Welt der Wissenschaft: Astrophysik Spurensuche in der Welt der Quanten Die Bausteine der Materie und ihre Wechselwirkungen werden durch das Standardmodell der Teilchenphysik zwar bis in viele Einzelheiten erklärt, doch fundamentale Fragen bleiben offen. Der »Large Hadron Collider«, der neue europäische Beschleuniger, wird zur Klärung dieser Fragen beitragen. Sein Vorstoß in ganz neue Energiebereiche verspricht den Beginn einer neuen Ära der Teilchenphysik. Von Martin Gorbahn und Georg Raffelt S eit Anfang des Jahres 2010 werden erwarten. Die in der Öffentlichkeit viel dis­ am CERN in Genf Protonen auf kutierte Erzeugung künstlicher Schwarzer Höchstgeschwindigkeit beschleu­ Mini-Löcher gehört dabei eher ins Reich nigt: Die Energie, mit der die Phy­ gewagter, wenn auch anregender Spekula­ Genf wird Elementarteilchen auf siker sie am Large Hadron Collider (LHC) tionen. Gleichwohl weiß man, dass sich Ei­ Energien beschleunigen, die im zusammenstoßen lassen, übersteigt dieje­ genschaften und Dynamik des Mikrokos­ Kosmos 10-13 Sekunden nach dem nige früherer Teilchenbeschleuniger um mos just an der elektroschwachen Skala Urknall herrschten. Damit wird er ein Vielfaches. Damit ist es zum ersten Mal grundlegend ändern. Deren Untersuchung Strukturen der Materie untersu­ möglich, die Naturkräfte bei einem Ab­ ist damit ein Meilenstein auf dem Weg ins chen, die einem Zehntausendstel stand der wechselwirkenden Elementar­ teilchen von 10 –19 Metern zu untersuchen, Innere der Materie. In Kürze ó Der neue Teilchenbeschleuniger in des Protonenradius entsprechen. ó Mit diesem Vordringen in expe­ was etwa dem zehntausendsten Teil des Die TeV-Skala rimentelles Neuland wollen die Um die Kräfte zu erforschen, die zwi­ Physiker Widersprüche auflösen, Durchmessers eines Protons entspricht. Dieser Abstand spielt in der Teilchen­ die in ihrer Beschreibung des in­ physik als »elektroschwache Skala« eine benötigt man laut der heisenbergschen nersten Aufbaus der Materie nach entscheidende Rolle: Erst, wenn sich zwei Unschärferelation 10 –19 schen den Elementarteilchen wirken, (siehe »Unschärfe­ wie vor bestehen. ó In dem neu erschlossenen Energie­ Meter nahe kom­ relation und Äquivalenz« auf S. 48 – 49) men, beginnen die Eigenschaften zweier umso höhere Energien, je kleiner die zu bereich wird vielleicht nicht nur Naturkräfte zu verschmelzen – die elek­ untersuchenden Abstände sind. Die elek­ das »Standardmodell der Teilchen­ tromagnetische und die »schwache« Kraft troschwache Skala entspricht dabei einer physik« vervollständigt werden – verhalten sich dann annähernd gleich (sie­ möglicherweise wird auch das Rät­ he Grafik auf S. 54). Deshalb spricht man Energie von rund 1 Teraelektronvolt (TeV oder 1012 eV), etwa dem Tausendfachen sel der Dunklen Materie gelöst. hier von der »elektroschwachen Verein­ der Ruhemasse des Protons. Ungefähr heitlichung« an der »elektroschwachen 10 –13 Sekunden nach dem Urknall kühlte Skala«. Zentrale Eigenschaften des derzei­ die heiße Frühphase des Universums auf tigen Standardmodells der Teilchenphysik Temperaturen ab, die der Energie von (kurz »Standardmodell«) lassen sich bei 1 TeV entsprechen. Die Naturgesetze, die diesen kleinsten Abständen erforschen, bei immer höheren Energien und damit und neuartige Phänomene sind hier zu kleineren Abständen gelten, bestimmten 46 Oktober 2010 Teilchen bis auf Sterne und Weltraum Die Physiker am CERN bei Genf erhoffen sich vom neuen Beschleuniger die Erzeugung und den Nachweis des Higgs-TeilATLAS / CERN chens, das bisher nur theoretisch erschlossen wurde. Unser Bild zeigt die Simulation eines solchen Ereignisses im ATLAS-Detektor am Large Hadron Collider. www.astronomie-heute.de Oktober 2010 47 Unschärferelation und Äquivalenz von Masse und Energie D ie Teilchenphysik ist untrennbar mit der Quantentheorie hohe Impulse und damit hohe Energien, um den Mikrokosmos zu verbunden. Die Unschärferelation ist ein quantenphysika­ erforschen, weshalb Teilchenphysik oft mit Hochenergiephysik lisches Gesetz, das Werner Heisenberg (1901 - 1976) entdeckte – gleichgesetzt wird. Der höchsten Energie eines Teilchenbeschleu­ hier dargestellt in seiner eigenen Handschrift. In ihrer einfachsten nigers entspricht demnach ein kleinster Abstand, der noch räum­ Form besagt die Unschärferelation, dass Ort q und Impuls p eines lich aufgelöst und untersucht werden kann. Eine andere Naturkonstante ist die Vakuumlichtgeschwindigkeit Objekts nicht gleichzeitig exakt bestimmbar sind: c, welche die Rolle der relativistischen Grenzgeschwindigkeit spielt, also der größten Geschwindigkeit, mit der Energie oder Informa­ tion übertragen werden kann. Nach der einsteinschen Beziehung Dieses Naturgesetz ist jedoch wegen der Kleinheit der Naturkon­ stanten –h (»h quer«, das Plancksche Wirkungsquantum h dividiert durch 2 π), nur für Elementarteilchen von praktischer Bedeutung. ist jeder Energie eine ihr äquivalente Masse zugeordnet. Deshalb Um physikalische Gesetze bei kleinen Abständen zu erfor­ schen, benötigt man hohe Impulse der beteiligten Teilchen, denn unterscheiden Teilchenphysiker oft nicht zwischen Masse und wenn die Ortsunschärfe Dq klein sein soll, muss die Unschärfe des Ener­gie und messen beide in den gleichen Einheiten Elektronvolt Impulses Dp und damit der Impuls selbst umso größer sein. Dies (eV), nämlich der Energie, die ein Teilchen mit einer elektrischen ist analog zur Optik, wo die Winkelauflösung eines Mikroskops Elementarladung e nach Durchlaufen der elektrischen Spannung 1 Volt gewinnt. Die Ruhemasse des Protons ist 0,935 GeV/c2 oder oder Teleskops mit der Lichtfrequenz zunimmt. Man benötigt also Vier Kräfte und das Standardmodell metriebeziehungen als Grundlage der weils früheren Zeiten, denn gleich nach dem Urknall kühlte sich die extrem Die Gesetze des Mikrokosmos, die im nen Relativitätstheorie wohl die ab­ heiße »Ursuppe« rapide ab und durch­ Standardmodell zusammengefasst sind, straktesten und zugleich erfolgreichsten lief verschiedene Phasen, in denen die bedürfen also der Erweiterung. Aber theoretischen Gebäude, die je errichtet Gesetze der Mikrophysik bei den jewei­ was versteht man überhaupt unter dem wurden, und wir können hier lediglich ligen Energieskalen den Ton angaben. Die »Standardmodell der Teilchenphysik«? Wo versuchen, einen ersten Einblick in die Physiker erforschen diese Entwicklung liegen seine Stärken, wo seine Grenzen? Zusammenhänge dieses komplizierten in umgekehrter Richtung, indem sie die Wie können Kräfte bei verschiedenen Ab­ Konstrukts zu geben. Auf unserem Weg Struktur der Materie bei immer höheren ständen so unterschiedlich wirken? Und in die Welt des immer Kleineren orientie­ Energien und kleineren Abständen un­ welche Aussagen über den Aufbau der ren wir uns an der unten stehenden Bild­ tersuchen. Die kosmische Asymmetrie Welt erhoffen sich die Physiker von den