem
beschrieben, mit hohen Energien neue
Standardmodells der Fall: Das Strange-
der rätselhaften Dunklen Materie gelöst,
schwere Teilchen zu erzeugen, oder aber
Quark würde viel häufiger in das Down-
deren Gravitationswirkung die Entwick­
man untersucht bestimmte Eigenschaften
Quark und die Neutrinos zerfallen, falls
lung der Galaxien und die Dynamik des
leichter Teilchen mit hoher Präzision.
So kann man zählen, wie oft ein Teil­
keine weiteren Annahmen erforderlich
Kosmos bestimmt. Es ist seit langem klar,
dass es sich dabei nicht um »normale«
chen in eine bestimmte Gruppe anderer
sind.
Experimente, die diese oder ähnliche
Teilchen zerfällt: Beispielsweise wie oft
Zerfälle untersuchen, werden gegenwärtig
oder Schwarzer Löcher handeln kann.
ein so genanntes Strange-Quark in ein
in den USA, Japan und der Schweiz durch­
Andererseits kennen wir bisher kein
Down-Quark, ein Neutrino und ein Anti­
geführt. Sie ermöglichen einen anderen,
Teilchen, das als Kandidat in Frage käme.
neutrino zerfällt (siehe oben »Das NA62-
neuen Blick auf die TeV-Skala. In Kombi­
Neutrinos treten nicht mit Photonen in
Experiment«). Im Standardmodell findet
nation mit der direkten Suche nach neuen
Wechselwirkung und erscheinen somit
dieser Prozess erst bei Abständen von
10 –18 Metern statt: Eine Vakuumfluktua­
schweren Teilchen kann man so besser
dunkel, ihre Masse ist aber zu klein, um
zwischen den verschiedenen Erweite­
die gravitative Wirkung der Dunklen
tion, die ein Top-Quark – das schwerste
rungen des Standardmodells unterschei­
Materie im Universum zu erklären. Au­
bekannte Elementarteilchen – beinhaltet,
den.
ßerdem sind Teilchen mit kleinen Mas­
Ein anderer Blickwinkel auf die TeV-Skala
56
Oktober 2010
ist für diesen Zerfall verantwortlich. Da
Materie etwa in Form kompakter Sterne
Sterne und Weltraum
sen ausgeschlossen, da sie durch ihre
der QCD und Neutrinophysik – Themen,
schnelle Diffusionsgeschwindigkeit die
die wir hier nur gestreift haben. Auf dem
Bildung kosmischer Strukturen behin­
Weg zu immer kleineren Abständen be­
dern würden. Was man braucht, ist »Kalte
ziehungsweise immer höheren Energien
Dunkle Materie«, also Teilchen, die im
ist die TeV-Skala ein bisher unerreichter
frühen Universum rechtzeitig langsam
Horizont, an dem sich neue Landschaften
wurden, sodass die Materie schon bald zu
auftun müssen – und wäre es »nur« die
Galaxien klumpen konnte.
Vixen High-Precision
Äquatoriale Montierungen
*Made in Japan
Entdeckung des Higgs-Teilchens. Auch
Es wird seit langem spekuliert, dass
als Kolumbus nach Westen segelte, waren
WIMPs (englisch: Weakly Interacting Mas-
ihm neue Entdeckungen sicher, und wäre
sive Particles – schwach wechselwirkende
es »nur« der Seeweg nach Indien gewesen.
Teilchen mit Masse) diese Rolle spielen
Schon bald werden wir wissen, ob die Rei­
könnten, also Teilchen, die den Neutrinos
se zur TeV-Skala einen neuen Kontinent
ähneln, aber eine weitaus größere Masse
voller neuartiger Phänomene eröffnet.
haben. Wenn die Massen dieser Teilchen
Ob nun die Teilchen der Dunklen Mate­
und die Stärke ihrer Wechselwirkung
rie, das Higgs-Teilchen oder neue starke
etwa der elektroschwachen Skala ent­
sprächen, könnte die Kalte Dunkle Mate­
Wechselwirkungen – die Kräfte und
Teilchen bei Abständen von 10 –19 Metern
rie im Universum ganz einfach erklärt
bergen Geheimnisse, die zu entschlüsseln
werden – ein Sachverhalt, der auch als
die Teilchenphysiker aufgebrochen sind.