sequenz »Aufbau der Materie«: Dort ist zwischen Materie und Antimaterie sowie Experimenten am LHC und anderswo? Um diesen Fragen nachzugehen, kom­ unser Weg in zehn Schritten A bis J darge­ die Dunkle Materie sind vermutlich Re­ likte aus jener extrem heißen Frühzeit – men wir nicht umhin, die Quantenwelt stellt. Eine Eigenschaft der Quantenfeldtheo­ beiden verdankt unser Universum seine der Elementarteilchen mit ihren manch­ rie ist von besonderer Bedeutung: Sowohl Existenz, aber das Standardmodell kann mal bizarren Eigenschaften zu erläutern. Materieteilchen als auch deren Wechsel­ beide nicht erklären. Die Quantenfeldtheorie und ihre Sym­ wirkungen sind Quantenfelder. Teilchen­ die Entwicklung des Universums zu je­ Aufbau der Materie A B Teilchenphysik sind neben der Allgemei­ C e– g O D e– e+ p H H e– e+ e+ e– p+ + H e+ e– e– e+ 10-2 Meter 10-9 Meter 10-10 Meter 10-13 Meter Ein Wassertropfen mit 4 mm Durchmesser besteht aus ungefähr 1021 Wassermolekülen. Das Wassermolekül besteht aus einem Sauerstoffatom und zwei Wasserstoffatomen. Das Wasserstoffatom besteht aus einem Elektron (e–) und einem Proton (p+). Die elektromagnetische Wechselwirkung wird durch das Photon (γ) ausgetauscht. Vakuumfluktuationen von Elektronen und Positronen schirmen die Ladung des Protons nach außen hin ab. 48 Oktober 2010 Sterne und Weltraum stante beschrieben. Es existieren drei Kopplungskonstanten – jeweils eine für die elektromagnetische, die starke und die eben einfach 0,935 GeV (wobei 1 GeV = 109 eV ist und c = 1 gesetzt wird). Die Ruhemasse schwache Kraft. Der Wert der Kopplungs­ des Elektrons beträgt in dieser Ausdrucksweise 0,511 MeV (1 MeV = 106 eV), das heißt die konstanten hängt vom Abstand (und Masse des Protons ist rund 2000-mal größer als die Masse des Elektrons. damit auch von der Energie) ab, bei dem Eine wichtige Folge der Unschärferelation ist, dass die Reichweite einer Kraft um­ die entsprechenden Wechselwirkungen gekehrt proportional zur Masse jenes Teilchens ist, das dem Kraftfeld entspricht. Die stattfinden (siehe »Teilchen, Kräfte, Quan­ elektrische Kraft hat eine unendliche Reichweite, weil das Photon exakt masselos ist, tenfelder«, S. 52 f.). während die »schwache Kraft« gar nicht schwach ist, sondern nur kurzreichweitig, denn Weitere ungelöste Fragen beschert uns die Massen der Z- und W-Bosonen entsprechen fast der hundertfachen Protonenmasse. Die volle Bedeutung der Unschärferelation kommt zum Tragen, wenn die Regeln der die Gravitation: Diese vierte »Naturkraft« Quantenphysik mit denen der Relativitätstheorie vereinigt werden. Die Unschärferela­ ma des Standardmodells einbinden. Sie tion betrifft dann allgemeinere Größen. Beispielsweise lassen sich die elektrische und wirkt nicht auf Ladungen, sondern auf die magnetische Feldstärke nicht gleichzeitig exakt bestimmen und können damit auch Masse, und Energie und ist stets anzie­ nicht gleichzeitig verschwinden. Selbst der »leere Raum« enthält also elektromagnetische hend. Dadurch summiert sich ihr Einfluss, »Vakuumfluktuationen« und damit Energie, die nach Einstein die Raumzeit krümmt. Der weshalb sie trotz ihrer geringen Stärke auf Zusammenhang mit der Dunklen Energie, die zur beschleunigten Expan­sion des Uni­ kosmischen Skalen maßgebend ist. lässt sich bisher einfach nicht in das Sche­ versums führt, ist bis heute nicht geklärt – dies ist ein Beispiel für die Schwierigkeit, die Reise zur elektroschwachen Skala Quantenfeldtheorie als Grundlage der Teilchenphysik mit der Allgemeinen Relativitäts­ theorie als Grundlage der Gravitationsphysik unter einen Hut zu bringen. Die vier verschiedenen Wechselwirkungen sind also auf verschiedenen Abstandsska­ len bestimmend. Dass die elektroma­ Teilchen, obwohl sie eigentlich Quanten­ ó Die schwache Kraft wirkt bei Abständen, kleiner als 10 –18 Meter – dem tausendsten felder meinen. Die Kräfte zwischen Mate­ Teil des Protondurchmessers – und ist für oft keine Rolle spielt, liegt daran, dass rieteilchen werden durch den Austausch den Beta-Zerfall der Kerne verantwort­ normale Materie elektrisch neutral ist, da von Wechselwirkungsteilchen übertragen lich; ihre Austauschteilchen sind die W- sich die Wirkung positiver und negativer (siehe dazu »Teilchen, Kräfte, Quanten­ Bosonen und Z-Bosonen (Schritt G bis I im Ladungen buchstäblich neutralisiert. felder« auf S. 52 f.). Das Standardmodell »Aufbau der Materie«). physiker sprechen – etwas salopp – von gnetische Wechselwirkung im Großen Wie wir sehen werden, neutralisiert beinhaltet drei Kräfte: sich auch die starke Wechselwirkung, die ó Die elektromagnetische Kraft wirkt Die Austauschteilchen koppeln jeweils an beispielsweise Quarks zu Protonen und auf atomaren Abständen und bindet das die Ladungen der Materieteilchen. Dabei Neutronen bindet, auf größeren Abstän­ Elektron und das Proton zum Wasserstoff­ können Materieteilchen unterschiedliche den, obwohl ihre Austauschteilchen, die atom; ihr Austauschteilchen ist das elektrische, schwache oder auch starke Gluonen, masselos sind. Die schwache Photon. (Schritt A bis C im »Aufbau der Ladungen tragen: So haben Elektronen Materie«) nur eine elektrische und eine schwache ó Die starke Kraft wirkt auf Kernabstän­ Ladung, Quarks dagegen haben auch eine Diese Bildfolge illustriert in zehn Schritten den und bindet drei Quarks zu einem Pro­ starke. Wie stark die Austauschteilchen an den »Aufbau der Materie« von der ton; ihre Austauschteilchen sind die Glu­ die entsprechenden Ladungen ankoppeln, makroskopischen Skala bis hinab zur onen. (Schritt E im »Aufbau der Materie«) wird durch die jeweilige Kopplungskon­ vermuteten Vereinigung aller Kräfte. u g e– F g g g e– g gγ u g n G H e– u W g V W g d V V V u g d V V 10-16 Meter 10-17 Meter 10-18 Meter 10-19 Meter Das Proton besteht aus zwei Up-Quarks (u) und einem Down-Quark (d). Die Bindungsenergie der Gluonen (g) liefert den größten Beitrag zur Protonmasse. Der Austausch des neutralen Photons bestimmt die Wechselwirkung von Elektron und Up-Quark. Die Wechselwirkung des geladenen W-Bosons (W) wird immer wichtiger. Dabei entspricht der Abstand von 10-18 Metern ungefähr der Masse des W-Bosons. Das W-Boson koppelt mit seiner schwachen Ladung ans Vakuum (V) und erhält so seine Masse. www.astronomie-heute.de Oktober 2010 Exzellenzcluster Universe/Ulrike Ollinger E 49 Drei Farben addieren sich zur Farbe Weiß. vom Elektron ausgestrahlte Photon im­ Dieses Bild liefert eine Analogie dafür, dass mer stärker an das Proton. Da die Masse ein im Sinne der Quantenchromodynamik des Elektrons genau diesem Abstand ent­ neutrales Proton aus drei Quarks mit spricht, kommt hier eine weitere Eigen­ unterschiedlicher QCD-Ladung (Farbladung) schaft der Quantenfeldtheorie zum Tra­ besteht. gen: Bei diesen Abständen entstehen und vergehen ständig Paare von Elektronen und Positronen, also den Antiteilchen der Elektronen. Da diese Teilchenpaare aus SuW-Grafik dem leeren Raum entstehen, spricht man auch von Vakuumfluktuationen. Die Teil­ chenpaare umgeben das Proton, wobei die positiven Ladungen etwas abgestoßen, die Wechselwirkung hingegen hat die beson­ Quantenfeldtheorie warum negativen Ladungen etwas angezogen dere Eigenschaft, dass ihre Austauschteil­ Kräfte bei verschiedenen Abständen un­ werden. Durch diese »Polarisierung des chen, die W- und Z-Bosonen, große Massen terschiedlich wirken und welche neuen Vakuums« wird die ursprüngliche Ladung haben und hierdurch die Reichweite der Phänomene an der elektroschwachen Ska­ des Protons teilweise nach außen hin ab­ Kraft eingeschränkt ist. la, also bei Teraelektronvolt-Energien und geschirmt. entstehen, tet den Teilchenphysikern großes Kopfzer­ den entsprechenden Abständen von 10 –19 Metern auftreten mögen, begeben wir uns Teilchenpaaren, so steigt die Stärke der brechen, denn grundsätzlich, das heißt auf eine Reise ins Innere der Quantenwelt elektromagnetischen »Austauschwechsel­ ohne die Mitwirkung eines zusätzlichen zu immer kleineren Abständen. wirkung« umso mehr an, je näher wir dem Die große Masse dieser Bosonen berei­ Mechanismus, sind Austauschteilchen Durchdringen wir nun diese Wolke von Proton kommen. Bei noch kleineren Ab­ des Amasselos. Eine minimale Erweiterung B ó Elektromagnetische C Wechselwirkung: ständen D tragen auch +Paare von Quarks führt zur Annahme des Higgs-Teilchens also bei ungefähr 10 –10 Metern (Schritt g elektrischen +Ladung bei – unde–damit zum Standardmodells zur Lösung des Problems e Beginnen wir bei atomaren Abständen, – (oder kurz »Higgs«), das bisher allerdings O C in der Bildfolge »Aufbau der Materie«), p+ H H das Wasserstoffatom. Es nicht gefunden wurde. Der LHC wird in und betrachten den hier maßgeblichen Energiebereich vorstoßen (Schritt I in der Bildfolge »Auf­ ist ein elektrisch neutraler, gebundener H e und Antiquarks zur der e– Abschirmung e+ Anwachsen e – eder elektromagnetischen Kopplungskonstantenpbei kleinen Abstän­ + den. e+ Zustand aus einem positiv geladenen e– e– e bau der Materie«) und möglicherweise Proton und einem negativ geladenen ó Starke Wechselwirkung: Vergrößern + den entscheidenden Hinweis auf die Exi­ Elektron. Seine Masse ist die Summe aus wir erneut tausendfach (Schritt E in der stenz des Higgs-Teilchens erbringen – -2 -9 Proton- und Elektronmasse, abzüglich des -10 könnte aber auch ganz andere, sogar noch Massenäquivalents der Bindungsenergie. Bildfolge »Aufbau der Materie«). Erst bei 10-13 Meter 10 –16 Metern wird die innere Struktur Zoomen wir nun tausendfach näher an Bindungsenergie (beziehungsweise deren das Proton heran (Schritt D). Bei Abstän­ den kleiner als 10 –13 Meter koppelt das Massenäquivalent) dagegen den größten 10 Meter 10 Meter 10 Meter Das man­ Wassermolekül Ein Wassertropfen mit 4 mmliefern. So Das Wasserstoffatom besteht Vakuumfluktuationen von aus zwei des Protons sichtbar: Es besteht Dabei besteht trägt die Bindungsenergie über die spannendere Lösungen aus einem Sauerstoffatom Durchmesser besteht aus aus einem Elektron (e–) und Elektronen und Positronen Up-Quarks und einem Down-Quark. einsteinsche Äquivalenz von Energie und cher Teilchenphysiker hofft, das undHiggs zwei Wasserstoffatomen. ungefähr 1021 Wassermolekülen. einem Proton (p+). Die elektroschirmen die Ladung des Protons Quarks MilliardstelWechselwirkung zur Ge­ Die Massen möge nicht auftauchen und es komme Masse nur rund 13 magnetische nachder außen hin ab.liefern aber nur wird durch dasbei. Photon (γ) einen Bruchteil der Protonmasse, die stattdessen zu unerwarteten Entde­ samtmasse des Wasserstoffatoms ausgetauscht. ckungen jenseits des Standardmodells! Aber eins nach dem anderen. Um besser zu verstehen, wie Teilchenmassen in einer Aufbau der Materie, Fortsetzung I J Z W W H X W H X 50 H X c c 10-19 Meter 10-32 Meter W-Bosonen wechselwirken, indem sie ein Photon, ein Z-Boson oder ein Higgs-Teilchen (H) austauschen. Für Higgs-Massen größer als 1 TeV wäre die Wechselwirkung der W-Bosonen keine schwache Kraft mehr. Vakuumfluktuationen von Wechselwirkungsteilchen (X) der Großen Vereinheitlichten Theorien ändern die Masse des Higgs-Bosons um 10 Größenordnungen. Supersymmetrische Partnerteilchen (χ) würden diese Massenänderung aufheben. Oktober 2010 Exzellenzcluster Universe/Ulrike Ollinger W c c X W Teil. Um zu erklären, woher die große Bin­ Sterne und Weltraum Aktuelle Neuerscheinungen und Empfehlungen Astrophysik Aktuell ▼ ▼ www.science-shop.de Hrsg. von A. Burkert, H. Lesch, H. Hetznecker und N. Heckmann Comins Astronomie – endlich auf deutsch Neu! 1.Aufl. 2010, 232 S. 57 Abb. in Farbe., kart. u (D) 19,95 / u (A) 20,50 / CHF 27,– Bestell-Nr. 3146 1. Aufl. 2008, 124 S., 43 Abb., kart. u (D) 15,– / u (A) 15,42 / CHF 23,50 Bestell-Nr. 2593 Neu! Achim Weiß Sterne Adalbert Pauldrach Dunkle kosmische Energie Das Universum expandiert beschleunigt! Maßgebend daran beteiligt, scheint eine noch unbekannte „Dunkle Energie“ zu sein. Adalbert Pauldrach erläutert in diesem Astrophysik-aktuell-Band, welche wesentlichen Puzzlesteine in unserem Bild vom Universum zu legen sind, um die Signaturen einer Dunklen kosmischen Energie zu erkennen. Dabei öffnet sich für den Leser ein spannender Werkzeugkasten der Astrophysik, in dem numerische Simulationen, Lichtkurven und Spektraldiagnostik bereitgestellt werden, um dem Rätsel der „Dunklen Energie“ auf die Spur zu kommen. Sterne sind die Elementküchen des Kosmos, und in ihrem Licht – genauer: anhand ihrer Strahlungsspektren – lassen sich die chemischen Elemente identifizieren, die in einem Stern vorhanden sind. Zusätzlich bietet die Helligkeit wichtige Hinweise auf die Entfernung und die Leuchtkraft, und schließlich kann man aus den verschiedenen Beobachtungsbefunden an unzähligen Sternen und verschiedenen Sterntypen auch die Entwicklungsgeschichte ganzer Galaxien und des Universums ableiten. 1. Aufl. 2008, 160 S., 49 Abb., kart. u (D) 14,95 / u (A) 15,37 / CHF 23,50 Bestell-Nr. 2699 Neu! 1.Aufl. 2010, 206 S., 60 Abb. in Farbe, kart. u (D) 16,95 / u (A) 17,42 / CHF 23,– Bestell-Nr. 2921 Andreas Müller Schwarze Löcher Das Buch von Andreas Müller stellt kompakt die aufregende Entdeckungsgeschichte Schwarzer Löcher dar – von den anfänglichen Spekulationen um Schwarze Löcher bis zu gesicherten astronomischen Beobachtungen, die kaum Zweifel an der Existenz Schwarzer Löcher lassen. Dieses Buch deckt alle wichtigen Aspekte des Forschungsgebiets ab: die Eigenschaften Schwarzer Löcher, ihre Wechselwirkung mit Licht und Materie, ihre Beschreibung mit Einsteins Rela-tivitätstheorie, die astronomischen Objekte, die mit ihnen verknüpft sind sowie die modernen Forschungszweige auf diesem spannenden Gebiet. Helmut Hetznecker Kosmologische Strukturbildung Die Frage, wie sich aus der chaotischen Ursuppe des frühen Universums die Sterne und Galaxien bilden konnten, die wir zu Milliarden beobachten, führt die Astronomen zu immer neuen Rätseln. Sie stehen vor der komplexen Aufgabe, die Welteninseln aus Gas, Staub und Dunkler Materie anhand physikalischer Gesetze rechnerisch entstehen zu lassen. Heute erhalten wir großartige Einblicke durch moderne Supercomputer, die den Lauf des Universums im Zeitraffer nachvollziehen – von den Quantenfluktuationen bis zu den Galaxien. 