»WIMP-Wunder« bekannt ist. Das Wunder
Die legendäre GP2
(Great-Polaris)
Montierung
*GoTo nachrüstbar
Tragkraft: 10,7kg
Art-Nr. 5904
UVP: 469 Euro
Die legendäre
stabile GPD2
(GP-Deluxe)
Montierung
*GoTo nachrüstbar
Tragkraft: 15,6kg
besteht darin, dass aus ganz anderen
Überlegungen heraus erneut die elektro­
Martin Gorbahn
schwache Skala auftaucht.
Ganz konkret stellt man sich vor, dass
erforscht am Exzellenz­
jene supersymmetrischen Teilchen, die
cluster Universe und am
nur
Institute for Advanced
schwach
wechselwirken,
ideale
Art-Nr. 3991
UVP: 1.029 Euro
WIMP-Kandidaten sind. Im besonderen
Study der TU München die
das leichteste der »Neutralinos«, das sind
Welt im Kleinen jenseits
die supersymmetrischen Partnerteilchen
des Standardmodells, die
des Photons, Z-Bosons und Higgs-Teil­
Massen der Teilchen und
chens, käme als Kandidat für die Dunkle
ihre Hierarchie.
Die hochwertige
stabile GoToSXW Montierung
Tragkraft: 13,9kg
Art-Nr. 2502
UVP: 1.789 Euro
Materie in Frage. Solche Teilchen können
am LHC gefunden werden, aber auch in
Georg Raffelt forscht
Experimenten, die direkt nach jenen Teil­
am MPI für Physik und im
chen suchen, welche die Dunkle Materie
Exzellenzcluster Universe
unserer Galaxis ausmachen und die da­
an der Schnittstelle von
her auch jedes Labor auf der Erde durch­
Astroteilchenphysik und
strömen müssten. In diesen Experi­
Kosmologie. Sein beson­
menten sucht man nach extrem seltenen
deres Interesse gilt den Neutrinos und der
Ereignissen, in denen ein WIMP einem
Suche nach den Teilchen der Dunklen Materie.
Die kompromislose
stabile GoToSXD Montierung
Tragkraft: 20,6kg
Art-Nr. 2503
UVP: 2.669 Euro
Atomkern, beispielsweise in einem Ger­
maniumkristall, einen kleinen Rückstoß
versetzt. Weltweit werden zahlreiche sol­
cher Projekte vorangetrieben, sodass Teil­
chen jenseits des Standardmodells, und
insbesondere an der elektroschwachen
Skala, nicht nur am LHC auftauchen
könnten.
Horizont der Quantenwelt
Es steht außer Frage, dass wir die Welt
im Kleinsten mit Hilfe der Quantenfeld­
theorie in vielerlei Hinsicht exzellent
Literaturhinweise
Bartelmann, M.: Dem Dunklen Uni­
versum auf der Spur. In: Sterne und
Weltraum 8/2010, S. 32 – 43.
Brück, J.: Countdown für den Urknall. In:
Sterne und Weltraum 9/2008, S. 48 – 55.
Pössel, M.: Zeitreise zum Anfang des
Alls. In: Spektrum der Wissenschaft
9/2005, S. 15 – 16.
Rau, W.: Auf der Suche nach der Dunk­
len Materie. In: Sterne und Weltraum
1/2005, S. 32 – 42.
Die ultimative GoTo
NEW ATLUXMontierung
Tragkraft: 32,5kg
Art-Nr. 3690
UVP: 5.899 Euro
verstehen, aber es steht ebenso außer
Frage, dass das Standardmodell der
Teilchenphysik unvollständig ist. In den
vergangen Jahren haben sich viele Einzel­
Weblinks zumThema:
www.astronomie-heute.de/
artikel/1044001
heiten geklärt, insbesondere im Bereich
www.astronomie-heute.de
Oktober 2010
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