1.Aufl. 2011, 516 S. 520 Abb. in Farbe, geb. u (D) 59,95 / u (A) 61,63 / CHF 80,50 Bestell-Nr. 3105 Neil F. Comins Astronomie Der amerikanische Lehrbuchklassiker für Colllegekurse in Astronomie vermittelt einen Einstieg der besonderen Art: In seiner leicht lesbaren Sprache fast ganz ohne Formeln und mit zahlreichen Astrophotos und Illustrationen ist dieses Lehrbuch didaktisch raffiniert auf das Wesentliche reduziert, das Physikstudierende und angehende Physiklehrer wissen müssen und leicht lernen können; für Schüler und Hobby-astronomen bietet es sich zum autodidaktischen Lernen und Schmökern an – und am Ende bleiben nicht nur die wenigen wirklich wichtigen Formeln aus der Schulphysik nachhaltig im Gedächtnis. Aus dem Inhalt 1. Erkunden des Nachthimmels 2. Gravitation und die Bewegung von Planeten 3. Licht und Teleskope 4. Erde und Mond 5. Die anderen Planeten und ihre Monde 6. Vagabunden des Sonnensystems 7. Die Sonne, unser besonderer, ganz gewöhnlicher Stern 8. Sterne und ihre Eigenschaften 9. Das Leben der Sterne – von der Geburt bis ins mittlere Alter 10. Wie Sterne sterben 11. Die Galaxien 12. Kosmologie 13. Astrobiologie Glossar Inkl. REDSHIFTHimmelsführungen auf Comins-Website Die weiteren Bände: Ralf Klesen, Sternentstehung, Bestell-Nr. 2262, Bernd Lang, Das Sonnensystem, Bestell-Nr. 2328, Helmut Hetznecker, Die Expansionsgeschichte des Universums, Bestell-Nr. 2472 Jetzt bequem bestellen: unter www.science-shop.de www.astronomie-heute.de per E-Mail: [email protected] telefonisch: + 49 6221 9126-841 per Fax: + 49 711 7252-366 per Post: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH Science-Shop • Postfach 810680 • D- 70523 Stuttgart Oktober 2010 51 Teilchen, Kräfte, Quantenfelder D ie Eigenschaften der Elementarteilchen und die zwischen 0,1 TeV besitzen, was ihre Reichweite einschränkt. (Unter einem ihnen wirkenden Kräfte (die Physiker nennen sie auch Boson versteht man ein Teilchen mit ganzzahligem Spin, oder in­ »Wechselwirkungen«) sind untrennbar miteinander verknüpft. nerem Drehimpuls, in Einheiten von h/2π; alle Austauschbosonen Die elektromagnetische, schwache und starke Wechselwirkung haben Spin 1.) Ungefähr bei dem Abstand der elektroschwachen sind jeweils bei unterschiedlichen Abständen von Bedeutung. Sie Skala sind die schwache und die elektromagnetische Kraft ver­ gehorchen ähnlichen Prinzipien: geladene Teilchen ziehen sich an gleichbar (siehe »Die elektroschwache Vereinheitlichung« auf oder stoßen sich ab, wobei die Wechselwirkung durch das zuge­ S. 54). Allerdings erfordert die schwache Wechselwirkung keine hörige (Kraft-) Feld vermittelt wird. elektrische Ladung und wirkt auch auf Neutrinos. Bemerkenswerterweise übertragen die (elektrisch geladenen) Die Physiker des 19. Jahrhunderts erkannten, dass elektrische und magnetische Felder gemeinsam als Elektromagnetismus zu W-Bosonen W+ und W– eine elektrische Elementarladung, sodass verstehen sind und selbstständig als elektromagnetische Wellen die miteinander wechselwirkenden Teilchen ihre Ladung ändern, existieren. An der Schwelle zum 20. Jahrhundert erkannte Max etwa vom Proton zum Neutron oder vom Elektron zum Neutrino. Planck, dass die Anwendung der Thermodynamik auf elektroma­ Dieses Feld überträgt also nicht nur eine Kraft, sondern verändert gnetische Wellen zu einer Quantisierung führt. Diese Quantisie­ auch die Identität der Teilchen. Die folgenden Beispiele zeigen die rung wiederum erklärt, wie Einstein 1905 zeigte, weshalb Atome Streuung von Teilchen mittels schwacher Wechselwirkung (Z- oder elektromagnetische Wellen in diskreten Portionen absorbieren W-Austausch), links ohne, rechts mit Ladungsänderung: oder emittieren. Ein solches Quant, das Photon, trägt die Energie E = hν, wobei h das Plancksche Wirkungsquantum, eine funda­ Elektron mentale Naturkonstante, und ν die Lichtfrequenz ist. selwirkung zweier elektrisch geladener Teilchen als Austausch Elektron Z-Boson Damit wird klar, dass »Kraftfelder« zwischen Teilchen selbst die Rolle von Teilchen spielen. Man interpretiert dann etwa die Wech­ Elektron Proton Neutrino W-Boson Proton Proton Neutron eines Photons zwischen den beiden Teilchen und spricht von einer Noch interessanter ist die Rolle der schwachen Wechselwirkung »Austauschwechselwirkung«. Dabei bezeichnet die Kopplungs­ beim Zerfall des freien Neutrons, das eine mittlere Lebensdauer konstante die Stärke dieser elektromagnetischen Wechselwir- von rund 15 Minuten hat. Alle Teilchen zerfallen in leichtere, falls kung. Diese Wechselwirkung (hier zum Beispiel: die Streuung die Erhaltung von Energie, Drehimpuls, elektrischer Ladung und eines Elektrons an einem Proton) wird in einem »Feynman-Gra­ anderer Quantenzahlen gewährleistet ist. Durch Vermittlung des phen« als Austausch eines Photons dargestellt: W-Bosons zerfällt das Neutron in ein Proton, ein Elektron und ein Elektron Anti-Elektronneutrino: Elektron Anti-Elektronneutrino Photon Proton W-Boson Proton Elektron Neutron Proton Die schwache Wechselwirkung wird in ähnlicher Weise durch den Austausch des neutralen Bosons Z0 und der elektrisch geladenen Die große Masse des W-Bosons (ungefähr hundertmal so groß Bosonen W+ und W– vermittelt, die jedoch Massen von rund wie die Masse des Neutrons) bewirkt die lange Lebensdauer des dungsenergie kommt und wie die Quarks Bei niedrigen Energien treten Quarks Für das Phänomen der asympto­ überhaupt zu einem elektrisch geladenen nur in gebundenen QCD-neutralen Zustän­ tischen Freiheit ist die Abstandsabhän­ Proton gebunden werden können, ist eine den, wie dem Proton, auf. Bei Abständen, gigkeit der QCD entscheidend. Zwar weitere Wechselwirkung notwendig: die in die größer als der Protonenradius sind, ist schirmen, ähnlich wie in der Elektro­ den 1960er Jahren entwickelte Quanten­ dementsprechend die starke Wechselwir­ dynamik, chromodynamik (QCD). Sie ist die Quan­ kung nach außen hin abgeschirmt. Einzel­ starke Wechselwirkung ab, jedoch haben tenfeldtheorie der starken Wechselwir­ ne Quarks können nicht frei existieren, so­ Vakuum­fluktuationen der Gluonenfelder kung. Ihr Name (chromos – griechisch für: dass ihre Interpretation als echte Teilchen den umgekehrten und stärkeren Effekt. Farbe) geht auf eine Analogie zur Farbmi­ einst umstritten war. Sehen wir aber weiter Damit wird die starke Wechselwirkung schung zurück (siehe Bild auf S. 50 oben). in das Proton hinein und untersuchen die bei kleinen Abständen – und damit gro­ Denn die Quarks tragen immer eine von Quarks mit höheren Energien, so verhalten ßen Energien – immer schwächer. Bei drei möglichen QCD-Ladungen – so, wie sie sich wie annähernd freie Teilchen (man der gegenteiligen Situation jedoch – grö­ in der Farbenlehre jedes Pigment eine von spricht von »asymptotischer Freiheit«) – ßeren Abständen und kleineren Ener­ drei Grundfarben trägt. Die Summe dreier eine weitreichende Erkenntnis, für die erst gien – wächst die Kopplung der starken verschiedener QCD-Ladungen ergibt Null, im Jahr 2004 der Nobelpreis für Physik an Wechselwirkung immer weiter an. Die einen neutralen Wert also, oder – um in David Gross, Hugh David Politzer und entsprechenden Energien sind viel grö­ der Analogie zu bleiben – die Farbe Weiß. Frank Wilczek verliehen wurde. ßer als die Up- und Down-Quark-Massen, 52 Oktober 2010 Quark-Antiquark-Paare die Sterne und Weltraum Fermionen, Spin 1/2 Austauschbosonen sind ganz ähnliche Phänomene, doch hat der Zerfall keine elektrische Ladung +2/3 welt. Die »Kraftfelder« spielen also eine viel allgemeinere Rolle als die klassischen 1. Familie »Kräfte«, und ihre »Anregungen« sind selbstständige Teilchen. Umgekehrt 2. Familie werden etwa Elektronen als Anregungen des zugehörigen Feldes angesehen. Der wesentliche Unterschied besteht in ihrem 3. Familie Teilchen mit halbzahligem Spin werden als Fermionen bezeichnet und verhalten sich oft ganz anders als Bosonen. Beide sind jedoch angeregte Zustände der jeweiligen Quantenfelder. Die Quantenfeldtheorie ist eine unausweichliche Konsequenz der fundamentale Kräfte rieteilchen« (zum Beispiel Elektronen). e d c Charm Elektron s t Myon b elektrische Ladung 0 ne nm Myon-Neutrino t Bottom -1 Elektron-Neutrino m Strange Top elektrische Ladung – Down Tauon nt Tau-Neutrino Gravitation (Schwerkraft) W+ W– Z0 W- und Z-Bosonen Photon 8 Gluonen Vermählung der Relativitätstheorie, in elektrische Ladung -1/3 u Up Spin, ihrem inneren Drehimpuls: 1 für Austauschbosonen und V für »Mate­ Leptonen Quarks Entsprechung außerhalb der Quanten­ Exzellenzcluster Universe/Ulrike Ollinger/ SuW-Grafik Neutrons. Streuung und Zerfall mittels schwache Kraft elektromagnetische Kraft starke Kraft der Raum und Zeit eine einheitliche Rolle spielen, mit der Quantenmechanik, in der lich kennen wir die Quarks, die einerseits wechselwirken die Neutrinos nur mit Raum und Zeit unterschiedlich behandelt – 1/3 oder + 2/3 der elektrischen Elemen­ der schwachen Kraft und der Gravita­ werden. tarladung tragen, andererseits aber auch tion. Die Fermionen der anderen Familien »Farbladungen«, die sie zusätzlich zur elek­ unterscheiden sich von den Fermionen teilchen oder Fermionen, je nach den tromagnetischen Wechselwirkung auch der ersten lediglich durch ihre größeren Wechselwirkungen, denen sie unterlie­ der starken Wechselwirkung unterwerfen. Massen. Die drei Varianten jedes Fermions gen (siehe Bild rechts). Die ungeladenen Letztere wird durch masselose Gluonen bezeichnet man als seine Flavours (eng­ Leptonen oder Neutrinos spüren (neben vermittelt. lisch für Geschmacksrichtung oder Duft­ Wir kennen drei Arten von Materie­ der Gravitation) lediglich die schwache Die Fermionen ordnen sich zu einer note). Zu jedem geladenen Fermion gibt es Wechselwirkung. Die geladenen Leptonen Art Periodensystem aus drei Familien mit ein Antifermion mit umgekehrter Ladung, (Elektron, Myon, Tau-Lepton) tragen eine zunehmender Masse. Die erste Familie während wir noch nicht wissen, ob Neu­ negative elektrische Elementarladung und beinhaltet ein Up- und ein Down-Quark, trinos ihre eigenen Antiteilchen sind. Wir unterliegen damit zusätzlich der elektro­ ein Elektron und ein Neutrino. Während wissen auch nicht, warum es mehr als eine magnetischen Wechselwirkung. Schließ­ auf die Quarks alle vier Kräfte wirken, Familie gibt und warum genau drei. was dazu führt, dass sie im farbneutralen zu einem attraktiven Prototypen für zu­ Umwandlung eines Up-Quarks in ein Proton eingesperrt sind. sätzliche Wechselwirkungen jenseits des Down-Quark. Da sich hierbei die elek­ Das starke Anwachsen der QCD-Kopp­ Standardmodells. Zu diesen kommen wir trische Ladung des Quarks ändert, muss lungskonstanten bei großen Abständen später noch. Zunächst zurück zu unserer ein geladenes W-Boson an dem Prozess erklärt auch, warum die Bindungsener­ Reise zu immer kleineren Abständen hin beteiligt sein. Dieses W-Boson wandelt gie des Protons viel größer ist als die zur elektroschwachen Skala. auch das Elektron in ein Neutrino um. Massensumme seiner Quarks. Die QCD Der Austausch eines elektrisch gela­ liefert damit einen Mechanismus, wie ó Schwache Wechselwirkung: Blicken denen Wechselwirkungsteilchens wird eine Wechselwirkung, oder Dynamik, wir noch tiefer in das Proton hinein – auch »geladener Strom« genannt. Dieser Teilchenmassen erzeugen kann. Fast die und beschießen eines seiner Up-Quarks Begriff steht dem Begriff des »neutralen gesamte Masse der gewöhnlichen Materie mit einem Elektron (siehe Schritt F auf Stroms« gegenüber, für den zwei elek­ in unserem Universum geht auf die in­ S. 49 in der Bildfolge »Aufbau der Mate­ trisch neutrale Austauschteilchen, das nere Bindungsenergie der Protonen und rie«). Da das Elektron keine QCD-Ladung Z-Boson und das Photon, verantwortlich Neutronen zurück und entstammt damit trägt, kann es nur über ein W-Boson, Z- sind. Beim »neutralen Strom« bleibt das der starken Wechselwirkung. Wie wir se­ Boson oder Photon mit dem Up-Quark Elektron nach der Wechselwirkung ein hen werden, macht der Mechanismus der wechselwirken. Die Umwandlung eines Elektron und wird nicht in ein Neutrino dynamischen Massenerzeugung die QCD Protons in ein Neutron entspricht der umgewandelt. www.astronomie-heute.de Oktober 2010 53 Bei größeren Abständen als 10 –18 Me­ (sie unterliegen der schwachen Wechsel­ wechselwirken, erfahren nur sie die Feld­ ter dominiert der neutrale Strom, da der wirkung), sowohl stärke, die im leeren Raum existiert: Sie Austausch von Photonen langreichweitig schwach als auch elektromagnetisch »koppeln ans Vakuum«, wie sich Teilchen­ ist, jener von W- und Z-Bosonen aber kurz­ wechselwirken. Die Aufhebung (oder »Brechung«) die­ physiker ausdrücken, und erhalten da­ ser Symmetrie bei größeren Abständen die eigentlich masselosen W- und Z-Boso­ mer weiter bis zu Abständen von 10 –18 Me­ (kleineren Energien) geschieht im Stan­ nen ihre Massen indirekt durch die Kopp­ tern (Schritt G auf S. 49 in der Bildfolge dardmodell durch den Higgs-Mechanis­ lung ans Vakuum erhalten. Damit sind sie »Aufbau der Materie«) – was Massen von mus. Bei dieser »spontanen Symmetrie­ durch die elektroschwache Symmetrie 80 Gigaelektronvolt entspricht – so verhal­ brechung« spielt wieder das Vakuum der selbst bestimmt. ten sich geladener und neutraler Strom Quantenfeldtheorie, also der Zustand Die Massen der W- und Z-Bosonen wur­ annähernd gleich (siehe Bild unten). Dieses gleiche Verhalten der beiden niedrigster Energie aller Quantenfelder, den exakt gemessen, und viele Einzel­ eine zentrale Rolle. Ganz abgesehen von heiten dieser gewagten Theorie sind veri­ Wechselwirkungen bei kleinen Abstän­ Vakuumfluktuationen entspricht dieser fiziert. Jener geheimnisvolle Mechanismus den stellt eine Symmetrie zwischen den Zustand nicht zwangsläufig dem Ver­ aber, der auch im Vakuum existiert und Kopplungen der Photonen, Z-Bosonen schwinden aller Felder, vielmehr besitzt die W- und Z-Massen indirekt erzeugt, und W-Bo­sonen dar, nämlich die Symme­ das Vakuum eine klassische Feldstärke, bleibt vorläufig im Bereich der Spekula­ trie der elektroschwachen Wechselwir­ die der Masse von W- und Z-Bosonen ent­ tion. Im Standardmodell erzeugt das kung des Standardmodells. Dabei tragen spricht. Das Vakuumfeld trägt schwache Higgs-Feld das benötigte Vakuum. Das Photonen gar keine Ladung, während Z- Ladung, und da unter den Austauschteil­ zum Higgs-Feld gehörige Teilchen wurde Bosonen eine schwache Ladung tragen chen nur W- und Z-Bosonen schwach aber bisher nicht gefunden. Ob die elek­ reichweitig. Nähern wir uns aber dem Up-Quark im­ und W-Bosonen durch ihre Masse. Entscheidend ist, dass troschwache Symmetriebrechung nun durch ein Higgs-Feld oder einen anderen Die elektroschwache Vereinheitlichung Mechanismus erzeugt wird, ist die zentra­ le Frage, die bei Abständen von 10 –19 Me­ D as Bild veranschaulicht die Vereinheitlichung der elektromagnetischen und der tern (entsprechend Energien an der TeV- schwachen Kraft auf der Skala 10-18 bis 10-19 Meter, wie sie beispielsweise Skala) zu klären ist. Dies ist das Hauptziel beim HERA-Experiment am DESY in Hamburg gemessen wurde. Dabei wird beobach­ der Wissenschaftler am LHC. tet, wie häufig und in welcher Weise ein Elektron und ein Proton bei bestimmten Ladung übertragen und dabei das Elektron in ein Neutrino umwandeln – hier spricht Elektroschwache Symmetrie­ brechung bei 10-19 Metern man vom »geladenen Strom« (rote Messpunkte). Die elektromagnetische Wechsel­ Von den vielen Mechanismen, welche die wirkung trägt nur zum »neutralen Strom« (blaue Messpunkte) bei. Bei Abständen, die kleiner sind als 2 3 10-18 Meter, verhalten sich geladener und neutraler Strom elektroschwache Symmetrie brechen, ist annähernd gleich, weshalb man von »elektroschwacher Vereinheitlichung« spricht. Erweiterung des Standardmodells – mini­ Im Bereich noch kleinerer Skalen (10-32 bis 10-34 Meter) geht es dann um die Verein­ mal in dem Sinne, dass nur ein einziges heitlichung aller Kräfte. weiteres Quantenfeld, das Higgs-Feld, Abständen wechselwirken. Nur die schwache Wechselwirkung kann elektrische der Higgs-Mechanismus die minimale eingeführt werden muss. Seine Eigen­ 10 10-18 elektroschwachen 10-19 10-32 dabei ein unbestimmter Parameter. ó Unzulänglichkeiten des Higgs-Modells: Dabei entspricht die Einführung des Higgs-Felds weniger einer Erklärung als eher einer Beschreibung der elektro­ schwachen Symmetriebrechung. Dieses 10-34 Modell ähnelt daher ein wenig dem Mo­ Abstand in Metern dell des Äthers im 19. Jahrhundert: Ein allumfassendes Feld wird theoretisch ein­ Urknall starke Kraft geführt, welches das Gewünschte leistet elektromagnetische Kraft Schwerkraft elektroschwache Kraft – hier: eine Symmetrie bricht. DESY / SuW-Grafik schwache Kraft Symmetriebrechung erzeugt. Die Masse des Higgs-Teilchens ist Vereinheitlichung aller vier Naturkräfte 100 Grundzustand genau das Vakuum der ~ ~ elektroschwache und starke Vereinheitlichung 1000 schwache Kraft (geladener Strom) elektroschwache Vereinheitlichung Zählrate 105 104 schaften sind dabei so gewählt, dass sein elektromagnetische Kraft (neutraler Strom) 106 Allerdings: Obwohl das Higgs-Modell mit allen experimentellen Befunden im Einklang steht, wurde das Higgs-Teilchen selbst bislang nicht gefunden. Es ist ledig­ lich bekannt, dass seine Masse mindestens 54 Oktober 2010 Sterne und Weltraum 115 GeV betragen muss – eine Masse, die derjenigen von 115 Protonen entspricht. Aber gibt es eine obere Grenze für die Higgs-Masse? Um das herauszufinden, schießen wir in einem Gedankenexperi­ Erweiterungen des Standardmodells P hysiker haben zahlreiche Erweiterungen des Standardmodells ersonnen. Viele von ihnen lassen sich in eine von fünf Kategorien einteilen: 1. Große vereinheitlichte Theorien: Bei Abständen von 10-32 Metern können die ment zwei W-Bosonen aufeinander – auf Abstände von 10 –19 Metern (Schritt I auf starke, die schwache und die elektromagnetische Kraft vereinheitlicht werden. Bei S. 50 in der Bildfolge »Aufbau der Mate­ diesen kleinen Abständen würden sich die drei Kräfte gleich verhalten. Diesen The­ rie«). Die W-Bosonen treten dabei unterei­ nander in Wechselwirkung, indem sie ein orien zufolge müssen neue Teilchen existieren – die sogenannten X-Teilchen – mit Massen, die 1015-mal so groß wären wie diejenige des Protons. Photon, ein Z-Boson oder ein Higgs-Teil­ 2. Erweiterte Higgs-Modelle: Die Brechung der elektroschwachen Symmetrie, aber chen austauschen. Der Beitrag des Higgs- auch der Großen Vereinheitlichten Theorien, kann durch verschiedene Higgs-Modelle Teilchens zum Austausch wächst mit sei­ erzeugt werden. Wie viele Higgs-Teilchen existieren und was für Eigenschaften sie ner Masse: Für eine Higgs-Masse von 115 haben ist jedoch nicht bekannt. Das Standardmodell selbst enthält nur ein Higgs- GeV ist der Beitrag des Higgs-Bosons mit Teilchen. denjenigen von Z-Boson und Photon noch 3. Supersymmetrie: Die Supersymmetrie ist eine Theorie, die jedem Teilchen ein vergleichbar. Für Higgs-Massen größer als supersymmetrisches Partnerteilchen zuordnet. Sie löst das so genannte Hierarchie­ 1 TeV wächst der Beitrag des Higgs-Aus­ problem des Higgs-Modells. Viele Physiker glauben, dass deshalb das Higgs-Modell tauschs so stark an, dass die Wechselwir­ mit der Supersymmetrie einhergehen müsste. kung der W-Bosonen keine schwache Kraft 4. Technicolor-Theorien: Hier wird eine neue Kraft eingeführt, die – der QCD ähnelnd mehr ist: Entweder ist das Higgs-Teilchen also leichter als 1 TeV oder eine neuartige – bei kleineren Abständen immer schwächer wird. Bei Abständen größer als 10-19 Meter wächst die neue Kraft sehr stark an und bricht die elektroschwache Symme­ Wechselwirkung muss spätestens an der trie. Es wird kein Higgs-Teilchen benötigt – womit sich auch das Hierarchieproblem TeV-Skala einsetzen. erübrigt. Für Physiker ergibt sich daraus, dass 5. Extradimensionen: Wenn es mehr als drei Raumdimensionen gäbe, würden sich am CERN mit Sicherheit etwas Neues ent­ die Eigenschaften der Teilchen ändern. Auch in Theorien mit Extradimensionen lässt deckt werden muss: Entweder das Higgs- sich die elektroschwache Symmetrie brechen, ohne dass ein Higgs-Teilchen benötigt Teilchen – oder eine neuartige starke Kraft wird. an der TeV-Skala. Zoomen wir nun zu immer kleineren Abständen, so erreichen wir die so ge­ Jenseits des Standardmodells trischen Partner übereinstimmen; ihre nannte »Skala der großen Vereinheitli­ chung« bei etwa 10 –32 Meter (Schritt J in Etliche Physiker haben nun viele verschie­ Beiträge zu der Vakuumfluktuation wür­ dene Erweiterungen des Standardmodells den sich exakt aufheben. der Bildfolge »Aufbau der Materie«). Hier ersonnen (siehe den Informationskasten Allerdings ließ sich bislang experimen­ treten neue, sehr schwere Teilchen mit oben). Eines der Ziele ist dabei die Lösung tell zu keinem bekannten Elementarteil­ Massen von 1015 GeV auf. Die­se Teilchen des Hierarchieproblems. Dabei gibt es zwei chen das theoretisch postulierte, super­ koppeln an das Higgs-Boson des Standard­ mögliche Wege: Entweder man erweitert symmetrische modells und ändern so die Masse des das Higgs-Modell durch eine zusätzliche Deshalb kann die Supersymmetrie in der Higgs-Teilchens. Dies ähnelt der Ab­ Symmetrie (»Supersymmetrie«) oder man Natur nicht exakt realisiert, sondern muss standsabhängigkeit der Kopplungskon­ erzeugt die Symmetriebrechung durch gebrochen sein. Soll jedoch die Supersym­ stanten, jedoch wird im Fall des Higgs-Bo­ einen zum Higgs-Modell alternativen Me­ metrie weiterhin das Hierarchieproblem sons die Masse nicht um eine, sondern chanismus. lösen, so darf die Brechung der Supersym­ um zehn Größenordnungen geändert. Partnerteilchen finden. metrie nicht zu stark sein. Der Unterschied Auf kürzesten Distanzen von 10 –32 Me­ tern scheinen also W- und Z-Boson viel ó Supersymmetrie: Die Supersymmetrie in den Massen der Teilchen und ihrer su­ ist die einzig bekannte Möglichkeit, das persymmetrischen Partnerteilchen ent­ größere Massen zu haben, als experimen­ Hierarchieproblem des Higgs-Modells zu spricht dabei gerade der Stärke der tell gemessen wurde, und der Mechanis­ lösen. Hierbei spielt folgende Erkenntnis Supersymmetrie­brechung. Die supersym­ mus der elektroschwachen Symmetrie­ eine entscheidende Rolle: Fermionen metrischen Partnerteilchen des Standard­ brechung scheint an der Skala der großen (Teilchen mit halbzahligem Spin) und modells dürften deshalb keine Massen Vereinheitlichung stattzufinden, nicht an Bosonen tragen, die viel größer als 1 TeV wären. der TeV-Skala. Dass trotz der Vakuumfluk­ Spin) tragen zum Hierarchieproblem mit tuationen die Massen der W- und Z-Boso­ entgegengesetzten Vorzeichen bei. Die Su­ Partnerteilchen ändern – abermals durch nen an der TeV-Skala verbleiben, anstatt persymmetrie ordnet nun jedem Teilchen den Beitrag von Quantenfluktuationen zur Skala der großen Vereinheitlichung ein supersymmetrisches Partnerteilchen – die Wechselwirkungen des Standard­ getrieben zu werden, dass also die »Hie­ zu. Jedem Fermion steht dabei ein Boson modells. So ändert sich beispielsweise die rarchie« dieser Skalen erhalten bleibt, gegenüber, jedem Boson ein Fermion. Bei Abstandsabhängigkeit der Kopplungskon­ wird von Physikern als unnatürlich be­ ungebrochener Supersymmetrie müssten trachtet und mit dem Begriff »Hierarchie­ die Massen und Kopplungskonstanten der stanten, und bei einem Abstand von 10 –32 Metern wechselwirken alle drei Kräfte problem« bezeichnet. Teilchen mit denen ihrer supersymme­ gleich stark. Diese Vereinheitlichung der www.astronomie-heute.de (Teilchen mit ganzzahligem Diese neuen supersymmetrischen Oktober 2010 55 Kräfte ist ein großer theoretischer Erfolg der Supersymmetrie. Aber auch Prozesse, die im Standardmodell zwar erlaubt, aber stark unterdrückt sind, erfahren mögli­ cherweise starke Änderungen. Das NA62-Experiment am CERN B eim NA62-Experiment am CERN soll der äußerst selten stattfindende Zerfall eines elektrisch geladenen Kaons in ein elektrisch geladenes Pion, ein Neutrino ó Dynamische elektroschwache Sym­ kannte Eigenschaften der Physik jenseits des Standardmodells testen. Das Kaon metriebrechung: Eine Möglichkeit, das enthält ein Strange-Quark, das beim Zerfall zwei Neutrinos abstrahlt, seine Masse Hierarchieproblem zu umgehen, besteht ändert und damit zum Down-Quark wird. Dieses Down-Quark wird zum Bestand­ darin, die Massen der W- und Z-Bosonen teil eines neuen Teilchens: des Pions. Das Strange-Quark gleicht dem Down-Quark, dynamisch, das heißt durch eine neue ist aber schwerer. Seine ungewöhnlichen Eigenschaften beim Zerfall brachten ihm Kraft, zu erzeugen – wodurch das HiggsBoson überflüssig werden würde. Zu den den Titel Strange (englisch für seltsam) ein. Im Standardmodell erwartet man, dass nur jedes zehnmilliardste (10-10-te) Kaon in ein Pion und ein Neutrino-Paar zerfällt. gängigen Modellen, die elektroschwache Eine Abweichung von diesem Wert könnte nur durch Physik jenseits des Standard­ Symmetriebrechung dynamisch zu erklä­ modells erzeugt werden. ren, zählen die von der QCD inspirierten Für die Messung dieses Zerfalls werden beim NA62-Experiment große Mengen an »Technicolor«-Theorien. Wie wir gesehen Kaonen erzeugt (A), andere erzeugte Teilchen werden in der so genannten Beam-Pipe haben, können in der QCD allein durch die (B) herausgefiltert. Der Impuls des elektrisch geladenen Kaons wird vor dem Eintre­ starke Wechselwirkung Massen erzeugt ten in eine Vakuumkammer gemessen (C) – der Impuls des elektrisch geladenen Pi­ werden. Auch erzeugt die QCD eine spon­ tane Symmetriebrechung, die der Symme­ ons wird in den Teilchendetektoren am Ende der Vakuumkammer bestimmt (D). Nun ist Vorsicht geboten: Das Kaon zerfällt 109-mal häufiger in ein zweites, elektrisch triebrechung des Standardmodells ähnelt: neutrales Pion als in ein Neutrino-Paar (E). Um das Neutrino-Paar vom neutralen Die starke Wechselwirkung der QCD lässt Pion zu unterscheiden, wird aus den Impulsen des geladenen Kaons und Pions die eine Kombination von Quark- und Anti­ relativistische Masse des Neutrino-Paars berechnet. Diese Masse muss sich von der quark-Feldern einen Wert annehmen, der des neutralen Pions unterscheiden. Die Experimentalphysiker sprechen davon, dass dem Vakuum des Standardmodells äh­ sie den Pion-Untergrund abziehen. Dabei gehen sie ähnlich einem Bildhauer vor: Von nelt. Jedoch ist die Brechung der elektro­ einem Steinblock werden alle ungewünschten Teile – der Untergrund – entfernt, bis schwachen Symmetrie durch die QCD viel nur noch die gewünschte Skulptur übrig bleibt: der zu messende Zerfall. zu schwach: W- und Z-Bosonen wären viel D zu leicht. In »Technicolor«-Theorien wird daher nun eine neue Kraft eingeführt, A welche die richtigen Massen für W- und B C π+ K+ Z-Bosonen dynamisch erzeugt. Allerdings n Beam-Pipe lässt sich der gleiche Mechanismus nicht E n verwenden, um auch noch Massen der Fer­ Detektoren Vakuumtank mionen zu erzeugen – deshalb müssen die Exzellenzcluster Universe/Ulrike Ollinger und ein Antineutrino gemessen werden (siehe Bild unten). Dabei will man unbe­ »Technicolor«-Theorien auf komplizierte Weise erweitert werden. das Top-Quark nur sehr schwach an Dunkle Materie – Wunder an der elektroschwachen Skala? Strange- und Down-Quarks koppelt, fin­ An der elektroschwachen Skala wird viel­ Es gibt zwei Möglichkeiten, die Physik bei det der Zerfall im Standardmodell nur leicht nicht nur das Standardmodell der Abständen von 10 –19 Metern zu untersu­ sehr selten statt. Jedoch ist dies nicht für Teilchenphysik vervollständigt werden: chen: Entweder man versucht, wie oben die oben diskutierten Erweiterungen des Möglicherweise wird auch das Problem beschrieben, mit hohen Energien neue Standardmodells der Fall: Das Strange- der rätselhaften Dunklen Materie gelöst, schwere Teilchen zu erzeugen, oder aber Quark würde viel häufiger in das Down- deren Gravitationswirkung die Entwick­ man untersucht bestimmte Eigenschaften Quark und die Neutrinos zerfallen, falls lung der Galaxien und die Dynamik des leichter Teilchen mit hoher Präzision. So kann man zählen, wie oft ein Teil­ keine weiteren Annahmen erforderlich Kosmos bestimmt. Es ist seit langem klar, dass es sich dabei nicht um »normale« chen in eine bestimmte Gruppe anderer sind. Experimente, die diese oder ähnliche Teilchen zerfällt: Beispielsweise wie oft Zerfälle untersuchen, werden gegenwärtig oder Schwarzer Löcher handeln kann. ein so genanntes Strange-Quark in ein in den USA, Japan und der Schweiz durch­ Andererseits kennen wir bisher kein Down-Quark, ein Neutrino und ein Anti­ geführt. Sie ermöglichen einen anderen, Teilchen, das als Kandidat in Frage käme. neutrino zerfällt (siehe oben »Das NA62- neuen Blick auf die TeV-Skala. In Kombi­ Neutrinos treten nicht mit Photonen in Experiment«). Im Standardmodell findet nation mit der direkten Suche nach neuen Wechselwirkung und erscheinen somit dieser Prozess erst bei Abständen von 10 –18 Metern statt: Eine Vakuumfluktua­ schweren Teilchen kann man so besser dunkel, ihre Masse ist aber zu klein, um zwischen den verschiedenen Erweite­ die gravitative Wirkung der Dunklen tion, die ein Top-Quark – das schwerste rungen des Standardmodells unterschei­ Materie im Universum zu erklären. Au­ bekannte Elementarteilchen – beinhaltet, den. ßerdem sind Teilchen mit kleinen Mas­ Ein anderer Blickwinkel auf die TeV-Skala 56 Oktober 2010 ist für diesen Zerfall verantwortlich. Da Materie etwa in Form kompakter Sterne Sterne und Weltraum sen ausgeschlossen, da sie durch ihre der QCD und Neutrinophysik – Themen, schnelle Diffusionsgeschwindigkeit die die wir hier nur gestreift haben. Auf dem Bildung kosmischer Strukturen behin­ Weg zu immer kleineren Abständen be­ dern würden. Was man braucht, ist »Kalte ziehungsweise immer höheren Energien Dunkle Materie«, also Teilchen, die im ist die TeV-Skala ein bisher unerreichter frühen Universum rechtzeitig langsam Horizont, an dem sich neue Landschaften wurden, sodass die Materie schon bald zu auftun müssen – und wäre es »nur« die Galaxien klumpen konnte. Vixen High-Precision Äquatoriale Montierungen *Made in Japan Entdeckung des Higgs-Teilchens. Auch Es wird seit langem spekuliert, dass als Kolumbus nach Westen segelte, waren WIMPs (englisch: Weakly Interacting Mas- ihm neue Entdeckungen sicher, und wäre sive Particles – schwach wechselwirkende es »nur« der Seeweg nach Indien gewesen. Teilchen mit Masse) diese Rolle spielen Schon bald werden wir wissen, ob die Rei­ könnten, also Teilchen, die den Neutrinos se zur TeV-Skala einen neuen Kontinent ähneln, aber eine weitaus größere Masse voller neuartiger Phänomene eröffnet. haben. Wenn die Massen dieser Teilchen Ob nun die Teilchen der Dunklen Mate­ und die Stärke ihrer Wechselwirkung rie, das Higgs-Teilchen oder neue starke etwa der elektroschwachen Skala ent­ sprächen, könnte die Kalte Dunkle Mate­ Wechselwirkungen – die Kräfte und Teilchen bei Abständen von 10 –19 Metern rie im Universum ganz einfach erklärt bergen Geheimnisse, die zu entschlüsseln werden – ein Sachverhalt, der auch als die Teilchenphysiker aufgebrochen sind. »WIMP-Wunder« bekannt ist. Das Wunder Die legendäre GP2 (Great-Polaris) Montierung *GoTo nachrüstbar Tragkraft: 10,7kg Art-Nr. 5904 UVP: 469 Euro Die legendäre stabile GPD2 (GP-Deluxe) Montierung *GoTo nachrüstbar Tragkraft: 15,6kg besteht darin, dass aus ganz anderen Überlegungen heraus erneut die elektro­ Martin Gorbahn schwache Skala auftaucht. Ganz konkret stellt man sich vor, dass erforscht am Exzellenz­ jene supersymmetrischen Teilchen, die cluster Universe und am nur Institute for Advanced schwach wechselwirken, ideale Art-Nr. 3991 UVP: 1.029 Euro WIMP-Kandidaten sind. Im besonderen Study der TU München die das leichteste der »Neutralinos«, das sind Welt im Kleinen jenseits die supersymmetrischen Partnerteilchen des Standardmodells, die des Photons, Z-Bosons und Higgs-Teil­ Massen der Teilchen und chens, käme als Kandidat für die Dunkle ihre Hierarchie. Die hochwertige stabile GoToSXW Montierung Tragkraft: 13,9kg Art-Nr. 2502 UVP: 1.789 Euro Materie in Frage. Solche Teilchen können am LHC gefunden werden, aber auch in Georg Raffelt forscht Experimenten, die direkt nach jenen Teil­ am MPI für Physik und im chen suchen, welche die Dunkle Materie Exzellenzcluster Universe unserer Galaxis ausmachen und die da­ an der Schnittstelle von her auch jedes Labor auf der Erde durch­ Astroteilchenphysik und strömen müssten. In diesen Experi­ Kosmologie. Sein beson­ menten sucht man nach extrem seltenen deres Interesse gilt den Neutrinos und der Ereignissen, in denen ein WIMP einem Suche nach den Teilchen der Dunklen Materie. Die kompromislose stabile GoToSXD Montierung Tragkraft: 20,6kg Art-Nr. 2503 UVP: 2.669 Euro Atomkern, beispielsweise in einem Ger­ maniumkristall, einen kleinen Rückstoß versetzt. Weltweit werden zahlreiche sol­ cher Projekte vorangetrieben, sodass Teil­ chen jenseits des Standardmodells, und insbesondere an der elektroschwachen Skala, nicht nur am LHC auftauchen könnten. Horizont der Quantenwelt Es steht außer Frage, dass wir die Welt im Kleinsten mit Hilfe der Quantenfeld­ theorie in vielerlei Hinsicht exzellent Literaturhinweise Bartelmann, M.: Dem Dunklen Uni­ versum auf der Spur. In: Sterne und Weltraum 8/2010, S. 32 – 43. Brück, J.: Countdown für den Urknall. In: Sterne und Weltraum 9/2008, S. 48 – 55. Pössel, M.: Zeitreise zum Anfang des Alls. In: Spektrum der Wissenschaft 9/2005, S. 15 – 16. Rau, W.: Auf der Suche nach der Dunk­ len Materie. In: Sterne und Weltraum 1/2005, S. 32 – 42. Die ultimative GoTo NEW ATLUXMontierung Tragkraft: 32,5kg Art-Nr. 3690 UVP: 5.899 Euro verstehen, aber es steht ebenso außer Frage, dass das Standardmodell der Teilchenphysik unvollständig ist. In den vergangen Jahren haben sich viele Einzel­ Weblinks zumThema: www.astronomie-heute.de/ artikel/1044001 heiten geklärt, insbesondere im Bereich www.astronomie-heute.de Oktober 2010 57